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61 Über die Zusammenhänge zwischen Gewicht, Dicke und Prallheit tierischer Haut bei Einwirkung von Kalk allein und mit Zusätzen von Alkalien, Schwefelnatrium und Sulfhydraten aus dem Jahre 1965

Von H. Herfeld und B. Schubert

Es werden Gewicht, Dicke und Prallheit von Kalkäschern alleine bzw. mit Zusätzen von Alkalien, Schwefelnatrium oder Sulfhydrat bestimmt. Die dadurch charakterisierte Quellung hängt von dem End-pH-Wert, von der Art der vorhandenen Kationen und in binären Systemen von der Gegenionen- oder Pickelwirkung ab.

The weight, thickness and plumpness of pelt treated with straight lime liquor, and with liquors sharpened with alkalis, sodium sulphide and sulphhydrate, have been measured. The plumpness depends on the final pH, on the nature of the kations present and, in binary Systems, on the counterions or pickling action.

In zwei früheren Veröffentlichungen dieser Reihe hatten wir über die BeEinflussung von Gewicht, Dicke und Prallheit tierischer Haut durch die jeweilige Zusammensetzung des Äschers in den Systemen:

  1. Na2S für sich und mit steigenden Mengen von NaOH, Ca(OH)2 und NH3
  2. NaSH für sich und mit steigenden Mengen von NaOH, Ca(OH)2 und NH3
  3. Ca(SH)2 für sich und mit steigenden Mengen von NaOH, Ca(OH)2 und NH3

berichtet. Dabei wurde die SH-Konzentration in allen Äschersystemen konstant gehalten, die OH-Konzentration dagegen kontinuierlich gesteigert. Bei diesen Untersuchungen gelang es, die drei angeführten Größen - Gewicht, Dicke und Prallheit - klar gegeneinander abzugrenzen und ihre gegenseitige Abhängigkeit und ihre Beziehungen zueinander zahlenmäßig zu erfassen. Die Veränderungen der drei Größen in den verschiedenen Äschersystemen laufen keineswegs parallel, sie verändern sich mit zunehmenden Alkalizusätzen ganz unterschiedlich, teilweise sogar gegenläufig, so dass lediglich die Bestimmung einer Größe keine Rückschlüsse auf die Veränderung der anderen Größen zulässt. Die für die Praxis insbesondere interessierenden Werte der Quellung (Stärkezunahme) und der Prallheit (Verminderung der Kompressibilität) sind nur teilweise vom End-pH-Wert und der Gesamtalkalität der Äscherlösung abhängig, werden vielmehr auch sehr ausgeprägt von der Menge und dem Verhältnis der anwesenden Kationen beEinflusst. Calcium- und insbesondere Ammoniumionen dämpfen im Vergleich zu Natriumionen die Quellung und namentlich die Prallheit. Entsprechend wurden schon bei den Sulfiden bzw. Sulfhydraten für sich bei gleicher S-Konzentration ohne Alkalizusätze beträchtliche Unterschiede festgestellt. Die höchste Quellung und Prallheit wurde in Schwefelnatrium-Lösungen erhalten (pH-Wert einer 0,25%igen Na2S -Lösung anfangs 12,2, am Ende 10,5), niedriger lagen die Werte in Natriumsulfhydrat-Lösungen (pH-Wert in äquivalenter S-Konzentration anfangs 9,1, am Ende 8,1, also geringerer pH-Wert) und am niedrigsten waren Quellung und Prallheit in Lösungen mit Calciumsulfhydrat (pH-Wert anfangs 10,4, am Ende 8,5), da im letzteren Falle noch der stark quellungsdämpfende Einfluss des Calciumions hinzukommt. Bei Zusatz von NaOH steigen Quellung und insbesondere Prallheit in allen Systemen stark an, bei Zusatz von Ca(OH)2 lagen die Quellungs-und Prallheitswerte stets erheblich unter denen der entsprechenden Systeme mit NaOH. Mit zunehmendem Kalkzusatz zu NaSH-und Ca(SH)2-Lösungen wurden natürlich die Quellung und Prallheit erhöht, da der pH-Wert ansteigt, im Falle des Kalkzusatzes zu Na2S -Lösungen wird dagegen bei höheren Kalkzusätzen eine Abnahme von Quellung und Prallheit als Folge des zunehmenden Calciumionen-Einflusses festgestellt. Bei Zusatz von NH3 wurden schließlich im Vergleich zu den Systemen mit NaOH und Ca(OH)2 zumeist die niedrigsten Quellungs-und Prallheitswerte erhalten. Bei höheren Temperaturen liegen Quellung und namentlich Prallheit niedriger als bei niederen Temperaturen.

Schließlich hatten wir zunächst als Arbeitshypothese die Auffassung dargelegt und an einer ganzen Reihe von Beispielen begründet, dass der Quellung und insbesondere der Prallheit für den Äscheraufschluss eine ganz besondere Bedeutung zukommt. Eine bestimmte Alkalität allein reicht also für den Äscheraufschluss nicht aus, vielmehr ist die gleichzeitig auftretende Quellung und Prallheit in ihrer Intensität hierfür von entscheidender Bedeutung. Eine gewisse Quellung ist bei jedem Äschersystem unbedingt erforderlich, um eine Auflockerung des Fasergefüges zu erreichen. Geht aber die Quellung in den Zustand der Prallheit, das heißt der Verspannung des Fasergefüges über, nimmt der Äscheraufschluss mit zunehmender Prallheit wieder ab. Er ist also um so größer, je geringer die Verspannung des Fasergefüges und damit die Prallheit der Haut ist.

Obwohl diese Untersuchungen bereits wertvolle Beziehungen zwischen der Zusammensetzung der Äscherlösungen und der jeweiligen Quellung und Prallheit aufgezeigt hatten, erschien es doch zweckmäßig, bevor praktische Äscherversuche über die Beziehungen zwischen Quellung und Prallheit einerseits und dem Äscheraufschluss andererseits durchgeführt wurden, weitere Untersuchungen über die BeEinflussung der Quellung und Prallheit in Anlehnung an praktische Äschersysteme durchzuführen. Bei ihnen wurde nicht die SH-Ionen-Konzentration konstant gehalten und die OH-Ionen-Konzentration variiert, sondern von Kalkäschern ausgegangen, und es wurden entweder reine Kalkäscher oder mehr oder weniger stark mit Alkalien, Schwefelnatrium bzw. Sulfhydraten angeschärfte Äscher verwendet. In der vorliegenden Veröffentlichung wird daher über Untersuchungen berichtet, die einerseits mit reinen Kalkäschern verschiedener Konzentration und im Vergleich dazu mit reinen Lösungen von NaOH bzw. Na2S und zum anderen mit Kalkäschern von konstanter Kalkkonzentration und steigenden Zusätzen von NH3, NaOH, Na2S , NaSH und Ca(SH)2 durchgeführt wurden.

Methodik der Untersuchungen

Tabelle 1:

Die Vorbereitung des Hautmaterials, die Versuchsdurchführung und die Verfahren der Untersuchung des Hautmaterials und der Äscherlösungen waren die gleichen wie bei unseren früheren Untersuchungen, so dass auf die dort gemachten Angaben verwiesen werden kann2. Alle Versuchsreihen wurden wieder bei 10 und 25 °C durchgeführt. Über die angewandten Chemikalienmengen und Konzentrationsverhältnisse sind dagegen eingehendere Angaben zu machen. Wie bereits oben dargelegt, wurde zunächst in einer gesonderten Versuchsreihe geprüft, wie sich Weißkalkäscher für sich in steigender Konzentration auf Quellung und Prallheit auswirken, und parallel dazu wurden entsprechende Reihen mit NaOH für sich und Na2S für sich durchgeführt. Die Ansatzmengen dieser Serie sind in Tabelle 1 zusammengestellt, und zwar auf Flottenmenge wie auf Weichgewicht bezogen, wobei die Flottenmenge 290% betrug. Für die Versuchsreihe mit Weißkalk für sich wurden die Kalkmengen der früheren Versuchsreihen verwendet, um so einen Wirkungsvergleich mit diesen Reihen zu ermöglichen, wobei allerdings die Endglieder der Reihe im Bereich höherer Kalkmengen noch erweitert wurden, um auch einen Einfluss sehr hoher Kalküberschüsse auf Quellung und Prallheit feststellen zu können. Bei den Anfangsgliedern dieser Reihe (a, b und c) lag die Ansatzmenge unter der Löslichkeitsgrenze, und entsprechend war auch in den Endäscherbrühen der ersten beiden Glieder bei 25 ° stärkerer Fäulnisgeruch festzustellen. Die Versuche e und f entsprechen etwa den in der Praxis üblichen Einsätzen von 5-10 kg Kalkhydrat/cbm, höhere Mengen des Versuchs g und evtl. h werden bisweilen bei Handschuhleder verwendet. Die Versuche mit Ätznatron für sich wurden in äquivalentem Verhältnis durchgeführt. In der Praxis wird Ätznatron nur als Anschärfungsmittel mit 0,2-0,4% auf Weichgewicht verwendet, was etwa den Versuchsgliedern b und c entspricht. Wir haben aber auch die höheren Glieder mit untersucht, um damit einmal den unterschiedlichen Einfluss von pH-Wert und Natriumionen statt Calciumionen auf Quellung und Prallheit deutlich zu machen und zum anderen diese Werte mit den entsprechenden Werten der Reihe mit Schwefelnatrium in Vergleich zu setzen. Bei dieser Reihe haben wir, um Na2S mit der Wirkung von NaOH exakt vergleichen zu können, diese beiden Chemikalien im Molverhältnis 1 : 1 eingesetzt, da nach der Formel ein Mol Na2S in wässriger Lösung theoretisch infolge Hydrolyse ein Mol NaOH zu liefern vermag.

1 Mol Na2S - 1 Mol NaOH + 1 Mol NaSH

Alle Angaben der Tabelle 1 beziehen sich jeweils auf die 100%igen Chemikalien. Bei Verwendung handelsüblicher Chemikalien mit geringem Gehalt an wirksamer Substanz mussten entsprechend höhere Mengen eingesetzt werden.

In einer weiteren Serie wurde die Wirkung verschiedenartiger anschärfender oder »dämpfender« Zusätze zum Kalkäscher untersucht. Dabei wurde der Grundäscher mit 5,93 g Ca(OH)2/l, also in der Größenordnung etwa eines dreifachen Überschusses der Sättigungsmenge, angesetzt, einer Menge, die dem Versuch e der ersten Serie entspricht und die wir auch in der Praxis zumeist für ausreichend halten, obwohl vielfach noch etwas höhere Mengen verwendet werden. Auf Hautmaterial bezogen, entspricht das 1,719% auf Weichgewicht. Zu diesem Grundäscher wurden steigende Mengen von NH3, NaOH, Na2S , NaSH und Ca(SH)2 zugegeben, und zwar stets in äquivalenten Mengen, wobei die Menge zwischen 0,1 und 4 Val/Mol Ca(OH)2 gesteigert wurde. In Tabelle 2 sind die effektiven Zusatzmengen, wieder auf Flottenmenge und auf Weichgewicht bezogen, zusammengestellt, wobei es sich auch hier jeweils um die 100%igen Materialien handelt, so dass von handelsüblichen Produkten mit niedrigerem Gehalt an wirksamer Substanz höhere Mengen eingesetzt werden müssen. Alle Zusätze wurden in gleichen Mengen angewandt, obwohl die hohen Mengen der Endglieder zum Teil als Anschauungsmittel in der Praxis nicht zum Einsatz kommen. So kommen bei Ätznatron, soweit es in der Praxis als Anschauungsmittel verwendet wird, nur 0,2-0,4% auf

Weichgewicht in Betracht, was etwa den Versuchen mit 0,2 und 0,4 Val entsprechen würde. Im Falle des Zusatzes von Schwefelnatrium werden in der Praxis bei haarerhaltenden Äschern nicht über 0,12% Na2S konz. auf Flüssigkeitsmenge, also 0,35% Na2S konz. auf Weichgewicht, bei 290% Flotte verwendet, was 0,21% einer 100%igen Ware und damit etwa dem Einsatz von 0,2 Val entsprechen würde. Bei haarzerstörenden Äschern werden normalerweise 1-3% Na2S konz. auf Weichgewicht verwendet, also 0,6-1,8% Na2S 100%ig, was den Versuchen mit 0,8 und 2,0 Val gleichzusetzen wäre.

Tabelle 2:

Untersuchungen an reinen Kalk-, Ätznatron- und Schwefelnatriumlösungen steigender Konzentration

Tabelle 3:

Tabelle 4:

Tabelle 5:

Die Ergebnisse, die bei Einsatz von Kalk, Ätznatron und Schwefelnatrium für sich erhalten wurden, sind hinsichtlich Gewichtszunahme, Dickenzunahme und Prallheit in den Tabellen 3-5 zusammengestellt. Sie lassen zunächst für die reinen Kalkäscher erkennen, dass alle drei Größen mit zunehmender Kalkkonzentration bis zu den Versuchen e und f, also bis zu dem in der Praxis üblichen Einsatz von 5-10 kg Kalkhydrat/ cbm, ebenfalls ansteigen und dann etwa konstant bleiben. Bei reinen Kalkäschern ist also der Einsatz hoher Kalkmengen sinnlos, selbst in der angegebenen praxisüblichen Spanne sind die Änderungen in Quellung und Prallheit so gering, dass man bei reinen Kalkäschern normalerweise mit 5 kg Kalkhydrat/cbm auskommen dürfte. Bemerkenswert ist, dass der Kalk zu beträchtlichen. Quellungswerten führt, während die Prallheit auch bei hohen Kalkzusätzen nur verhältnismäßig gering ist. Wenn man der oben zitierten Arbeitshypothese über die Beziehungen zwischen Quellung, Prallheit und Äscheraufschluss folgt, versteht man, dass in reinen Kalkäschern nach den Erfahrungen der Praxis ein recht beträchtlicher Äscheraufschluss erreicht wird.

Wesentlich höher liegen dagegen alle Werte bei Einsatz entsprechender Mengen von Ätznatron und Schwefelnatrium. Auch hier tritt zunächst mit steigender Konzentration eine Erhöhung aller drei Werte ein. Für Gewichts- und Stärkezunahme wird dann bei mittleren Konzentrationen ein Höchstwert erreicht, der sich bei höheren Konzentrationen kaum noch ändert, im Falle des Schwefelnatriums bei der Gewichtszunahme sogar wieder etwas abnimmt. Im Gegensatz dazu steigen die Werte für die Prallheit in den ersten Stadien noch verhältnismäßig wenig an, erfahren aber dann eine beträchtliche Zunahme, sobald das Fasergefüge der Quellungsspannung nicht mehr nachgeben kann und daher eine starke Verspannung des dreidimensionalen Fasergeflechts erfolgt. Auch die Intensität der Steigerung ist im Vergleich zu den entsprechenden Werten der Kalkreihe stark unterschiedlich. Gewichtszunahme und Stärkezunahme liegen, wenn man die Versuche e und f mit optimaler Kalkwirksamkeit zugrunde legt, bei NaOH und Na2S etwa 2-2 1/2 mal so hoch, erreichen dagegen bei der Prallheit etwa den sechsfachen Wert. Dieser Vergleich macht die grundsätzlichen Unterschiede in der Wirksamkeit dieser Chemikalien besonders deutlich, dass sie nämlich mit steigender Konzentration zunächst wie beim Kalk die Quellung steigern, dass man aber schon bald in einen Bereich kommt, wo das gewachsene Fasergefüge dem Quellungsdruck nicht mehr nachgeben kann. Die in der Literatur häufig zu findende Angabe und dem Praktiker bekannte Tatsache, dass die Haut in Lösungen von Schwefelnatrium oder Natronlauge erheblich stärker schwillt als in Kalklösungen, kann auch auf Grund der vorliegenden Werte dahingehend spezifiziert werden, dass diese Zunahme der Quellung sich zwar auch in einer Steigerung der Gewichts- und Stärkewerte, in erster Linie aber in einer Steigerung der Prallheit der Haut auswirkt. Damit hängt auch das jedem Praktiker bekannte Glasigwerden der Haut zusammen, eine Erscheinung, die niemals bei reinen Kalklösungen, wohl aber in Schwefelnatrium- und Natronlauge-Lösungen auftritt, also nicht mit der Quellung als solcher, sondern mit der Verspannung des Fasergefüges und der dadurch bewirkten Prallheit in Zusammenhang steht.

Es sei hier noch der Vollständigkeit halber angeführt, dass bei allen drei Chemikalien und in allen Konzentrationen die bei 25 ° festgestellten Werte etwas niedriger liegen als die bei 10° ermittelten Daten. Das gilt insbesondere für Quellung und Prallheit und bestätigt die aus der Praxis bekannte Tatsache.

Das unterschiedliche Verhalten der Kalkäscher einerseits und der NaOH- und Na2S -Lösungen andererseits ist, wie die in Tabelle 6 wiedergegebenen pH-Werte zeigen, nur sehr bedingt auf die pH-Werte der Äscherbrühen zurückzuführen, da deren Unterschiede insbesondere bei den für die Beurteilung wichtigen End-pH-Werten nur gering sind und im Falle von NaOH und Na2S erst beim Versuch f in etwas größerem Umfange in Erscheinung treten. Die Unterschiede in Quellung und Prallheit sind vielmehr in erster Linie eine Funktion des jeweiligen Kations und darauf zurückzuführen, dass das Natriumkollagenat so viel stärker dissoziiert ist als Calciumkollagenat und daher im ersteren Falle eine viel stärkere einseitige Aufladung auftritt und die hohe Verspannung des Fasergefüges bewirkt. Darauf kommen wir aber später noch zurück.

Bei dem äquimolekularen Einsatz von NaOH und Na2S hätte man bei diesen Reihen im wesentlichen ein gleichartiges Verhalten, insbesondere bei der Stärkenzunahme und den Prallheitswerten, erwarten müssen, zumal die End-pH-Werte nicht stark voneinander abweichen. Das ist indessen nicht der Fall; anfangs liegen die Zahlen der Schwefelnatrium-Reihe bei beiden Werten und bei beiden Temperaturen höher als die der Ätznatronreihe, bei höheren Konzentrationen aber, d. h. ab Versuch d für die Stärkezunahme und ab Versuch c für die Prallheitswerte, liegen sie im Falle des Schwefelnatriums stets niedriger, wobei sich die Unterschiede mit zunehmender Konzentration verstärken. Es kann daran gedacht werden, dass die gleichzeitig vorhandenen SH-Ionen in höherer Konzentration vielleicht einen gewissen dämpfenden Einfluss auf Quellung und Prallheit ausüben, doch dürften die Unterschiede in erster Linie darauf zurückzuführen sein, dass bei äquimolekularem Einsatz beider Chemikalien im Falle des Schwefelnatriums eine doppelte Menge an Natriumionen in der Lösung vorliegt, wodurch nach dem Massenwirkungsgesetz eine gewisse Zurückdrängung der Dissoziation des entstehenden Natriumkollagenats bewirkt wird, eine Erscheinung, die dem Praktiker in ihrer Auswirkung von der Pickelwirkung her bekannt ist. Tatsächlich haben wir bei vielen praktischen Äscherversuchen, bei denen Schwefelnatrium ganz oder teilweise durch Zusätze von Ätznatrium ersetzt wurde, immer wieder beobachten können, dass die Quellwirkung verstärkt wurde, was nach den vorliegenden zahlenmäßigen Ermittlungen durchaus erklärlich wird.

Wir haben auch bei den Untersuchungen dieser Arbeit in gleicher Weise wie bei den früheren Reihen die löslichen Stickstoffverbindungen ermittelt, in koagulierbaren Stickstoff, nicht koagulierbaren Stickstoff und Amidstickstoff unterteilt. Wir hatten aber früher bereits dargelegt, dass diesen Werten im Hinblick auf die Beurteilung eines möglichen Hautsubstanzabbaues beim Äscheraufschluss keine nennenswerte Aussagekraft zukommt, da die vorhandenen löslichen Stickstoffverbindungen teilweise auch von stickstoffhaltigen Begleitstoffen des Kollagens, löslichen Kollagenvorstufen und abgespaltenem Ammoniak aus den Amidgruppen der Asparagin- und Glutaminreste herrühren. Verhältnismäßig hohe Werte bei den Endgliedern der Reihe mit Ätznatron und Schwefelnatrium deuten darauf hin, dass hier auch bereits ein stärkerer Angriff auf die Kollagensubstanz erfolgte, eine Feststellung, die auch in einer schleimigen Oberflächenbeschaffenheit der Proben dieser Versuche äußerlich sichtbar war, Nachdem aber klare Differenzierungen auf Grund der ermittelten Werte nach dieser Richtung nicht möglich sind, haben wir auf die Wiedergabe der diesbezüglichen Analysenwerte verzichtet.

Tabelle 6 und Tabelle 7:

Tabelle 8 und Tabelle 9:

Untersuchungen über den Einfluss verschiedenartiger Zusätze zum Kalkäscher in steigenden Mengen

Wie bereits dargelegt, wurden die in diesem Abschnitt zu behandelnden Untersuchungen so durchgeführt, dass die Kalkkonzentration der Äscher stets konstant gehalten wurde (5,93 g Ca(OH)2/l) und dazu in der Praxis übliche Chemikalien in steigenden Mengen bis zu 4 Val/Mol. Ca(OH)2 zugesetzt wurden. Die dabei für Gewichtszunahme, Dickenzunahme und Prallheit erhaltenen Ergebnisse sind in den Tabellen 7-9 zusammengestellt und zeigen, dass sich die verschiedenen Zusätze in Bezug auf die Beeinflussung von Quellung und Prallheit stark unterschiedlich auswirken. Hierbei ist zunächst für den Ammoniakzusatz der Einfluss auf das Verhalten von Kalkäschern verhältnismäßig gering. Während bei unseren früheren Untersuchungen, bei denen von reinen Schwefelnatrium- oder Sulfhydratlösungen ausgegangen wurde, die Ammoniakzusätze einen weniger steigernden Einfluss auf die Prallheit und bei Sulfhydratlösungen auch auf die Quellung ausübten als Zusätze von Natronlauge und Kalk, kann man bei den jetzt untersuchten Systemen von einem solchen Einfluss im Vergleich zum reinen Kalkäscher nur in sehr beschränktem Umfang sprechen. Bei der Gewichtszunahme ist er praktisch überhaupt nicht vorhanden, bei Stärkezunahme- und Prallheitswerten zeigt er sich bei den Untersuchungsreihen, die bei 25 ° C durchgeführt wurden, in etwas stärkerem Umfang, bei 10° C ist er dagegen wieder kaum vorhanden. Wenn Blößen in alten Kalkäschern erfahrungsgemäß nicht so stark aufgehen, wie in frischen Kalkäschern, so kann dieser Unterschied - soweit es sich um reine Kalkäscher handelt - nur zu einem beschränkten Teil auf deren Gehalt an Ammoniak zurückzuführen sein; sicherlich haben andere Bestandteile alter Äscher wie Amine, Eiweißabbauprodukte usw. hier einen größeren Einfluss.

Durch Zusatz von Ätznatron und Schwefelnatrium erfahren dagegen alle drei Werte eine beträchtliche Steigerung, die im untersuchten Bereich bis zu 4 Val bei Gewichts- und Stärkezunahme bis zum etwa 2- bis 2 1/2 fachen Wert, bei der Prallheit sogar bis zum 5- bis 6 fachen Wert erfolgt, so dass die besonders prallmachende Wirkung dieser beiden Chemikalien erneut bestätigt wird. Ferner lassen die Werte wieder deutlich erkennen, dass bei geringeren Zusätzen zunächst die Quellung stärker ansteigt als die Prallheit, da das dreidimensionale Fasergeflecht dem Quellungsdruck, der durch die Verdickung und Verkürzung jeder Faser entsteht, noch weitgehend auszuweichen vermag, während mit steigenden Zusätzen die Stärkezunahme sich immer mehr abflacht und mit zunehmender Faserverspannung dann die Prallheit ganz besonders stark ansteigt, so dass bei extrem hohen Zusätzen sogar mehr oder weniger starke Zersprengungen des Fasergefüges eintreten können. Bei so hohen Prallheitswerten wird auch verständlich, warum bei ausgeprägt prallheitsfördernden Zusätzen die Mastfalten und Halsriefen im Äscher stark hervortreten und ein intensiver Narbenzug auftreten kann.

Bei Natriumsulfhydratzusätzen werden ebenfalls alle drei Werte gesteigert. In Bezug auf die Gewichtszunahme laufen die Werte zunächst mit steigenden Zusätzen mit denen bei Zusatz von NaOH und Na2S parallel, und erst bei höheren Zusätzen wird eine dann allerdings deutliche Verminderung ihnen gegenüber erreicht. Bei der Stärkezunahme und insbesondere bei den Prallheitswerten tritt diese Verminderung schon bei geringeren Zusätzen ein und macht sich bei höheren Zusätzen wesentlich deutlicher als bei der Gewichtszunahme bemerkbar. Gewichtszunahme und Stärkezunahme erreichen bei den maximalen Zusätzen im Vergleich zum reinen Kalkäscher eine Steigerung auf das 1 3/4fache (statt auf das 2- bis 2 1/2 fache bei Zusatz von NaOH und Na2S ), bei den Prallheitswerten auf das 3- bis 3 1/2 fache (statt auf das 5- bis 6fache). Die in der Praxis oft vertretene Auffassung, Natriumsulfhydratzusätze würden keine zusätzliche Quellung und Prallheit bewirken, ist in dieser Formulierung unrichtig, wie die vorliegenden Zahlen zeigen, sondern im Vergleich zum reinen Kalkäscher tritt immer noch eine recht beträchtliche Steigerung von Quellung und Prallheit auf, was ja durchaus verständlich ist, wenn man nach den im vorigen Abschnitt gemachten Ausführungen zugrundegelegt, dass die Prallheit in erster Linie eine Funktion des Gehaltes der Äscherbrühen an Natriumionen ist. Die Steigerung ist nur relativ gesehen - aus noch zu behandelnden Gründen - nicht so ausgeprägt wie mit Natronlauge und Schwefelnatrium. Daher kann auch bei einem teilweisen oder völligen Ersatz von Schwefelnatrium durch Natriumsulfhydrat eine entsprechende Verminderung der Quellung erreicht werden. Das bestätigt auch eine frühere Mitteilung von Hörig, dass Zusätze von Natriumsulfhydrat zu Äschern nur dann schwellungsmindernd wirken, wenn im Stammeinsatz eine genügende Na2S -Menge vorhanden ist, der ursprüngliche Äscher also von Haus aus eine stärker quellende und prallmachende Wirkung besitzt, während sie sich bei nur mäßig schwellenden und prallmachenden Äschersystemen nicht mehr schwellungshindernd, sondern sogar noch schwellungsfördernd auswirken würden. Auch für die Zusätze von Natriumsulfhydrat zeigt sich, dass bei geringeren Zugaben zunächst nur eine Zunahme der Quellung eintritt und die Steigerung der Prallheit erst bei höheren Zusätzen in stärkerem Umfange in Erscheinung tritt, wenn eine gewisse Verspannung des Fasergefüges erreicht ist.

Ganz anders liegen dagegen die Verhältnisse bei Zusatz von Calciumsulfhydrat. Hier tritt nur noch bei den Werten für die Gewichtszunahme eine geringfügige Steigerung ein, bei den höchsten Zusatzmengen bei 25 °C sogar bereits wieder eine Abnahme, bei den Werten für die Stärkenzunahme und die Prallheit ist dagegen ein deutlich ausgeprägter Rückgang festzustellen. Vergleicht man die erhaltenen Daten zwischen Calciumsulfhydrat und Natriumsulfhydrat bei maximalem Zusatz von 4 Val, so ergibt sich für die Gewichtszunahme ein Verhältnis von 1 : 1,6 bis 2,0, für die Stärkenzunahme ein Verhältnis von 1 : etwa 2,5 und für die Prallheitswerte ein Verhältnis von 1 : 4,7 bzw. 4,3. Diese Relationen machen erneut deutlich, dass sich der Einfluss der Natriumionen in erster Linie in einer stark gesteigerten Prallheit auswirkt. Die Tatsache, dass Zusätze von Calciumsulfhydrat zu Kalkäschern nicht nur keine Steigerung, sondern sogar eine Verminderung der Stärkenzunahme und insbesondere der Prallheit bewirken, dürfte auch hier darauf zurückzuführen sein, dass durch die Steigerung der Calciumionenkonzentration in der Lösung nach dem Massenwirkungsgesetz die Dissoziation des Calciumkollagenats weiter zurückgedrängt wird und daher im Sinne einer Pickelwirkung eine Verminderung der im reinen Kalkäscher erzielten Quellung und Prallheit eintritt. Die Wirkung von Calciumsulfid ist dem Praktiker ja in erster Linie vom Arsenikäscher her bekannt, bei dem durch doppelte Umsetzung zwischen dem roten Arsenik und dem Kalk Calciumsulfhydrat entsteht, und die besonders milde, aber auch einen beträchtlichen Äscheraufschluss hervorrufende Wirkung dieses Äschersystems wird durch die vorliegenden Zahlen bestätigt.

Die in Tabelle 10 wiedergegebenen pH-Werte am Anfang und Ende der Äscherdauer lassen erkennen, dass in allen Lösungen der pH-Wert über 12 liegt, eine Mindestforderung, die wir aus Gründen, die in einer späteren Arbeit noch zu diskutieren sein werden, bei Äschern für unbedingt erforderlich halten. Der Einfluss der verschiedenen Zusätze auf den pH-Wert, insbesondere auf den für die Beurteilung wichtigen End-pH-Wert, ist nur verhältnismäßig gering. Ammoniak beeinflusst die pH-Werte praktisch überhaupt nicht, bei Zusätzen von NaOH und Na2S tritt bei größeren Mengen eine gewisse Steigerung des End-pH-Wertes unter Annäherung an die in reinen Natronlauge-Lösungen erreichbaren Maximalwerte von 13,3 bis 13,4 ein, durch die beiden Sulfhydrate wird eine mäßige Senkung des pH-Wertes erreicht, in allen Fällen reicht aber die Intensität dieser pH-Änderung nicht aus, um die stark unterschiedlichen Quellungs- und Prallheitswerte in den verschiedenen untersuchten Systemen allein zu begründen. Nur der Kationen Einfluss macht die wesentlich höheren Quellungs- und Prallheitswerte in den Äschersystemen, die einen Zusatz von NaOH bzw. Na2S erfahren haben, verständlich, und die Bedeutung des Kationen Einflusses wird besonders augenscheinlich bei den beiden Systemen mit Sulfhydratzusätzen, wo mit Sicherheit andere Einflüsse ausscheiden und damit in erster Linie der unterschiedliche Einfluss der Kationen für die starken Differenzen in Quellung und insbesondere Prallheit verantwortlich ist.

Tabelle 10 und Tabelle 11:

Einen wichtigen Einblick in die Beschaffenheit der untersuchten Äschersysteme vermitteln die in Tabelle 11 zusammengestellten Werte über die gelösten Kalkmengen. Dabei sind allerdings nur die Kalkmengen zu Beginn des Äscherns angeführt, nicht die Werte am Ende des Prozesses, die sicherlich auch bedeutsam wären, deren Bestimmung aber durch die gleichzeitig in Lösung gehenden Eiweißstoffe gestört wird. Aber auch die vorliegenden Zahlen lassen erkennen, dass durch die jeweils zugesetzten Anschärfungsmittel der Kalkgehalt der Lösungen unterschiedlich beeinflusst wird. Dieser Einfluss ist noch am geringsten beim Ammoniakzusatz, wo eine gewisse Verminderung des Kalkgehaltes in der Lösung eintritt, die aber verhältnismäßig gering ist und selbst bei 4 Val etwa 15% der ursprünglichen Menge nicht überschreitet. Zusätze von Natronlauge bzw. Schwefelnatrium bewirken dagegen eine außerordentlich starke Verminderung des Gehalts an löslichem Kalk. Schon Appel hatte in seinen Betrachtungen zum Äscherprozess beiläufig erwähnt, dass Hydroxilionenzusatze nach dem Massenwirkungsgesetz die Löslichkeit des Kalkes herabsetzen würden, und ebenso hatten Küntzel und Heidemann und Lasserre erwähnt, dass die Kalklöslichkeit durch Zusatz von Schwefelnatrium vermindert würde, doch haben alle Autoren daraus keine weiteren Konsequenzen über die Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Äscher abgeleitet. Tatsächlich kommt es, wie die Werte der Tabelle 11 zeigen, mit zunehmendem Zusatz von NaOH und Na2S infolge Verminderung der Dissoziation des gelösten Kalkes zu einer weitgehenden und bei höheren Zusätzen schließlich fast vollständigen Ausfällung des Kalkes und damit in Bezug auf Quellung und Prallheit verständlicherweise zu einer Wirkungsweise, die derjenigen reiner Schwefelnatriumlösungen entspricht. Und in der Tat kommen die in den Tabellen 8 und 9 bei höchsten Zusätzen von NaOH und Na2S erreichten Quellungs- und Prallheitswerte in der Größenordnung an die Werte heran, die in den Tabellen 4 und 5 für reine Lösungen von NaOH und Na2S angeführt sind. Bei Zusatz von NaOH oder Na2S zu Kalkäschern wird also nicht nur die Natriumionenmenge in dem Maße der Zugabe dieser beiden Chemikalien im Verhältnis zu einer konstanten Calciumionen menge erhöht, sondern darüber hinaus wird auch die vorhandene Menge an Calciumionen in der Lösung stark vermindert. Daher ist der Einfluss der Natriumionen gegenüber den Calciumionen noch wesentlich größer, als durch das rechnerische Verhältnis von Calcium- und Natriumionen in der Rezeptur zum Ausdruck kommt.

Aus den Werten der Tabelle 11 geht weiter hervor, dass Zusätze von Natriumsulfhydrat die Kalklöslichkeit bis maximal 30 bis 35% erhöhen, worauf Lasserre5 ebenfalls bereits hingewiesen hat. Auch hier entspricht also das Verhältnis von Calcium- zu Natriumionen nicht demjenigen, das sich aus der rechnerischen Zusammensetzung ergibt, sondern ist in diesem Falle zugunsten der Calciumionen verschoben, was neben der in den Endgliedern nicht unbeträchtlichen Differenz der End-pH-Werte ebenfalls zu der verminderten Quellung und Prallheit in diesem System im Vergleich zu den Systemen mit NaOH und Na2S beitragen dürfte. Bei Zusatz von Calciumsulfhydrat zu Kalkäschern liegen schließlich,die ermittelten Calciumwerte etwas niedriger, als sich aus dem Calciumgehalt der beiden Komponenten errechnet, da auch hier wieder nach dem Massenwirkungsgesetz mit steigenden Zusätzen an Calciumsulfhydrat das Dissoziationsgleichgewicht des Kalkes in die Richtung des undissoziierten Anteils verschoben wird, wobei das Löslichkeitsprodukt überschritten wird und weiterer Kalk ausfällt. Da aber gleichzeitig durch den Zusatz des Calciumsulfhydrates die absolute Menge an Calciumionen erhöht wird, wirkt sich diese Verminderung der Löslichkeit nicht in einer Verminderung des Calciumionen Einflusses aus. Im Gegenteil, die Menge an Calciumionen ist so stark erhöht, dass damit nach dem Massenwirkungsgesetz auch eine weitere Zurückdrängung der Dissoziation des Calciumkollagenats eintreten muss, die dann, wie bereits erwähnt, in der stärkeren Herabsetzung von Quellung und insbesondere Prallheit zum Ausdruck kommt.

In diesem Zusammenhang müssen wir aber nochmals auf frühere Feststellungen in der ersten Veröffentlichung dieser Reihe zurückkommen. In dem damals geprüften Äschersystem Na2S + Ca(OH)2 hatten wir festgestellt, dass mit zunehmendem Kalkzusatz zu einer Schwefelnatriumlösung von konstanter Konzentration die Prallheit zunächst anstieg, bei einem Zusatz von 1 Val, also etwa im Gebiet der Sättigungsgrenze des Kalkes, ein Maximum erreichte und bei weiterem Kalkzusatz wieder stark zurückfiel. Aus diesen Feststellungen war zu folgern, dass in Kalk-Schwefelnatrium-Systemen der überschüssige ungelöste Kalk eine Bedeutung besitzen müsse und einen starken Einfluss auf die Prallheit der Haut auszuüben vermöge, obwohl sich pH-Wert und Gesamtalkalität durch diesen Überschuss praktisch nicht ändern. Wir vermochten damals diese Feststellung theoretisch nicht zu erklären, wiesen aber darauf hin, dass seitens der Praxis wiederholt betont worden ist, dass ein Kalküberschuss eine Bedeutung auf den Äscheraufschluss haben müßte6. Wir hatten damals auch auf Untersuchungen des einen von uns gemeinsam mit Moser über die Herstellung von Schweinshandschuhleder hingewiesen, wobei festgestellt wurde, dass eine genügende Zügigkeit des Leders nicht erreicht werden konnte, wenn 5 kg Kalkhydrat/cbm verwendet wurden, obwohl das bereits einem dreifachen Überschuss über die Löslichkeitsgrenze entspricht und die Äscherdauer erheblich verlängert worden war, sondern dass Leder mit genügender Zügigkeit erst erhalten wurde, nachdem der Kalküberschuss wesentlich erhöht worden war. Bemerkenswert ist noch, dass diese Verminderung der Prallheit bei höheren Zuschüssen an ungelöstem Kalk sich nur bei Untersuchung des Äschersystems Na2S + Ca(OH)2 auswirkte, nicht dagegen in den Äschersystemen NaSH + Ca(OH)2 und Ca(SH)2 + Ca(OH)2 und ebenso auch nicht bei den in dieser Arbeit mitgeteilten Ergebnissen über reine Kalkäscher. Allerdings wurde in vielen Diskussionen (z. B. auf der Tagung in Münster) unserer diesbezüglichen Feststellung widersprochen, da sie theoretisch nicht erklärbar sei, und es wurde auf mögliche Untersuchungsfehler durch den Einfluss der Kohlensäure der Luft und ähnliche Faktoren hingewiesen. Trotzdem haben sich unsere damaligen Feststellungen bei Wiederholungen bestätigt. Wir hatten allerdings damals nicht den Gehalt an löslichen Calciumionen bestimmt und haben jetzt diese Untersuchungen nachgeholt, wobei selbstverständlich die Ansatzmengen die gleichen wie bei unseren früheren Untersuchungen waren, so dass auf die dortigen Angaben verwiesen werden kann. Tatsächlich zeigen die Werte in Tabelle 12, dass bei den Kalkzusätzen zu Schwefelnatriumlösungen die in der Lösung befindlichen Kalkmengen niedriger liegen, als theoretisch zu erwarten war, obwohl alle Möglichkeiten einer etwaigen Carbonatisierung ausgeschlossen waren, und selbst bei hohen Kalküberschüssen bis zu 10 Val., entsprechend 3,4% Ca(OH)2 auf Weichgewicht, liegen die Werte für die in Lösung gegangene Kalkmenge infolge des gleichzeitig anwesenden Schwefelnatriums noch wesentlich niedriger, als nach der Sättigungsgrenze zu erwarten gewesen wäre. Vor allem ist aber interessant, dass im System Na2S + Ca(OH)2 mit zunehmender Steigerung der Kalkmenge, auch über dessen Löslichkeitsgrenze hinaus, die in Lösung befindliche Menge an Calciumionen eine Zunahme erfährt. Diese Beobachtung erklärt unsere damalige Feststellung, dass eine Steigerung der Kalkmenge über die theoretische Sättigungsgrenze des Kalkes hinaus eine Verminderung der Prallheit bewirken kann, weil damit das Verhältnis der Calcium- und Natriumionen in der Lösung tatsächlich zugunsten der ersteren verändert wird.

Tabelle 12:

Alle diese Feststellungen lehren uns aber vor allem, dass wir bei dem in der Praxis am meisten verwendeten Aschersystem Ca(OH)2 + Na2S bezüglich der Bewertung des Kalküberschusses nicht mehr mit der theoretischen Löslichkeitsgrenze des Kalkes rechnen dürfen. Die oft von Praktikern zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass ein Kalküberschuss auch weit über die Sättigungsgrenze hinaus noch einen Einfluss auf die Prallheit der Blößen und damit die Beschaffenheit des Leders hätte, wurde bisher stets mit großer Skepsis betrachtet, hat sich aber nunmehr als durchaus möglich erwiesen. Die von dem einen von uns (Herfeld) in vielen Veröffentlichungen zum Ausdruck gebrachte Auffassung, eine Kalkmenge von 4 bis 6 kg Kalkhydrat/cbm (also eines etwa dreifachen Überschusses) sei in jedem Falle völlig ausreichend, größere Mengen wären eine Verschwendung, ohne dass dadurch die Lederqualität beeinflusst werden könne8, ist zwar nach wie vor für reine Kalkäscher richtig, nach den vorliegenden Untersuchungen aber für angeschärfte Kalk-Schwefelnatrium-Äscher nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Zusammenfassung

Unsere Untersuchungen über die Beziehungen, die zwischen der jeweiligen Zusammensetzung von Äschern und ihrem Einfluss auf Quellung und Prallheit der tierischen Haut bestehen, wurden in der vorliegenden Arbeit fortgesetzt durch Versuche, die einerseits mit reinen Kalkäschern verschiedener Konzentration und im Vergleich dazu mit reinen Lösungen von NaOH bzw. Na2S und zum anderen mit Kalkäschern von konstanter Kalkkonzentration und steigenden Zusätzen von NH3, NaOH, Na2S , NaSH und Ca(SH)2 durchgeführt wurden. Nach den Ergebnissen dieser Untersuchungen zusammen mit den Ergebnissen der vorhergehenden Versuchsreihen sind Quellung (Dickenzunahme) und Prallheit (Verminderung der Eindrückbarkeit) tierischer Haut im Äscher von zwei Faktoren abhängig, die sich natürlich in ihrer Wirkung überschneiden, verstärken oder abschwächen können:

  1. Von dem jeweiligen End-pH-Wert des Äschers. Je höher der End-pH-Wert ist, desto höher liegen Quellung und Prallheit.
  2. Von der Art der vorhandenen Kationen. Natriumkollagenat ist stärker dissoziiert als Calciumkollagenat, und entsprechend bewirken Natriumionen eine wesentlich stärkere Quellung und Prallheit als Calciumionen, auch wenn die Unterschiede im End-pH-Wert relativ gering sind. Systeme, die ausschließlich Calciumionen enthalten, können zwar zu einer verhältnismäßig starken Quellung des Hautmaterials führen, doch ist die Prallheit gering. In dem Maße, wie Natriumionen einen Einfluss erlangen, nimmt neben der Quellung vor allem die Prallheit des Hautmaterials zu, die schon rein äußerlich zu einem Glasigwerden der Haut und im Extremfall zu einer völligen Sprengung des Fasergefüges führen kann.

Bei Beurteilung der meist verwendeten binären Äschersysteme hinsichtlich ihrer quellenden und prallmachenden Wirkung muss berücksichtigt werden, dass Zusätze von Anschärfungsmitteln zu Kalkäschern die Löslichkeit des Kalkes beeinflussen können. Ein Zusatz von Natriumsulfhydrat erhöht die Löslichkeit des Kalkes bis zu 30 bis 35%, Zusätze von Ammoniak und Calciumsulfhydrat vermindern sie mäßig. Zusätze von Ätznatron und Schwefelnatrium bewirken dagegen eine starke Herabsetzung der Löslichkeit des Kalkes, die bei sehr hohen Zusätzen so weit führen kann, dass der Kalk praktisch vollständig aus der Lösung entfernt wird und die Äscher sich damit in ihrer Wirksamkeit derjenigen reiner Schwefelnatriumlösungen mit höherer Konzentration nähern. Insbesondere in dem meist verwendeten Äschersystem Kalk + Schwefelnatrium spielen diese Feststellungen eine wesentliche Rolle, auf Grund der Zusammensetzung des Äschers kann nicht auf das tatsächlich in der Äscherlösung vorhandene Verhältnis von Calcium- und Natriumionen geschlossen werden. Diese letztere Wechselwirkung macht auch die von Praktikern häufig getroffene Feststellung verständlich, dass Überschüsse an ungelöstem Kalk die Wirksamkeit der Äscher in Bezug auf Quellung und Prallheit und den damit erreichbaren Äscheraufschluss beeinflussen können.

Als dritter Faktor, der die Quellung beeinflusst, kann insbesondere in binären Systemen noch eine Gegenionenwirkung (Pickelwirkung) hinzukommen, wenn bei hohen Kationenkonzentrationen eine Zurückdrängung der Dissoziation des gebildeten Calcium- und Natriumkollagenats erfolgt.

Es wurde erneut festgestellt, dass mit steigender Äschertemperatur die Quellung und insbesondere die Prallheit stark zurückgeht.

Wir hatten bereits in vorhergehenden Veröffentlichungen der Quellung und insbesondere der Prallheit eine besondere Bedeutung für den Äscherprozess zugesprochen und die Auffassung vertreten, dass diese beiden Größen den Äscheraufschluss und damit die Ledereigenschaften entscheidend beeinflussen. Auch zu dieser Frage sind inzwischen weitere Untersuchungen durchgeführt worden. Bevor wir auf deren Ergebnisse näher eingehen, sollen in einer weiteren Veröffentlichung zunächst noch die Fragen des Einflusses von Salzzusätzen zum Äscher und des Äschervolumens auf Quellung und Prallheit an Hand entsprechender Untersuchungen diskutiert werden.

Wir danken dem Bundeswirtschaftsministerium für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeit. Ferner danken wir Fräulein Renate Tuchen für ihre verständnisvolle Mitarbeit bei der Durchführung der Versuche.

Literaturverzeichnis

  1. 3. Mitteilung: H. Herfeld und M. Oppelt, über die Freilegung gerbaktiver Gruppen der Haut in Äscher und Beize, Das Leder 15, 137 (1834)
  2. H. Herfeld und B. Schubert, Das Leder 14, 77, 117 (1963)
  3. S. Hörig, Das Leder 11, 270 (1960)
  4. R. Appel, Das Leder 8, 1 (1957)
  5. A. Küntzel und E. Heidemann, Das Leder 7, 217 (1956)
  6. R. Lasserre, BAFCIC 1956, 111, 147, 243
  7. Vergl. z. B. A. Zissel, Das Leder 6, 289 (1955)
  8. F. Stather, H. Herfeld, H. Moser und K. Härtewig, Ges. Abhandl. d. Deutsch. Lederinst., 14, 87 (1959)
  9. Vergl. z. B. H. Herfeld, Grundlagen der Lederherstellung, VerlagSteinkopff, Dresden und Leipzig, 1950, S. 97


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