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60 Über einige grundsätzliche Vorteile von Leder gegenüber Austauschstoffen bei Verwendung für Schuhe und Bekleidung

60 Über einige grundsätzliche Vorteile von Leder gegenüber Austauschstoffen bei Verwendung für Schuhe und Bekleidung

(Leder und seine Austauschstoffe III 1)) Von H. Herfeld und G. Königfeld *)

Auf der Tagung der Internationalen Union der Gerbereichemiker-Verbände 1954 in Barcelona war im Hinblick auf den weltweiten Abwehrkampf des Leders gegenüber den Austauschmaterialien eine enge Zusammenarbeit zwischen Gerbereiwissenschaft und Lederpropaganda beschlossen worden, und diese Zusammenarbeit erscheint heute notwendiger denn je, nachdem in den letzten Jahren der Druck der Ersatzstoffe stark zugenommen hat. In Barcelona legte Blockey2) den Tagungsteilnehmern eine Aufstellung von Eigenschaften vor, die geeignet schienen, die Vorzüge des Leders gegenüber den entsprechenden Austauschstoffen herauszustellen, so die hohen Festigkeitseigenschaften, die Beziehungen zwischen Formbeständigkeit und Formveränderlichkeit, die gute Wasserdampfdurchlässigkeit usw. Graßmann 3) konnte in einem weiteren Vortrag auf der Internationalen Tagung in Rom diesen Überblick über die besonderen Ledereigenschaften noch vertiefen und dabei zeigen, daß das Leder seine hervorragenden Eigenschaften vor allem der naturgewachsenen dreidimensionalen Faserverflechtung verdankt, die bisher von keinem Austauschstoff erreicht werden konnte. Inzwischen wurden weitere Erfahrungen gesammelt, und auch wir haben seit Jahren eingehende vergleichende Untersuchungen durchgeführt, die sich mit den Besohlungs- 4) und den Brandsohlenmaterialien 1),neuerdings auch mit den Schuhoberbau - Materialien befaßten. Diese Vergleichsuntersuchungen haben nicht nur eine Reihe grundsätzlicher Vorteile des Leders gegenüber den Austauschstoffen in struktureller und tragehygienischer Hinsicht aufzeigen oder bestätigen können, sondern auch - gestützt auf ein umfangreiches Zahlenmaterial — neue Gesichtspunkte für die Beurteilung von Ledereigenschaften ergeben. Über fünf charakteristische Eigenschaften des Leders soll nachstehend berichtet werden, wobei erwähnt sei, daß alle Zahlen in den Tabellen Mittelwerte aus der Untersuchung zahlreicher Materialien gleichen Aufbautyps - gleichgültig ob Leder oder Austauschstoffe darstellen, so daß ihnen eine repräsentative Aussagekraft zukommt. Wir beginnen mit den Beziehungen zwischen Zugfestigkeit und Dehnbarkeit und ihrer Bedeutung für den Gebrauchswert. Leder besitzt auf allen geprüften Gebieten höhere Festigkeitseigenschaften als seine Austauschstoffe. Das gilt in gleicher Weise für Zugfestigkeit, Stichausreiß- und Weiterreißfestigkeit. Die Tabellen 1 bis 3 geben zunächst die für Sohlenmaterialien, Brandsohlen und Schuhoberbau - Materialien im trockenen Zustand ermittelten Werte wieder. Es ist also bisher auf keinem dieser Gebiete gelungen, den Austauschstoffen die Festigkeit zu verleihen, die Leder dank seiner dreidimensionalen, endlosen Faserverflechtung von Natur aus besitzt. Für den Gebrauchswert ist weiter von größter Bedeutung, daß Leder im nassen Zustand eine erhebliche Festigkeitszunahme erfährt, während die Naßwerte bei den entsprechenden Austauschstoffen meist unter den Trockenwerten liegen. Tabelle 4 zeigt die Werte der Naßfestigkeit in Prozenten der Trockenfestigkeit. Die Steigerung bei Leder hängt wohl damit zusammen, daß die Lederfasern infolge ihres hohen Gehaltes an polaren Gruppen eine intramicellare Reaktion mit den Wassermolekülen unter Faserverquellung eingehen, die das Auseinandergleiten der Lederfasern beim Zerreißen erschwert. Da die Beanspruchung der Besohlungs-, Brandsohl- und Oberbau-Materialien beim Tragen am Schuh häufig im schweiß- oder wasserfeuchten Zustand erfolgt, kommt dieser Tatsache eine große praktische Bedeutung zu.



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Sehr deutlich tritt die

hohe Strukturfestigkeit

des Leders auch bei der Bestimmung der Spaltfestigkeit in Erscheinung, wobei die Prüfstreifen von der Schmalseite her in zwei gleichdicke Schichten gespalten werden und die zum Weiterreißen erforderliche Kraft bestimmt wird. Die Werte in Tabelle 5 zeigen für Brandsohlmaterialien, daß bei Leder niemals ein Weiterreißen in der Spaltebene eintrat, sondern bei hoher Belastung nur die in die Zerreißmaschine eingespannten Laschen abrissen. Auch hier ist bei den Austauschstoffen bei Naßprüfung deutlich ein Absinken der Spaltwerte festzustellen. Aus diesen höheren Festigkeitseigenschaften kann für Leder mit Recht eine wesentlich bessere Strukturfestigkeit und damit ein soliderer Aufbau gefolgert werden.



Inwieweit sich diese bessere Strukturfestigkeit in einer höheren Lebensdauer auswirkt

,kann aber nach unseren Erfahrungen nicht nur aus den Festigkeitswerten abgeleitet werden, sondern hängt zugleich auch vom Dehnungsverhalten ab, d. h. von der Fähigkeit der Materialien, aufgrund einer höheren Dehnung der beim Tragen ständig wiederkehrenden Belastung durch Zugbeanspruchung ausweichen zu können. So besitzen Materialien mit hohem Dehnungsvermögen trotz geringerer Strukturfestigkeit doch eine gute Lebensdauer. Ein typisches Beispiel hierfür sind Gummisohlen, die zwar im Vergleich zu Leder eine sehr niedrige Zugfestigkeit aufweisen, trotzdem aber beim Tragen eine bemerkenswerte Haltbarkeit besitzen. Das wird verständlich, wenn man bei der Beurteilung die enorm hohen Dehnungswerte der Tabelle 6, die sich bei linearer Zugprüfung wie auch bei flächenmäßiger Wölbprüfung zeigen, berücksichtigt. Diese hohen Gummi - Dehnungswerte sind für ein Besohlungsmaterial keineswegs erstrebenswert, da sie die Formbeständigkeit der Schuhe stark beeinträchtigen; aber vom Standpunkt der Lebensdauer aus machen sie verständlich, daß Gummisohlen, da sie der Strukturbelastung leicht ausweichen können, nicht zermürben, sondern eine lange Haltbarkeit besitzen.



Dabei kommt ohne Zweifel der Dehnbarkeit bei geringer Belastung

eine viel größere Bedeutung als der Bruchdehnung zu, da die meisten Materialien beim Gebrauch nie bis zum Bruch belastet werden, wohl aber einer sich ständig wiederholenden Dehnungsbeanspruchung bei niederen Belastungen ausgesetzt sind. Bei Materialien mit geringer Zugfestigkeit und gleichzeitig niedriger Dehnung ist dagegen die Gefahr einer vorzeitigen Zerstörung groß. Als Beispiel hierfür seien in Tabelle 7 die Dehnungswerte für Brandsohlmaterialien beim Bruch und bei geringer Belastung angeführt. Die Werte liegen hier für die Austauschstoffe niedriger als für Leder. Beim Leder aber ist durch die guten Festigkeitseigenschaften auf jeden Fall eine hohe Lebensdauer garantiert, bei den Austauschstoffen muß sich dagegen die viel niedrigere Dehnbarkeit bei gleichzeitig geringer Strukturfestigkeit in einer raschen Ermüdung der Werkstoffe auswirken. In der Tat haben Trageversuche, bei denen am gleichen Schuhpaar eine Brandsohle aus Leder, die andere aus Texonmaterial bestand, durchweg eine kürzere Lebensdauer der Texonbrandsohle unter gleichzeitigem Aufribbeln der Oberfläche bis zu totaler Gefügezerstörung ergeben, während die entsprechende Ledersohle völlig intakt blieb.




Tabelle 8 zeigt die für Schuhoberbau-Materialien wichtigeren Werte

der flächenhaften Verdehnung bei geringer Belastung, die bei dieser Gruppe im Hinblick auf die Beanspruchung eine größere Aussagekraft als die lineare Dehnbarkeit besitzt. Während die meisten Austauschstoffe auf Gewebe- oder Gewirkebasis so geringe Dehnbarkeit besitzen, daß die Gewebeschichten schon bei 5 atü platzen, liegen die Werte für das dreischichtige Corfam in der Größenordnung der untersuchten Oberleder. Aber auch hier ist bei den im Vergleich zu Leder viel geringeren Festigkeitswerten mit der Gefahr eines vorzeitigen Zermürbens bei Gehbeanspruchung zu rechnen. Tatsächlich haben sich bei unseren Trageversuchen, bei denen jeweils ein Schuh aus Oberleder, der Gegenschuh aus Corfam bestand, bei einigen Trägern am Corfamschuh raschere Gefügezerstörungen ergeben als beim Lederschuh.

Diese Beziehungen zwischen Zugfestigkeit und Dehnung

sollten sinngemäß auch auf die Bewertung verschiedener Lederarten übertragen werden, wobei auch hier als alleiniger Maßstab der Dehnbarkeit nur die bei niedriger Belastung erhaltenen Werte in Frage kommen. In Tab. 9 sind die von uns schon früher mitgeteilten Werte 5) über die Dehnung verschiedener Lederarten für Bekleidungszwecke bei geringer Belastung zusammengestellt. Es ist auch hier anzunehmen, daß weichere, flexiblere Leder auch bei geringeren Festigkeitseigenschaften sicherlich eine einwandfreie Lebensdauer aufweisen, während härtere, nicht so dehnbare Leder zugleich auch eine höhere Festigkeit benötigen, um eine genügende Haltbarkeit zu besitzen. Das macht verständlich, warum sich bei weichen, zügigen Lederarten die mit dem stärkeren Hautaufschluß verbundene Verminderung der Festigkeit im praktischen Trageverhalten nicht ungünstig auswirkt. Auch bei Leder ist es also falsch, nur anhand der Festigkeitswerte ein Urteil über die Lebensdauer abzugeben, ohne zugleich die zugehörige Dehnung bei geringer Belastung zu berücksichtigen. Ein weiterer Faktor, der für Trageverhalten und Fußkomfort von hoher Wichtigkeit zu sein scheint, ist die bleibende Dehnung, also die Feststellung, inwieweit ein Material nach Zugbeanspruchung in die ursprüngliche Form zurückzukehren vermag. Eine gewisse bleibende Dehnung ist für Materialien für Bekleidungszwecke unbedingt erwünscht, vor allem, wenn sie nur einmalig auftritt und bei Dauerbeanspruchung nicht zunimmt. Dadurch ist das Bekleidungsstück in die Lage versetzt, sich der individuellen Fuß- oder Körperform anzupassen und das Wohlbefinden des Trägers zu steigern. Bei Leder ist dieses Verhalten natur- und strukturbedingt. Je nach dem Ausmaß der Auflockerung des Fasergefüges kann dem Fertigleder jeder für den Verwendungszweck gewünschte Grad an bleibender Verformung gegeben werden, doch kommt dieser auf der netzartigen Verformung beruhende Teil der Gesamtdehnung nach kurzer Tragedauer zu einem Endzustand, und weitere Dehnungsbeanspruchungen sind - wie Graßmann zeigen konnte - elastisch und somit reversibel. Daher ist beim Lederschuh nach wenigen Tagen die Anpassung des Oberleders und der Brandsohlen an die individuelle Fußform vollzogen. Ist dagegen die bleibende Dehnung zu hoch wie bei Gummisohlen (Tabelle 10), so wird schon bei geringer Belastung eine hohe plastische Verformung erhalten, die auch bei wiederholter Beanspruchung fortschreitet (Differenz zwischen 1. und 5. Hochwölben). Damit ist das Formhaltevermögen schlecht, und es würden sich am Schuh starke Verformungen der Gummisohle zeigen, wenn nicht dieser Tendenz durch Einbau von Lederbrand- und Zwischensohlen entgegengewirkt würde. Ist aber die bleibende Dehnung zu niedrig, wie bei vielen Brandsohlwerkstoffen auf Vliesbasis (Tabelle 11), so wird die Anpassung an die Leistenform und die Ausbildung des fußgerechten Fußbettes erschwert oder nur unter gleichzeitiger Zerstörung des Materialgefüges erreicht. Das zeigen deutlich Abb. 1 und 2, die den Unterbau von Schuhpaaren wiedergeben, bei denen das intakte Leder und die zerstörte Texonbrandsohle nach gleicher Tragedauer zu erkennen sind.






Tabelle 12 zeigt die Werte der Restdehnung im Tensometer

Tabelle 12 zeigt die Werte der Restdehnung von Oberleder und Corfam im Tensometer und macht zugleich die in der Fachliteratur wiederholt angeführte Feststellung verständlich, daß sich Corfamschuhe der Fußform nicht anpassen, was auch unsere Trageversuche bestätigen. Wenn der Corfamschuh einmal drückt, so drückt er auch nach langer Tragedauer, während sich das Oberleder beim Lederschuh nach wenigen Tagen der Fußform angepaßt hat. An dieser Tatsache ändert auch nichts der Werbeslogan mit dem stets schönen Aussehen und der guten Formhaltigkeit, wenn der Corfamschuh ständig drückt und die Träger - wie wir bei Trageversuchen feststellen mußten - teilweise Hühneraugen bekommen. Dazu kommt noch, daß Oberleder bei der Gehbewegung zahlreiche kleine Falten bildet, Corfam dagegen wenige, aber tiefe Falten, die das Drücken des Schuhes noch verstärken. Man ist nun im Falle des Corfamschuhs zu glauben geneigt, daß dieser Nachteil sich beheben lasse, wenn man den Schuh größer kauft. So einfach liegen aber die Verhältnisse nicht, da auch die Fußform nicht konstant ist, sondern im Laufe des Tages unter dem Einfluß des Schweißes und der Ermüdung eine Volumenzunahme erfährt, die in der Ruhe der Nacht wieder zurückgeht. Leder hat nun die Eigenschaft, unter Feuchtigkeitsaufnahme eine Flächenzunahme zu erfahren, die beim Auftrocknen wieder abklingt. Es vermag sich also unter dem Einfluß der Fußausdünstung dem natürlichen Rhythmus der Volumenänderung des Fußes anzupassen. Die Kunststoffe haben, wie die Werte der Tabelle 13 zeigen, diese Eigenschaften nicht oder nur in geringem Umfange. Es ist daher nicht damit getan, den nächsten Corfamschuh größer zu kaufen, denn ist er am Morgen passend, dann drückt er bestimmt am Abend, ist er aber am Abend passend, dann wird er am Morgen zu groß sein. Hier fehlt den Kunststoffen eine weitere wichtige Eigenschaft, die für den Tragekomfort von besonderer Bedeutung ist.



Mit den feuchten Ausdünstungen des Körpers

hängt aber auch eine weitere Eigenschaft zusammen, die von allen Materialien für Bekleidungszwecke unbedingt gefordert werden muß, wenn sich der Träger wohl fühlen soll, nämlich eine gute Porosität, d. h. eine genügende Luft- und insbesondere Wasserdampfdurchlässigkeit. Ist diese Porosität nicht vorhanden, so schlägt sich die Feuchtigkeit auf dem Fuß bzw. Körper nieder, wodurch einmal ein Gefühl des Unbehagens verursacht und zum andern auf der Oberfläche des Körpers zugleich ein Schweißstau bewirkt wird und damit die weitere Schweißsekretion sowie der nötige Abtransport der Körperwärme gehemmt werden. Feuchte, heiße Füße und die Gefahr eines Wundreibens zwischen den Zehen sind die primäre Folge, Schweißfußbildung, Fußpilzvermehrung und Kreislaufbelastungen die sekundären Erscheinungen. Wie ist es nun bei den verschiedenen Materialien am Schuh mit der Porosität bestellt? Nach Tabelle 14 haben Brandsohlleder erheblich höhere, teilweise fast doppelt so hohe Wasserdampfdurchlässigkeitswerte wie die entsprechenden Kunststoffe, so daß ihnen auch hier unbedingt der Vorzug zu geben ist.



Allerdings kann diese Wasserdampfdurchlässigkeit

nur dann zum Abtransport der feuchten Ausdünstungen beitragen, wenn auch die Laufsohlen den Wasserdampf übernehmen und nach außen transportieren können. Das ist bei Ledersohlen der Fall. Gummisohlen dagegen sind völlig unporös, und dann nützt auch die gute Wasserdampfdurchlässigkeit der Lederbrandsohle nicht viel. Gummisohlen fördern also die Ansammlung von Feuchtigkeit im Schuh. Diese Unterschiede haben auch unsere Trageversuche klar bestätigt und gezeigt, daß die Behauptung, die Porosität der Sohlen spiele für die Tragehygiene keine Rolle, falsch ist, und zwar um so mehr, je mehr man auch für Brandsohlen statt Leder Kunststoffe einsetzt, bei denen eine weitere Eigenschaft, nämlich das Wasserdampfspeicherungsvermögen, ungenügend ist.

Zunächst aber noch zur Porosität der Materialien für den Schuhoberbau.

Daß Oberleder eine gute Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeit besitzt, braucht nicht besonders erwähnt zu werden. Daß die älteren unporösen Oberbau-Materialien auf Gewebe- und Gewirkebasis diesen Anforderungen nicht entsprechen, zeigen deutlich die Werte der Tabelle 15. Die Kunstlederindustrie hat sich zwar seit langem bemüht, ihre Materialien porös zu machen, doch waren die Poren dann meist zu groß und ließen auch das Wasser rasch eindringen. Das Charakteristikum sachgemäß hergestellten Oberleders besteht darin, daß es eine dem Verwendungszweck angepaßte mittlere Mikroporosität besitzt, bei der die Poren gerade so groß sind, um den Wasserdampf nach außen durchtreten zu lassen, den Wassertropfen aber infolge ihrer größeren Oberflächenspannung den Durchtritt nach innen zu verwehren. Dieses besondere Verhalten kann durch eine Hydrophobierung noch verstärkt werden, und wir haben gefunden, daß bei richtiger Hydrophobierung des Leders zwar die Wasserdichtigkeit stark verbessert, Aufnahme und Durchlässigkeit für Wasserdampf dagegen kaum beeinflußt werden.


Schweißabgabe des Fußes in g / h

Im Corfam ist es zweifellos gelungen, eine dem Leder gleichwertige Mikroporosität zu entwickeln, so daß es im Gegensatz zu den Oberleder Austauschstoffen älterer Art bei einwandfreier Wasserdichtigkeit doch eine gute Luftdurchlässigkeit und nach den Angaben der Tabelle 15 auch eine Wasserdampfdurchlässigkeit besitzt, die in der Größenordnung von Oberledern liegt. Es war also zu erwarten, daß auch bei unseren Trageversuchen bei Leder und Corfam gleichtrockene Füße resultierten. Das war aber nicht der Fall, die Mehrzahl der Träger stellte vielmehr beim Corfamschuh eindeutig feuchte, beim Lederschuh trockene Füße fest. Worauf ist das zurückzuführen? Von medizinischer Seite wurde uns mitgeteilt 6), daß beim ruhenden Menschen im Mittel an der Fußsohle bei 20° C eine Schweißabgabe von etwa 30 g, bei 30° C von 50 g und bei 38° C wieder von 30 g/h • m2 vorliegt. Die entsprechenden Zahlen am Fußrücken betrugen bei 26-27° C 30-50 g und bei 40° C 350 bis 396 g/h • m2. Setzt man diese Zahlen zu den festgestellten Wasserdampfdurchlässigkeitswerten in Beziehung, so stellt man mit Erstaunen fest, daß selbst bei Leder, auf dessen Atmungsfähigkeit wir so stolz sind, die Wasserdampfdurchlässigkeit nicht ausreicht, die feuchten Fußausdünstungen zu entfernen. Was geschieht mit dem restlichen Schweiß, und warum haben wir bei Kunststoff-Brandsohlen und bei Corfam einen feuchten Fuß, bei Leder unter gleichen Bedingungen dagegen nicht?


Wasserdampfspeicherungsvermögen

Hier tritt eine weitere Eigenschaft des Leders in Aktion, die Wasserdampfaufnahme als Maß für ein Wasserdampfspeicherungsvermögen.





Die Werte in Tabelle 16

zeigen in diesem Zusammenhang das wesentlich günstigere Verhalten der Leder- Brandsohlen und der Oberleder gegenüber den entsprechenden Austauschstoffen. Wenn man annimmt, daß von der vom Fußrücken abgegebenen Schweißmenge von 40 g/h • m2 nur die Hälfte durch die Wasserdampfdurchlässigkeit entfernt wird und damit ein Überschuß von 20 g/h • m2 zurückbleibt, so kann Oberleder diese Wasserdampfmenge über mindestens sechs Stunden speichern, während bei Corfam schon nach höchstens einer halben Stunde das Speichervermögen erschöpft ist. Bei Brandsohlwerkstoffen sind die Verhältnisse analog. Bei einem Überschuß von etwa 15 g/h • m2 würden Brandsohlleder über etwa zehn Stunden diese Menge binden können, während bei Texon schon nach vier Stunden das Wasserdampfspeicherungsvermögen erschöpft ist. Daß bei Oberleder auch durch eine Hydrophobierung dieses Speichervermögen nicht vermindert wird, zeigen die Werte in Tabelle 17. Diese Sonderstellung des Leders gegenüber seinen Austauschstoffen wird noch dadurch unterstrichen, daß es nicht nur mehr und rascher Wasser aufnimmt, sondern diese Wassermenge auch mizellar aufzunehmen und mit seinen hydrophilen Gruppen abzubinden vermag. Daher fühlt sich Leder bei gleichem Wassergehalt bei weitem nicht so feucht an wie seine Ersatzstoffe, und mit diesem unterschiedlichen Verhalten dürfte auch der erwähnte günstige Wassereinfluß auf die Festigkeitseigenschaften des Leders zusammenhängen. Hier ist auch das Ergebnis eines „Filtrierpapiertestes„ interessant, bei dem den verschiedenen Brandsohlmaterialien jeweils die gleichen Wassermengen zur Aufnahme angeboten und die Proben dann 1 Stunde zwischen Filtrierpapier und Glasscheibe gelagert wurden, so daß das Wasser nur in das Filtrierpapier abwandern konnte. Der eingetretene Gewichtsverlust betrug in Prozent der aufgenommenen Wassermenge bei den Ledern im Mittel 6,5%, bei den vliesartigen Werkstoffen dagegen 22,7%, was die stärkere Bindung des Wassers an die Ledersubstanz deutlich unterstreicht.

==== Zusammenfassend ist also festzustellen ====, daß die besondere Eignung des Leders für alle Bekleidungs zwecke durch folgende Eigenschaften charakterisiert ist: 1. - seine hohe, naturbedingte Strukturfestigkeit, 2. - seine jedem Verwendungszweck anzupassende bleibende Dehnung, 3. - seine flächenmäßige Angleichung an den Tagesrhythmus des Fußes, 4. - seine zweckentsprechende Mikroporosität, die bei sachgemäßer Herstellung - gegebenenfalls unterstützt durch eine richtige Hydrophobierung - gute Wasserdichtigkeit und gute At¬mungsfähigkeit zugleich gewährleistet, 5. - sein hohes Wasserspeicherungsvermögen. In diesen markanten Eigenschaften ist das Leder allen Austauschstoffen weit überlegen. Dieses auf die besonderen Bedingungen der menschlichen Haut so vorzüglich abgestimmte Verhalten des Leders ist nicht verwunderlich, denn es handelt sich ja beim Leder um eine modifizierte, aber naturgewachsene Haut, die - als sie noch den lebenden Tierkörper bekleidete - von der Natur aus die gleichen Aufgaben zu erfüllen hatte wie später in ihrer Funktion als Leder. Die Aufgabe der Lederherstellung hat es daher zu sein, diese von der Natur gegebenen wertvollen Eigenschaften zu fixieren und möglichst wenig zu ändern, dann wird das natürliche Bekleidungsorgan des Tieres auch stets das beste Bekleidungsmaterial für den menschlichen Körper sein.

Literaturverzeichnis

1) 2. Mitteilung: H. Herfeld und G. Königfeld, Vergleichende Untersuchungen verschiedener Brandsohlmaterialien, Gerbereiwissenschaft und Praxis, Juni und Juli 1964. 2) Tagungsbericht, Leder 5, 10 (1954). 3) W. Graßmann, Leder 9, 1 (1958). 4) H. Herfeld und G. Königfeld, Gerbereiwissenschaft und Praxis, Oktober und November 1963. 5) H. Herfeld und G. Königfeld, Leder 13, 30 (1962). 6) Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Arbeitsphysiologie,Dortmund.

*) Vorgetragen auf dem IX. Kongreß der Internationalen Union der Lederchemiker-Verbände in Lyon am 4. 9. 1965.




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