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74 Über den Einfluss der Quellung und Prallheit tierischer Haut im Äscher auf die Ledereigenschaften aus dem Jahre 1967

Von H. Herfeld und B. Schubert

The influence of swelling and firmness of animal hides in the Urning process on the qualities of leather (Research concerning the Urning process VII).

For liming and, therefore, the quality of leather, swelling and firmness during the liming process are of the greatest importance. In the present article one deals with the factors on which depend swelling and firmness. Moreover, the author comments the possibilities at the disposal of the practician, with a view to influencing these qualities.

Bei der Beurteilung eines Äschers interessiert den Praktiker neben der einwandfreien Entfernung von Epidermis und Haaren vor allem der Einfluss auf das ungelöst bleibende Corium, den wir mit dem Begriff des „Äscheraufschlusses„ umschreiben. Ein stärkerer Äscheraufschluss wirkt sich am fertigen Leder bei sonst gleichen Herstellungsbedingungen in höherer Weichheit und Geschmeidigkeit bis zu ausgesprochener Zügigkeit, aber auch in höherem Substanzverlust und gesteigerter Gefahr der Losnarbigkeit, schlechten Flamen, stärkerer Wasserzügigkeit und schlechteren Festigkeitswerten aus, geringer Äscheraufschluss gibt Leder mit festsitzendem feinen Narben und besseren Flamen, aber ungenügender Weichheit, Geschmeidigkeit und Fülle, die meist zu fest und im Extremfall leer und blechig sind. Der Praktiker hat empirisch viele Möglichkeiten entwickelt, um den Grad des Äscheraufschlusses beeinflussen zu können. Zweck unserer Untersuchungen war es, das Wissen um die hier geltenden Gesetzmäßigkeiten etwas zu vertiefen.

Bei unseren Untersuchungen sind wir auf Grund vieler Beobachtungen zunächst von der Arbeitshypothese ausgegangen, dass der Äscheraufschluss entscheidend von der jeweiligen Quellung und Prallheit, die das Hautmaterial im Äscher erhält, beeinflusst wird. Je geringer die Quellung und insbesondere die Prallheit im Äscher ist, desto größer ist der Äscheraufschluss, desto weicher und geschmeidiger und im Extremfall zügiger wird das Leder; je stärker die Verspannung des Fasergefüges, desto geringer ist der Äscheraufschluss. Das hängt teils damit zusammen, dass die Äscherchemikalien bei geringerer Quellung und Verspannung besser und tiefer in das Fasergefüge diffundieren können, aber auch die Kollagenfaser selbst wird unter Spannung weniger stark angegriffen als in lockerer Verflechtung. Um zu klären, ob diese Arbeitshypothese stimmt, haben wir umfangreiche Untersuchungen über die Beziehungen zwischen der jeweiligen Zusammensetzung des Äschers und der auftretenden Quellung und Prallheit vorgenommen und die erhaltenen Ergebnisse bereits ausführlich veröffentlicht. Inzwischen haben wir auch umfangreiche Gerbversuche mit den verschiedensten Äschersystemen unter Verwendung von Kalbfellen, teils auch von Rindhäuten durchgeführt, um ihren Einfluss auf die Ledereigenschaften zu ermitteln und die Ergebnisse mit den Gesetzmäßigkeiten über Quellung und Prallheit in Vergleich zu setzen. Es ist nicht möglich, alle Versuchsserien im einzelnen darzulegen, aus dem sehr umfangreichen Versuchsmaterial sollen nachstehend die wichtigsten Ergebnisse mitgeteilt werden.

Bekanntlich wird die Quellung der Haut im Äscher dadurch bewirkt, dass deren basische Gruppen entladen werden, unter Bildung mehr oder weniger stark dissoziierter Kollagenate eine einseitig negative Aufladung der Haut erfolgt und infolge der elektrostatischen Abstoßung gleichsinnig geladener eng benachbarter Bezirke eine sinusartige Krümmung der Polypeptidketten und damit eine Verkürzung und Verdickung jeder Faser und eine Dickenzunahme des ganzen Fasergefüges erfolgt (Quellung). Die Prallheit ist lediglich der Endzustand der Quellung, wenn die dreidimensionale Faserverflechtung dieser Faserverkürzung nicht mehr nachgeben kann, so dass die Fasern sich gegenseitig verspannen und die Haut damit hart und fest wird. Wie wir noch sehen werden, ist zum Verständnis des Äscheraufschlusses eine klare Differenzierung dieser beiden Begriffe der Quellung und Prallheit unbedingt erforderlich. Während der Praktiker die Veränderungen der Dickenzunahme (Quellung) und des Hartwerdens (Prallheit) gefühlsmäßig bestimmt, mussten wir sie zahlenmäßig zu erfassen suchen, und zwar durch direkte Messung, nicht über den bequemeren Weg der Bestimmung der Wasseraufnahme, da die dabei erhaltenen Werte unzuverlässig sind und nicht Quellung und Prallheit gegeneinander abzugrenzen gestatten. Hier soll nicht auf die methodischen Einzelheiten dieser Untersuchungen eingegangen werden, die wir 1963 ausführlich mitteilten. Wir haben also bestimmt

  • die Stärkenzunahme S als Maß der Quellung,
  • die Zusammendrückbarkeit als Maß der Prallheit (Prallheitswert F).

Die Zahlen für S und F steigen mit zunehmender Quellung bzw. Prallheit an.

Bei unseren Untersuchungen hat sich nun gezeigt, dass Quellung und Prallheit von zwei Faktoren abhängig sind, die sich in ihrer Wirkung überschneiden, verstärken und abschwächen können:

  • Vom pH-Wert, und zwar vom End-pH-Wert des Äschers, nicht etwa von der Gesamtalkalität. Je höher der End-pH-Wert, desto höher sind Quellung und Prallheit und streben schliesslich einem Maximum zu.
  • Von der Art der anwesenden Kationen, Natriumkollagenat ist stärker dissoziiert als Calciumkollagenat, was größere gleichsinnige Aufladung und damit stärkere Abstoßung innerhalb des kollagenen Feinbaues bedeutet. Unter gleichem pH-Verhalten bewirken also Natriumionen stets eine stärkere Quellung und insbesondere Prallheit als Calciumionen.

Abbildung 1:

Bei den ersten Äschersystemen, die wir hier diskutieren wollen, sind wir von einer stets konstanten Schwefelnatriumkonzentration ausgegangen und haben dieser Lösung steigende Zusätze verschiedener Alkalien beigefügt, so dass in jeder Reihe eine gleichartige Steigerung der Gesamtalkalität erfolgte. Die Schwefelnatriumlösung bestand aus 300% Wasser und l,2% Na2S konz. auf Blößengewicht, die Äschertemperatur lag bei 25°, der End-pH-Wert bei 10,6, war also für sich noch nicht ausreichend, um eine genügende Äscherwirkung zu erreichen. Zugegeben wurden steigende Mengen an NaOH, Kalk und Ammoniak. Bild 1 zeigt die erhaltenen Prallheitswerte (F) dieser Reihen. Bei Zusatz von NaOH steigt der pH-Wert stark an und da als Kationen nur Natriumionen vorhanden sind, die das stark dissoziierte Natriumkollagenat bilden, sind Quellung und Prallheit nur vom End-pH-Wert abhängig und die Prallheit zeigt daher einen starken Anstieg, der einem Maximum zustrebt. Bei Zusatz von Kalk steigt der pH-Wert ebenfalls stark an und daher findet auch hier zunächst ein Anstieg der Prallheit etwa in gleicher Weise statt. Dann macht sich aber mit steigendem Kalkzusatz der Kationeneinfluss bemerkbar und statt des stark dissoziierten Natriumkollagenats bildet sich in steigendem Masse das weniger dissoziierte Calciumkollagenat, zumal die Calcium-ionen nach Untersuchungen von Mellon, Gruber und Viola stärker als Natriumionen von der Haut gebunden werden sollen und diese teilweise verdrängen sollen. So weicht der Kurvenverlauf mit zunehmendem Kalkzusatz immer mehr von dem bei Ätznatronzusatz ab, wobei sich der Einfluss weniger auf die Quellung, als vielmehr in erster Linie auf die Prallheit auswirkt, so dass die Kurve in Bild 1 trotz etwa gleicher pH-Werte eine immer geringere Prallheit anzeigt. Bei Äscherversuchen, die mit den gleichen Systemen an Kalbfellen vorgenommen wurden, ergaben sich nun in Übereinstimmung mit den Kurvenbildern bei geringen Alkalizugaben im Griff nur verhältnismäßig geringe Unterschiede, bei höheren Zusätzen von Kalk wurde dagegen ein wesentlich stärkerer Äscheraufschluss festgestellt, die Leder waren weicher, geschmeidiger und im Extrem zügiger, hatten eine größere Fülle, mehr Chrom und mehr Fett aufgenommen, waren aber auch dehnbarer, besassen geringere Festigkeitswerte und eine höhere Wasseraufnahme und zeigten eine schlechtere Flämenbeschaffenheit. Die Gegenhälften, die in entsprechenden Lösungen mit Na2S + NaOH geäschert wurden, zeigten dagegen einen sehr glatten, feinen, festaufsitzenden Narben, einen besseren Stand, waren aber relativ fest und hart und hatten auch eine für Oberleder völlig ungenügende Geschmeidigkeit. Damit schienen uns zunächst die Beziehungen zwischen Äscheraufschluss und Prallheit im besprochenen Sinne bestätigt zu sein.

Wenn das aber richtig war, dann hätte im dritten System Na2S + NH3, das ja nach dem Kurvenbild eine noch geringere Prallheit zeigt, der Äscheraufschluss noch wesentlich höher sein und Äscher dieser Reihe hätten besonders weiche und geschmeidige Leder ergeben müssen. Das war aber entgegen unseren Erwartungen nicht der Fall, die Leder waren vielmehr ausgesprochen hart, blechig und flach, zeigten den geringsten Chromoxydgehalt und die geringste Fettaufnahme, zeigten eine viel geringere Dehnung und entsprachen in keiner Weise unseren Erwartungen. Die Ursache liegt ohne Zweifel darin, dass die pH-Werte in diesem Äschersystem auch bei höchsten Ammoniakzusätzen verhältnismäßig niedrig lagen, und wir mussten daraus folgern, dass beim Äscheraufschluss auch ein gewisser Mindest-pH-Wert erreicht werden muss, der nicht unter etwa 12 liegen darf. Damit entscheidet sich auch die in früheren Diskussionen vielfach gestellte Frage, ob es beim Vergleich verschiedener Äschersysteme mehr auf die Gesamtalkalität oder auf den pH-Wert ankomme. Im vorliegenden Falle hatten alle 3 Äschersysteme die gleiche Gesamtalkalität und trotzdem ergaben sie so erhebliche Unterschiede im Äscheraufschluss. Entscheidend ist also nicht die Gesamtalkalität, sondern der End-pH-Wert, und wir mussten bei der Auswertung unserer Äscherversuche alle Proben ausschalten, bei denen der End-pH-Wert im Äscher nennenswert unter 12 lag. Es musste als erste Grunderkenntnis gelten, dass der Äscheraufschluss von zwei Faktoren abhängig ist:

  • Der End-pH-Wert muss genügend hoch sein, er darf nicht unter etwa 12 liegen. Es muss also eine gewisse Mindestquellung und damit ein gewisses Minimum des Auseinanderzerrens der Fibrillen und Elementarfasern und damit eine innere Auflockerung des Fasergefüges4) unbedingt erzielt werden, damit überhaupt eine lederartige Beschaffenheit hinsichtlich Weichheit und Geschmeidigkeit erreicht wird.
  • Erst über diese Mindestquellung hinaus ist jeder weitere Äscheraufschluss um so geringer, je mehr wir aus dem Bereich der Quellung in den Bereich der Prallheit, also der Verspannung des dreidimensionalen Fasergefüges kommen. Das zeigt aber, dass man bei Beurteilung der Äscherwirkung die Begriffe der Quellung und der Prallheit klar unterscheiden muss.

An dieser Stelle sei ausdrücklich betont, dass nach allen durchgeführten Untersuchungen die die Praxis in erster Linie interessierende Strukturauflockerung nicht mit den in Lösung gehenden Mengen an Stickstoffverbindungen parallel läuft, was Angaben von Freudenberg bestätigt, dass Hautsubstanzveränderungen im Äscher nicht mit einem analytisch ermittelten Hautsubstanzverlust erfasst werden können. Dagegen erfolgt nach Untersuchungen von Herfeld und Oppelt beim Äscheraufschluss eine Freilegung von intramolekularen Bindungen, insbesondere Wasserstoffbrücken, deren Ausmaß auch vom End-pH-Wert abhängt, der hierbei nicht unter mindestens 11 liegen darf, so dass hier eine Parallele zu der unter 1 angeführten Forderung der Mindestquellung gegeben zu sein scheint.

Sehen wir uns unter den dargelegten Gesetzmäßigkeiten die drei eben besprochenen Äschersysteme noch einmal an, so kann festgestellt werden:

  • Das System Na2S + NH3 scheidet von vornherein aus, weil der pH-Wert bei allen Zusätzen von Ammoniak zu niedrig liegt;
  • das System Na2S + NaOH muss unter den vorliegenden Konzentrationsverhältnissen auch im wesentlichen ausscheiden, da ohne NaOH-Zusatz und bei geringen NaOH-Zusätzen der pH-Wert zu niedrig liegt. Wenn bei höheren NaOH-Zusätzen der pH-Wert über dem geforderten Mindestwert von 12 liegt, hat das Fasergefüge bereits eine so starke Prallheit erreicht, dass mit einem nennenswerten Äscheraufschluss nicht mehr zu rechnen ist, sondern verhältnismäßig feste und blechige Leder zu erwarten sind; 3. das System Na2S + Kalk ist unter den hier verglichenen Äschersystemen allein brauchbar. Wenn eine genügende Kalkmenge zugesetzt wird, liegt der pH-Wert über 12, das System gibt damit eine genügende Quellung, aber die Prallheit ist trotzdem verhältnismäßig gering, so dass ein ausreichender Äscheraufschluss erzielt werden kann. Das ist eben der Vorteil des Kalkes als Äscherchemikal, der von keinem anderen Mittel erreicht wird, dass der Kalk einerseits bei Sättigung und ständiger Nachsättigung der Lösung (Kalküberschuss) einen pH-Wert über 12 garantiert, während andererseits das sich bildende Calciumkollagenat nur so weit dissoziiert ist, dass zwar eine beträchtliche Quellung, aber keine stärkere Prallheit erreicht wird.

Abbildung 2:

Abbildung 3:

Bild 2 zeigt die entsprechenden Werte für die Schwellung (S) und für die Prallheit (F) für reine Kalkäscher, wobei der eingerahmte Teil dem in der Praxis üblichen Bereich von 6-12 kg Ca(OH)2/cbm entspricht. Diese Kurvenbilder zeigen, dass, wenn ein genügender Kalküberschuss vorliegt, der pH-Wert stets über 12 liegt, eine recht beträchtliche Quellung vorhanden ist, andererseits aber die Prallheitswerte sehr niedrig sind und daher ein starker Äscheraufschluss zu erwarten ist. Ein Vergleich mit reinen NaOH- und Na2S-Lösungen von äquivalenter Konzentration (Bild 3) macht das andersartige Verhalten dieser Chemikalien in Bezug auf die Quellung (S) und insbesondere auf die Prallheit (F) besonders deutlich und zeigt, dass man bei ihnen viel rascher aus dem Gebiet reiner Quellung in den Bereich starker Prallheitswerte kommt, was dem Praktiker durch das „Glasigwerden“ der Haut kenntlich wird, das mit der durch Verspannung des Fasergefüges bewirkten Prallheit in Zusammenhang steht und daher bei reinen Kalkäschern niemals auftritt. Die Kurven in Bild 2 bestätigen eindrucksvoll die dem Praktiker bekannte Tatsache, dass man im reinen Kalkäscher oder reinen Kalknachäscher stets einen starken Äscheraufschluss erhält, der zu weichen und geschmeidigen Ledern führt, wobei im Extremfall aber auch stets die Gefahr einer Losnarbigkeit, des Auftretens loser Flamen und einer höheren Wasserzügigkeit gegeben ist. Daher ziehen viele Praktiker auch beim Nachäscher z. B. von Chromoberleder statt des reinen Kalkäschers einen Kalk-Schwefelnatriumäscher vor, obwohl die Haarlockerung beendet ist und daher das zugesetzte Schwefelnatrium vom Standpunkt der Haarzerstörung aus keinen Sinn mehr hat. Das Schwefelnatrium wird hier nur zugesetzt, um durch die Natriumionen je nach der Menge dieses Zusatzes Quellung und insbesondere Prallheit mehr oder weniger stark zu steigern und dadurch die geschilderten Gefahren eines zu großen Äscheraufschlusses bezüglich Losnarbigkeit und leerer Flamen zu dämpfen. Das lässt sich aber in gleicher Weise auch durch einen äquivalenten Zusatz von Ätznatron erreichen, der im Hinblick auf die Abwasserprobleme unbedingt vorzuziehen wäre.

Abbildung 4:

Bild 4 zeigt Ihnen Äschersysteme, bei denen die Kalkmenge konstant gehalten wurde (5,93 kg/m3, also etwa dreifache Sättigung) und steigende Mengen an Ätznatron zugegeben wurden. Hier wirkt sich einmal mit steigendem Zusatz von NaOH eine gewisse Erhöhung des pH-Wertes aus, vor allem aber machen sich die Natriumionen bemerkbar. Dabei ist den meisten Praktikern nicht bekannt, dass mit zunehmendem Zusatz von Ätznatron, aber auch von Schwefelnatrium zum Kalkäscher der Natriumionen-Einfluss nicht nur im Verhältnis der beigegebenen beiden Salze ansteigt, sondern dass daneben auch infolge der Zurückdrängung der Dissoziation des Kalkes eine starke Verminderung der Kalklöslichkeit eintritt, die - wie Tabelle 1 zeigt schliesslich zu einer weitgehenden Entfernung von Calciumionen aus dem Äschersystem führt, worauf auch schon von Küntzel und Heidemann, Lasserre und Appel hingewiesen wurde. Die Wirkung wird also viel mehr zugunsten der stark schwellenden Natriumionen verschoben, als aus dem Äscherrezept überhaupt zu ersehen ist. Als Folge davon steigen Schwellung und insbesondere Prallheit sehr stark an und die Verspannung wird schliesslich so stark, dass die Dicke nicht mehr weiter zunehmen kann. Auch mit diesen Äschersystemen haben wir Äscherversuche mit steigenden Mengen an Ätznatron durchgeführt und stellen in Übereinstimmung mit der angeführten Theorie fest, dass der Äscheraufschluss mit zunehmender Prallheit immer geringer wird und damit die Leder immer fester und härter werden, die Mastfalten und Halsriefen stärker hervortreten, eine geringere Dehnbarkeit, aber andererseits auch eine bessere Zugfestigkeit auftritt, bis schliesslich bei extremen Zusätzen infolge einer Faserzerreißung durch Überschwellung wieder ein starkes Absinken der Festigkeitseigenschaften eintritt. Dieses Äschersystem interessiert für die Praxis nur in dem ersten, besonders gekennzeichneten Teil, da geringe Mengen an Ätznatron beispielsweise bei der Herstellung von Unterleder bisweilen zum Anschärfen des Äschers verwendet werden. Die dabei eingesetzten Mengen liegen bei 0,2-0,4% vom Weichgewicht (etwa 0,2 bis 0,4 Val/Mol Ca(OH)2) und der gekennzeichnete Bereich lässt erkennen, dass schon bei so geringen Zusätzen eine Steigerung von Schwellung und Prallheit gegenüber dem reinen Kalkäscher eintritt, so dass verständlich ist, dass bei solchen Zugaben stets eine Schonung des Hautmaterials bei gleichzeitiger Verfestigung und besserem Stand des Leders eintritt.

Tabelle 1:

Abbildung 5:

Für die Praxis wichtiger ist natürlich das Äschersystem Ca(OH)2 + Na2S. Bild 5 gibt die in diesem System ermittelten Werte für Schwellung und Prallheit wieder, wobei auch hier die Kalkmenge mit 5,93 kg/m3 konstant gehalten, die Schwefelnatriummenge dagegen kontinuierlich gesteigert wurde. Für dieses System gilt das gleiche wie für das System Ca(OH)2 + NaOH, dass nämlich mit zunehmendem Schwefelnatrium-Zusatz der Natriumionen-Einfluss nicht nur in diesem Verhältnis ansteigt, sondern gleichzeitig wie beim Zusatz von Ätznatron die Löslichkeit des Kalkes stark vermindert wird. Für die Praxis interessieren die beiden eingerahmten Bereiche, der linke mit maximal 0,12% Na2S konz. (0,2 Val) auf Flüssigkeitsmenge = 0,36% Na2S konz. auf Weichgewicht bei 300% Flotte für haarerhaltende Äscher, der rechte mit 1-3% Na2S konz. auf Weichgewicht (0,8-2 Val) für haarzerstörende Äscher. Für den letzteren Bereich haben wir zahlreiche praktische Versuche sowohl mit Kalbfellen wie mit Rindhäuten durchgeführt, indem wir beispielsweise von einem Äschersystem mit 300% Wasser, 3% Kalk und 3% Schwefelnatrium konz. ausgingen. Wurde bei konstanter Schwefelnatriummenge die Kalkmenge auf 1,5%> vermindert, so waren die Leder härter im Griff, wurde die Kalkmenge auf 4-5% gesteigert, so waren sie eindeutig weicher und geschmeidiger, unter Umständen aber auch bei längerer Ausdehnung des Äscherprozesses in Bezug auf die Narbenfestigkeit etwas schlechter. Wurde die Kalkmenge konstant gehalten und die Schwefelnatriummenge von 3% auf 2 oder l,5% vermindert, so waren die Blößen weniger prall, die Halsriefen traten nicht so sehr hervor (s. u.) und die Leder waren von weicherer und geschmeidigerer Beschaffenheit. Man kann also durch Senkung des Schwefelnatriumgehaltes im Äscher den Äscheraufschluss steigern, eine Tatsache, die namentlich bei Nachäschern wichtig ist, um den richtigen Äscheraufschluss etwa nach einer Schwöde festzulegen. Für den Hauptäscher ist das aber leichter gesagt als getan, denn wir wollen ja auch in einer genügend kurzen Zeit eine einwandfreie Haarlockerung erreichen, wobei heute immer mehr die Tendenz zum Kurzäscher mit höchstens 24 Stunden Äscherdauer gegeben ist und andererseits im Hinblick auf die Herstellung von Anilinleder die sichere Entfernung der Grundhaare unbedingt gefordert werden muss. Es müssen also außer dem Verfahren der Senkung der Schwefelnatriummenge auch noch andere Möglichkeiten gegeben sein, um bei rascher Haarzerstörung den Äscheraufschluss doch je nach der gewünschten Beschaffenheit des Leders in weiten Grenzen variieren zu können. Wir sehen hier 5 verschiedene Möglichkeiten, die nachstehend besprochen werden sollen.

Variation der Temperatur

Alle bisher gezeigten Kurvenbilder haben die Feststellungen für Quellung und Prallheit bei 10° und bei 25 °C demonstriert und gezeigt, dass mit steigender Temperatur Quellung und Prallheit absinken und damit die Tatsache belegt, die dem Praktiker seit jeher bekannt ist. Man kann also durch Variation der Temperatur den Äscheraufschluss steigern oder vermindern. Steigerung der Temperatur bewirkt daher (gleiche Äscherdauer und Zusammensetzung vorausgesetzt) stets weichere und geschmeidigere Leder. Heute wird vorwiegend mit warmen Äschern bei Temperaturen bis zu 30 °C gearbeitet, wodurch die Möglichkeit gegeben ist, mehr Schwefelnatrium einzusetzen und dadurch mit Sicherheit eine gute Entfernung auch der Grundhaare zu gewährleisten, ohne dass die Prallheit dadurch zu sehr gesteigert und der Äscheraufschluss zu sehr abgebremst wird. Zum anderen ist aber durch Steigerung der Temperatur auch die Möglichkeit gegeben, bei gleicher Schwefelnatriummenge die Äscherdauer zu verkürzen, ohne dass der Äscheraufschluss dadurch vermindert würde. Gesteigerte Temperatur fördert außerdem die gleichmäßigere Durchäscherung in der Dicke, gibt sauberere Blößen, gleichmäßigere Färbbarkeit der Leder und verhindert das Auftreten von Mastriefen beträchtlich.

Verhältnis zwischen Kalk und Schwefelnatrium

Die hier bestehenden Gesetzmäßigkeiten wurden schon behandelt, so dass dieser Punkt hier nur der Vollständigkeit halber nochmals erwähnt sei. Wir fassen zusammen, dass man durch Variation der Kalk- und Schwefelnatriummenge oder des Verhältnisses der beiden Faktoren zueinander den Äscheraufschluss beeinflussen kann. Erhöhung der Kalkmenge bzw. Verminderung der Schwefelnatriummenge vermindern Quellung und Prallheit und steigern damit den Äscheraufschluss, eine Änderung im umgekehrten Sinne wirkt sich gegenteilig in einer Verminderung des Äscheraufschlusses aus. In den USA wird bei der Herstellung von Chromrindoberleder vorwiegend haarerhaltend mit verhältnismäßig geringen Schwefelnatriummengen gearbeitet, was andererseits, um eine genügende Lockerung auch der Grundhaare zu erreichen, eine relativ lange Äscherdauer und damit einen hohen Äscheraufschluss mit sich bringt oder bei kürzerer Äscherdauer keine genügende Entfernung der Grundhaare gewährleistet. Solange die Leder in den USA mit beträchtlichen Mengen pflanzlicher Gerbstoffe im Anschluss an die Chromgerbung nachgegerbt werden, macht sich der ungünstige Einfluss auf Flämenbeschaffenheit und Losnarbigkeit nicht sehr bemerkbar, bei den aber immer mehr ansteigenden Bestrebungen, auch Oberleder vom europäischen Typ herzustellen, also die Intensität der Nachgerbung zu vermindern, müssen diese ungünstigen Faktoren aber zwangsläufig stärker in Erscheinung treten und zu einer erheblichen Sortimentsverschlechterung führen. Hier ergibt sich dann die Notwendigkeit, mit mehr Schwefelnatrium zu arbeiten und die Äscherdauer zu vermindern, was natürlich zu einem Verlust der Haare führt. Spitzenqualitäten an schwach nachgegerbtem Chromoberleder mit Anilincharakter, guter Glätte, Festnarbigkeit und kleinen Flamen zu erreichen und gleichzeitig einen haargewinnenden Äscher durchzuführen, ist schlechterdings nicht miteinander vereinbar. Andererseits sind auch zu hohe Schwefelnatriummengen zu vermeiden, da bei starker Steigerung der Prallheit auch Mastfalten und Halsriefen im Äscher unerwünscht stark hervortreten und ein intensiver Narbenzug auftreten kann, der immer beobachtet wird, wenn in Innen- und Aussenzonen stark unterschiedliche Quellung erfolgt. Schon Zissel hat auf die Beziehungen zwischen starker Schwellung, Hervortreten der Mastfalten und Narbenzug hingewiesen. Außerdem erhält man bei starker Äscherschwellung ein geringeres Flächenrendement, was bei dem geringeren Aufschluss auch durchaus verständlich ist. Schließlich möchten wir auch die Tatsache erwähnen, dass die Blutadern nach milden, weniger schwellenden Äschern stärker hervortreten, da der meist schon durch schlechtes Ausbluten oder ungenügende Konservierung im Bereich der Blutadern begonnene stärkere Angriff auf das kollagene Fasergefüge durch den höheren Kollagenangriff in milden Äschern intensiver fortgesetzt wird als bei stärker schwellenden Äschersystemen.

Tabelle 2:

In diesem Zusammenhang interessiert auch der Einfluss überschüssigen Kalkes auf den Äscheraufschluss. Bei einer Löslichkeitsgrenze des Kalkes mit rund 1,7 kg Kalkhydrat/cbm bei 20-25 °C ist theoretisch nicht mit einem Einfluss eines normalerweise zur Nachsättigung in der Praxis angewandten beträchtlichen Überschusses (5-10 kg/cbm) auf Quellung und Prallheit zu rechnen und in der Tat zeigt Bild 2 für reine Kalkäscher praktisch keine nennenswerte Steigerung der Schwellungs- und Prallheitswerte bei hohem Kalküberschuss. Bei gleichzeitiger Anwesenheit von Schwefelnatrium liegen dagegen die Verhältnisse anders und Bild 1 zeigt, dass bei konstanter Na2S-Menge und steigender Kalkmenge die Prallheit nach anfänglicher Erreichung eines Maximums im Gebiet der Sättigungsgrenze des Kalkes immer mehr zurückgeht, obwohl die Löslichkeitsgrenze des Kalkes längst überschritten ist, so dass gefolgert werden muss, dass in angeschärften Äschern der überschüssige ungelöste Kalk eine Bedeutung im Sinne einer Verminderung der Prallheit besitzen muss. Dieser Einfluss kann unseres Erachtens nicht mit einer vorherigen oder während der Verwendung des Äschers erfolgenden Karbonatisierung bzw. mit einer teilweisen „Immunisierung„ der Calciumhydroxydteilchen durch Eiweißabbauprodukte erklärt werden. Andererseits bestätigt diese Feststellung viele Angaben der Praxis, dass ein größerer Überschuss an ungelöstem Kalk zu weicheren und griffigeren Ledern führe. Erwähnt sei z. B. die Angabe von Zissel, dass bei hohem Kalküberschuss die Gefahr eines losen Narbens gesteigert sei, und von Walther, dass bei Ziegenledern größerer Kalküberschuss die Weichheit und Zügigkeit stark steigere. Stather, Herfeld, Moser und Härtewig fanden bei Untersuchungen über die Herstellung von Schweinshandschuhledern, dass eine genügende Zügigkeit nur bei hohem Kalküberschuss erhalten werden konnte. Tatsächlich zeigen nun die Werte in Tabelle 2, bei denen im Gegensatz zu denen der Tabelle 1 die Schwefelnatriummenge konstant gehalten und die Kalkmenge gesteigert wurde, dass zwar in allen Fällen durch die gleichzeitige Anwesenheit von Schwefelnatrium die tatsächlich gelösten Kalkmengen niedriger liegen, als theoretisch zu erwarten war, dass aber doch mit Steigerung der Kalkmenge auch über die theoretische Löslichkeitsgrenze hinaus die in Lösung befindliche Menge an Calciumionen eine Zunahme erfährt. Sie erklären damit, warum in Kalk-Schwefelnatriumäschern eine Steigerung der Kalkmenge über die theoretische Sättigungsgrenze hinaus eine Verminderung der Prallheit bewirkt, weil damit in der Lösung tatsächlich das Verhältnis der Calcium- und Natriumionen zugunsten der ersteren verändert wird. Sie rechtfertigen damit die Verwendung erheblicher Kalküberschüsse weit über die Sättigungsgrenze hinaus und ihren Einfluss auf die Lederbeschaffenheit im Sinne einer Steigerung der Weichheit und Zügigkeit. In dem meist verwendeten Äschersystem Ca(OH)2 + Na2S kann also nicht aus der Zusammensetzung des Äschers auf das tatsächlich vorhandene Verhältnis von gelösten Calcium-und Natriumionen geschlossen werden.

Teilweiser Ersatz von Schwefelnatrium durch Sulfhydrate

Bekanntlich kann man durch einen mehr oder weniger großen Ersatz des Schwefelnatriums durch Natrium- oder Calciumsulfhydrate die haarlockernde Wirkung des Äschers aufrechterhalten, im Vergleich zu Kalk-Schwefelnatrium-Äschern dagegen die quellende und prallmachende Wirkung vermindern. Wir haben auch die Verhältnisse in diesen Systemen untersucht.

Abbildung 6:

Bild 6 gibt die Werte für Äschersysteme wieder, bei denen die Kalkmenge konstant war und steigende Mengen an Natriumsulfhydrat zugegeben wurden. Im Verhältnis dieser Zugabe wurden zunächst Quellung und Prallheit gesteigert und der Kurvenverlauf ist in den ersten Stadien etwa der gleiche wie beim Zusatz von Schwefelnatrium zu Kalklösungen gleicher Konzentration und erst bei höheren Zusätzen wird eine dann allerdings deutliche Verminderung ihnen gegenüber erreicht. Die in der Praxis oft vertretene Auffassung, Zusätze von Natriumsulfhydrat würden keine zusätzliche Quellung und Prallheit bewirken, ist also in dieser Formulierung unrichtig, wie die vorliegenden Zahlen zeigen. Im Vergleich zum reinen Kalkäscher tritt immer noch eine recht beträchtliche Steigerung von Quellung und Prallheit auf, was ja nach den bisherigen Ausführungen auch durchaus verständlich ist, da die Prallheit in erster Linie eine Funktion des Gehaltes der Äscherbrühen an Natriumionen ist und da auch bei Zusatz von Natriumsulfhydrat Natriumionen zugeführt werden, wenn auch auf gleiche Sulfidschwefelmenge bezogen, nur halb so viel als bei Natriumsulfid. Die Steigerung ist nur namentlich bei höheren Zusätzen nicht so ausgeprägt wie bei Zugabe von Schwefelnatrium, weil einmal der pH-Wert der Äscherlösungen hier nicht ansteigt, sondern absinkt, weil die Menge an Natriumionen geringer ist, und weil zum anderen im Gegensatz zu den Zusätzen von Ätznatron und Schwefelnatrium, die die Löslichkeit des Kalkes vermindern, Natriumsulfhydrat sogar eine Steigerung der Kalklöslichkeit bis zu maximal 30-35% bewirkt, worauf Lasserre ebenfalls hingewiesen hatte, so dass das Verhältnis von Calcium- zu Natriumionen bei höheren Zusätzen des Natriumsulfhydrates mehr zugunsten der Calciumionen verschoben ist als aus der Rezeptur ersichtlich ist. Für den Praktiker ist in erster Linie die Erkenntnis wichtig, dass Natriumsulfhydrat im Vergleich zu reinen Kalkäschern Quellung und Prallheit steigert, im Vergleich zu Kalk-Schwefelnatrium-Äschern mit höherer Na2S-Konzentration dagegen herabsetzt (Vergleich Bild 6 gegen Bild 5). Das bestätigt auch eine frühere Mitteilung von Hörig15), dass Zusätze von Natriumsulfhydrat zu Äschern nur dann schwellungsmindernd wirken, wenn im Stammansatz eine genügende Na2S-Menge vorhanden ist, der ursprüngliche Äscher also von Haus aus eine stärker quellende und prallmachende Wirkung besitzt, während sie sich bei nur mäßig schwellenden und prallmachenden Äschersystemen nicht mehr schwellungshindernd, unter Umständen sogar schwellungsfördernd auswirken würden.

Tabelle 3:

Geht man also von einem stärker quellenden Kalk-Schwefelnatrium-Äscher aus und ersetzt einen Teil des Schwefelnatriums durch Natriumsulfhydrat, wird stets eine Verminderung der Quellung und insbesondere der Prallheit eintreten, die sich in einer Steigerung des Äscheraufschlusses und dem Erhalt weicherer und geschmeidigerer Leder auswirkt, ohne dass die Haarlockerung beeinträchtigt würde, was wir im Rahmen sehr vieler praktischer Äscherversuche beweisen konnten. Tabelle 3 zeigt z. B. einige haarzerstörende Fassäscher für Unterleder. Äscher 1 ist ganz auf Schonung des Hautmaterials eingestellt, deswegen eine starke Verminderung der Kalkmenge, während die Schwefelnatriummenge noch weiter gesteigert werden könnte. Die Leder hatten gute Wasserdichtigkeit und Abnutzungswiderstand, waren aber natürlich nicht sehr flexibel. Durch entsprechende Nachäscher wurde bei den Äschern 2 und 3 die Flexibilität gesteigert, gleichzeitig aber Zugfestigkeit, Abnützungswiderstand und Wasserverhalten verschlechtert. So verlockend ein Turnus von 7 Tagen für Weiche und Äscher, wie er in manchen Ländern üblich ist, bei der Fünf-Tage-Woche ohne Zweifel für den Arbeitsablauf ist, auf die Lederqualität wirkt er sich stets ungünstig aus. Da ist ein Äscher der Zusammensetzung 4 vorzuziehen, der infolge Steigerung der Kalkmenge und eines teilweisen Ersatzes des Schwefelnatriums durch Natriumsulfhydrat schon in 24 Stunden einen besseren Äscheraufschluss und damit ein flexibleres Leder lieferte, ohne dass die Eigenschaften des Leders gegenüber dem Äscher 1 verschlechtert wurden.

Abbildung 7:

Anders liegen die Verhältnisse bei Zusatz von Calciumsulfhydrat. Hier tritt auch vom Standpunkt des reinen Kalkäschers aus, wie Bild 7 zeigt, keinerlei Erhöhung von Quellung und Prallheit auf, im Gegenteil ist mit steigendem Zusatz von Calciumsulfhydrat ein deutlich ausgeprägter Rückgang beider Werte festzustellen, da der pH-Wert absinkt und durch Steigerung der Calciumionenkonzentration in der Lösung nach dem Massenwirkungsgesetz die Dissoziation des Calciumkollagenats weiter zurückgedrängt wird und daher im Sinne einer Pickelwirkung eine Verminderung der im reinen Kalkäscher erzielten Quellung und Prallheit eintritt. Zusätze von Calciumsulfhydrat fördern also den Äscheraufschluss noch über die bekannte Wirkung reiner Kalkäscher hinaus und steigern damit die Weichheit und Geschmeidigkeit der Leder, erhöhen aber andererseits auch die Gefahren der Losnarbigkeit, loser Flamen und hoher Wasserzügigkeit in starkem Masse. Man wird daher Calciumsulfhydratzusätze nur dort bevorzugen, wo extrem weiche und geschmeidige Lederbeschaffenheit gewünscht wird. Dem Praktiker ist die Wirkung des Calciumsulfhydrates ja in erster Linie vom Arsenikäscher der Handschuhlederherstellung bekannt, bei dem durch doppelte Umsetzung zwischen rotem Arsenik und Kalk Calciumsulfhydrat entsteht, und die besonders milde, aber auch einen beträchtlichen Äscheraufschluss hervorrufende Wirkung dieses Äschersystems wird durch die vorliegenden Zahlen bestätigt. Bei der Herstellung etwa von Handschuhledern ist daher die Verwendung von Calciumsulfhydrat als Anschärfungsmittel anstelle von Schwefelnatrium stets zu empfehlen.

Um der Praxis die Umrechnung zu erleichtern, sind nachstehend die Sulfhydratmengen angeführt, die für 1 kg Schwefelnatrium konz. (60%ig) schwefeläquivalent sind, also die gleiche Menge an SH-Gruppen liefern:

0,43 kg Natriumsulfhydrat 100%ig

0,45 kg Natriumsulfhydrat Pulver 95%ig

0,61 kg Natriumsulfhydrat 70/72%ig

1,43 kg Natriumsulfhydrat 30%ige Lauge

0,41 kg Calciumsulfhydrat 100%ig

4,08 kg Calciumsulfhydrat 10%ige Lauge

Salzzusätze

Salzzusätze werden dem Äscher mit dem Ziel beigegeben, die Quellung und Prallheit zu beeinflussen, ohne den pH-Wert unerwünscht zu senken. Nach den bisherigen Darlegungen ist die im Äscher erreichte Prallheit einmal vom End-pH-Wert, zum anderen aber auch vom Kationeneinfluss abhängig, was bei den bisher besprochenen Systemen bestätigt wurde. Bei Salzzusätzen kommen noch 2 weitere Faktoren hinzu:

  • Ein Pickeleinfluss als Ausdruck der Zurückdrängung der Dissoziation der Kollagenate durch ein Überangebot gleichkationischer Zusätze, wodurch die Intensität der einseitigen Aufladung vermindert und damit die Quellung herabgesetzt wird,
  • eine hydrotrope Wirkung, wenn Salze mit hydrotropen Eigenschaften zugesetzt werden. Dann erfolgt eine Steigerung der Quellung dadurch, dass Wasserstoffbrücken zwischen benachbarten Polypeptidketten gelöst werden und damit eine stärkere Auswirkung der elektrostatischen Abstoßung gleichgeladener Bezirke ermöglicht wird.

Bei der Betrachtung von Salzzusätzen zum Äscher sind alle vier Faktoren zu berücksichtigen, die sich gegenseitig ausgleichen oder verstärken können.

Abbildung 8:

Bei Kochsalzzusätzen zum Äscher sind die Auffassungen der Praxis sehr unterschiedlich, die einen schwören auf eine Verminderung der Quellung durch Kochsalzzusätze, die anderen behaupten das Gegenteil. Die zu dieser Frage bisher vorliegenden Untersuchungen sind nicht aussagekräftig genug, da die Beurteilung der Quellung auf Grund der Wasseraufnahme zu Fehlschlüssen führen kann und nur die Quellung, nicht die Prallheit erfasst. Wir sind bei unseren Untersuchungen von einem reinen Kalkäscher mit 6 kg Kalk/cbm, einem reinen Schwefelnatriumäscher mit 1,2% Schwefelnatrium auf Weichgewicht und drei Mischäschern mit unterschiedlichem Verhältnis von Kalk zu Schwefelnatrium ausgegangen. Für das System Na2S + NaCl (Äscher 5) war nur eine mäßige Änderung des End-pH-Wertes festzustellen, ein Kationeneinfluss war nicht zu erwarten, da beide Salze das gleiche Kation Natrium besitzen, und ebenso ist beim Kochsalz nicht mit einer hydrotropen Wirkung zu rechnen, so dass von vornherein anzunehmen war, dass hier durch eine echte Pickelwirkung die Dissoziation des gebildeten Natriumkollagenats und damit die Quellung zurückgedrängt würde. In der Tat zeigen die Werte in Bild 8, dass schon geringe Kochsalzmengen eine starke Verminderung der Quellung und Prallheit bewirken, die bei höheren Kochsalzzusätzen noch weiter zunimmt. Anders dagegen in dem System Ca (OH)2 + NaCl, da hier neben der Pickelwirkung noch hinzukommt, dass Natriumionen in das System gebracht werden und damit infolge einer Art Kationenaustausch in stärkerem Masse das höher dissoziierte Natriumkollagenat entstehen muss, was mit einer Steigerung der Aufladung und damit der Quellung verbunden ist. In der Tat zeigen die erhaltenen Werte für Äscher 1 schon bei verhältnismäßig geringen Kochsalzzusätzen eine Steigerung der Quellung und namentlich der Prallheit und erst bei hohen Zusätzen, die über der in der Praxis üblichen Menge (3-5% vom Weichgewicht, d. h. bis 0,3 Normalität) liegen, tritt wieder eine Abnahme infolge Pickelwirkung ein, die aber auch bei sehr hohen Zugaben kaum unter die Anfangswerte des reinen Kalkäschers heruntergeht. Im Rahmen der praktisch üblichen Kochsalzzusätze ist also bei reinen Kalkäschern keine Verminderung, sondern im Gegenteil eine Steigerung von Quellung und Prallheit zu erwarten, und es ist daher sinnlos, reine Kalkäscher mit Kochsalz zu versetzen.

Abbildung 9:

Viel wichtiger ist aber die Auswirkung der Kochsalzzusätze auf die verschiedenen Kalk-Schwefelnatrium-Äscher und die Kurven in Bild 8 lassen für die Äschertemperatur von 25 °C deutlich erkennen, worauf die Unterschiede zurückzuführen sind. Bei Äscher 2, der einen Kalkäscher mit nur sehr geringer Anschärfung darstellt, ergibt sich ein Verhalten, des demjenigen reiner Kalkäscher entspricht, also zunächst eine Steigerung der Quellung und Prallheit und erst bei hohen Zusätzen wieder ein Absinken. Bei Äscher 3 dagegen, bei dem der Schwefelnatriumeinfluss weiter gesteigert ist, ist keine anfängliche Steigerung der Quellung und Prallheit mehr festzustellen und Äscher 4, bei dem der Schwefelnatriumeinfluss noch mehr überwiegt, zeigt ein Verhalten, das demjenigen reiner Schwefelnatriumlösungen sehr nahe kommt. Bild 9 zeigt das Verhalten der gleichen Äscher bei 10 °C, wobei sich im Grundsätzlichen die gleichen Folgerungen ergeben.

Damit sind die widersprechenden Auffassungen der Praxis verständlich. Liegen reine Kalkäscher vor oder Äschersysteme, bei denen vorwiegend mit Kalk gearbeitet wird und nur geringe Mengen Schwefelnatrium zugegeben werden (z. B. bei haarerhaltenden Äschern), so wird bei geringen Kochsalzmengen eine Steigerung der Quellung und Prallheit eintreten und erst bei höheren Zusätzen eine Verminderung erfolgen und in diesen Fällen sind Kochsalzzusätze sinnlos. Steigt dagegen im Äschersystem die Schwefelnatriummenge stark an, so tritt schon bei geringen Kochsalzzusätzen eine mehr oder weniger ausgeprägte Verminderung von Quellung und Prallheit ein. Man kann also die Eignung von Kochsalzzusätzen zur Unterdrückung der Quellung in Kalk-Schwefelnatriumäschern nur beurteilen, wenn man die Zusammensetzung des Äschers entsprechend berücksichtigt.

Abbildung 10:

Abbildung 11:

Ganz anders liegen die Verhältnisse bei Zusätzen von Calciumchlorid zum Äscher (Bild 10 für 25 °C). Hier kommt neben der zu erwartenden Pickelwirkung noch die Wirkung von Calciumionen hinzu, die sich stets in einer Verminderung der Quellung und Prallheit auswirkt, und daher führen Zusätze von Calciumchlorid unabhängig von der Zusammensetzung des Äschers grundsätzlich zunächst zu einer Verminderung von Quellung und Prallheit. Diese Verminderung tritt schon bei geringen Salzzusätzen auf und macht sich erwartungsgemäß bei denjenigen Äschersystemen, die von Haus aus eine starke Quellung und Prallheit bewirken, besonders stark bemerkbar. Bei höheren Zusätzen kommt dann aber die hydrotrope Wirkung dieses Salzes hinzu. Hydrotrope Stoffe wirken an und für sich nicht quellend, verstärken aber die Auswirkung quellender Agenzien, da durch Lösung der Wasserstoffbrücken zwischen den benachbarten Polypeptidketten die abstoßende Wirkung der gleichartig geladenen Bezirke sich besser auswirken kann. Entsprechend zeigen alle Kurven in Bild 10, dass bei höheren Calciumchloridzusätzen die Quellungs- und Prallheitswerte wieder stark ansteigen. Bild 11 zeigt für 10 °C das grundsätzlich gleiche Verhalten. Man darf daher bei der Verwendung von Calciumchlorid, wie es in der Praxis auch geschieht, die Salzmengen nicht über etwa 1-1,5% auf Flottenmenge (entsprechend 0,2-0,3 Normalität) steigern, da nur in diesem Bereich eine starke Verminderung der Quellung und Prallheit erreicht werden kann. In diesem Bereich wird auch, wie unsere praktischen Äscherversuche gezeigt haben, bei Zusatz von Calciumchlorid ein besserer Äscheraufschluss und damit eine bessere Weichheit und Geschmeidigkeit der Leder erzielt. Bei steigenden Mengen sinken dagegen insbesondere auch die Festigkeitseigenschaften der Leder infolge des hydrotropen Einflusses stark ab.

Einfluss der Flottenmenge

Abschließend seien noch einige Ausführungen über ein Äschersystem gemacht, das wir als „Fassschwöde“ bezeichnen und bei dem zunächst fast ohne Flotte gearbeitet und erst nach 2-2 ½ Stunden die Flotte auf die übliche Höhe von 250-300% gebracht wird. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass in der ersten Phase des Äschers wegen des fehlenden Wassers keine oder eine nur sehr geringe Quellung eintritt. Die Haare, auch die Grundhaare, sind dann innerhalb von 10 bis 20 Minuten dank der hohen Konzentration der Äscherchemikalien restlos zerstört. Andererseits können die Äscherchemikalien infolge der nur geringen Quellung rasch und tief in das Innere der Haut eindringen und üben damit ihre Wirkung nicht vorwiegend in den Aussenschichten, sondern auch im Inneren der Haut aus. Wir sind der Auffassung, dass der grundsätzliche Nachteil aller bisher üblichen Äschersysteme in erster Linie darin zu erblicken ist, dass die Aussenschichten der Haut schon bei Beginn des Äscherns zu rasch quellen, dadurch die Äscherchemikalien vorwiegend auf die Papillarschicht wirken und daher eine zu starke Lockerung gerade in dieser histologisch schon von vornherein durch die Einlagerung von Haaren, Talg- und Schweißdrüsen strukturell stark geschwächten Schicht ausüben. Losnarbigkeit und leere Flamen, aber auch Narbenzug sind die Folge. Man versucht diesem Nachteil zwar dadurch zu begegnen, dass man die Äscherchemikalien in verschiedenen Portionen nach und nach zugibt, um wenigstens eine gewisse Tiefenwirkung der Diffusion an Chemikalien zu erreichen, bevor die einsetzende Quellung ein weiteres Eindringen erschwert, wenn nicht unmöglich macht, aber der Erfolg ist doch meist ungenügend. Vermeidet man dagegen zunächst eine Quellung weitgehend dadurch, dass man die Wassermenge in den ersten Stadien des Äschers so weit wie nur irgend möglich herabsetzt, so üben die Äscherchemikalien ihre Wirkung nicht vorwiegend in den Aussenschichten aus, sondern dringen in das Innere der Haut ein. Wird dann in einem späteren Stadium die Wassermenge auf die gewünschte Höhe gesteigert, so tritt zwar die für den Äscheraufschluss nötige quellende und prallmachende Wirkung ein, aber diese Wirkung erfolgt nicht nur in den Aussenschichten, sondern mehr im Inneren der Haut. Dadurch wird der Narben geschont und trotzdem ein weicheres und flexibleres Leder erhalten, das sich andererseits durch gute Narbenfestigkeit und bessere Flamen auszeichnet.

Tabelle 12:

Tabelle 13:

Tabelle 14:

In diesem Zusammenhang erhebt sich natürlich die Frage nach der Abhängigkeit der Quellung und Prallheit von der Flottenmenge beim Äscher. Jede Quellung ist mit einer Wasseraufnahme verbunden und bei normalen Äschersystemen steht für diese Wasseraufnahme genügend Wasser zur Verfügung. Um also die Quellung von der Seite der Wasseraufnahme her zu vermindern, muss die verfügbare Wassermenge entscheidend reduziert werden. Unsere Untersuchungen über die Abhängigkeit der Quellung und Prallheit von der jeweiligen Flottenmenge haben gezeigt, dass bei reinen Schwefelnatriumäschern (Bild 12 und 13) erst bei Flottenmengen unter 60% eine entscheidende Verminderung von Quellung und Prallheit eintritt und bei reinen Kalkäschern (Bild 14 und 15) sogar erst bei Flottenmengen unter 40% die Quellung stark abnimmt, während hier ein Einfluss auf die Prallheit überhaupt nicht festzustellen ist, weil nach bereits früher gemachten Darlegungen reine Kalkäscher zwar eine nicht unbeträchtliche Quellung bewirken, aber keine nennenswerte Prallheit auslösen. Die Untersuchungsbefunde zeigen weiter, dass schon bei einer Flottenmenge über 60-80% bei allen Äschersystemen die maximale Quellung und Prallheit erreicht ist und wenn wir in der Praxis mit größeren Flottenmengen arbeiten, so nur, um in einem schwimmenden System das gequollene Hautmaterial beim Walken besser zu schonen und den Einfluss des Kohlensäuregehaltes der Luft (Kalkschattenbildung) zu vermindern. Will man andererseits die Quellung der Haut möglichst weitgehend verhindern, um damit die Diffusion der Äscherchemikalien so weit wie möglich zu fördern, so muss man den Wassergehalt in den ersten Stadien des Äschers so niedrig wie möglich halten, im Extremfall also auf den Nullwert absenken.

Tabelle 15:

Welche Wassermenge bei der Fassschwöde zweckmäßig ist, hängt stark von Art und Gewichtsklasse des Hautmaterials ab und muss daher in jedem Einzelfall bestimmt werden. Als Kriterium kann gelten, dass die Wassermenge am Anfang so groß sein muss, dass die zugesetzten Äscherchemikalien innerhalb von 30 Minuten gleichmäßig auf dem Hautmaterial verteilt werden, sich ein Brei von gerade noch flüssiger Konsistenz bildet und in dieser Zeit auch eine vollkommene Zerstörung der Haare eintritt, andererseits aber auch nach 2% Stunden auf keinen Fall eine Flotte im Fass entstehen darf, weil diese einen unerwünschten Wasserüberschuss andeutet. Wenn wir den Äscher nach normaler Weiche im gleichen Fass durchführen, die Haut also während der Weiche schon die maximale Wassermenge aufgenommen hat, so lassen wir das Wasser möglichst vollständig ab und geben dann die Äscherchemikalien ungelöst und ohne einen Wasserzusatz zu, wobei wir zunächst Sulfhydrat und geringe Mengen eines Netzmittels zugeben und nach etwa 5-10 Minuten Kalk und Schwefelnatrium folgen lassen. Auf die Mitverwendung netzender Hilfsmittel möchten wir nicht verzichten, da sie das rasche Eindringen und gleichmäßige Verteilen der Äscherchemikalien in die Haut wesentlich fördern und reinere Blößen ergeben. Wenn wir nach dem Weichen zunächst entfleischen, so tritt dabei naturgemäß ein Abwelken des Hautmaterials ein, so dass eine gewisse Wassermenge wieder zugegeben werden muss, die aber normalerweise nicht über 20-25% vom Abwelkgewicht liegen darf. Tabelle 4 zeigt einige Beispiele solcher Äscher für Unterleder16), die wir bei einem Hautmaterial anwandten, das nach der Weiche zunächst entfleischt worden war, so dass wir eine gewisse Wassermenge zusätzlich zugeben mussten. Auch für die Fassschwöde gelten die vorher über die Zusammensetzung des Äschers gemachten Ausführungen und entsprechend liefert Äscher 5 wegen des höheren Kalkgehaltes und des Teilersatzes von Na2S durch NaSH ein flexibleres Leder als Äscher 6. Tabelle 5 gibt einen Äscher wieder, den wir bei Rindchromoberleder verwenden, wobei wir das Entfleischen nach der Vorweiche vornehmen, dann die Hauptweiche geben und im gleichen Fass nach kurzem Spülen äschern, so dass ein Wasserzusatz hier nicht erfolgen darf. Wir haben im Rahmen unserer Untersuchungen über die Rationalisierung solche Äschersysteme mit abgewandelter Zusammensetzung auch für Chromkalbleder und Vachettenleder mit Erfolg angewandt, worüber wir in anderem Zusammenhang noch berichten werden. In allen Fällen kann als Vorteil dieser Äscherverfahren herausgestellt werden, dass auf Grund der besseren Tiefenwirkung ein weicheres und flexibleres Leder mit andererseits doch guter Narbenfestigkeit und besseren Flamen erhalten wird, dass Mastfaltenbildung und Narbenzug wegen der unterdrückten Schwellung stets geringer sind, als wenn bei gleicher Zusammensetzung sofort mit der vollen Wassermenge gearbeitet wird, dass ebenfalls auf Grund der besseren Tiefenwirkung die nachfolgenden Prozesse der Entkälkung, des Pickels und der Gerbung wesentlich beschleunigt werden und dass der Grund besser gelöst wird, so dass auf ein nachfolgendes Streichen von Hand auch für Leder von Anilincharakter verzichtet werden kann und doch gut Narbenreinheit erreicht wird.

Tabelle 4:

Tabelle 5:

Äscheraufschluss und physikalische Ledereigenschaften

In den vorhergehenden Abschnitten wurde bereits gelegentlich angeführt, dass sich der Grad des Äscheraufschlusses auch auf die Ledereigenschaften auswirkt. In der Praxis ist dieser Einfluss oft nicht klar zu erkennen, weil mit Änderung der Zusammensetzung der Äscherflüssigkeit meist auch die Äscherzeit variiert wird und dadurch ein Ausgleich des Äschereinflusses auf die physikalischen Eigenschaften bewirkt sein kann. Im allgemeinen zeigen sich daher die Einflüsse unterschiedlichen Äscheraufschlusses auf die äußere Beschaffenheit der Leder hinsichtlich Stand oder Weichheit, Griff, Feinheit des Narbens, Narbenfestigkeit, Losnarbigkeit und Flämenbeschaffenheit deutlicher als derjenige auf die physikalischen Eigenschaften. Werden aber Äschersysteme miteinander verglichen, die sich in ihrem Einfluss auf den Äscheraufschluss deutlich unterscheiden und werden alle anderen Faktoren, insbesondere der Zeitfaktor konstant gehalten, so zeigen sich bei Auswertung eines genügend großen Untersuchungsmaterials, um individuelle Schwankungen von Haut zu Haut auszuscheiden, klare Einflüsse auch auf die physikalischen Eigenschaften. Mit zunehmendem Äscheraufschluss werden die Festigkeitseigenschaften vermindert, was sich meist bei der Weiterreißfestigkeit deutlicher als bei der Zugfestigkeit zeigt. Die Dehnbarkeit, und zwar sowohl die Bruchdehnung wie die Dehnung bei geringer Belastung und die bleibende Dehnung erfahren eine Zunahme und damit hängt ohne Zweifel auch die höhere Flächenausbeute bei stärkerem Äscheraufschluss zusammen. Die Narbenfestigkeit, wie sie im Schopperschen Rundscheuergerät erfasst wird, erfährt eine deutliche Verminderung, die Wasserzügigkeit nimmt zu und ebenso erfahren Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeit eine Steigerung.

Zusammenfassung

Auf Grund der durchgeführten Untersuchungen kann über die Beziehungen zwischen Quellung und Prallheit tierischer Haut und den Eigenschaften daraus hergestellter Leder zusammenfassend folgendes festgestellt werden:

  • Quellung und Prallheit sind von 4 Faktoren abhängig:
  • vom End-pH-Wert; je höher dieser, desto höher Quellung und Prallheit.
  • Von der Art der anwesenden Kationen, wobei Natriumionen eine stärker quellende Wirkung als Calciumionen besitzen. In dem Masse, wie Natriumionen Einfluss erlangen, nimmt vor allem die Prallheit des Hautmaterials zu, was sich schon rein äußerlich in einem „Glasigwerden„ der Haut auswirkt. In binären Äschersystemen und bei Salzzusätzen kann die Löslichkeit des Kalkes durch den anderen Partner gesteigert oder vermindert sein, so dass nicht immer aus der Zusammensetzung des Äschers auf das tatsächlich im Äscher vorhandene Verhältnis von gelösten Calcium-und Natriumionen geschlossen werden kann.
  • Bei binären Äschersystemen und Salzzusätzen kann eine Gegenionenwirkung (Pickelwirkung) hinzukommen, indem bei erhöhter Kationenkonzentration eine Zurückdrängung der Dissoziation des gebildeten Calcium- bzw. Natriumkollagenats und damit infolge Verminderung der einseitigen Aufladung eine Herabsetzung der Quellung und Prallheit bewirkt wird.
  • Zusätze von Salzen mit hydrotroper Wirkung bewirken infolge Lösung von Wasserstoffbrücken zwischen benachbarten Polypeptidketten und einer damit ermöglichten stärkeren elektrostatischen Abstoßung eine Steigerung der Quellung.
  • Durch die jeweilige Quellung und Prallheit im Äscher wird der Äscheraufschluss entscheidend beeinflusst. Eine Quellung des Hautmaterials im Äscher ist bei klassischen Äschern unbedingt erforderlich und bei den meisten Lederarten unerlässlich. Ist sie zu gering, so werden relativ harte, feste und im Extrem blechige Leder erhalten. Daher muss in jedem Äschersystem der pH-Wert mindestens 12 betragen. Je mehr dann aber die Quellung in die Prallheit übergeht, die Fasern also im Fasergefüge gegeneinander verspannt sind, um so mehr sinkt der Äscheraufschluss wieder ab. Das hängt einmal damit zusammen, dass die Äscherchemikalien nicht genügend in das verspannte Fasergefüge hineindringen können (Durchäscherung), vermutlich aber auch damit, dass die verspannte Kollagenfaser nicht so stark angegriffen wird wie eine in lockerer Verspannung befindliche Faser. Außerdem treten mit steigender Prallheit Mastfalten, Halsriefen und Narbenzug stärker hervor und können dann häufig nachträglich nicht mehr vollständig entfernt werden. Die Begriffe der Quellung und der Prallheit müssen also bei Beurteilung der Äscherwirkung klar unterschieden werden.
  • Durch den jeweiligen Äscheraufschluss werden die Ledereigenschaften entscheidend beeinflusst. Je geringer der Äscheraufschluss, desto besser die Beschaffenheit des Narbens und desto fester die Flamen, desto fester und härter aber auch das Leder und desto stärker treten Mastfalten und Halsriefen hervor. Je größer der Äscheraufschluss, desto weicher und geschmeidiger sind die Leder, desto größer wird auch das Flächenrendement am fertigen Leder, desto größer ist aber auch der Substanz-Verlust und die Gefahr von Losnarbigkeit und losen Flamen. Außerdem erfahren mit zunehmendem Äscheraufschluss die Festigkeitseigenschaften und die Narbenfestigkeit eine Verminderung, Dehnbarkeit, Wasserzügigkeit, Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeit eine Steigerung. Zwischen diesen beiden Extremen muss jeweils der für die gewünschten Ledereigenschaften zweckmäßigste Aufschlussgrad eingestellt werden.
  • Für die Beeinflussung von Quellung und Prallheit und damit für den Äscheraufschluss stehen die folgenden Variationsmöglichkeiten zur Verfügung:
  • Temperatursteigerung vermindert die Prallheit und steigert damit den Äscheraufschluss.
  • Variationen der Kalk- und Schwefelnatriummenge und des Verhältnisses dieser beiden Chemikalien zueinander. Erhöhung der Kalkmenge und Verminderung der Schwefelnatriummenge steigern den Äscheraufschluss, eine Änderung im umgekehrten Sinne vermindert ihn.
  • Teilersatz von Schwefelnatrium durch Sulfhydrate vermindert die Prallheit und erhöht damit den Äscheraufschluss, wobei zwischen Natrium- und Calciumsulfhydrat graduell erhebliche Unterschiede bestehen.
  • Salzzusätze beeinflussen den Grad der Prallheit, wobei für eine Verminderung der Prallheit Kochsalzzusätze nur in solchen Äschersystemen in Betracht kommen, bei denen die Schwefelnatriummenge überwiegt, während Calciumchloridzusätze für alle Äschersysteme geeignet sind, aber nur in geringen Mengen zugesetzt werden sollten, um den bei größeren Mengen zu erwartenden hydrotropen Einfluss zu vermeiden.
  • Variation der Flottenmenge, wobei durch Anwendung nur geringer Wassermengen in den Anfangsstadien des Äschers („Fassschwöde“) die Tiefenwirkung des Äschers wesentlich verbessert, der Narben geschont und trotzdem die Geschmeidigkeit des Leders gesteigert wird.

Dass schliesslich noch der Zeitfaktor hinzukommt, also der Hautaufschluss unabhängig von der Zusammensetzung der Äscher mit zunehmender Äscherdauer zunimmt, brauchen wir nicht besonders zu betonen, obwohl gerade dieser Faktor in der Praxis oft nicht genügend berücksichtigt wird.

Wenn man sich über diese relativ einfachen Zusammenhänge klar wird und sich vor Augen hält, wie eine Änderung der Äscherzusammensetzung auch die Quellung und insbesondere die Prallheit verändert, dann kann man daraus auch die Wirkung der Äscher auf den Äscheraufschluss und auf die Ledereigenschaften vorhersagen. Wir glauben, dass wir damit den Äscheraufschluss präziser in die Hand bekommen, als das bisher rein empirisch der Fall war.

Wir danken dem Bundeswirtschaftsministerium für die wertvolle finanzielle Unterstützung dieser Arbeit. Ferner danken wir Herrn E. Häussermann und Herrn St. Moll für ihre verständnisvolle Mitarbeit bei der Durchführung der praktischen Äscher und Gerbversuche.

Literaturverzeichnis

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  2. H. Herfeld und B. Schubert, Das Leder 1963, 77, 117; 1965, 25; 1966, 105.
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  4. A. Küntzel und E. Heidemann, Das Leder 1956, 217.
  5. H. Freudenberg, Das Leder 1955, 293.
  6. H. Herfeld und M. Oppelt, Das Leder 1964, 137
  7. R. Lasserre, BAFCJC 1956, 111, 147, 243.
  8. R. Appel, Das Leder 1957, 1.
  9. K. Löchner, Das Leder 1955, 275.
  10. A. Zissel, Das Leder 1955, 289.
  11. Das Leder 1955, 293; 1956, 4.
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  14. F. Stather, H. Herfeld, H. Moser und K. Hältewig, Ges. Abhandl. d. Deutsch. Lederinst. 14, 87 (1959).
  15. S. Hörig, Das Leder 1960, 270.
  16. H. Herfeld, Gerbereiwiss. u. -praxis, Oktober und November 1965.
  17. H. Herfeld, E. Häussermann und St. Moll, Gerbereiwiss. u. -praxis, April 1967.


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