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Untersuchungen zur Feststellung der Reaktionszeiten in Wasserwerkstatt und Gerbung bei Anwendung unterschiedlicher Arbeitsverfahren aus dem Jahre 1992

W. Pauckner

Westdeutsche Gerberschule (WGR) Reutlingen

In der vorliegenden Arbeit wird über Untersuchungen der Reaktionszeiten beim Einspeisen von Flüssigkeiten von der Fleischseite in den Prozessen der Wasserwerkstatt und Gerbung berichtet. Dabei konnte festgestellt werden, dass bei Kleintierfellen, wie Schaf und Ziege, ein Druck von 5-10 bar und 10-20 Sekunden Einspeiszeit, bei Großviehhäuten von 10-15 bar und ebenfalls 10-20 Sekunden Einspeiszeit genügte, um eine einwandfreie Diffusion und Verteilung der Chemikalien zu erreichen. Bei der Enthaarung mit Schwefelchemikalien und Enzymen erfolgte schon nach 15-20 Minuten eine Loslösung der Haare, bei Großviehhäuten, Je nach Stärke der Haut, nach 60-120 Minuten. Im Falle der Chromgerbung konnte mit unterschiedlichen Chromgerbstofflösungen bei gleichen Parametern wie bei der Enthaarung sowohl bei gebeizten wie auch bei gepickelten Blößen eine gute und einwandfreie Diffusion und Verteilung erreicht werden, wobei nach kurzer Zeit schon eine Schrumpfungstemperatur von 95-97 °C erhalten wurde. Auch Gerbungen mit modifizierten Aldehyden, Syntanen und anderen Mineralgerbstoffen erbrachten gute Ergebnisse.

Investigations on the determination of the reaction times in the beamhouse and tannage by the application of different working processes

In the following article details are reported about investigations of reaction times with the feeding of liquids from the flesh side in the beamhouse and the tanning processes. Thereby it could be estab-lished, that with small animal skins, like sheep and goats, a pressure of 5-10 bar and 10-20 seconds feeding time, with large animal hides a pressure of 10-15 bar and likewise 10-20 seconds feeding time sufficed, to achieve a perfect diffusion and distribution of Chemicals. In the unhairing with sulphur Chemicals and enzymes a loosening of the hairs ensued already after 15-20 minutes, with large animal hides, according to the stoutness of the hide, after 60-120 minutes. In the case of the chrome tannage a good and faultless diffusion and distribution could be attained with different chrome Solutions at the same parameters as the unhairing as well as with bated as also with pickled pelts, whereby after a Short time a shrinkage temperature of 95-97°C was already attained. Also tannages with modified glutaraldehyde, syntans and other mineral tanning agents brought good results.

Untersuchungen zur Feststellung

1. Einleitung

Während in früheren Zeiten die einzelnen Stadien der Lederherstellung in ruhenden oder nur wenig bewegten Systemen durchgeführt wurden, hat in den letzten Jahrzehnten eine rasante Entwicklung auf dem Gebiet der Rationalisierung und Automatisierung der Lederherstellung eingesetzt. Durch Einsatz neuer Gefäße, Verminderung der Flotten, Temperatur- und pH-Wert-Variationen wurden die einzelnen Stadien immer mehr verkürzt, ohne dass eine Verschlechterung der Qualität des Endproduktes eintrat. Zusätzlich kamen neue Chemikalien hinzu, die in Art und Menge auf diese Gegebenheiten eingestellt waren.

Allerdings musste aufgrund dieser Entwicklung genauer und sorgfältiger gearbeitet werden, da sonst Schwierigkeiten auftraten, die sich am fertigen Leder auswirkten. Zu nennen sei hier nur erhöhter Narbenzug, Grundhaareinschluss, Vergröberung des Narbens, ungleichmäßige Durchgerbung, Chromfleckenbildung, Unegalität der Färbung usw.

Trotz all dieser Entwicklungen war es unvermeidlich, dass die Häute, Blößen oder Leder immer wieder aus einem orientierten Zustand, wie sie bei Maschinenarbeiten vorliegen, in einen desorientierten Zustand übergeführt wurden, wenn sie in die bewegten Systeme gegeben wurden. Dieser Zustand wirkte weiteren rationellen Bestrebungen entgegen. Um dies zu ändern, setzten nun Untersuchungen ein, Möglichkeiten zu finden, in einigen Bereichen der Lederherstellung orientiert zu arbeiten.

Aufgrund dieser Untersuchungen wurden neue Verfahren entwickelt. Eines dieser Verfahren ist das sogenannte „Darmstädter Durchlaufverfahren„ [1-3], bei dem die Häute im hängenden Zustand enthaart und geäschert werden und die Blößen im orientierten Zustand zu der Entfleischung und zum Spalten geführt werden. Dadurch war eine leichtere Handhabung gegeben und auch eine Verkürzung der Arbeitszeit. Eine weitere Entwicklung in dieser Richtung ist das sogenannte „Impf- bzw. Einspeisverfahren [4], bei dem Flüssigkeiten und Chemikalien von der Fleischseite unter Druck in die Häute und Blößen eingeführt werden. Hier liegen die Häute und Blößen im orientierten Zustand vor und können leichter gehandhabt werden. Allerdings sind durch diese neuen Techniken, dies gilt insbesondere für die Einspeistechnik, andere Reaktionszeiten gegeben, die beachtet werden müssen, denn hier sind Diffusion und Bindung getrennt voneinander zu betrachten, während sie bei dem bisherigen System sich überlagern und zu Schwierigkeiten führen, wenn die Bindung zu früh einsetzt, bevor eine einwandfreie Diffusion gegeben ist.

Um noch hier besonders für die neue Verfahrenstechnik des Einspeisens sichere und grundlegende Kenntnisse zu erhalten, wurden systematische Untersuchungen durchgeführt, die klären sollten, welchen Einfluss die variablen Faktoren wie Druck, Zeit, Art und Menge der Chemikalien auf die Reaktionszeiten in den Stadien der Wasserwerkstatt und Gerbung besitzen.

2. Durchführung der Versuche

Wasserwerkstattarbeiten

a) Weiche

Die ersten Vergleichsuntersuchungen wurden bei der Weiche durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass im bewegten System (Fass und andere Gerbgefäße) der Weichvorgang, wie Vor- und Hauptweiche, mindestens eine Zeit von 4-6 Stunden benötigt, um einen einwandfreien Weicheffekt zu erhalten. Dabei wird schon der größte Teil des Konservierungssalzes entfernt, was von ausschlaggebender Bedeutung ist, da sonst im Äscher Schwierigkeiten durch ungenügende Quellung der Haut auftreten können. Im Fall der Einspeisung von Wasser in die Fleischseite war die Diffusion dagegen wesentlich schneller, d. h., dass bei einem Druck von 10-15 bar und einer Einspeiszeit von 10-20 Sekunden, bei sehr dicken Häuten auch von 30 Sekunden, eine vollständige Diffusion des Wassers durch die Haut gegeben war. In dieser kurzen Zeitspanne war jedoch noch kein idealer Weichvorgang erreicht, sondern es mußte erst eine Zeit von 30-60 Minuten abgewartet werden, um einen ähnlichen Weicheffekt zu erhalten, der im bewegten System vorlag. Allerdings war der Salzgehalt in der Haut noch wesentlich größer als im bewegten System, was hinsichtlich der Quellung beim nachfolgenden Äscher Schwierigkeiten ergeben kann und für manche Lederart nachteilig ist [5]. Weiterhin muss bedacht werden, dass bei der Einspeistechnik das Einpressen des Wassers nur an vorentfleischter Haut vorgenommen werden kann, da sonst das Wasser sich zwischen Unterhautbindegewebe und der eigentlichen Lederhaut verteilt, also nicht bis zur Narbenschicht diffundieren kann. Aus diesem Grund dürfte der Weichvorgang trotz der schnelleren Diffusion und Wasseraufnahme beim Einspeisen für die nachfolgenden Prozesse besser im bewegten System erfolgen, weil hier gleichzeitig ein Waschprozeß vorliegt. Bei frischer oder gekühlter Rohware könnte das Weichen in beiden Fällen entfallen, falls der Dungbehang unbedeutend oder gleich Null ist. Diese Tendenz zeichnet sich immer mehr und mehr ab, d. h., dass in Lederfabriken in zunehmendem Maße frische oder gekühlte Rohware eingearbeitet wird, um Umweltbelastungen in Form von Verschmutzungen des Abwassers mit Salz zu vermeiden.

Selbstverständlich wurde die Reproduzierbarkeit durch mehrmalige Versuche überprüft und bestätigt. Jedoch wurden keine weiteren Untersuchungen im Hinblick auf die Entfernung des Salzes durchgeführt, da dies zu langwierig und zu umständlich war.

b) Enthaarung

Aus diesem Grund wurden dann Versuche zur Enthaarung unternommen. Bei diesem Prozess wurden die heute noch allgemein üblichen anorganischen Schwefelverbindungen, wie Natriumsulfid oder Natriumsulfhydrat und organische Thioalkohole (Mercaptane) sowohl im Falle des bewegten Systems wie auch bei der Einspeistechnik eingesetzt. Bei der Enthaarung im bewegten System konnte festgestellt werden, dass die vollständige Enthaarung am schnellsten bei der Anwendung einer sogenannten „Fassschwöde“ [6], d. h. ohne Zusatz von Flotte und Anwendung der genannten Schwefelverbindung in fester Form, erfolgte. Wenig länger war die Enthaarungszeit bei den organischen Thioalkoholen. Allerdings mussten hier größere Mengen eingesetzt werden, da die Oxidation der Thioalkohole parallel verlief und somit ein Teil der Chemikalien, die die Reduktion des Keratins bewirken, unwirksam wurde. Insgesamt betrug die Zeitdauer zwischen 2 und 2 ½ Stunden. Bei Einsatz von Enzymen im bewegten System war die Enthaarung nicht 100prozentig und dauerte außerdem deutlich länger. Es blieben in diesem Falle Haarreste (Grundhaare) meist an sehr fetthaltigen Stellen übrig, so dass hier eine Kombination mit Schwefelchemikalien notwendig war.

Bei der Einspeisung der Chemikalien von der Fleischseite erfolgte die Diffusion und auch die Lockerung sowie Loslösung der Haare dagegen wesentlich schneller. So konnte bei einem Druck von 10-15 bar, je nach Stärke der Haut, und einer Einspeiszeit von 15-20 Sekunden im Falle der Anwendung von Schwefelnatrium und Natriumsulfhydrat, aber auch von Thioalkoholen schon nach 15 Minuten bei Schaffellen und Ziegen eine vollständige Enthaarung erreicht werden. Bei Rindhäuten benötigt man je nach Stärke der Haut bis zu 60 Minuten. Um zu sehen, welchen Einfluss der Druck und die Zeit besaß, wurden Druck und Einspeiszeit variiert. Dabei konnte festgestellt werden, dass der Druck einen größeren Einfluß ausübte als die Einspeiszeit. Unter 10 bar Druck war, mit Ausnahme von Schaffellen, eine schlechtere Enthaarung gegeben als bei Drucken von 10-15 bar. Bei Anwendung von Schwefelchemikalien lagen allerdings die Haare nicht mehr unzerstört vor, sondern sie waren schon leicht versulzt. Das bedeutet, dass eine weitere Verwendung, wie z. B. für die Filzindustrie, nicht mehr möglich ist. Für Düngezwecke könnte dieser Haarschlamm eventuell noch eingesetzt werden.

Bei Einsatz von Enzymen waren hinsichtlich des Druckes und der Einspeiszeit die gleichen Parameter gegeben. Innerhalb von 20 Sekunden konnte eine vollständige Diffusion bei den dicksten Häuten erreicht werden. Die Loslösung der Haare begann nach einer Lagerung von ca. 10-15 Min. und war bei Schaffellen nach 30 Minuten vollständig. Im Falle von Rindshäuten dagegen wurden zum Teil zwischen 1 Stunde und 2 Stunden benötigt. Dabei war es zweckmäßig, die Lagerung bei einer Temperatur von 30 °C vorzunehmen, und auch im Falle der Einspeisflüssigkeit war es günstig, eine Temperatur von 30-35 °C anzuwenden. Die Einsatzmenge an Enzymen lag bei den verwendeten Enzymgemischen bei 5-10 g/l. Ein Vorteil der Enzymenthaarung war der komplette Erhalt der Haare, so dass einer Weiterverwendung keine Grenzen gesetzt sind. Als wirksame Enzyme erwiesen sich drei Produkte, die im pH-Bereich von 8-11 und einer Konzentration, wie schon oben angeführt, von 5-10 g/l eingesetzt wurden.

Im Falle des Einspeisverfahrens zeigte sich ein zusätzlicher Vorteil gegenüber dem bewegten System, der allerdings nichts mit den Reaktionszeiten zu tun hat, aber von großer Bedeutung ist. Es zeigte sich nämlich, dass durch das Einspeisverfahren, sowohl bei der Enthaarung mit Schwefelchemikalien als auch mit Enzymen, die Haare nicht in das Abwasser gelangten, sondern gesondert entfernt werden konnten und damit eine Umweltbelastung bei diesem Verfahren nicht vorlag, während bei der Bearbeitung im bewegten System im Falle der Schwefelchemikalien eine vollständige Zerstörung der Haare erfolgte, wodurch das Abwasser mit Keratinabbauprodukten verschmutzt und somit eine deutliche Anhebung des CSB-Wertes herbeigeführt wird. Auch im Falle der Enzymbehandlung lassen sich nicht alle Haare aus der Flotte gewinnen, so dass auch hier der CSB-Wert höher liegt als beim Einspeisverfahren.

Es ist noch zu bemerken, dass beim Einspeisverfahren selbstverständlich vorher eine Entfernung des Unterhautbindegewebes durchgeführt werden muss, damit eine einwandfreie Diffusion der eingesetzten Chemikalien erfolgen kann. Bei Nichtentfernung werden die Chemikalien zum großen Teil zwischen Unterhautbindegewebe und der eigentlichen Haut verteilt, so dass nur ein geringer Anteil an Chemikalien in die Haut und damit an die Haarwurzeln gelangt. Die Versuche zur Enthaarung wurden mehrfach wiederholt und es zeigte sich, dass eine Reproduzierbarkeit gegeben war, so dass die Ergebnisse sich bestätigten. Bei der Enthaarung mit Enzymen wurde beim Einspeisverfahren der Flotte etwas Entschäumer zugefügt, um ein Schäumen der Flotte zu verhindern und damit eine gleichmäßige Verteilung zu erhalten.

c) Hautaufschluss

Im Falle des Hautaufschlusses, der im bewegten System in einer Flotte aus den Schwefelchemikalien und Kalk durchgeführt wird und zwischen 12 und 16 Stunden, je nach Lederart und Stärke der Haut, dauert, wurden im Falle des Einspeisverfahrens zunächst mit Schwefelchemikalien, wie Natriumsulfid, Natriumsulfhydrat und organischen Thioalkoholen (Mercaptane) sowie Enzymen die Häute enthaart und dann durch Einspeisen von Calciumhydroxid versucht, den notwendigen Hautaufschluss zu erreichen. Dabei zeigte sich jedoch, dass die vorliegende und durch die Anwendung der Enthaarungsmittel alkalisch gestellte Blöße Schwierigkeiten bereitete. Das bedeutete, dass bei Einspeisung der Kalklösung durch die hohe Alkalität der Blöße, die zwischen pH 10 und 12 lag, eine sofortige Ausfällung von Calciumhydroxid erfolgte, und somit keine einwandfreie Diffusion und Verteilung gegeben war. Zusätzlich bestand die Gefahr der Verstopfung der Austrittslöcher des Einspeisaggregates. Daher wurden in den weiteren Versuchen mit Kalkwasser gearbeitet. Aber auch hier war eine sofortige Ausfällung des Kalkes in Form von Calciumhydroxid gegeben, wodurch die Kapillaren in der Blöße verstopft wurden, so dass keine weitere Diffusion und Verteilung mehr stattfand. Um eventuelle Fehlerquellen auszuschließen, wurden die Versuche mehrmals wiederholt, aber es konnte keine Verbesserung erreicht werden.

Aus diesem Grunde wurden die weiteren Versuche nicht mehr an vorenthaarter Blöße durchgeführt, sondern es wurde gewaschenes und entfleischtes Hautmaterial eingesetzt. Bei diesen Versuchen wurden nun die Chemikalien in umgekehrter Reihenfolge angeboten, um eventuell ein Ausfällen zu verhindern. Das heißt, dass zuerst Calciumhydroxid und dann die Schwefelchemikalien eingespeist wurden. Aber auch hier konnte festgestellt werden, dass sofort nach dem Einspeisen der alkalischen Lösungen der Schwefelchemikalien und der Enzyme Ausfällungen eintraten und die Kapillaren verstopft wurden. Dadurch konnten die Enthaarungschemikalien nicht oder nur vermindert an die Haarwurzeln gelangen. Die Folge war eine ungenügende Haarlockerung, und es musste zur Entfernung der Haare ein Nachäscher im Fass gegeben werden. Um trotzdem für den Hautaufschluss eine Besserung zu erreichen, wurde anstelle von Kalkwasser Calciumchlorid eingespeist, um einmal mehr Calcium in das Fasergefüge zu bekommen und zweitens keine Alkalität der Haut von vornherein zu erhalten. Die Diffusion der Calciumchloridlösung war dadurch sehr gut und auch die Verteilung einwandfrei. Danach wurden wieder die Enthaarungschemikalien auf der Basis von Schwefelverbindungen und Enzymen eingespeist. Aber auch in diesem Falle zeigte sich, dass die Bildung von Calciumhydroxid sofort nach dem Einspeisen der Schwefelchemikalien erfolgte und die Ausfällung schneller als die Diffusion der Enthaarungschemikalien verlief. Aus diesem Grunde war wieder kein einwandfreies Enthaaren möglich, denn die Haarwurzeln wurden ungleichmäßig und ungenügend erreicht. Trotz wiederholter Versuche konnte auch hier keine Besserung erhalten werden.

Die durchgeführten Versuche zeigten damit, dass eine Enthaarung nur einwandfrei erfolgte, wenn Haarentfernung und Hautaufschluß getrennt wurden. Der nachfolgende Hautaufschluss bereitete jedoch Schwierigkeiten durch Ausfällen von Calciumhydroxid. Bei gleichzeitiger Anwendung der Äscherchemikalien verlief auch die Haarentfernung negativ und der Hautaufschluss war ungenügend. Hier dürfte nur der Weg über eine reine Enzymenthaarung und einen Enzymaufschluss möglich sein, wenn für beide Prozesse die Einspeistechnik angewandt werden soll. Trotz vieler Versuche konnte bisher kein Enzym den Anforderungen einer Enthaarung und eines Hautaufschlusses genügen, da entweder der Hautaufschluss ungenügend war oder bei genügendem Hautaufschluß die Gefahr der Narbenschädigung vorlag.

3. Gerbung

a) Chromgerbung

Nachdem der Hautaufschluss zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt hatte, beschäftigten sich die weiteren Versuche mit der Gerbung und hier besonders mit der Chromgerbung. Das Einspeisen der Chromgerbstofflösung in die Haut unter erhöhtem Druck bietet nicht nur den Vorteil eines völligen Verzichts auf mechanische Walkarbeit, sondern es eröffnet darüber hinaus den Einsatz der gebeizten Blößen. Dadurch kann man auf die gerbreaktionsbremsende Wirkung eines Pickels verzichten, was einerseits zu einer Verfahrensvereinfachung und andererseits zu einer drastischen Reduzierung des Kochsalzeinsatzes in der Gerberei beiträgt. Unter Berücksichtigung dieses Aspektes wurde daher in den Versuchen weitgehend mit ungepickeltem Hautmaterial gearbeitet. Neben der Möglichkeit des reduzierten Kochsalzeinsatzes bietet das Einspeissystem bei der Chromgerbung als weiteren Vorteil die Vermeidung chromhaltiger Restflotten, wie sie beim konventionellen Verfahren typischerweise anfallen mit einem Chromoxidgehalt von ca. 0,3-7 g/l sowie die damit verbundene Einsparung von Wasser und Prozesschemikalien.

Die Versuche zur Chromgerbung wurden sowohl mit Kleintierfellen, wie Ziegen- und Schaffellen, als auch mit Rindblößen durchgeführt. Dabei wurden diese unterschiedlichen Haut- und Fellarten mit verschiedenen Chromgerbstofflösungen in variabler Konzentration jeweils behandelt. Die Konzentration betrug zwischen 2 und 5% auf Chromoxid bezogen, und an Chromgerbstoffen wurden das normale 33% basische Chromsulfat und mit Glutarat, Phtalat und Formiat maskierte Chromlösungen eingesetzt.

Bei den ersten Versuchen zeigte sich, dass die optimalen Parameter für den Einspeisdruck und für die Einspeiszeit die gleichen waren wie bei der Enthaarung, d. h., dass ein Druck von 5- 10 bar und 10-20 Sekunden Einspeiszeit je nach Dicke der Haut notwendig waren, um eine gute Verteilung und Diffusion zu erhalten.

Die mit den oben angeführten Chromlösungen gegerbten Leder wurden nach der Einspeisung einer Beurteilung unterzogen und die Schrumpfungstemperatur sowie der Chromgehalt in den einzelnen Schichten geprüft. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Schrumpfungstemperatur bei Anwendung von 5 prozentigen Lösungen bei gebeizten Blößen schon nach der Einspeisung verhältnismäßig hoch lag, d. h. 95-97 °C erreichten und gegenüber den über Nacht gealterten Proben kaum Unterschiede aufwies. Bei den 2,5 prozentigen Lösungen zeigte sich dagegen ein sehr unterschiedliches Bild. Die Schrumpfungstemperatur war nicht stabil und außerdem erreichte sie auch nicht den Wert der öprozentigen Chromgerbstofflösungen. Das bedeutet, dass hier kein genügendes Chromangebot vorlag und keine einwandfreie Vernetzung gegeben war. Dabei erzielten die unmaskierten 33% basischen Chromsulfatlösungen und die mit Formiat maskierten Chromlösungen noch die besten Ergebnisse. Diese Tendenz zeigte sich auch bei der Beurteilung von Wet-blue-Ledern hinsichtlich der Durchgerbung und der Narbenbeschaffenheit. Auch hier lagen die unmaskierten 33% basischen Chromsulfatlösungen und die mit Formiat maskierten Chromlösungen am günstigsten.

Eine Beurteilung nach 14 Tagen Lagerung zeigte hinsichtlich der Schrumpfungstemperaturen bei den gebeizten Blößen keine anderen Unterschiede als sofort nach der Einspeisung. Zusätzlich war festzustellen, dass die gebeizten Blößen bessere Werte ergaben als die gepickelten Blößen. Die größten Unterschiede zeigten die gepickelten Häute, die mit einer niedrigen Chromkonzentration gegerbt wurden. Dies ist verständlich und darauf zurückzuführen, dass bei gepickelten Blößen die pH-Erhöhung wesentlich geringer ist als bei den gebeizten Blößen und dass zusätzlich das Chromangebot bei der geringen Konzentration nicht genügte. Von äußerster Bedeutung war, dass die Narbenschicht in der Schrumpfungstemperatur kaum Unterschiede gegenüber dem Lederquerschnitt aufwies. Das bedeutete, dass bei der Einspeisung die Diffusion zur Narbenschicht sehr gleichmäßig ist und nicht weniger Gerbstoff die Narbenschicht erreicht als an der Fleischseite angeboten wird, bzw. in der gesamten Lederschicht vorhanden ist.

Diese Ergebnisse wurden bestätigt, als der Chromgehalt in den einzelnen Schichten festgestellt wurde. Die Schichtanalysen zeigten, dass die gegerbten Leder bei allen Chromlösungen auf der Narbenseite, in der Mittelschicht und der Fleischseite fast die gleichen Chromoxidgehalte aufwiesen. Dabei betrugen die Schwankungen zwischen maximal 0,2-0,4% im Hautquerschnitt. In vielen Fällen war die Chromoxidmenge in der Fleischseite sogar etwas geringer als auf der Narbenseite.

Zwischen den einzelnen, unterschiedlich eingestellten Chromlösungen zeigte sich kaum ein Unterschied. Vielleicht ist die Verteilung bei der unmaskierten 33% basischen Chromsulfatlösung und bei der formiatmaskierten Lösung am günstigsten.

Bei der von uns ebenfalls untersuchten Gerbung von Pelzschaffellen ergaben sich 2 weitere Vorteile des Einspeissystems im Vergleich zur konventionellen Gerbung in bewegten Gefäßen. Zum einen war hierbei keine Verfilzungsgefahr der Wolle gegeben und zum anderen war die Gefahr der unerwünschten Anfärbung der Wolle durch den nur kurzzeitigen Flottenkontakt erheblich reduziert.

Nachdem die Versuche zur Chromgerbung solche guten Ergebnisse brachten, wurden in weiteren Parallelversuchen normal gearbeitete und mittels der Einspeisung enthaarte und gegerbte Leder hergestellt und verglichen. Dabei konnte festgestellt werden, dass sie hinsichtlich der äußeren Beschaffenheit nur wenig Unterschiede zeigten. Nur in Bezug auf den Griff war zu erkennen, dass die normal gearbeiteten Leder, besonders im Falle der Rindleder, etwas weicher und geschmeidiger waren. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die mechanischen Walkbewegungen im Fass eine gewisse Auflockerung der Fasern ergeben, was bei der Einspeisung, die ja im ruhenden Zustand erfolgt, nicht der Fall ist. Dieser geringe Unterschied lässt sich jedoch durch einen etwas längeren Äscher oder eine etwas stärkere Fettung ohne weiteres ausgleichen. Jedenfalls ließ diese Beobachtung eine Tendenz auf eine schonendere Arbeitsweise durch das Einspeisen erkennen.

Bei der Überprüfung der physikalischen Eigenschaften wurden vor allem die Dehnbarkeit und die Festigkeitseigenschaften, wie Zug- und Weiterreißfestigkeit, untersucht. Die erhaltenen Werte bewiesen, dass keine schlechteren Ergebnisse als bei den normal gegerbten Ledern vorlagen. Vielmehr konnte festgestellt werden, dass hinsichtlich der Zug- und Weiterreißfestigkeit die Einspeisung bessere Werte erbrachte und damit die schonendere Arbeitsweise erkennen ließ. Hinsichtlich der Dehnbarkeit ergaben die normal gegerbten Leder eine etwas größere Dehnung, die aber in der gleichen Größenordnung wie die der eingespeisten Leder lag. Insgesamt befand sich aber die Dehnbarkeit der eingespeisten Leder in einem Bereich, der die geforderten Werte ohne weiteres erfüllte. Damit dürfte auch bei diesen Ledern die Gefahr eines Narbenplatzens bei der Schuhherstellung nicht zu befürchten sein.

b) Andere Gerbungen

Neben der Chromgerbung wurden auch die Gerbung mit einem modifizierten Aldehyd, mit einem neuartigen Titan-Aluminium-Gerbstoff und mit einem Syntan untersucht. Bezüglich der Penetration der Gerbflotte konnten hier prinzipiell die gleichen Beobachtungen gemacht werden, wie bei der Chromgerbung, d. h., bei nicht zu dickem Hautmaterial, insbesondere bei Kleintierfellen, war die Durchdringung des gesamten Hauptquerschnittes bei einmaligem Maschinendurchgang kein Problem.

Die Vorgerbung mit modifiziertem Aldehyd und Titan-Aluminium-Gerbstoff eignet sich zur Kombination mit einer anschließenden Chromgerbung, wobei der Hauptvorteil ihrer Anwendung im Erhalten chromfreier Falzspäne zu sehen ist, für die speziell im Fall des Aldehyds vielfältige Verwertungsmöglichkeiten im Futter-und Düngemittelbereich bestehen könnten.

Die Gerbung mit dem Syntan diente vor allem für die Vorgerbung von Pelzschaffellen und ergab vollkommen weiße Leder, die sich für Dekorationsware und Vorlegware eignen.

Auch im Falle der Gerbung wurden selbstverständlich mehrere Wiederholungsversuche durchgeführt, wobei die gleichen Tendenzen erhalten und die Ergebnisse gefestigt und untermauert wurden. Damit zeigte und bestätigte sich die Brauchbarkeit und Anwendbarkeit des Verfahrens.

Zusätzlich zu den Vorteilen der Einspeistechnik gegenüber dem bewegten System wäre noch anzuführen, dass durch die Entfernung der Haare und die Wiederverwendung der Gerbstofflösung eine geringere Belastung und Verschmutzung des Abwassers und der Umwelt erfolgt.

4. Zusammenfassung

Zusammenfassend kann damit gesagt werden, dass die Untersuchungen einwandfrei aufgezeigt haben, dass mit der Technik des Einspeisens von Flüssigkeiten und Chemikalien in die Haut unter konstantem Druck es möglich ist, Enthaarung und Gerbung besonders an Kleintierfellen und mit Einschränkungen wegen der längeren Reaktionszeiten an Großviehhäuten durchzuführen. Dabei hat das Einspeisverfahren jedoch den Vorteil der schnellen Diffusion und Bindung der Chemikalien, wobei gleichzeitig stärkere Umweltbelastungen gegenüber dem bewegten System vermieden werden. Wir danken dem Bundeswirtschaftsministerium für die uns über die AIF gewährte wertvolle finanzielle Unterstützung dieser Arbeit.

Literaturverzeichnis

  1. G. Flor, R. Dorstewitz, O. Fuchs u. E. Heidemann, Das Leder30,1979, S. 79.
  2. E. Heidemann, H. Aoki, E. Sagala u. I. Sagala, Das Leder 34,1983, S. 151.
  3. E. Heidemann, E. Sagala u. A. Hein, Das Leder 34, 1983, S.186.
  4. A. Petersen u. H.-P. Germann, Das Leder 1989, S. 187 u. S.205.
  5. H. Herfeld u. B. Schubert, Das Leder 5,1966, S. 105. [6] H. Herfeld, B. Schubert u. E. Häussermann, Das Leder, 1966,S.243.

Veröffentlichung:

W. Pauckner, Untersuchungen zur Feststellung der Reaktionszeiten in Wasserwerkstatt und Gerbung bei Anwendung unterschiedlicher Arbeitsverfahren, Leder + Häutemarkt 44, 12/1992, Nr. 35, S. 1-5



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