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31 Welche Mindestintensität der Neutralisation ist bei Chromleder erforderlich aus dem Jahre 1962

Sonderdrucke aus „LEDER- UND HÄUTEMARKT„, Beilage „Gerbereiwissenschaft und Praxis“, November 1962

Welche Mindestintensität der Neutralisation ist bei Chromleder erforderlich?

(Untersuchungen zur Chromgerbung II 1))

Von H. Herfeld, I. Steinlein und G. Königfeld

Aus der Versuchs- und Forschungsanstalt für Ledertechnik der Westdeutschen Gerberschule Reutlingen

Which Minimum Intensity of Neutralisation is necessary for Chrome Leather? A survey is given on testing methods which have been proposed during the past 12 years as to finishing properties of leather. These proposals have been selected from German, Anglosaxon, French, and Italian literature which was available for the author. In connection with this survey testing methods are discussed which have been developed within last time by the Committee for Colours Fastness of VESLIC.

La quelle est l'intensité minimale de la neutralisation nécessaire pour cuir au chrome? L'auteur donne un résume des méthodes d'examination qui ont été proposées pendant les dernières 12 années quant au ressort des propriétés du finissage du cuir. Le résume est traite de la littérature Allemande, Anglo-saxonne, Française et Italienne qui a`été ä la dis-position de l'auteur. En annexe les méthodes d'examination sont discutées qui ont été développées par la Commission de Solidité des Couleurs du VESLIC pendant le dernier temps.

Die Neutralisation nach der Chromgerbung hat in erster Linie die Aufgabe, die im Leder vorhandene freie bzw. an die Haut gebundene Säure zu entfernen, damit eine allzu starke positive Ladung zu dämpfen und evtl. durch Verwendung von Neutralisationsmittel mit komplexaffineren Säureresten auch eine gewisse Komplexänderung durch Austausch von Anionen zu bewirken. Während der Lagerung des Chromleders nach beendeter Chromgerbung bis zur beginnenden Neutralisation wird die Beständigkeit der Chrom-Kollagen-Bindung durch fortschreitende Verolung, Verschiebung des Hydrolysengleichgewichts und Steigerung der Basizität erhöht, dabei zugleich aber freie Säure abgespalten. Das Leder wird also saurer, und diese Säure muss entfernt werden, da sonst die anschließenden Arbeitsvorgänge des Nachgerbens, Färbens und Fettens unerwünscht beeinflusst würden. Das Ausmaß der Neutralisation wird einmal durch die gewünschten Ledereigenschaften bestimmt; je stärker durchneutralisiert wird, um so größer ist die Eindringtiefe anionischer Farbstoffe, also die Durchfärbung, und um so tiefer dringen auch die anionischen Lickerfette in die Innenzone ein, machen damit' das Leder weicher und geschmeidiger und vermindern Sprung und Stand. Auf diese Fragen soll aber hier zunächst ebenso wenig eingegangen werden wie auf die unterschiedliche Wirkungsweise der verschiedenen Neutralisationsmittel hinsichtlich Tiefenwirkung, Beeinflussung der Chromkomplexe und Einflusses auf die Ledereigenschaften. Über diesbezügliche eingehende Untersuchungen werden wir in späteren Veröffentlichungen berichten. Hier soll zunächst die Frage behandelt werden, wie weit Chromleder überhaupt mindestens neutralisiert werden muss, um nachträgliche Säureschäden bei Gebrauch des Leders mit Sicherheit auszuschließen, und ob die heute diesbezüglich in Güterichtlinien gestellten Anforderungen gerechtfertigt sind oder nicht. Die Auffassungen zu dieser Frage sind sehr unterschiedlich, ohne dass man sich auf genügend experimentelles Material berufen kann. Da ist einmal die Frage der Säureschädigung des Leders selbst zu berücksichtigen. Es ist seit langem bekannt, dass pflanzlich gegerbtes Leder durch stark wirkende freie Säuren eine Säureschädigung erleidet, die sich in mürber Brüchigkeit, verminderten Festigkeitseigenschaften und schließlich völligem Zerfall des Leders auswirkt. Auf Grund eingehender Untersuchungen von Innes 2) sowie von Kubelka und seinen Mitarbeitern 3) besitzen wir eine Methode zur Bestimmung stark wirkender freier Säuren im Leder und wissen, dass bei pH-Werten des wässrigen Auszuges unter 3,0 und einer Differenzzahl über 0,7 bei pflanzlich gegerbtem Leder mit Sicherheit mit Säureschäden gerechnet werden muss, und dass auch im pH-Bereich von 3,0 bis 3,5 Säureschäden nicht ausgeschlossen sind. Bei der Aufstellung von Güterichtlinien sind diese Forderungen auch für Chromleder übernommen worden, und es wurde gefordert, dass auch Chromleder frei sein müsste von stark wirkenden freien Säuren, dass der pH-Wert des wässrigen Lederauszuges nicht unter 3,5 liegen dürfe und, soweit er zwischen 3,5 und 4,5 liege, die Differenzzahl unter 0,7 betragen müsset. Die Initiatoren dieser Güteanforderungen konnten sich dabei auf ein umfangreiches statistisches Material bei Auswertung der Analysenergebnisse von etwa 500 chromgaren Ledern stützen, durch das nachgewiesen wurde, dass diese Forderung vom größten Teil der Chromleder eingehalten wird 5). Das braucht aber nicht unbedingt die Richtigkeit dieser Forderung zu beweisen, und ob eine solche Festlegung gerechtfertigt ist, darüber fehlte bisher genügendes Material. Wilson 6) hat die Möglichkeit der Zerstörung von Chromleder durch stark wirkende freie Säuren bejaht, wobei allerdings eine zusätzliche Säurebehandlung der Leder vorgenommen wurde. Stather 7) vertritt zwar die Auffassung, dass auch bei mineralgarem Leder der pH-Wert nicht unter 3,5 liegen sollte und keine stark wirkenden freien Säuren nachweisbar sein dürften, räumt aber an anderer Stelle ein, dass Säureschädigungen von Chromleder durch stark wirkende Säuren beträchtlich seltener seien als bei pflanzlich gegerbten Ledern. Bowes und Raistrick 8) haben neuerdings mitgeteilt, dass unterschiedlich stark neutralisierte Chromleder, die 15 Wochen bei 40° C und 100 % relativer Luftfeuchtigkeit gelagert wurden, bei pH-Werten unter 4 einen starken Abfall der Zugfestigkeit zeigten. In vielen Diskussionen mit Vertretern der gerberischen Praxis wurde andererseits die Auffassung vertreten, Chromleder sei so säureresistent, dass Säureschäden nicht zu befürchten seien, und im Extrem wurde daher überhaupt eine Forderung nach dieser Richtung für eine Gütesicherung als unnötig bezeichnet. Dass eine ungenügende Neutralisation die Lickerfettung erschwert und durch zu starke Oberflächenfettung die Qualität verschlechtert wird, ist allgemein bekannt. Andererseits kann aber eine zu starke Neutralisation ebenfalls erhebliche Nachteile., wie unerwünscht starke Veränderung der gebundenen Chromsalze, rauen, groben Narben, lose schwammige Flamen und Chromfleckenbildung bewirken und im Extremfalle einer Überneutralisation zu einer Sprengung der Gerbstoff-Hautsubstanz-Bindung und damit einer Entgerbung führen. Schließlich haben Stather und Königfeld 7) festgestellt, dass mit steigender Intensität der Neutralisation eine Verminderung der Festigkeitseigenschaften und der Dehnbarkeit, der Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeit, der Heißwasserbeständigkeit und der Schrumpfungsbeständigkeit auftreten können und daher pH-Werte des Leders unter 5 empfohlen. Daher ist es nicht zu vertreten, die Praxis zu einer stärkeren Neutralisation anzuregen, als unbedingt erforderlich ist. Güterichtforderungen sind nur dann gerechtfertigt, wenn sie bewiesenermaßen für eine Gütesicherung erforderlich sind, sie sollen aber nicht unnötig den technischen Arbeitsbereich einengen oder gar die Arbeitsverfahren durch falsche Festlegungen unter Umständen in eine Richtung lenken, die dem Qualitätsgedanken abträglich ist.

Der Zweck der Untersuchungen, über die in dieser Veröffentlichung berichtet wird, war demgemäß, zu der Frage, welche Mindestneutralisation bei Chromleder gefordert werden muss, weiteres experimentelles Material zu liefern. Diese Untersuchungen durften sich aber nicht nur auf die Säureresistenz von Chromleder beschränken, sondern es musste auch geprüft werden, inwieweit im Leder vorhandene Säuren noch andere unerwünschte „Wechselwirkungen ausüben können. Daher war gleichzeitig zu klären, inwieweit sie bei Berührung des Leders mit Metallen zu Korrosionen Veranlassung geben, inwieweit sie eine Zerstörung von Nähfäden bewirken, und ob sie bei direkter Berührung des Leders mit der menschlichen Haut zu Hautreizung und Ekzembildung führen. Alle diese Fragen haben daher bei unseren Untersuchungen entsprechende Berücksichtigung gefunden. Für die Versuche wurden Rindkernstücke verwendet, die nach völliger Entkälkung mit 100% Wasser, 6% Kochsalz und 1% Schwefelsäure gepickelt und mit 2,5 % Chromoxid in Form von Chromosal B gegerbt wurden, wobei ein Drittel mit 33%, der Rest mit 45% Basizität zugegeben wurde. Das unneutralisierte Leder wies nach Auftrocknen und bezogen auf 14 % Wasser einen Chromoxidgehalt von 4,8 %, einen pH-Wert des wässrigen Auszuges von 3,2 mit einer Differenzzahl von 1,0 auf. Vor der Neutralisation wurde das Leder auf 5,0 bis 5,2 mm (im feuchten Zustand) egalisiert und dann gespült, mit verschiedener Intensität neutralisiert, wieder gründlich gespült und leicht gelickert. Als Neutralisationsmittel wurden in allen Fällen Ammoniak - Ammoniumsalz - Puffergemische verschiedener Stärke verwendet, da diese, wie wir später noch zahlenmäßig belegen werden, eine gute Tiefenwirkung haben, bei allen Neutralisationsstufen zu einer in der Gesamtdicke relativ gleichmäßigen Neutralisation führen und doch andererseits auch verhältnismäßig hohe pH-Werte der Neutralisation ohne Gefahr einer Überneutralisation des Narbens zu erreichen gestatten. Weitere Lederproben wurden unneutralisiert verwendet oder zum Teil auch noch nachträglich mit Schwefelsäure behandelt, um gleichzeitig auch den sauren Bereich von pH 2 - 3 mit zu erfassen.

Tabelle 1

1. Lagerversuche mit Chromleder verschiedener Azidität

Für diese Versuche wurden aus den unterschiedlich neutralisierten Ledern schon vor der Lagerung vorschriftsmäßige Proben so ausgestanzt, dass strukturelle Unterschiede möglichst ausgeschaltet und die Ergebnisse nach verschiedener Lagerdauer exakt miteinander vergleichbar waren. Alle mitgeteilten Zahlenwerte sind Mittelwerte von vier Einzelbestimmungen. Die Lagerung selbst wurde unter zwei Bedingungen durchgeführt, einmal im Klimaraum bei 20° C und 65% relativer Luftfeuchtigkeit und andererseits im Wasserexsikkator bei 20° C und 100 % relativer Luftfeuchtigkeit. Nach verschiedenen Zeiten wurden die Proben der ersteren Lagerart sofort auf Zugfestigkeit und Dehnbarkeit geprüft, die im Wasserexsikkator gelagerten Leder wurden zunächst getrocknet, dann klimatisiert und untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in Tabelle 1 zusammengestellt, wobei für die Zugfestigkeit die absoluten Werte, nicht die Werte pro Querschnitteinheit angeführt sind, da sonst Dickenänderungen der Lederproben während der Lagerung die Ergebnisse beeinflussen und damit einen exakten Vergleich unmöglich machen würden. Es sind stets nur die Werte in waagerechter Reihe, also bei gleichem pH-Wert, nicht die Werte bei verschiedenen pH-Werten vergleichbar. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Lederproben auch am Ende der Lagerung erneut hinsichtlich des pH-Wertes ihres wässrigen Auszugs geprüft wurden und dabei festgestellt wurde, dass die Lederproben mit größerem Säureüberschuss (pH 2,2 - 2,8) während der Lagerung eine gewisse pH-Erhöhung erfuhren, während alle anderen Lederproben mit Anfangs-pH-Werten über 3 nach beendeter Lagerung meist etwas saurer waren, die pH-Werte also um einige Zehntel niedriger als beim Beginn der Versuche lagen.

Die Zugfestigkeiten der Tabelle 1 zeigen, wenn man zunächst die Befunde bei der Lagerung im Klimaraum betrachtet, in allen Fällen im ersten Monat ein gewisses Absinken, das aber ohne Zweifel nicht mit einer Säureschädigung, sondern mit sekundären Änderungen zusammenhängen muss, da es auch bei den sehr gut durchneutralisierten Ledern in gleicher Weise festzustellen ist. Von diesem Zeitpunkt an bleiben die Festigkeiten über die gesamte weitere Lagerdauer, von geringfügigen Schwankungen abgesehen, die mit strukturellen Unterschiedlichkeiten zusammenhängen dürften, praktisch konstant, wenn der pH-Bereich zwischen 4 und 6 liegt, und auch die auf pH 3,2 neutralisierte Probe zeigt höchstens in den letzten Monaten ein geringfügiges Absinken der Festigkeit, das aber noch nicht unbedingt als Ausdruck einer Säureschädigung auszuwerten ist. Dagegen zeigen die Proben mit pH 2,8 und insbesondere 2,2 über die ganze Lagerdauer ein ständiges Absinken der Festigkeitseigenschaften. Ähnliches gilt auch für die Dehnbarkeit, wobei auch im Bereich von 3 - 6 praktisch keine Veränderung eintritt und auch bei den Ledern mit pH 2,8 die Verminderung noch verhältnismäßig gering ist, während bei pH 2,2 eine sehr starke Herabsetzung festzustellen ist.

Stärker ist der Säureeinfluß bei den Proben, die im Wasserexsikkator gelagert wurden. Auch hier sind die Zugfestigkeiten, wenn man wieder die Verminderung im ersten Monat außer acht läßt und nur die Zeit vom ersten bis zum neunten Monat berücksichtigt, praktisch konstant, wenn die Lederproben im pH-Bereich 4 - 6 neutralisiert waren, bei den Lederproben mit pH 3,2 ist aber bereits eine sehr eindeutige Verminderung der Festigkeitswerte festzustellen, die zugleich auch mit einer Dehnungsabnahme verbunden und als Säureschädigung anzusprechen ist. Diese Feststellung bestätigt zugleich die oben erwähnten Angaben von Bowes und Kaistrich. Die Verminderung tritt bei pH 2,8 und 2,2 im Wasserexsikkator ganz besonders deutlich in Erscheinung und ist auch hier wieder mit einer sehr starken Verminderung der Bruchdehnung gekoppelt. Ohne Zweifel finden also unter diesen extremen Lagerbedingungen bei stärker säurehaltigem Leder beträchtliche Säurebeschädigungen des Lederfasergefüges statt.

Insgesamt kann also festgestellt werden, dass die Auffassung, Chromleder sei im Gegensatz zu pflanzlich gegerbtem Leder grundsätzlich säureresistent, nicht zutreffend ist, sondern dass im pH-Bereich zwischen 2 und 3, der aber für sachgemäß neutralisierte Leder nicht in Betracht kommt, auch bei Chromleder mit Säureschädigungen gerechnet werden muss. Bei pH-Werten über 3 kann bei genügend trockener Lagerung von einer Säureresistenz gesprochen werden, bei pH-Werten über 3,5 dürfte auch bei extrem feuchter Lagerung mit einer Säureschädigung nicht mehr zu rechnen sein. Daher ist ohne Zweifel gerechtfertigt, bei Chromleder als Mindestneutralisation einen pH-Wert des wässrigen Auszugs von pH 3,5 zu fordern, während entgegen früheren Auffassungen die Festlegung einer Differenzzahl bei pH-Werten über 3,5 unnötig ist, da auch stark wirkende freie Säuren in diesem pH-Bereich keine Säureschädigung des Chromleders mehr bewirken.

2. Metallkorrosionen bei Berührung mit Chromleder verschiedener Azidität

Mit Chromleder können in der Praxis die verschiedensten Metalle in Berührung kommen, so z. B. in der Schuhindustrie in Form von Ösen, Agraffen, Haken, Schnallen, Nägeln und Drähten, in der Lederwarenindustrie bei Bügeln, Beschlagteilen, Schlössern, Reißverschlüssen usw. Es war daher festzustellen, inwieweit ungenügend neutralisierte Chromleder auf damit in Berührung kommende Metalle einen korrodierenden Einfluss ausüben können. Wir haben in den Kreis dieser Untersuchungen 20 verschiedene Metalle einbezogen, die aus Tabelle 2 ersichtlich sind, wobei die Auswahl nach den Angaben der Verarbeiterfirmen erfolgte.

Tabelle 2

In der Praxis sind die Metalle oft noch mit Polituren oder Schutzlacken versehen, wir haben aber die Wirkung solcher Schutzüberzüge bei unseren Untersuchungen nicht weiter berücksichtigt, sondern lediglich die in Frage kommenden Metalle bzw. Metalllegierungen in den Kreis der Untersuchungen einbezogen.

Um zunächst Anhaltspunkte über die Angreifbarkeit der verschiedenen Metalle durch Säuren ohne gleichzeitige Anwesenheit von Leder und Luftsauerstoff zu erhalten, wurden Proben von 50 mm Länge, 10 mm Breite und 1 mm Stärke nach vorherigem Entfetten in Schwefelsäurelösungen mit verschiedenen pH-Werten eingehängt, wobei für jede Probe ein gesondertes Gefäß verwendet wird, um Elementbildungen zu vermeiden. Die Proben tauchten völlig in die Schwefelsäurelösung ein, deren Menge 50 ml betrug.

Die Säurelösung wurde jede Woche erneuert, und nach verschiedenen Zeiten wurden die Gewichtsverluste der Bleche festgestellt. Die in Tabelle 3 angegebenen prozentualen Gewichtsabnahmen stellen jeweils Mittelwerte von zwei Einzelbestimmungen dar. Es war zu erwarten, dass der Angriff auf die Metalle mit zunehmender Säurekonzentration wesentlich zunahm. Die 3 Eisenbleche 1-3 zeigen unter diesen Prüfbedingungen von allen Metallen und bei allen Säurekonzentrationen die stärksten Angriffe. Es ist interessant, dass auch die Metalle, die eine Oberflächenbehandlung durch Messing-, Nickel- oder Chrombezüge erhalten hatten, etwa in gleicher Intensität angegriffen wurden, also unter diesen Prüfbedingungen die Oberflächenbehandlung keinen besonderen Schutz bieten. Das hängt aber damit zusammen, dass einmal von den Schnittkanten her der innere Eisenkern durch die Säure erreichbar war, und dass vermutlich außerdem bei dieser Versuchsanordnung auch eine gewisse Elementbildung hinzukommt. Jedenfalls liegen die Angriffe nach 20 Wochen

  • bei pH 2,0 zwischen 8,6 und 18,6%
  • bei pH 3,0 zwischen 4,7 und 11 ,2%
  • bei pH 4,0 zwischen 3,5 und 7,4% und
  • bei pH 5,0 zwischen 3,0 und 6,6%,

also auch bei sehr geringen Säurekonzentrationen erfahren die Eisenplatten einen noch recht beträchtlichen Angriff. Bei Zink lagen die entsprechenden Zahlen bei 17,4, 1,3, 2,5 und 1,5, der Angriff liegt also bei höheren Säurekonzentrationen in etwa gleicher Grössenanordnung wie bei Eisen, bei höheren pH-Werten aber merklich niedriger. Kupfer, Messing, vernickeltes Messing und Tombak werden bei pH 2,0 mit 7,4-8,7% ebenfalls sehr stark angegriffen, bei pH 3 ist aber der Angriff schon auf 0,3 bis 0,6 zurückgegangen, und bei höheren pH-Werten ist praktisch kein Angriff mehr feststellbar. Das gleiche gilt auch für Rein- und Reinstaluminium sowie für die verschiedenen Aluminiumlegierungen und die Chromstähle werden selbst bei pH 2 nach 20 Wochen nicht angegriffen. Aus diesen Zahlen ist zunächst zu folgern, dass die meisten Metalle mit Ausnahme des Eisens und Zinks bei pH-Werten über 3 kaum einen Angriff erfahren und daher nennenswerte Korrosionen, soweit sie auf reine Säurewirkung zurückzuführen sind, nur bei so niedrigen pH-Werten zu erwarten sind, wie sie in neutralisiertem Chromleder auch bei geringster Neutralisationsintensität nicht vorliegen dürfen.

Anschließend wurden Untersuchungen durchgeführt, um mikroskopisch erkennbare Korrosionen bei Berührung der Metalle mit Chromleder verschiedener Azidität festzustellen. Dazu wurden die gleichen Chromlederproben wie bei der Lederlagerung herangezogen und Metallstücke gleicher Größe wie die bei den Lösungsversuchen wieder nach Entfetten senkrecht durch enge Schlitze des Leders gesteckt, so dass eine innige Berührung zwischen Metall und Lederoberfläche gewährleistet war. In jedes Lederstück von 4 x 4 cm wurden 3 Proben des gleichen Metalls eingesteckt, für jedes Metall aber auch hier selbstverständlich ein anderes Lederstück verwendet und getrennt gelagert, um Elementbildungen zu vermeiden. Die Lagerung erfolgte wieder im Klimaraum bei 20° C und 65% relativer Luftfeuchtigkeit und im Wasserexsikkator bei 20° C und 100% relativer Luftfeuchtigkeit. Die Proben wurden nach verschiedenen Zeiten herausgezogen und an der Berührungsstelle mit dem Leder unter der binokularen Lupe auf erkennbare Angriffe der Metalloberfläche geprüft. Jede Metallprobe hatte seitlich eine kleine Einkerbung, damit sie bei Wiedereinstecken in das Leder wieder genau an der gleichen Stelle wie zuvor mit dem Lederschnitt in Berührung kam. Es war zu erwarten, dass bei diesen Versuchen die Ergebnisse von denen der Versuche in Schwefelsäure abweichen könnten, da neben der Säureeinwirkung hierbei noch eine Einwirkung des Luftsauerstoffs und gegebenenfalls der Luftfeuchtigkeit hinzukam. Die Beurteilung erfolgte nach einem Bewertungsmaßstab, bei dem die unveränderte Oberfläche mit 0, geringe Angriffe mit 1, mittlere Angriffe mit 2, starke Angriffe mit 3 und sehr starke Korrosionen mit 4 gekennzeichnet wurden. Die Ergebnisse sind für die Lagerung im Klimaraum in Tabelle 4, für die Lagerung im Wasserexsikkator in Tabelle 5 zusammengestellt.

Tabelle 3

Tabelle 4

Tabelle 4 zeigt, dass unter normalen klimatischen Bedingungen im Falle der Chromstähle Angriffe nur geringfügig bei den sauersten Ledern eintraten und auch bei den Blechen aus Rein- und Reinstaluminium bzw. Aluminiumlegierungen Angriffe nur unter pH 2,8 vorlagen. Eine Ausnahme machte lediglich die Aluminium-Magnesium-Mangan-Legierung (16), bei der bis pH 3,2 noch mäßige Angriffe festzustellen waren. Bei Kupfer, Messing und vernickeltem Messing waren ebenfalls über pH 2,8 bzw. 3,2 keine Angriffe festzustellen, im Falle des Messings war lediglich bei höheren pH-Werten ein gewisses Anlaufen vorhanden, ohne dass aber an der Metalloberfläche sichtbare Korrosionen erkennbar gewesen wären. Beim Tombak war der Angriff etwas stärker, so dass noch bei pH 3,2 nach 12 und 20 Wochen und bei pH 4,0 nach 20 Wochen ein ganz geringfügiger Angriff erkennbar war. Bei Zink waren ebenfalls über pH 3,2 keine Angriffe mehr zu beobachten, was die Ergebnisse der Versuche in Lösung bestätigte, dass Zink zwar bei höheren Säurekonzentrationen angegriffen wird, bei höheren pH-Werten dagegen relativ resistent ist. Bei den 3 Eisenblechen (1-3) war die Angreifbarkeit stark unterschiedlich. Die Probe 1 erfuhr noch bei pH 4 einen Angriff, die Probe 2 und insbesondere die Probe 3 waren dagegen erheblich resistenter und durch Überzüge von Messing und Nickel wurde bei diesen Versuchen im Gegensatz zu den Versuchen in Lösung eine wesentliche Verbesserung der Korrosionsbeständigkeit erreicht, so dass in keinem Falle über pH 3,2 mit Korrosionen gerechnet werden kann, und bei einem Verchromen der Oberfläche (18) waren selbst bei pH 2,2 über die gesamte Versuchsdauer keinerlei Angriffe auf die Oberfläche festzustellen. Hier liegen also im Gegensatz zu den Versuchen in Schwefelsäurelösung die Verhältnisse wesentlich günstiger, da durch die Oberflächenbehandlung, solange diese intakt ist und keine mechanischen Verletzungen erfährt, eine Elementbildung ausgeschlossen und damit ein wirksamer Schutz gegen Korrosionen gewährleistet ist.

Tabelle 5

Wesentlich ungünstiger sind allerdings die Ergebnisse, wenn die Metalle in feuchtigkeitsgesättigter Luft in Berührung mit Chromleder gelagert werden, wie die Werte der Tabelle 5 zeigen. Die unter diesen Lagerbedingungen festgestellten Angriffe sind aber ohne Zweifel keine Säureangriffe, weil sie zum Teil selbst bei pH 5,9 noch in Erscheinung treten, hier wird vielmehr durch das Zusammenwirken von Luftfeuchtigkeit und Luftsauerstoff bei einer Reihe von Metallen ein Angriff bewirkt, der mit Säureschädigungen nichts mehr zu tun hat. Das Leder als solches hat dabei allerdings auch einen Einfluss, denn die Angriffe traten nur in der Gegend auf, wo die Metallstreifen mit dem Leder in Berührung sind, nicht an den beiden Enden der Metallstreifen. Unter diesen ohne Zweifel sehr extremen Bedingungen lassen die Eisenplatten, gleichgültig ob sie eine Oberflächenbehandlung haben oder nicht, ebenso wie die Platten aus Zink, Kupfer, Messing und Tombak selbst noch bei pH 5,9 deutliche Korrosionen erkennen, wenn auch graduell unterschiedlich und am geringsten bei Kupfer und Tombak. Ein völlig einwandfreies Verhalten bei pH-Werten von 2,8 und höher zeigten lediglich die Chromstähle, und bei Rein- und Reinstaluminium sowie den Aluminiumlegierungen - wieder mit Ausnahme der Aluminium-Magnesium-Mangan-Legierungen - waren über pH 4 auch unter diesen sehr extremen Lagerbedingungen keine Angriffe festzustellen. Auf Grund der insgesamt durchgeführten Versuche kann festgestellt werden, dass bei einer Neutralisation von Chromleder auf mindestens etwa pH 3,5 bei normalen Lagerbedingungen gegenüber den meisten Metallen Korrosionen nicht mehr zu befürchten sind, allerdings bei einigen Metallen als Sicherheitsfaktor eine Neutralisation auf mindestens etwa pH 4,0 zu empfehlen ist. Lediglich bei Eisen, das ungeschützt, d. h. ohne eine Oberflächenbehandlung erfahren zu haben, dem Leder ausgesetzt wird, können auch bei höheren pH-Werten Korrosionen eintreten, so dass Eisen für sich ohne Oberflächenbehandlung als Bauelement bei Berührung mit Chromleder ausscheiden sollte. Bei extrem feuchter Lagerung über längere Zeiten muss dagegen bei den meisten Metallen mit Korrosionen gerechnet werden, die nicht mehr durch eine stärkere Neutralisation verhütet werden können, sondern ohne Zweifel unabhängig von der Azidität des Leders auf ein Zusammenwirken von Luftfeuchtigkeit, Luftsauerstoff und Ledersubstanz zurückzuführen sind. Für solche extremen Fälle ist der Anwendung von Chromstählen, von Rein- und Reinstaluminium und Aluminiumlegierungen und evtl. Kupfer unbedingt der Vorzug vor allen anderen Metallen zu geben, und das Chromleder sollte auf mindestens pH 4,0 neutralisiert werden.

3. Säurebeständigkeit von Nähzwirnen

Um festzustellen, inwieweit Nähfäden der verschiedensten Art bei Berührung mit Chromleder durch vorhandene Säuremengen eine Schädigung erfahren können, haben wir eine Reihe von Nähfädentypen, wie sie normalerweise bei der Lederverarbeitung verwendet werden, hinsichtlich Säurebeständigkeit geprüft. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurden folgende Zwirnarten verwendet:

  • 1. Baumwollzwirn 24/3-fach, mercerisiert roh
  • 2. Baumwollzwirn 24/6-fach, nicht mercerisiert roh
  • 3. Leinenzwirn, 5-fach, roh, matt
  • 4. Echte (reale) Nähseide 70/3-fach, ungefärbt
  • 5. Wolle (Kammgarn) 40/2-fach, rohweiß
  • 6. Perlon-Zwirn 6-fach, roh
  • 7. Nylon-Zwirn 6-fach, roh
  • 8. Polyesterzwirn 50/3-fach, rohweiß
  • 9. Polyacrylnitrilzwirn 40/3-fach.

Die Versuchsanordnung war die gleiche wie bei unseren früheren Untersuchungen über die Alkalibeständigkeit von Nähzwirnen. 9) Die Proben wurden mit destilliertem Wasser und in verschiedenen Säurelösungen behandelt und dann über längere Zeit gelagert, wobei für jeden Versuch 20 m der betreffenden Zwirne verwendet und für die durchzuführenden Zerreißversuche nach jeder Einwirkungszeit jeweils 30 Einzelbestimmungen bei einer freien Einspannlänge von 500 mm durchgeführt wurden.

Zerreissprüfung und Bestimmung der Dehnbarkeit wurde nach DIN 53 803 mit einer mittleren Zerreissdauer von etwa 20 Sekunden vorgenommen. Die Lagerung erfolgte nach zwei verschiedenen Verfahren.

1. Trockenlagerung (T).

Die Zwirne wurden 3 Tage in Wasser bzw. 5 Schwefelsäurelösungen unterschiedlicher Konzentration eingelegt, 3 weitere Tage in frische Lösungen der gleichen Art gebracht und anschließend bei Zimmertemperatur getrocknet. Ein Teil der Proben wurde schon in diesem Stadium nach Klimatisieren sofort untersucht, der Rest der Nähfäden wurde bis zu maximal 6 Monaten im Klimaraum bei 20° C und 65% relativer Luftfeuchtigkeit gelagert und nach verschiedenen Zeiten wurde ebenfalls Zugfestigkeit und Dehnung bestimmt.

2. Nasslagerung (N).

Die Behandlung der Zwirne mit den verschiedenen Lösungen erfolgte in gleicher Weise, die Lagerung aber nicht im aufgetrockneten Zustand, sondern die Fäden blieben über die ganze Lagerdauer in den betreffenden Lösungen, die von Zeit zu Zeit durch frische Lösungen ersetzt und denen geringe Mengen eines Desinfektionsmittels (0,005 % Preventol flüssig) zugesetzt wurden, um eine bakterielle Verrottung der Zwirne zu vermeiden. Erst nach Abschluss der jeweiligen Lagerdauer wurden die Proben dieser Lagerungsreihe bei Zimmertemperatur getrocknet, klimatisiert und der Zerreissprüfung unterzogen.

Tabelle 6

Tabelle 6 zeigt die pH-Werte der Lösungen, die durch Behandeln von 2 g der Zwirne mit je 100 ml doppeldestilliertem Wasser erhalten wurden. Die meisten Zwirne reagierten unbehandelt neutral oder schwach sauer, lediglich Wolle und Perlonzwirn wiesen im ursprünglichen Zustand eine leicht alkalische, Seide und Polyacrylnitrilfasern eine etwas saurere Reaktion auf, und diese Unterschiede machten sich auch noch bei den pH-Werten der Zwirne, die in destilliertem Wasser bzw. mit Säurelösung geringer Konzentration behandelt worden waren, bemerkbar, während bei höheren Säurekonzentrationen die pH-Werte allmählich einen Ausgleich erfuhren. Die Zahlen zeigen, dass bei den durchgeführten Versuchen der gesamte pH-Bereich von 6 bis etwa 2,5 abgestreut ist und damit alle Möglichkeiten, die von unneutralisierten bzw. schwach neutralisierten Ledern bis zu stark neutralisierten Ledern .- Betracht kommen können, erfasst sind, so dass sich Säureschädigungen in dem gerberisch interessierenden pH-Bereich durch diese Versuche zeigen mussten.

Tatsächlich zeigen die Zugfestigkeitswerte der Tabelle 7, dass bei manchen Faserarten mit Säureschädigungen zu rechnen ist. Die Bereiche, bei denen solche Schädigungen festzustellen waren, sind in Tabelle 7 dick umrandet und die gleiche Umrandung ist auch in Tabelle 6 angebracht. Es zeigt sich demgemäß, dass insbesondere Baumwolle mercerisiert und nicht mercerisiert und Leinen als reine Zellulosefasern im unteren Teil der Tabelle starke Verminderungen der Zugfestigkeit erfahren, die eindeutig auf eine Säureschädigung dieser Nähfäden hinweisen. Diese Schädigung tritt in allen Fällen bei der Trockenlagerung rascher bzw. stärker ein als bei der Nasslagerung, was verständlich ist, da durch die Trocknung eine Konzentrierung der von den Nähfäden aufgenommenen Säure erfolgt, was sich allerdings bei den pH-Werten nicht auswirkt, da bei Anfertigung der wässrigen Auszüge wieder eine entsprechende Verdünnung vorgenommen wird. Jedenfalls zeigen die Befunde, dass bei Baumwolle und Leinen bei pH-Werten etwa unter 4 mit Schädigungen zu rechnen ist, so dass Chromleder, wenn es mit Baumwolle oder Leinen vernäht werden soll, unbedingt auf einen pH-Wert über 4 neutralisiert werden sollte. Seide weist zwar auch im unteren Bereich der Tabelle eindeutige und zum Teil sehr starke Säureschäden auf, die sich aber erst unter pH 3 bemerkbar machen, also in einem pH-Bereich, der bei sachgemäß neutralisiertem Chromleder nicht auftritt. Bei Wolle, Polyester- und Polyacrylnitrilfäden ist mit Säureschäden selbst im stark sauren Gebiet nicht zu rechnen, und bei Perlon- und Nylonfäden treten zwar im stark sauren Gebiet geringe Säureschäden ebenfalls auf, aber wie bei Seide auch nur bei pH-Werten unter etwa 3.

Tabelle 7

Tabelle 8

In praktisch gleicher Weise lassen auch die Dehnungswerte in Tabelle 8 die Säureschädigungen erkennen. Durchweg liegt die Dehnung bei allen Zwirnen nach Behandlung in destilliertem Wasser oder Säurelösungen höher als im ursprünglichen Zustand, was mit einer gewissen Auflockerung des Gefüges zusammenhängt, bei Baumwolle, Leinen und Seide deutet aber im stark sauren Gebiet ein erheblicher Dehnungsabfall ebenfalls auf aufgetretene Säureschäden hin.

Wenn Chromleder auf 3,5 neutralisiert wird, ist kaum damit zu rechnen, dass die mit dem Leder in Berührung kommenden Nähfäden auch bei längerer Lagerung niedere pH-Werte annehmen, so dass bei einer Neutralisation auf pH 3,5 die meisten Typen von Nähfäden verwendet werden können, ohne dass mit irgendwelchen Säureschäden der Nähte gerechnet werden kann. Lediglich im Falle der Baumwoll- und Leinenfäden können in diesem Bereich noch gewisse Schädigungen eintreten, so dass Baumwolle und Leinen möglichst nicht zur Vernähung von Leder verwendet werden sollten oder, wenn diese Fadentypen noch angewandt werden sollen, eine stärkere Neutralisation der Leder auf mindestens pH 4 vorgenommen werden muss.

4. Säurereizung der menschlichen Haut

Schließlich war noch zu untersuchen, inwieweit höhere Säuregehalte bei Chromledern, die unmittelbar mit der menschlichen Haut in Berührung kommen (Handschuhleder, ASA-Leder usw.), Hautreizungen oder Ekzembildungen verursachen können. Wir hatten bereits vor einiger Zeit in Zusammenhang mit einer Prüfung von Sämischleder festgestellt, dass nach der alkalischen Seite hin bis zu pH 10 praktisch nicht mit Hautreizungen zu rechnen ist, während im pH-Bereich von 10,5-11 gewisse Hautreizungen festzustellen waren 9). In der Fachliteratur findet sich aber häufig die Angabe, dass höhere Säuregehalte im Leder zu Hautreizungen Veranlassung gäben, und wir haben daher auch Untersuchungen in dieser Richtung durchgeführt.

Die ersten Versuche wurden in Zusammenarbeit mit der Hautklinik der Universität Tübingen (Dozent Dr. H. C. Friederich) vorgenommen, wobei unterschiedlich stark neutralisierte Chromlederproben, deren pH-Wert des wässrigen Auszuges zwischen 2,6 und 6,3 schwankte, 24 und 48 Stunden mit der menschlichen Haut in Berührung gebracht wurden und geprüft wurde, inwieweit Rötungen oder sonstige Reizungserscheinungen auftraten. Dabei wurden die Versuche für jedes Leder mit 20 verschiedenen Versuchspersonen vorgenommen, da nur Prüfungen auf breiter Basis ein zuverlässiges und aussagekräftiges Ergebnis erhalten lassen, während gelegentlich auftretende Fälle von Idiosynkrasie nicht in Betracht gezogen werden können. Diese Versuche haben indessen in keinem Falle irgendwelche Hautreizungen erkennen lassen, eine Feststellung, die im Gegensatz zu allen bisherigen Annahmen stand und uns daher zunächst unwahrscheinlich erschien. Die Versuche wurden allerdings bei kühler Witterung vorgenommen, bei der die Träger nicht schwitzten, und es war anzunehmen, dass daher auch nicht genügend Feuchtigkeit vorhanden war, um die Säure aus dem Leder an die Haut zu transportieren, so dass unter Umständen die negativen Befunde durch diesen Faktor bedingt sein konnten. Wir haben daher die Versuche bei heißer Witterung nochmals wiederholt. Dabei wurde chromgares Lammhandschuhleder verwendet, das nach der Gerbung und nach Spülen ohne Neutralisation einen pH-Wert von 3,1 aufwies und durch Behandlung mit Schwefelsäure bzw. durch Neutralisation mit Ammoniak - Ammoniumchlorid - Puffergemischen verschiedener Konzentration auf eine Palette von pH-Werten im Bereich von 2,2 bis 6,2 eingestellt und dann gelickert, getrocknet, eingespänt und gestollt wurde. Für die Versuche stellten sich liebenswürdigerweise 28 Gerberschüler zur Verfügung, denen die Lederproben mittels geeigneter Pflaster auf den Rücken aufgebracht wurden. Nach 48 Stunden waren bei den Lederproben, deren wässriger Auszug pH 2,2 betrug, bei 11 Trägern leichte Rötungen der Haut unter dem Leder erkennbar, bei pH 2,7 war die Zahl der Rötungen auf 8 gesunken, bei pH 3,2 war nur noch in zwei Fällen eine leichte Rötung festzustellen, und bei allen stärker neutralisierten Ledern war der Befund bei allen Versuchspersonen negativ. Aus diesen Untersuchungen kann im Zusammenhang mit den in der Hautklinik in Tübingen durchgeführten Versuchen gefolgert werden, dass bei einer Neutralisation des Chromleders auf mindestens pH 3,5 mit Hautreizungen durch die dann noch im Leder vorhandenen geringen Säuremengen nicht mehr zu rechnen ist.

5. Zusammenfassung

Auf Grund der durchgeführten Untersuchungen ist bezüglich der notwendigen Mindestneutralisation von Chromleder folgendes festzustellen:

  • 1. Die Auffassung, Chromleder sei im Gegensatz zu pflanzlich gegerbtem Leder grundsätzlich säureresistent, ist nicht zutreffend. Unter pH 3, bei ungünstigen Lagerbedingungen unter pH 3,5 ist mit Säureschäden bei längerer Lagerung zu rechnen.

Daher sollte bei Chromleder als Mindestneutralisation ein pH - des wässrigen Auszuges von 3,5 gefordert werden, bei höheren pH-Werten ist die Festlegung einer Differenzzahl unnötig.

  • 2. Bei Berührung der verschiedensten Metalle mit Chromleder sind bei einer Neutralisation des Leders auf mindestens 3,5 bei normalen Lagerbedingungen bei den meisten Metallarten Korrosionen nicht zu befürchten. Lediglich bei Eisen, das ungeschützt, d. h. ohne Oberflächenbehandlung dem Leder ausgesetzt wird, können auch bei höheren pH-Werten Korrosionen eintreten, so dass Eisen für sich ohne Oberflächenbehandlung als Bauelement bei Berührung mit Chromleder ausscheiden sollte. Bei extrem feuchter Lagerung muss dagegen bei vielen Metallen mit Korrosionen gerechnet werden, wobei es sich aber nicht um Säurekorrosionen an sich handelt, sondern um Angriffe, die unabhängig von der Azidität des Leders auf ein Zusammenwirken von Luftfeuchtigkeit, Luftsauerstoff und Ledersubstanz zurückzuführen sind. In derart extremen Fällen ist der Anwendung von Chromstählen, von Rein- und Reinstaluminium und gewissen Aluminiumlegierungen der Vorzug vor anderen Metallen zu heben, und das Chromleder sollte auf mindestens 4,0 neutralisiert sein.
  • 3. Wenn Chromleder auf pH 3,5 neutralisiert wird, ist kaum damit zu rechnen, dass die mit dem Leder in Berührung kommenden üblichen Nähfäden Säureschädigungen erleiden. Lediglich im Falle der Baumwoll- und Leinenfäden können in diesem pH-Bereich noch gewisse Schädigungen eintreten, so dass Baumwolle und Leinen möglichst nicht zur Vernähung verwendet werden sollten oder, wenn sie doch zur Anwendung kommen, eine Neutralisation der Leder auf mindestens pH 4 vorgenommen werden muss.
  • 4. Bei Berührung von Chromleder mit der Haut über Zeitspannen bis zu 48 Stunden ist nicht mit Hautreizungen zu rechnen, wenn das Chromleder auf mindestens 3,5 neutralisiert wurde.

Insgesamt haben demgemäß die durchgeführten Untersuchungen die Forderung wissenschaftlich untermauert, dass bei Chromleder eine solche Mindestneutralisation erforderlich ist, dass der pH-Wert des wässrigen Auszuges grundsätzlich nicht unter 3,5 liegt. Unter gewissen speziellen Bedingungen ist eine Neutralisation über pH 4,0 zu empfehlen.

Danksagung:

Wir danken dem Wirtschaftsministerium des Landes Baden-Württemberg für die finanzielle Unterstützung dieser Arbeit. Weiter danken wir Herrn Werner List für seine Mitarbeit bei der Untersuchung der Nähfäden.

Literaturverzeichnis

1) 1. Mitteilung: H. Herfeld und M. Oppelt, über den Einfluss verschiedener Maskierungsmittel auf die Eigenschaften chromgarer Leder, Gerbereiwiss. u. -praxis, August 1961;

2) R. F. Innes, JSLTC 1928, 256, 1931, 303;

3) V. Kubelka und R. Wollmacher, Coli. 1931, 96 - V. Kubelka und E. Ziegler, Coli. 1931, 544, 876 - V. Kubelka und E. Weinberger, Coli. 1933, 89;

4) Vergl. z. B. H. Herfeld, Die Qualitätsbeurteilung von Leder Lederaustauschstoffen und Lederbehandlungsmitteln, 2. Auflage, Akademie-Verlag Berlin 1950;

5) F. Stather und H. Herfeld, Ges. Abhandl. d. Dtsch. Lederinst. 2, 3 (1949);

6) J. A. Wilson, Ind. Engng. Chem. 1926, 47;

7) F. Stather, Gerbereichemie und Gerbereitechnologie, 3. Auflage, Akademie-Verlag Berlin 1957;

8) J H. Bowes und A. S. Raisliick, JALCA 1961, 632;

9) H. Herfeld, G. Königsfeld und O. Endisch, Gerbereiwiss. u. -praxis, Juli 1961*



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