veroeffentlichungen:untersuchungen_ueber_die_enthaarung_mit_enzymen_im_schwach-sauren_bis_neutralen_ph-bereich_aus_dem_jahre_1993

Untersuchungen über die Enthaarung mit Enzymen im schwach-sauren bis neutralen pH-Bereich aus dem Jahre 1993

H.-P. Germann Westdeutsche Gerberschule Reutlingen

H. Wolf Technische Universität Chemnitz

Mit einer Metalloprotease wurden Enthaarungsversuche an Schaffellen und Kuhhäuten im schwach-sauren bis neutralen pH-Bereich durchgeführt. Die Anwendung der Enzymflotte erfolgte zur Verkürzung der Prozessdauer durch Einspeisung unter Druck im Penetrator. Unter diesen Bedingungen konnte nach einer Einwirkungsdauer von 2 h eine zufriedenstellende Haarlockerung bei Schaffellen sowie bei zuvor gespaltenen Kuhhäuten erzielt werden. Eine hundertprozentige Enthaarung erfordert jedoch beim Einsatz der getesteten Protease die Anwendung eines schwach mit Sulfid angeschärften Nachäschers. Probleme bereitete die rasche Aktivitätsabnahme des Enzymprodukts im Penetrator.

Investigations in unhairing with enzymes in the weakly-acid up to the neutral pH-field

Unhairing experiments with a metal protease were carried out on sheepskins and cow hides in the weakly-acid up to the neutral pH-field. To reduce the process time the application of the enzyme float took place by implantation under pressure in the Penetrator. Under these conditions a satisfactory hair loosening could be achieved after a penetration time of 2 hours with sheepskins as well as with pre-split cow hides. A hundred percent unhairing requires nevertheless with the insertion of the tested protease the application of a relime weakly sharpened with sulphide. The rapid decrease in activity of the enzyme product in the Penetrator created problems.

Die im Rahmen der Lederherstellung durchzuführende Enthaarung der Häute und Felle stellt aus ökologischer Sicht sowie aus Gründen der Arbeitssicherheit einen recht unerfreulichen Prozessabschnitt dar. Die für den sogenannten Äscher üblicherweise angewandten Verfahren nutzen die Wirkung schwefelhaltiger Chemikalien wie Natriumsulfid und Natriumsulfhydrat um die Enthaarung herbeizuführen, wobei gleichzeitig eine Zerstörung der Haare bzw. Wolle erfolgt. Die entstehenden Abbauprodukte des organischen Materials tragen jedoch zusammen mit den sulfidhaltigen Produkten erheblich zur Erhöhung des CSB-Wertes im Abwasser bei, was für die Betriebe der Lederindustrie direkte oder indirekte Kosten für die Abwasserreinigung nach sich zieht. Zusätzliche Belastungen und Schwierigkeiten ergeben sich durch das Sulfid, das nach Anhang 25 der Rahmen-Abwasser-VwV zum Wasserhaushaltsgesetz als gefährlicher Stoff den Grenzwert von 2 mg/l in dem entsprechenden Abwasser-Teilstrom nicht überschreiten darf, wodurch in jedem Fall eine Abwasserbehandlung notwendig wird. Weiterhin besteht beim Arbeiten mit Sulfid die Gefahr, dass bei einer Absenkung des pH-Wertes giftiger Schwefelwasserstoff entsteht, der bei Nichtbeachtung zu gesundheitlichen Schäden führen kann.

Erhebliche Vorteile verspricht hier der Einsatz von Enzymen zur Enthaarung, die einen weitgehenden Verzicht auf sulfidhaltige Chemikalien ermöglichen und deren Wirkung sich nur auf den Haarwurzelbereich bzw. die basale Zellschicht der Epidermis erstreckt, so dass die Haare bzw. die Wolle selbst erhalten bleiben und ggf. einer sinnvollen Weiterverwendung zugeführt werden können. So kommt es z. B. bei der Enzymenthaarung durchaus vor, dass sich bei langwolligen Schaffellen größere Epidermisflächen als Wollvlies ablösen. Die lange Prozessdauer, teilweise verbunden mit einem unerwünschten Angriff der Narbenoberfläche der Haut, und der relativ hohe Preis der Enzyme waren neben unbefriedigenden Enthaarungsresultaten bisher die Hauptgründe dafür, dass den enzymatischen Verfahren die breite Anwendung bis heute versagt blieb. Eine drastische Verkürzung der Prozessdauer, die auch das Risiko einer Narbenschädigung deutlich senkt, konnten wir bereits in früheren Untersuchungen durch die Einspeisung der Enzymflotte unter Druck in das Hautfasergefüge erreichen. Bei diesen Experimenten, die gute Ergebnisse hinsichtlich der Enthaarung erbrachten, wurden allerdings ausschließlich Enzyme eingesetzt, die im alkalischen Bereich wirksam sind, was wie bei dem konventionellen Enthaarungsverfahren eine Neutralisation und Sauerstellung der erhaltenen Blößen für die darauf folgende Gerbung bedingt. Außerdem erwies sich bei diesen Untersuchungen ein gewisser Nachäscher als unverzichtbar, um den notwendigen Hautaufschluss zu erzielen, der beim konventionellen Verfahren bereits mit der Enthaarung einhergeht, und um eventuell noch vorhandene letzte Haar- oder Haarwurzelreste garantiert zu entfernen. Diese Nachbehandlung erforderte jedoch wieder den Einsatz geringer Mengen an anorganischem Sulfid.

Es sollte daher im Rahmen dieses Forschungsvorhabens untersucht werden, inwieweit der Einsatz eines neuen in Jena isolierten Enzymtyps, der von der TU Chemnitz zur Enthaarung vorgeschlagen wurde, Verbesserungen bringen kann. Bei diesem Enzymprodukt handelt es sich um eine aus Bakterienkulturen gewonnene Metalloprotease von Mikroorganismenstamm Streptomyces hygroscopicus gebildet (Metalloprotease „MO/2„), deren Wirkungsoptimum im Gegensatz zu den bisher getesteten Produkten im neutralen bis schwach sauren pH-Gebiet liegt. Damit waren auch Vorteile bei der Diffusion an den Ort der Reaktion im Hautinneren zu erwarten, die bei der geringeren Hautquellung unter annähernd neutralem pH-Wert schneller vonstatten gehen kann.

In den ersten Versuchen wurde die Einstellung des optimalen pH-Wertes der Enzymflotte für die Enthaarung geprüft. Bei diesen Versuchen, die unter Druckeinspeisung bei 8-10,5 bar im Penetrator durchgeführt wurden, zeigte sich, dass bei pH-Werten von 4-5 eine deutlich schlechtere Haarlockerung zu erzielen war als bei pH 6-7.

So betrug die benötigte Einwirkungsdauer der Enzyme z. B. bei pH 4,5 das 2-3-fache der benötigten Zeit unter den optimalen Bedingungen bei pH 6,5, der in den späteren Versuchen stets eingestellt wurde. Variiert wurden dabei neben der Enzymkonzentration in der Einspeisflotte und dem Einspeisdruck auch die Durchlaufgeschwindigkeit des Hautmaterials durch den Penetrator sowie der Düsenabstand zum Hautmaterial. Schließlich wurde zur besseren Handhabung der umzupumpenden Enzymflotte im Penetrator ein handelsüblicher Entschäumer zugesetzt.

Bei der Untersuchung der benötigten Flottenkonzentration des neuen Enzymtyps zeigte sich, dass im Vergleich zu der von uns getesteten alkalischen Protease generell höhere Produktmengen eingesetzt werden mussten, um ein befriedigendes Enthaarungsergebnis zu erhalten. Die als Anhaltspunkt für die Wirksamkeit ermittelte Enzymaktivität ergab mit ca. 10 000 LVE/g einen um das 5fache niedrigeren Wert als bei dem geprüften, im alkalischen Bereich wirkenden kommerziellen Enzymprodukt. Außerdem ergaben sich Schwankungen in der Aktivität zwischen den verschiedenen Produktionschargen, die im Laufe der Untersuchungen zum Einsatz kamen. Dies dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen des Enzymprodukts in flüssiger Form zurückzuführen sein, was bekanntermaßen Probleme in der Enzymstabilität über längere Zeit verursachen kann. Es wurden Versuche mit Flotten von 10 bis 40 g Enzym pro Liter durchgeführt, wobei die höchste Enzymkonzentration die besten Ergebnisse lieferte. Eine weitere Erhöhung der Enzymkonzentration ist aus Gründen der Wirtschaftlichkeit eines solchen Verfahrens in der Praxis nicht sinnvoll und wurde daher nicht geprüft.

Die Untersuchung des Temperatureinflusses auf die Reaktion der enzymatischen Enthaarung ergab, dass durch eine Steigerung der Flottentemperatur von anfänglich 25 °C auf 35-38 °C eine Verbesserung erzielt werden konnte. Bei Temperaturen von mehr als 38 °C ist dagegen die Gefahr eines zu schnellen Abbaus der Enzymaktivität in der Flotte gegeben.

Für die Einwirkung der Enzyme auf das Hautmaterial hat sich dessen Lagerung nach erfolgter Enzymeinspeisung bei ca. 40 °C als am günstigsten erwiesen.

Tabelle 1: Enthaarung bzw. Entwollung nach Enzymeinspeisung im Penetrator

Bei Schaffellen, die nach einer Schmutzweiche entfleischt und anschließend über Nacht einer Hauptweiche unter Zusatz von 2 % eines Weichenzyms unterzogen wurden, war bei Einstellung der optimalen Versuchsparameter eine Haarlockerung frühestens nach 90 min Einwirkungsdauer nach erfolgter Enzymeinspeisung unter 10 bar Druck mittels Penetrator zu erreichen. Die anschließende mechanische Entwollung erforderte hierbei jedoch noch einen deutlichen Krafteinsatz, und es verblieben noch einige Resthaare, vor allem in den Randzonen (Tabelle 1). Das beste Resultat konnte bei gleichem Fellmaterial nach einer Einwirkungsdauer von 120 min erhalten werden. Unter diesen Bedingungen war eine leichtere und einwandfreie Entwollung der Felle zu erzielen.

Im Falle von süddeutschen Kuhhäuten der Gewichtsklasse 25-29,5 kg wurden Versuche mit entfleischten ungespaltenen Flanken der Stärke 1,8-3 mm sowie mit ungespaltenen (ca. 3,5 mm Stärke) und auf 2,5 mm gespaltenen Hälsen mit der Einspeisetechnik durchgeführt. Dabei wurde das Einspeisen der Enzymflotte sowohl von der Fleischseite als auch von der Haarseite untersucht, da bei diesem Hautmaterial im Gegensatz zu den Kleintierfellen das kurze Haarkleid keine große Schutzschildwirkung gegenüber der Enzymapplikation ausüben sollte. Die Experimente zeigten jedoch, dass beim Einspeisen der Enzyme von der Fleischseite durchweg eine bessere und schnellere Haarlockerung erreicht werden konnte. Bei geweichten und entfleischten Flanken war die Haarlockerung nach 120 min so weit fortgeschritten, dass sich die Haare mit dem Streicheisen praktisch vollständig entfernen ließen. Ein vergleichbares Bild zeigte sich bei den in gleicher Weise vorbehandelten Hälsen, die jedoch zusätzlich gespalten worden waren. Nach 120 min Einwirkungsdauer waren die Probestücke bis auf einige verbleibende Grundhaare nahezu vollständig mechanisch enthaarbar. Bei den ungespaltenen Hälsen war hingegen keine zufriedenstellende Haarlockerung zu erzielen. Hier verblieben selbst nach Verlängerung der Einwirkungszeit über 120 min hinaus noch viele Resthaare. In diesem Fall reichte offensichtlich der Druck von 10 bar nicht aus, um die Enzyme wirkungsvoll in das Hautinneren bis in die Nähe der Haarwurzeln zu befördern. Bezüglich der Stabilität des Enzympräparates fiel auf, dass die Aktivität unter den Bedingungen der Druckeinspeisung rasch abnahm (Tabelle 2). Bereits nach ½ h waren nur noch ca. ¾ und nach 1 h noch ca. 1/3 der Anfangsaktivität nachweisbar.

Tabelle 2: Veränderung der Enzymaktivität

Bei allen auf dem beschriebenen Weg enzymatisch enthaarten Häuten und Fellen erwies sich die Anwendung eines Nachäschers als erforderlich, um einen dem konventionellen Sulfidäscher vergleichbaren Aufschluss des Hautfasergefüges zu erhalten. Dieser Hautaufschluss, der durch einen Weißkalknachäscher herbeigeführt wurde, ist eine wichtige Voraussetzung für den einwandfreien Ablauf der späteren Gerbung. Das erhaltene Blößenmaterial wurde analog den konventionell geäscherten Häuten und Fellen den Prozessen der Entkälkung, des Pickels, der Chromgerbung und der Nasszurichtung, d. h. Neutralisation, Nachgerbung, Färbung und Fettung, unterzogen sowie abschließend hängegetrocknet und gestellt. Lediglich auf das beim konventionellen Verfahren übliche Beizen mit Enzympräparaten wurde verzichtet, da man davon ausgehen kann, dass ein Enzymeinsatz für die Enthaarung bereits eine entsprechende Beizwirkung mit beinhaltet.

Die erhaltenen Crustleder waren bis auf einzelne Kleintierfellproben, die auf Grund einer zu langen Enzymeinwirkungsdauer eine deutlich verminderte Zugfestigkeit aufwiesen, hinsichtlich ihrer Festigkeitseigenschaften entsprechenden konventionell hergestellten Ledern durchaus vergleichbar.

Es zeigte sich jedoch, dass eine hundertprozentige Enthaarung bzw. Entwollung der Häute und Felle allein durch enzymatische Verfahren unter totalem Verzicht auf Sulfide nicht zu garantieren ist. Die Versuchsleder wiesen nach ihrer Fertigstellung alle noch mehr oder weniger Resthaare in einzelnen Bereichen auf. Besonders bei den Schaffellen zeigte sich außerdem noch häufig ein leicht angegriffener bzw. beschädigter Narben, was größtenteils auf die zu starke mechanische Beanspruchung beim manuellen Entfernen der Wolle zurückgeführt werden kann.

Neben dem Einsatz im Penetrator wurde das neue Enzymprodukt zur Enthaarung auch auf Rindhäuten im Fass angewandt. Unter den günstigsten Versuchsbedingungen bei einer Flottentemperatur von 35-38 °C und einem pH-Wert von 5,5-6,5 war mit einer Enzymkonzentration von 10 g/l bei 200% Flotte bzw. 40 g/l bei 50 % Flotte in 16-18 h eine gute Haarlockerung zu erreichen. Dabei wurde der größte Teil der Haare durch die Walkwirkung im Fass von der Haut entfernt. Diese Haare können dann durch eine Filtration von der Prozessflotte abgetrennt werden, wodurch der CSB-Wert des resultierenden Abwassers drastisch gesenkt werden könnte.

Allerdings verblieben auch hier selbst nach einem 2tägigen Weißkalkäscher noch einige Resthaare auf der Haut, so dass für das Arbeiten mit diesem Verfahren in der Praxis eine Kombination mit einem leicht sulfidhaltigen Nachäscher unbedingt zu empfehlen ist.

Wir danken allen Mitarbeitern der Westdeutschen Gerberschule Reutlingen, die an diesen Untersuchungen beteiligt waren, insbesondere Herrn Dipl.-Ing. (FH) A. Hummel und Herrn T. Yaldir.

Unser besonderer Dank gilt dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg für die finanzielle Unterstützung dieser Forschungsarbeit.

Literaturverzeichnis:

  1. Petersen, A. und Germann, H.-P.: Das Leder 40 (10), 1989, S.205.
  2. Pauckner, W.: Leder- und Häutemarkt 44 (35), 1992, S. 1.
  3. Wolf, H.: Das Leder 42 (12), 1991, S. 260.


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