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104 über die Entgerbung und Nachgerbung von pflanzlich synthetisch vorgegerbten Crustledern aus Kleintierfellen aus dem Jahre 1972

104 über die Entgerbung und Nachgerbung von pflanzlich synthetisch vorgegerbten Crustledern aus Kleintierfellen aus dem Jahre 1972

Von W. Pauckner

(Aus der Abteilung Forschung und Entwicklung der Westdeutschen Gerberschule, Reutlingen)

Es wird gezeigt, dass die Entgerbung ostindischer vegetabil-vorgegerbter Ziegenleder (Crust) bei konstantem pH-Wert im automatisch gesteuerten Fass sehr große Vorteile in der Gleichmäßigkeit der späteren Chromaufnahme, des Fettgehaltes und anderer chemischer und physikalischer Daten der nach- und neugegerbten Leder ergibt. Es wird besonders der Einfluss der Höhe des Entgerbungs-pH-Wertes auf Lichtechtheit, Flächenausbeute und Blutadrigkeit erörtert.


It is shown that the detanning of East Indian vegetable pretanned goat leather at constant pH in an automatically controlled drum possesses great advantages from the point of view of the uniformity of the subsequent chrome uptake, the fat content and other chemical and physical properties of the retanned and freshly tanned leather. The influence of the magnitude of the pH of detanning on the light fastness, area yield and veininess is specially discussed.


On montre que le detannage de peaux de chèvres des Indes orientales, pretannees au vegetal (Crust) offre, lorsqu'il est realise ä un pH constant dans un foulon ä commande auto-matique, de tres grands avantages sous l'aspect de la regu-larite de l'absorption ulterieure du chrome, de la teneur en graisse ainsi que d'autres donnees chimiques et physiques des cuirs retannes et nouvellement tannes. On explique en particulier l'influence de la valeur elevee du pH sur la solidite ä la lumiere, le rendement en surface et le marquage des veines.


Se indica que la descurticiön de pieles de cabra precurtidas al vegetal procedentes de las Indias Orientales, trabajando a pH constante en bombo regulado automáticamente, ofrece grandes ventajas en cuanto a la regularidad en la ulterior absorción de cromo, contenido en materias grasas y otros datos físicos y químicos del material recurrido o nuevamente curtido. Se discute sobre todo la influencia de la magnitud del valor de pH de la descurticiön sobre la solidez a la luz, rendimiento en superficie y aparición de venas.


Zur Deckung ihres Rohhautbedarfs muss die europäische - und damit auch die deutsche - Lederindustrie heute zu einem erheblichen Anteil Felle einführen, die schon im Ursprungsland, insbesondere Indien, eine Vorgerbung mit pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffen erfahren haben, ohne dass der Käufer weder einen Einfluss auf die Art der verwendeten Gerbmaterialien noch auf die Gerbintensität hätte. Da aber diese Vorbehandlung für verschiedene Lederarten, insbesondere Bekleidungsleder, unbrauchbar ist, ergibt sich zwangsläufig die Frage, ob die ungünstigen Eigenschaften dieser Leder durch Nachbehandlungen verbessert werden können. Da systematische Untersuchungen zu dieser für die Lederindustrie überaus wichtigen Frage in anderen Arbeiten (1-3) nicht vorliegen, sollte in der vorliegenden Arbeit versucht werden, Verfahren zu entwickeln, die die Entgerbung und Nachgerbung solcher pflanzlich - synthetisch gegerbter Leder entscheidend zu verbessern gestatten und damit eine Verbesserung der Lichtechtheit ermöglichen, wobei wir über die letztere schon vor mehreren Jahren berichteten (4). Dabei sollte ein solches Verfahren gerade im Hinblick auf die starken Schwankungen in der Beschaffenheit vorgegerbter ostindischer Leder aus Kleintierfellen ohne Rücksicht auf die Art der verwendeten pflanzlichen und synthetischen Gerbmaterialien zuverlässig wirksam sein.


Um sich ein Bild über das Ausmaß dieser Schwankungen machen zu können, sind in Tabelle 1 sowohl die Grenzen von chemischen als auch die von physikalischen Werten, die für die Verarbeiter von Bedeutung sind, aufgeführt.

Tabelle 1

Dabei ist zu bemerken, dass diese Angaben nicht nur aus Untersuchungen weniger Felle stammen, sondern einmal aus den Analysen der Felle, die für diese Arbeit verwendet wurden, und zweitens aus Unterlagen der Materialprüfanstalt, wobei sich diese Untersuchungen über eine Reihe von Jahren erstrecken und damit die Gewähr geben, dass ein die wirklichen Verhältnisse aufzeigendes Material vorliegt.

Aus der Tabelle läßt sich klar erkennen, dass der Mineralstoffgehalt (Asche) noch verhältnismäßig geringe Schwankungen aufweist, während der Fettgehalt und der organische Auswaschverlust dagegen in sehr weiten Grenzen streuen. Dabei dürfte es sich im Falle des Fettgehaltes nicht um Naturfett, sondern, da die Felle ja nach Gewicht verkauft werden, um eingewalktes Fett handeln, das als Beschwerungsmittel dient.

Abbildung 1

Dasselbe gilt auch für den organischen Auswaschverlust, der nur eingelagerte pflanzlich - synthetische Gerbstoffe darstellt, wodurch diese, da sie nicht gebunden sind, für die Gerbung wertlos sind. Sie können daher ebenfalls nur als ein Mittel für die Gewichtserhöhung aufgefasst werden. Auch der gebundene Gerbstoff und die Gerbintensität, welche durch die Durchgerbungszahl gegeben ist, schwanken in sehr weiten Grenzen. Ein weiterer Punkt, der bei der nachfolgenden Entgerbung einen Ausschlag geben kann, ist der pH-Wert. Man sieht an den Werten, dass auch dieser beträchtliche Unterschiede aufweist. Diese rühren hauptsächlich davon her, inwieweit synthetische Gerbstoffe und saure pflanzliche Gerbstoffe wie Pyrogallolgerbstoffe bei der Gerbung mit eingesetzt werden. Bei der späteren Entgerbung mit alkalischen Stoffen kann bei Crustleder mit sehr niedrigem pH-Wert die Entgerbung aus dem alkalischen Bereich in den sauren Bereich gelangen und an Wirksamkeit verlieren.

Hinsichtlich der physikalischen Werte zeigt Tabelle 1, dass in den Festigkeitseigenschaften wie Zug-, Weiterreiss- und Stichausreissfestigkeit ebenfalls große Streuungen bestehen, was einerseits auf die unterschiedlichen Wasserwerkstattarbeiten, andererseits aber auch auf die unterschiedliche Gerbintensität und die verwendeten Gerbmaterialien zurückzuführen ist. Ein weiterer wichtiger Punkt, der für den Gebrauchswert von Interesse ist, ist die Lichtechtheit. Diese ist bei allen pflanzlich-synthetisch vorgegerbten Fellen, die wir untersucht haben, ungenügend, d. h., sie entspricht in keiner Weise den Anforderungen, die bei der Verwendung als Bekleidungsleder gestellt werden.

Diese in der Tabelle 1 aufgeführten beträchtlichen Schwankungen treten nicht nur in den Fellen der gleichen Partie auf, sondern sie können auch innerhalb eines Felles vorkommen, und sie zeigen damit, dass, um ein einwandfreies Fertigprodukt zu erhalten, eine Arbeitsweise geschaffen werden muss, die alle diese Ungleichmäßigkeiten beseitigt und somit gestattet, eine einheitliche Chromnachgerbung, Färbung und Fettung zu erzielen. Dieser Arbeitsprozess, der dafür die Voraussetzung schafft, ist die Entgerbung, und wir glauben, dass die ganzen Schwierigkeiten, mit denen die Verarbeiter pflanzlich - synthetisch vorgegerbter Kleintierfelle zu kämpfen haben, hauptsächlich auf die Entgerbung zurückzuführen sind, weil diese nach der bisher geübten Arbeitsweise keinen einheitlichen Ausfall innerhalb der Partie, ja sogar innerhalb eines Felles gewährleistet.

Die heute allgemein übliche Entgerbung erfolgt normalerweise so, dass man auf das Auswaschgewicht oder das zwei- bis dreifache Trockengewicht ca. 2% alkalisch reagierende Salze wie Borax, Soda, Natriumsulfit oder Natriumbikarbonat unter Mitverwendung eines Emulgators oder Dispergierungsmittels während 90 Minuten bis zwei Stunden einwirken läßt. Dabei wird ein Teil des gebundenen Gerbstoffes aus seiner Bindung an die Hautsubstanz gelöst und mit dem größten Teil des nicht gebundenen Gerbstoffes aus dem Fell entfernt. Je öfter dieser Prozess wiederholt wird, desto mehr wird entfernt und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei allen Fellen und auch innerhalb eines Felles eine gleichmäßige Entgerbung stattfindet. Wird die Entgerbung aber nur einmal durchgeführt, wie es heute allgemein üblich ist, um die Gefahr einer Alkalischädigung der Faser zu vermeiden, so ist mit Sicherheit anzunehmen, dass ein unterschiedliches Ablösen des Gerbstoffes innerhalb der Partie und innerhalb eines Felles stattfindet, da je nach dem pH-Wert der vorgegerbten Ware die Wirksamkeit des alkalischen Salzes unterschiedlich rasch verbraucht wird und man in pH-Bereiche kommt, in denen keine entgerbende Wirkung mehr gegeben ist. Ein Beispiel hierfür zeigt in Abbildung 1 die Kurve 1. Wir haben bei dieser Arbeitsweise mit 2% Borax, bezogen auf das 2 1/2 fache Trockengewicht, einer Flottenmenge von 300% 35°C und 1% Emulgator eine Entgerbung durchgeführt und während der gesamten Laufzeit den pH-Wert kontrolliert. Anhand der Kurve 1 läßt sich einwandfrei erkennen, dass wohl die Entgerbung in einem pH-Bereich von 9 beginnt, aber schon nach kurzer Zeit ins saure Gebiet, d. h. unter pH = 7 absinkt und nach etwa einer halben Stunde sich bei einem pH-Wert um 5 einspielt. Das bedeutet, dass im günstigsten Fall in den ersten 10 Minuten eine entgerbende Wirkung gegeben ist, wobei diese dazu noch ungleichmäßig sein dürfte. Sie muss ferner ungleichmäßig sein, da die verschiedenen Felle unterschiedlichen pH-Wert aufweisen, unterschiedliche Mengen Fett enthalten, was die angreifende Wirkung des Alkali stört, und z.T. auch unterschiedlich in der Dicke vorliegen, wenn nicht schon am vorgegerbten Leder im Trockenzustand oder am. ausgewaschenen und abgewelkten Fell eine Egalisierung durch Falzen vorgenommen wird. Letzteres dürfte aber meistens nicht der Fall sein. Wird dagegen die Entgerbung während des gesamten Arbeitsablaufes auf einem konstanten pH-Wert gehalten, wie es die Kurven 2 bis 5 in Abbildung 1 zeigen, ist die Gewähr gegeben, dass jedes Fell innerhalb der Entgerbungszeit diesen pH-Wert durch und durch erreicht und damit auch eine gleichmäßige Entfernung der Gerbstoffe bewirkt wird. Außerdem kann nun an Stelle von Borax oder anderen alkalischen Salzen die billigere Soda verwendet werden.

Es ist noch zu bemerken, dass der Entgerbungseffekt selbstverständlich erst richtig wirksam wird, wenn die Entgerbung bei einem konstanten pH-Wert über 7 durchgeführt wird. Trotzdem wird auch bei einem konstanten pH-Wert von 6,5, wie es die Kurve 2 zeigt, die Entgerbung gleichmäßiger sein als bei Anwendung von nur 2% Borax. Für dieses Arbeiten muss natürlich die Voraussetzung gegeben sein: der pH-Wert muss während der Entgerbung ständig kontrolliert und bei Abweichung vom eingestellten pH-Wert muss automatisch Soda (1:10 gelöst) zugegeben werden. Solche Geräte sind heute schon in vielen Betrieben im Einsatz, und Herfeld und Mitarbeiter (5) haben in verschiedenen Veröffentlichungen darüber berichtet.

Damit wir einen Überblick über das Ausmaß der Entgerbung bekamen, haben wir die unterschiedlich entgerbten Kleintierfelle wieder einer chemischen und physikalischen Untersuchung unterzogen, um die Veränderungen in den Werten und in den Eigenschaften festzustellen. Die dabei erhaltenen Werte sind aus der Tabelle 2 zu ersehen. Man erkennt daraus deutlich, dass mit zunehmender Stärke der Entgerbung der Mineralstoffgehalt, der Fettgehalt und der organische Auswaschverlust sowohl in den Grenzwerten als auch im absoluten Gehalt wesentlich geringer werden, wobei der letztere bei der stärksten Entgerbung nur noch minimal ist. Der gebundene Gerbstoff nimmt ebenfalls deutlich ab und zeigt im Falle der Entgerbung bei pH 9,5 nur noch ca. 50% des Wertes der vorgegerbten Ware. Außerdem sind die Schwankungen innerhalb der Felle und innerhalb der Partie praktisch fast verschwunden, was man bei der Entgerbung mit 2% Borax ohne exakte pH-Einstellung nicht behaupten kann. Mit der Entfernung des gebundenen Gerbstoffes wird natürlich auch die Durchgerbungszahl stark geändert und immer kleiner, wobei die Grenzen mit zunehmender Entgerbung auch näher zusammenrücken. Der in der Tabelle aufgeführte pH-Wert der einzelnen Entgerbungen stimmt nicht mit dem pH-Wert während des Entgerbungsprozesses überein, da der pH-Wert durch das nach der Entgerbung erfolgte Spülen im Falle der milden Entgerbung angehoben und im Falle der starken Entgerbung gesenkt wird. Trotzdem sind die Unterschiede, die durch diese verschiedenen Entgerbungen hervorgerufen werden, im pH-Wert der Leder noch deutlich zu erkennen.

Einiges wäre noch zum Fettgehalt zu bemerken. Wie aus Tabelle 1 ersichtlich ist, schwankt dieser in beträchtlichen Grenzen. Der Fettgehalt kann natürlich die Entgerbung negativ beeinflussen, indem einerseits die Einwirkung des Entgerbungsrnittels auf die gegerbte Faser verzögert und andererseits ein Teil des Entgerbungsrnittels zur Verseifung und Emulgierung des Fettes verbraucht wird. Dies ist im Fall eines einmaligen Alkaliangebotes natürlich sehr schlecht, da kein Alkali mehr nachgeliefert wird, im Fall eines konstanten pH-Wertes ist es nicht allzu tragisch, da ja jeder Verbrauch erneuert wird. Trotzdem wäre es in allen Fällen günstig, wenn schon von vornherein eine Entfernung des Fettes erfolgen bzw. eine zumindest gleichmäßige Verteilung erreicht würde, da dann manche Schwierigkeiten schon beseitigt wären, die einen negativen Einfluss auf eine sachgemäße Nachgerbung, Färbung und Fettung ausüben können. Wir haben bei unseren früheren Versuchen über die Verbesserung der Lichtechtheit pflanzlich vorgegerbter Leder (4) gesehen, dass durch eine vorausgehende Entfettung mittels Lösungsmittel oder Emulgatoren eine deutliche Verbesserung der Lichtechtheit erreicht wird. Dasselbe wird natürlich bei einem entfetteten Material auch hinsichtlich der Verteilung des Nachgerbstoffs und damit auch des Farbstoffs und der Fettungsmittel eintreten. Selbstverständlich würde das einen zusätzlichen Arbeitsgang und damit eine Verteuerung des Herstellungsprozesses bedeuten. Will man dies vermeiden, so muss zumindest die Entgerbung konstant geführt werden, weil dadurch eine weitgehende Vereinheitlichung im Fettgehalt durch teilweise Herauslösung und gleichmäßigere Verteilung des noch enthaltenen Fettes erfolgt. Dass dies der Fall ist, zeigen auch die Werte des Fettgehaltes in Tabelle 2.

Bei den physikalischen Werten ist keine sehr große Veränderung durch die verschiedenen Entgerbungen festzustellen. Allerdings scheint es so, als würden die Festigkeitswerte durch Entfernung der eingelagerten Stoffe zunächst zunehmen und erst bei der stärksten Entgerbung, bei der eventuell schon ein Angriff auf die Faser stattfindet, abnehmen. Gegenüber der vorgegerbten Ware rücken die Grenzwerte auch dichter zusammen, schwanken jedoch noch deutlich. Eine eindeutige Verbesserung erfährt mit zunehmender Entgerbung die Lichtechtheit, was gleichzeitig wieder eine Bestätigung unserer früheren Arbeiten (4) darstellt, denn die Zunahme der Lichtechtheit beträgt im Falle der Entgerbung bei pH = 9,5 fast drei Stufen des Graumaßstabes.

Durch die Entgerbung ändert sich natürlich auch der Farbton der Leder, mit zunehmender Entgerbung werden die Leder immer dunkler. Um diesen Einfluss auszugleichen, muss nach der Entgerbung eine Bleiche durchgeführt werden. Hier bieten sich drei Möglichkeiten an: die Reduktivbleiche mit Natriumbisulfit, die Oxydativbleiche mit Kaliumpermanganat - Natriumbisulfit und die Chlordioxidbleiche, die ebenfalls eine Oxydativbleiche darstellt. Die schonendste und auch die einfachste Methode ist die Behandlung mit Natriumbisulfit. Sie wirkt allerdings nicht so aufhellend wie die beiden anderen Methoden, aber bei Braun- oder stark abgetrübten Tönen sowie auch bei kräftigen Bunttönen kann sie ohne weiteres angewandt werden, obwohl einschränkend gesagt werden muss, dass erfahrungsgemäß diese Reduktivbleiche durch den Luftsauerstoff mindestens teilweise wieder rückgängig gemacht wird und damit die Bleichwirkung mit der Zeit verlorengeht.

Tabelle 2

Bei stärkeren Entgerbungen, d. h. bei Entgerbungen über pH = 8,0 oder bei mehrmaliger Wiederholung mit bestimmten Prozentmengen an alkalischen Salzen muss bzw. sollte die Einsatzmenge erhöht werden, um eine genügende Aufhellung zu erreichen. Für Pastelltöne dagegen sind die beiden anderen Verfahren im Aufhellungsgrad günstiger und beständiger, d. h., sie geben eine bessere und eine bleibendere Bleichwirkung. Es wäre noch zu erwähnen, dass die Chlordioxidbleiche nur im stark sauren Medium durchgeführt werden und daher erst im Pickelbad erfolgen kann. Wir selbst haben bei unseren Versuchen die Reduktivbleiche mit Natriumbisulfit angewandt, wobei wir mit einer Flotte von 200% von 35 °C, 2% Natriumbisulfit und einer Zeitdauer von 90 Minuten arbeiteten. Die Prozentangaben bezogen sich wieder auf das 2 1/2 fache Trockengewicht der Leder.

Da durch die Entgerbung, insbesondere bei pH-Werten, die über 7 liegen, eine anionische Ladung der Leder vorliegt, muss vor der Chromgerbung eine Sauerstellung der Leder durch eine Pickelung vorgenommen werden. Wir haben auch hierüber zahlreiche Versuche unternommen und dabei festgestellt, dass der pH-Wert bei diesem Sauerstellen unbedingt zwischen 3 und 3,5 liegen sollte, um ein möglichst tiefes und gleichmäßiges Eindringen der nachfolgenden Chromgerbstoffe zu ermöglichen. Wird beim Pickel nicht dieser pH-Wert erreicht, so fällt der Chromgerbstoff zu rasch und zu ungleichmäßig an, so dass eine wolkige Färbung und eine ungleichmäßige Fettung entsteht. Bei der Pickelung ist ein Salzzusatz nicht unbedingt erforderlich, da durch die noch vorhandene pflanzlich-synthetische Gerbung eine Schwellung verhindert wird. Sollte allerdings die Entgerbung verhältnismäßig intensiv durchgeführt worden sein, was bei mehrmaliger Wiederholung oder bei konstanten, hohen pH-Werten der Fall ist, kann ein Salzzusatz in Mengen zwischen 3 und 5% auf die Flotte nicht schaden. Wir haben bei allen Versuchen eine Pickelung auf einen pH-Wert von 3,5 mit Ameisensäure (1:10 verdünnt) durchgeführt. Die Flottenmenge betrug 50% und die Temperatur 25° C. Die Einstellung des pH-Wertes erfolgte auch hier nicht mit einer bestimmten Prozentmenge an Säure, sondern wieder mittels automatischer pH-Messung und Dosierung, wodurch der pH-Wert der Pickelflotte über eine Zeit von 60 Minuten zuverlässig konstant gehalten wurde und damit die Gewähr gegeben war, dass alle Felle diese Sauerstellung einheitlich erhielten. Anschließend wurde die Flotte abgelassen und im frischen Bad die Chromierung durchgeführt.

Die Chromnachgerbung wurde nach dem Ungelöstverfahren durchgeführt. Dazu wurden den Ledern in einer Flotte von 80% 10% Chromgerbstoff mit 26% Cr203 und mit 33% Basizität in Pulverform angeboten und nach einer halben Stunde mit Soda auf einen pH-Wert von 3,8 abgestumpft. Dabei wurde dieser pH-Wert wieder durch Zudosierung von Soda über die weitere Dauer der Chromgerbung konstant gehalten. Nach einer Stunde Laufzeit wurde zusätzlich eine Temperaturerhöhung auf 40° C vorgenommen, um ein besseres Auszehren des Chrombades zu erhalten. Nach 4 Stunden wurde die Gerbung abgebrochen, und die Leder kamen 48 Stunden auf Bock, um eine Ausfixierung der Gerbung zu erhalten. Anschließend wurde abgewelkt, auf der Narbenseite gefalzt, dann neutralisiert, gefettet, getrocknet und auf der Fleischseite geschliffen.

Die Leder der verschiedenen Entgerbungspartien zeigten nach der Chromgerbung unterschiedliche Farbtöne, sie waren mit zunehmender Entgerbung dunkler und grünstichiger. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Einfluss der pflanzlich-synthetischen Gerbung immer mehr zurückgeht, während der Chromcharakter zunimmt. Weiterhin ist ein deutlicher Unterschied im Griff festzustellen. Mit zunehmender Entgerbung wird der Griff immer weicher, da ja der Einfluss der pflanzlich-synthetischen Gerbung, die ja standig und fest macht, immer mehr verlorengeht. Auch im Schliff lassen sich deutliche Unterschiede erkennen. Durch Entfernung der vorhergehenden Gerbung wird nämlich die Dichte des Fasergefüges vermindert. Damit ergibt die stärkste Entgerbung (pH = 9,5) den gröbsten und langfaserigsten Schliff, was ja allgemein bei der Herstellung von Veloursleder im Falle einer reinen Chromgerbung bekannt ist.

Neben diesen rein äußerlichen Merkmalen zeigen selbstverständlich auch die chemischen und physikalischen Untersuchungen beträchtliche Unterschiede. Wie aus Tabelle 3 zu ersehen ist, steigt mit zunehmender Entgerbung die Chromaufnahme an und ist im Falle der stärksten Entgerbung (pH = 9,5) doppelt so hoch wie bei der Entgerbung mit Borax. Gleichzeitig verringert sich auch deren Schwankungsbereich, was ein Zeichen für eine gleichmäßigere Chromverteilung darstellt. Auch im Fettgehalt sind deutlich erkennbare Unterschiede vorhanden, wobei durch eine zunehmende Entgerbung, insbesondere wenn sie konstant geführt wird, mehr Fett entfernt bzw. verseift wird und die Streuungen in den Grenzen sich immer mehr verringern. Daher ergibt bei einer mengenmäßig gleichen Nachfettung das stärker entgerbte Leder auch einen geringeren Fettgehalt, was sich aber trotzdem nicht nachteilig auf die Weichheit auswirkt. Der Einfluss des noch vorhandenen pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffs macht sich nämlich stärker bemerkbar. Im Falle einer geringeren Entgerbung überwiegen trotz größerer Fettmengen die Festigkeit und Standigkeit auf Grund der noch vorhandenen pflanzlichen Gerbung.

Die Ergebnisse zeigen ferner, dass durch die zunehmende Entgerbung und gleichzeitig durch die stärkere Aufnahme an Chromgerbstoff der organische Auswaschverlust sowohl im Gesamtgehalt als auch in den Grenzen geringer wird, weil eine bessere Fixierung des restlichen pflanzlich-synthetischen Gerbstoffes erfolgt. In den pH-Werten sind im Prinzip keine oder nur unwesentliche Unterschiede zwischen den verschieden entgerbten Ledern vorhanden, da sich diese durch die Chromgerbung und die nachfolgende Neutralisation weitgehend ausgleichen.

Die physikalischen Eigenschaften zeigt Tabelle 3. Die Festigkeitswerte nehmen gegenüber den vorgegerbten und den nur entgerbten Ledern nach der Chromgerbung deutlich ab.

Tabelle 3

Trotzdem liegen sie in allen Fällen noch so hoch, dass man sie für Bekleidungsleder als einwandfrei bezeichnen kann. In der Lichtechtheit ist durch die Chromgerbung eine nochmalige, deutliche Verbesserung gegeben, die gegenüber den entgerbten Ledern zwischen 1 und 1 1/2 Stufen bei der gleichen Entgerbung liegt, gegenüber der vorgegerbten Rohware sogar bis 3 1/2 Stufen beträgt. Diese nochmalige Verbesserung ist darauf zurückzuführen, dass durch den Chromgerbstoff eine Fixierung des noch vorhandenen pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffes erfolgt, und dies um so wirksamer, je weniger von diesen beiden enthalten ist und je mehr Chrom gebunden wird. Interessant ist auch das Ergebnis einer Schichtanalyse der verschieden entgerbten und mit der gleichen Menge Chrom nachgegerbten Leder. Die Ergebnisse sind in Tabelle 4 aufgeführt. Aus den Werten ist zu erkennen, dass die Chrommenge in allen Schichten deutlich mit dem Grad der Entgerbung zunimmt und sich sowohl in den Grenzen als auch im Absolutgehalt innerhalb der einzelnen Schicht immer mehr angleicht. Das bedeutet aber, dass die anschließende Färbung sich gleichmäßiger durch den gesamten Querschnitt verteilt und außerdem die Fixierung des Farbstoffs im Hinblick auf Wasserechtheit, Reibechtheit usw. besser sein wird.

Ein wichtiger Faktor, der heute im Zeichen der ständig wechselnden Rohwarenpreise ein bedeutendes Gewicht besitzt, ist die Änderung der Fläche durch die verschiedenen Entgerbungen. Wir haben im Rahmen dieser Arbeit auch diese Flächenänderung bestimmt, Tabelle 4 Chromoxidgehalt der mit Chrom nachgegerbten Crustleder in den verschiedenen Schichten (auf Trockensubstanz bezogen)

Schichtart mit 2% Borax bei pH 6,5 bei pH 7,5 bei pH 8,5 bei pH 9,5
Narbenschicht 1,6-2,4 2,8-3,0 2,9-3,1 3,8-4,0 4,2—4,3
Mittelschicht 1,2-1,5 2,6-2,7 2,8-2,9 3,6-3,8 4,0–4,1
Fleischschicht 1,7-2,8 3,0-3,2 3,2-3,4 4,0-4,24,7-4,8

indem wir die Leder vor der Behandlung, d. h. als Rohware, und dann nach der Behandlung, d. h. im trockenen, geschliffenen Zustand ausmaßen. Dabei zeigte sich, dass mit zunehmender Entgerbung der Gewinn an Fläche abnimmt und bei dem pH-Wert von ca. 9 in einen Flächenverlust umschlägt.

Im einzelnen wurden folgende Werte erhalten:

1. Entgerbung mit 2% Borax = 5,6% Flächengewinn im Mittel,
2. Entgerbung bei pH = 6,5 = 6,1% Flächengewinn im Mittel,
3. Entgerbung bei pH = 7,5 = 2,1% Flächengewinn im Mittel,
4. Entgerbung bei pH = 8,5 = 1,5% Flächengewinn im Mittel,
5. Entgerbung bei pH = 9,5 = 12 % Flächenverlust im Mittel.

Die angeführten Ergebnisse bedeuten nun, dass, wenn die Lichtechtheit keine ausschlaggebende Rolle spielt, und zwar bei mittleren bis dunkleren Brauntönen, die Entgerbung im pH-Wert nicht zu hoch geführt werden soll, damit ein genügender Flächengewinn gegeben ist. Im Falle von Bunt- und Pastelltönen sollte man jedoch auf einen zu großen Gewinn zugunsten der besseren Lichtechtheit verzichten, da sonst unschöne Verfärbungen entstehen und damit Reklamationen heraufbeschworen werden können.

Eine Erscheinung, die mit der oben angeführten Flächenveränderung zusammenhängt, ist das Auftreten von Blutadern. Letztere kommen zum Vorschein, wenn eine beginnende Flächenminderung eintritt. Das besagt aber, dass Entgerbungen über pH = 9 nicht zu empfehlen sind, da sonst neben einem Flächenverlust gleichzeitig ein Hervortreten von Blutadern gegeben ist.

Bei der Färbung sind der unterschiedliche Chromgehalt und die unterschiedliche Lederfarbe der verschieden entgerbten Leder selbstverständlich von ausschlaggebender Bedeutung. Das heißt, dass bei gleichem Farbstoffeinsatz und gleicher Färbeweise andere Farbtöne entstehen und auch die Farbtiefe Unterschiede aufweist. Dies ist natürlich bei Umstellung von einer Arbeitsweise auf eine andere in der Rezeptur zu berücksichtigen. Weiter muss noch beachtet werden, dass zum Aufbroschieren der Leder und bei der Färbung kein Ammoniak zugegeben werden sollte, weil sonst, insbesondere wenn nur schwach entgerbt wurde, wie mit 2% Borax, aber auch bei konstanten Entgerbungen unter pH = 7,5 die Gefahr besteht, dass noch im Leder vorhandener pflanzlicher und synthetischer Gerbstoff sich löst und Abtrübungen des Farbtons herbeiführen kann. Hier darf nur ein Emulgator zur Broschur verwendet werden.

Anstelle einer Chromnachgerbung können selbstverständlich auch andere kationische Nachgerbungen wie Harnstoff-Formaldehyd oder andere kationische Harzgerbstoffe angewandt werden, wobei natürlich die Voraussetzung gegeben sein muss, dass sie ebenfalls eine Fixierung der restlichen pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffe, eine Verbesserung der Lichtechtheit, einen gleichen Griff und gleich gute Färbbarkeit erbringen, über solche Nachgerbungen haben wir schon in einer früheren Veröffentlichung (4) berichtet.

Zusammenfassung

Zusammenfassend haben somit die durchgeführten Untersuchungen gezeigt, dass durch eine kontrollierbare, d. h. bei einem konstant eingestellten pH-Wert durchgeführte Entgerbung eine einheitliche Loslösung der pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffe innerhalb eines Felles und innerhalb einer Partie bewirkt wird. Gleichzeitig wird eine bessere Entfernung der Beschwerungsmittel wie Fettstoffe, nichtgebundene Gerbstoffe usw. gewährleistet. Durch diese Gleichmäßigkeit der Entgerbung wird eine einheitliche Chromgerbung erhalten, die in den einzelnen Schichten nur wenig variiert und damit die Gewähr bietet, ein in der Färbung gleichmäßiges und einheitliches Material zu erhalten. Neben einer Verbesserung der Färbbarkeit ergibt sich mit zunehmender und konstanter Entgerbung noch zusätzlich eine Verbesserung der Lichtechtheit.

Es ist uns ein Bedürfnis, der Firma Carl Spieth für die kostenlose Zurverfügungstellung der vorgegerbten Kleintienelle zu danken. Weiter danken wir Fräulein Susanne Tochtermann für ihre verständnisvolle Mitarbeit.

Literaturverzeichnis

1 F. Kähne, Das Leder 4, 120 (1953) 2 K. Fuchs, Gerbereiwissenschaft u. Praxis, 774 (1969) 3 J. K. Khanna, P. S. Venkatachalam, T. S. Krishan. Leather Science 18, 265-267 (1971) 4 H. Herfeld und W. Pauckner, Forschungsbericht d. Landes Nordrhein-Westfalen, Nr. 1774 (1966) 5 H. Herfeld, Das Leder, 5, 157 (1964); H. Herfeld, J. Otto, M. Oppelt, E. Häussermann und H. Rau, Das Leder, 6, 201 (1965); H. Herfeld, J. Otto, H. Rau und E. Häussermann, Das Leder, 8, 65 (1967)



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