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125 Rationalisierung und Automatisierung in der Lederfabrikation aus dem Jahre 1976

SONDERDRUCK aus LEDER- UND HÄUTEMARKT Gerbereiwissenschaft und Praxis, Januar 1976

Vorgetragen anlässlich der Feier des 25jährigen Bestehens der Westdeutschen Gerberschule Reutlingen am 2.10.1975.

Von Hans Herfeld

Aus der Abteilung Forschung und Entwicklung der Westdeutschen Gerberschule Reutlingen

Rationalisierung und Automatisierung in der Lederindustrie

Rationalisierung und Automatisierung spielen in der technischen Entwicklung der Lederindustrie insbesondere in Industrieländern seit Jahren eine entscheidende Rolle, wobei natürlich die Qualitätsanforderungen die Grenzen für das Erreichbare stecken. In den nachfolgenden Ausführungen wird die Vielgesichtigkeit der sich dabei bietenden Probleme aufgezeigt und insbesondere unter dem Blick der Tätigkeit der Westdeutschen Gerberschule ein Überblick über das bisher auf diesem Gebiet Erreichte gegeben. Gleichzeitig werden dabei aber auch die Probleme herausgestellt, die bisher noch nicht oder noch nicht befriedigend gelöst wurden und damit der weiteren Bearbeitung harren.

Rationalization and automation in the leather industry

Rationalization and automation play an important role in the technical development of the leather industry, particularly in the developing countries, and naturally the required quality Standards set the attainable objectives. In the subsequent reports the large variety of associated problems are highlighted and a review is given of the achievements in this field, especially of the work carried out by the West German Tanning School. Simultaneously, those problems, which have so far not been satisfactorily solved, are pointed out for further development work to be initiated.

Rationalisierung und Automatisierung haben insbesondere in den Industrieländern die Produktionsverfahren in vielen Erzeugungsbereichen seit langem entscheidend beeinflusst. Rationalisierung ist zu definieren als Ersatz herkömmlicher, meist empirisch entstandener Produktionsverfahren durch verstandesmäßig entwickelte zweckmäßigere Produktionsvorgänge mit den Mitteln technologischer oder organisatorischer Verbesserungen und Vereinfachungen und mit dem Ziel, die Leistung zu erhöhen und die Kosten zu senken. Unter Automatisierung versteht man in Fortführung der Mechanisierung der Produktionsvorgänge ihre Steuerung und Kontrolle durch

Automaten. Auffangen des steigenden Lohnkostenanteils, Verringerung der Zahl der Arbeitskräfte, Austausch von vielfach nicht mehr genügend verfügbaren Facharbeitern durch angelernte Arbeitskräfte, Verminderung von Produktionsschwankungen und Gewährleistung einer gleichbleibender

Qualität des Fertigproduktes sind die wesentlichen Gründe zu ihrer Einführung. Natürlich haben Rationalisierung und Automatisierung in verschiedenen Ländern sehr unterschiedliches Gewicht und ein Rationalisierungsgrad, der in einem hoch entwickelten Industriestaat richtig ist, kann in einem Entwicklungsland, in dem die Bevölkerung überhaupt erst einmal Arbeitsplätze erhalten soll, völlig unsinnig sein. Der Grad der anzustrebenden Rationalisierung und Automatisierung muss daher von Fall zu Fall sorgfältig geprüft werden.

Auch in der deutschen Lederindustrie spielen Rationalisierung und Automatisierung seit langem eine bedeutsame Rolle. Der Anlauf hierzu ist vielleicht langsamer als in. anderen Industrien erfolgt, da die Lohnkosten in der Kalkulation des Leders bei der dominierenden Bedeutung der Rohhautpreise keine so entscheidende Rolle spielten. Sicher war vielfach auch die Sorge maßgebend, durch zu starke Rationalisierung könnte die Qualität des Fertigproduktes leiden, Bedenken, die insbesondere die ersten Besucher der USA nach dem Kriege als Ergebnis ihrer kritischen Beobachtungen mit nach Deutschland brachten. Die harte Konkurrenz mit umfangreichen Importen insbesondere aus Billigpreisländern und der Wettbewerb mit synthetischen Materialien hat gelehrt, daß wir nur bestehen können, wenn wir aus der tierischen Haut ein möglichst hochwertiges Endprodukt herstellen. Daß die Qualität nicht sinken darf, hat daher auch stets als oberste Maxime bei allen Maßnahmen der Rationalisierung und Automatisierung zu gelten.

Andererseits ist nach den bisherigen Erfahrungen unbestritten, daß eine weitgehende Rationalisierung auch bei einwandfreier Erhaltung, ja Steigerung der Qualität durchführbar ist. Stellt man die Zahl der in der deutschen Lederindustrie beschäftigten Arbeitskräfte und die Gesamtlederproduktion in Tonnen in Relation zueinander, kam 1950 auf einen Beschäftigten 1,8 t/Jahr, 1974 waren es 3,8 t. Und diese Zahlen werden noch bedeutsamer, wenn man bedenkt, daß in dieser Zeit gleichzeitig eine Verkürzung der Normalarbeitszeit erfolgte und andererseits 1950 Unterleder, daß mit einem verhältnismäßig geringen Arbeitsaufwand erzeugt wird, fast 50% der Produktion ausmachte, heute nur etwa 10%, während inzwischen wesentlich arbeitsaufwendigere Lederarten seinen Platz eingenommen haben. Unter diesen Gesichtspunkten sprechen die angeführten Zahlen eine beredte Sprache.

Dagegen steht die Frage zur Diskussion, welche Stadien der Herstellung sich in der Lederindustrie für die Rationalisierung anbieten. Hier vertrete ich die Auffassung, daß sich Rationalisierung und Automatisierung in erster Linie auf die Bereiche von der Einarbeitung, ja der Erfassung der Rohhaut bis zum Ende der Gerbung erstrecken sollten. Hier kann bei gegebener Lederart ohne Nachteile in Großpartien bis zum Ende der Chromgerbung einheitlich gearbeitet werden. Die Variationen hinsichtlich weicherer und festerer Leder, Anilinleder oder Leder mit korrigiertem Narben sind in ihrer Breite nach der Sortierung vornehmlich durch die Arbeiten der Nasszurichtung zu erreichen. Insbesondere die Nachgerbung ist heute zu einem der wichtigsten Teilgebiete der Lederzurichtung geworden und gestattet, die Ledereigenschaften noch in diesem Stadium in weiten Grenzen zu variieren, insbesondere wenn die Hauptgerbung nicht so intensiv durchgeführt wurde. Nachgerbung mit Chrom-, Aluminium- und Zirkonsalzen, zweckmäßige Mitverwendung von Polyphosphaten, richtiger Einsatz der großen Palette an pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffen und an Harzgerbstoffen und der Einsatz von

Glutaraldehyd oder von Sulfochloriden für sich oder in geeigneten Kombinationen gestatten, eine Vielzahl verschiedener Effekte zu erreichen. In der weiteren mechanischen Zurichtung sollte lieber ein Arbeitsgang mehr getan werden als zu wenig und selbst Handarbeit ist in diesem Stadium durchaus zu vertreten, um eine möglichst breite Qualitätspalette anbieten zu können.

Mit dem bisher Erreichten sind die gegebenen Möglichkeiten der Rationalisierung und Automatisierung in der Ledererzeugung aber noch keineswegs ausgeschöpft. Wir stehen mitten in einem Wandel, der - überlagert durch die Probleme der Rezession und der besonders schwierigen wirtschaftlichen Lage der deutschen Lederindustrie - häufig nicht so sehr nach außen sichtbar wird, aber doch kontinuierlich fortschreitet. Die Möglichkeiten sind schier unerschöpflich, wenn auch insbesondere in älteren Betrieben häufig räumliche Gegebenheiten Grenzen setzen. Sie wirken sich sehr stark nach der einrichtungsmäßigen Seite hin aus, sind aber vielfach gar nicht durchzuführen, ohne auch die technologischen Herstellungsverfahren entscheidend zu ändern, um die Investitionskosten nicht zu sehr ansteigen zu lassen. Maschinen kann man besichtigen und bei Eignung bestellen, die Probleme der Rationalisierung können dagegen in den meisten Fällen nur unter Berücksichtigung der speziellen Lage jedes Einzelbetriebes individuell gelöst werden, und damit muß der Techniker in den Betrieben fertig werden.

Damit wird aber auch verständlich, daß sich die Westdeutsche Gerberschule im Rahmen ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten seit mehr als einem Jahrzehnt sehr eingehend mit diesen Problemen auf den verschiedensten Teilgebieten der Lederherstellung befasst hat, und ein Unterricht über dieses Thema über 2 Semester, in dem fast 500 Lichtbilder, die die in aller Welt gesammelten Möglichkeiten verdeutlichen, gezeigt werden, demonstriert die ganze Breite dieses Problems. Wenn ich hier einen Kurzvortrag zu diesem Thema halten soll, so können dabei verständlicherweise nun einige Grundfragen angetippt werden. Ich möchte die Möglichkeit der Rationalisierung in der Lederindustrie in 4 Gruppen einteilen.

1. Transportrationalisierung

Unter Transportrationalisierung verstehe ich die Verkürzung der Transportwege in der Produktion durch klare Führung des Produktionsflusses unter gleichzeitiger Einschaltung mechanischer Transportgeräte. Gegen dieses Prinzip wird in vielen Fabriken noch erheblich gesündigt. Das hängt bei älteren

Produktionsstätten natürlich teilweise mit den gegebenen Räumlichkeiten zusammen, die von den Vorfahren ohne Kenntnis solcher Fragen in Etappen erbaut wurden und die man abzureißen sich vielfach scheut. Heute ist es aber auch Betriebsblindheit, die verhindert, daß die hier gegebenen Möglichkeiten ausgenutzt werden, obwohl gerade durch die Transportrationalisierung erhebliche Kosten gespart werden können. Als Transportgeräte kommen für den Transport in der Ebene einmal Elektrokarren, -hubwagen und Gabelstapler oder auch für den Transport ohne Fahrgeräte Transportbänder (auch in Form einzelner Schnüren), Transportschnecken, Schüttelrinnen, Kratzenbänder und Elevatoren in Frage. Soweit die Höhe der verfügbaren Räume das zulässt, kann auch der hängende Transport, der nicht unbedingt große Transportanlagen über ganze Hallen beinhalten muß, sondern vielfach einfach mit Laufkatzen an unter den Decken angebrachten Trägern durch geführt werden kann, wesentliche Verbesserungen bringen.

Für leichte Materialien wie Lohe, Falz- und Blanchierspäne, Schleifstaub usw. ist auch der pneumatische Transport unter Umständen zu berücksichtigen. Zur Transportrationalisierung gehört auch die Rationalisierung des Füllens und Leerens der Fässer, Haspelgeschirre oder Gruben. Das Füllen von Fässern kann, um nur einige Beispiele anzuführen, von Bühnen über dem Fass oder von darüber liegenden Stockwerken, mittels Hakenbändern mit besonderer Auslösevorrichtung, mit Kränen, stationären oder beweglichen Bändern, Hubstaplern mit Dreh- und Kippvorrichtungen usw. erfolgen. Das Entleeren kann statt auf dem Boden in Kästen, mit Schwemmkanälen, mit Bändern und mit Auffanggefäßen, die dann mit Krananlagen weiter transportiert werden, vorgenommen werden. Auch der Weitertransport der Häute bzw. Leder und der Brühen in Äschern, soweit sie noch in Gruben durchgeführt werden, oder in Farbengängen kann auf vielfältige Weise mechanisiert werden. Hierher gehört schließlich auch der Abtransport der Abfälle wie Haare, Leimleder, Falz- und Blanchierspäne usw. mittels Band, Greifer, Pumpe, Druckluft, Vakuum, Schnecke oder auch mittels Schneckenpresse zum gleichzeitigen teilweisen Entwässern.

2. Ersatz der Handarbeit durch Maschinenarbeit

Auf diesem Gebiet ist die Mechanisierung und Rationalisierung am weitesten fortgeschritten Es gibt kaum noch Arbeitsvorgänge bei der Lederherstellung, die nicht maschinell durchführbar sind und maschinell durchgeführt werden. Das soll nicht heißen, daß damit schon alle Wünsche nach Rationalisierung erfüllt wären. Diese Wünsche können Fragen der Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit, Verminderung der Neben- und Wartezeiten durch Durchlaufmaschinen, wenn möglich Automatisierung einzelner Arbeitsprozesse und schließlich Verbesserungen der Arbeitsqualität umfassen. Insbesondere die Einführung von Durchlaufmaschinen steht hier immer wieder zur Diskussion. Dabei hat die Gerbereimaschinenindustrie für die Zurichtung auch diese Wünsche schon in erheblichem Umfang erfüllt und für das Abwelken, Falzen, Stollen, Schleifen, Entstauben, Bügeln, Plüschen, Gießen und Spritzen haben sich Durchlaufmaschinen mit hoher Leistung in steigendem Maße durchgesetzt.

Schwieriger ist dagegen, diese Wünsche auch für die mechanischen Arbeiten der Wasserwerkstatt zu erfüllen, obwohl gerade diese Arbeiten (Enthaaren, Entfleischen, Streichen) sehr arbeitsintensiv, schwer, schmutzig und übelriechend sind und wir daher in Zukunft hierfür nur noch schwer Arbeitskräfte bekommen werden. Daher wären gerade hier Durchlaufmaschinen anstelle der auslaufend arbeitenden Maschinen mit hohen unproduktiven Wartezeiten am Platze. Aber mit Recht hat die Gerbereimaschinenindustrie darauf hingewiesen, daß das Problem nur lösbar ist, wenn die Haut maschinengerecht so beschnitten wird, daß die Ausbreitwalzen vor den Arbeitswalzen, die den Durchlaufprozess unmöglich machen, verschwinden.

Immer wieder wurde die Frage gestellt, ob sich wirklich lohnt, die Hautfläche mit allen Zipfelchen zu verarbeiten, oder ob nicht durch eine sachgemäße Beschneidung oder andere Aufteilung der Hautfläche vor Beginn der Produktion eine wesentlich günstigere Ausgangsposition geschaffen werden könnte.

Zahlreiche Vorschläge dafür liegen vor, Einsparungen an Transportkosten, Gerb- und Hilfsstoffen, Verringerung des Arbeitsaufwandes und zusätzliche Rationalisierungsmöglichkeiten wären die Vorteile. Aber können wir aus Kalkulationsgründen überhaupt auf einen Teil der Hautfläche verzichten, so lange nicht für die dabei abfallende Kollagensubstanz sinnvollere Verwendungsmöglichkeiten gefunden werden als die, die wir heute kennen?

Hier stoßen wir an Grenzen der Rationalisierung, und nur wer bereit ist, auch von der Haut her die Voraussetzungen für Durchlaufmaschinen zu schaffen, kann die Forderung danach aufrecht erhalten. Sonst wird man sich mit Kompromissen zufrieden geben müssen, etwa mit Zusatzaggregaten zur Erleichterung der Arbeiten beim Entfleischen, wie sie die Badische Maschinenfabrik entwickelt hat, oder man wird die vielen Möglichkeiten ausnützen müssen, durch Aufstellung im Karree oder auf Podest oder mit Band oder Hakentransport wenigstens die Arbeiten zu erleichtern und auch die unproduktiven Wartezeiten zu vermindern.

Hier muß ich auch, selbst auf die Gefahr hin lästig zu fallen, wieder das Problem der Entwicklung von Entfleischmaschinen, mit denen man nach der Weiche bzw. Vorweiche entfleischen kann, anschneiden. Auf die Vorteile, die ein zentrales Entfleischen schon am Schlachthof für die Qualität der Rohware und die Rationalisierung des Produktionsvorganges in der Lederfabrik haben würde, werde ich noch zurückkommen. Aber auch wenn das Entfleischen erst in der Lederfabrik vorgenommen wird, erhebt sich die Frage, ob das bisherige Entfleischen nach dem Äscher überhaupt richtig ist. Es wird nicht dadurch richtiger, daß wir bisher immer so gearbeitet haben.

Das Entfleischen schon nach der Weiche oder besser nach der Vorweiche hätte die grundsätzlichen Vorteile, daß der Äscher rascher, gleichmäßiger und schonender auf das Hautfasergefüge einwirkt, weil die Äscherchemikalien nicht nur über den Narben in die Haut gezwungen werden, und daß man das nach der Weiche anfallende Leimleder besser zu Tierfutter verarbeiten könnte. Auf welch schwachen Füßen die Verarbeitung von Leimleder zu Hautleim steht, wird uns seit Monaten wieder demonstriert. Die Verarbeitung zu Tierfutter ist dagegen durch unsere Untersuchungen technologisch eindeutig geklärt und in vielen Großversuchen bestätigt worden, bereitet aber bei Gewinnung nach dem Äscher Schwierigkeiten, weil es leicht verleimt, zum Entwässern längere Zeit benötigt, und das Hautfett als wichtiger Kostenfaktor für die Aufbereitung nach dem Äscher in Form von Kalkseifen vorliegt und daher nicht mehr verwendbar ist. Bei Gewinnung nach der Weiche oder der Vorweiche kann es dagegen rentabel zu Tierfutter verarbeitet werden, und da im Laufe der Zeit bei der Tierfütterung eine erhebliche Eiweißlücke zu erwarten ist, sind die Absatzmöglichkeiten gegeben. Nur kann man wegen des Dungbehanges, der in der Vorweiche nicht einwandfrei beseitigt werden kann, hier nicht ohne weiteres entfleischen, sondern benötigt eine Maschine, die wie die amerikanische Stehling-Maschine in einem Arbeitsvorgang entmistet und entfleischt.

Auf dem Gebiet der Ledertrocknung möchte ich auch wieder kurz auf die Möglichkeit der Hochfrequenztrocknung hinweisen. Sie ist als Alleintrocknung wegen des hohen Energiebedarfs zu teuer, als Zusatz im Anschluss an die Vakuumtrocknung könnte sie dagegen zur Vergleichmäßigung des Wassergehaltes wertvolle Dienste leisten. Wir können bekanntlich unsere Leder bei der Vakuumtrocknung nicht voll austrocknen, denn bis auch die Stellen mit hohem Wassergehalt völlig trocken sind, würden die kernigen Teile wesentlich übertrocknet sein, und darunter würde die einheitliche Weichheit des Fertigleders leiden. Daher müssen wir heute die Leder noch relativ feucht aus der Vakuumtrocknung nehmen, aufhängen, trocknen, abnehmen und wieder anfeuchten, bevor wir sie Stollen. Das ist ein kostenaufwendiger Produktionsablauf.

Wenn man die Leder aus der Vakuumtrocknung, wo sie nach unseren Untersuchungen im Wassergehalt noch Schwankungen zwischen 20-28% in der Fläche aufweisen, durch die Hochfrequenztrocknung schickt, wird der Wassergehalt so gleichmäßig, daß die Feuchtigkeitsschwankungen nur noch 1-2% betragen und die Leder dann sofort durch die nach geschaltete Mollissa geschickt werden könnten. Die Kosten für die Hochfrequenztrocknung betragen nach unseren Untersuchungen je nach Dicke des Leders, Grad der Vortrocknung und Fettgehalt 0,3-1,4 Pf / qfs und bis zu Ledern von 2,3-2,5 mm ist die Hochfrequenztrocknung problemlos. Zwar sind die heute auf dem Markt befindlichen Geräte im Durchlauf für viele Fälle nicht leistungsfähig genug, und vor allem ist der Service nicht ausreichend, um bei Ausfällen schnell genug den Fehler zu beheben, aber diese Nachteile sollten nicht davon abhalten, dem guten Grundgedanken weitere Aufmerksamkeit zu schenken.

3. Zusammenschluß verschiedener Maschinen zu Produktionsstraßen

Durchlaufmaschinen haben den Vorteil, daß sie zu Fertigungsstraßen beliebiger Länge miteinander verbunden werden können, wobei in Kombination mit Staplern weite Einsparungen an Arbeitskräften möglich sind. Als Beispiel hierfür seien die Kombinationen Schleifmaschine / Entstaubmaschine / Stapler oder noch besser Plüsch- bzw. Spritzmaschine / Trockner / Stapler angeführt. Aber hier stoßen wir schon an die für die deutsche Lederindustrie zwangsläufig gegebenen Grenzen. Lange Transferstraßen verlangen hohe Produktionen eines Fertigproduktes in einheitlicher Beschaffenheit, also auch einheitlicher Färbung, sonst fressen die zwischengeschalteten Einstellungs- und Reinigungskosten die Vorteile der Rationalisierung auf.

Und wenn wir uns in den Musterkarten der deutschen Betriebe die Palette der gelieferten Farbtöne ansehen und die Bereitwilligkeit in Betracht ziehen, darüber hinaus auch noch weitere Farbtöne aufzunehmen, wenn der Käufer das wünscht, so ist damit eine rationelle Arbeitsweise in Produktionsstraßen nicht mehr gegeben. Außerdem bringen zu lange Fertigungsstraßen die große Gefahr mit sich, daß die Zurichtung, die wir gerade besonders beweglich und in der Bearbeitung individuell halten wollen, dadurch im Gegenteil zu unbeweglich werden kann, und es ist sicherlich nicht von ungefähr, daß namentlich in Ländern, in denen die Entwicklung von Zurichtstrassen besonders ausgeprägt ist, die Fertigprodukte häufig zwangsläufig eine Uniformität zeigen, die dem Gedanken einer ledertypischen Entwicklung abträglich ist. Daher sollte die Einrichtung längerer Produktionsstraßen erst nach sorgfältiger Prüfung der gegebenen Ausnutzungsmöglichkeiten ins Auge gefasst werden.

4. Mechanisierung und Rationalisierung der Nassarbeiten

Die Mechanisierung und Rationalisierung der Naßarbeiten ist das jüngste Glied in der aufgezählten Kette und gerade hier haben wir auch in Reutlingen im letzten Jahrzehnt wesentliche Beiträge liefern können. Das Ziel ist, die Produktionsbedingungen zu vereinfachen, die Leistung zu erhöhen, die Kosten zu senken und den Produktionsablauf zu sichern. Dabei müssen wir gerade auf diesem Teilgebiet klar unterscheiden zwischen apparativen und technologischen Rationalisierungsmaßnahmen, die Beschaffung entsprechender Geräte allein genügt nicht, auch die Arbeitsverfahren müssen jeweils entsprechend angepasst sein, wobei namentlich die Zeitfrage im Vordergrund steht, denn die Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen ist umso größer und die Amortisation erfolgt um so schneller, je größer die Einzelpartie ist und je kürzer gearbeitet wird, je geringer also die Aggregate pro Partie blockiert werden.

Besonders intensive Wandlungen sind bei diesen Entwicklungen beim Arbeiten im Fass als dem heute immer noch meist verwendeten Reaktionsgefäß für die Naßarbeiten erfolgt. Aus den eingangs dieser Betrachtung dargelegten Gründen haben sich die Partiegrössen immer mehr gesteigert. Fässer von 3 x 3 m bis 4 x 4 m mit rund 10 bzw. 25 m3 Inhalt bis zur hohlen Achse und damit Füllgewichten von 5 bzw. 10 bis 12 t Rohware sind heute vielfach üblich, wobei in Deutschland wenig, im Ausland wesentlich häufiger auch von der Möglichkeit, durch ein Verschließen der hohlen Achsen den gesamten Faßraum auszunutzen, Gebraucht gemacht wird. Das größte Holzfaß, das ich bisher gesehen habe, stand in Brasilien mit etwa 4,5 m Ø, 7,5 m Breite und damit rund 60 m3 Inhalt bis zur hohlen Achse und wurde zum Weichen und Äschern mit einer Füllung von 15 bis 17 t Rohware verwendet.

Von ganz besonderer Bedeutung scheinen mir für unsere Kenntnisse über das Arbeiten im Faß die von uns durchgeführten Untersuchungen über die Faßvorgänge mit den im Faßinnern durchgeführten Filmaufnahmen über die Bewegung von Brühen und Häuten zu sein, die viele von Ihnen bei verschiedenartiger Gelegenheit gesehen haben. Die dadurch erreichte Definition der Walkwirkung und die Klärung des Einflusses der Einbauten im Faß, der Partiegröße, der Beschaffenheit des Hautmaterials (gequollen oder verfallen) und der Drehzahl, Flottenmenge und Temperatur auf Lederqualität, Chemikalienaufnahme und Kraftverbrauch haben unsere Kenntnisse über das, was sich im geschlossenen Faß tatsächlich abspielt, und wie es sich auf die Qualität des Leders auswirkt, wesentlich erweitert und damit viele Impulse gegeben. Wir wissen seitdem, daß Bretter, gleichgültig ob als schräge Bretter oder in der Kombination von Zapfen und Brettern, der reinen Bestückung der Fässer mit Zapfen vorzuziehen sind, und viele Firmen haben das inzwischen erprobt und bestätigt. Und wir wissen weiter auch, daß das Arbeiten in kurzen Flotten entgegen unserer früheren Annahme ungefährlich für die Lederqualität ist, während sich andererseits zu hohe Umdrehungszahlen sehr ungünstig auf Narbenfestigkeit und Flämenbeschaffenheit auswirken.

Neuartige Auswirkungen haben unsere Untersuchungen über die halb- oder vollautomatische Steuerung der Vorgänge im Faß ausgelöst, die den Technikern in den Betrieben eine wertvolle Hilfeleistung an die Hand geben sollen, trotz immer stärker fühlbaren Fehlens von Facharbeitern einerseits und trotz des Druckes der Leistungssteigerung und der Kosteneinsparung andererseits ein Mittel zu besitzen, das ihnen gestattet, die Einhaltung des Arbeitsablaufes exakt zu kontrollieren bzw. zu steuern und damit einen von Partie zu Partie gleichmäßigen Produktionsablauf und eine gleichmäßige Qualität des Fertigproduktes zu gewährleisten. Als wir 1963 erstmalig in der Welt mit diesen Untersuchungen begannen und ich 1964 auf der VGCT - Tagung in Münster über die Halbautomatisierung von Faßvorgängen berichtete, hat das zwar starke Diskussionen ausgelöst, aber doch zunächst etwas mit dem nachsichtigen Unterton, den man idealistischen Spinnern gegenüber anzuwenden pflegt. Inzwischen hat die Automatisierung der Naßarbeiten in vielen Betrieben schon beachtlichen Umfang gewonnen, und wird auch im nächsten Jahrzehnt noch entscheidende Impulse für die Rationalisierung und Automatisierung und die Entwicklung eines gut ausgereiften Organisationsablaufes im technischen Bereich mit höchstmöglichem Zuverlässigkeitsgrad geben.

Über die Durchführung der Halb- und Vollautomatisierung der Naßarbeiten ist im letzten Jahrzehnt so viel mitgeteilt worden, daß hier keine grundsätzlichen Angaben zu machen sind. Für die halb- und vollautomatische Steuerung der Naßarbeiten, d. h. für die automatische Ermittlung, Registrierung und Korrektur von pH-Wert und Temperatur, die automatische Dosierung und Zugabe flüssiger und fester Chemikalien, die automatische Lenkung des Spülvorganges und des zeitlichen Prozessablaufes, die Programmschaltung für Ruhe- und Laufzeiten und den Wechsel der Drehrichtung sind zahlreiche apparative Einrichtungen entwickelt worden und für das Messen, Registrieren und Regeln liefert die moderne Steuer- und Regeltechnik immer zuverlässigere Aggregate. Viele Stufen des Ausbaus von ganz einfachen Kontrollen über halbautomatische Gerbanlagen bis zur Vollautomatisation mit Programmsteuerung sind entwickelt worden, wobei keineswegs in jedem Falle einer Vollautomatisation das Wort zu reden ist, sondern häufig schon für einen gegebenen Zweck mit verhältnismäßig einfachen Einrichtungen gearbeitet werden kann. Das muß von Fall zu Fall unter genauer Berücksichtigung der betrieblichen Gegebenheiten entschieden werden. Darüber hinaus wird aber auch die automatische Mengensteuerung anhand eingespeister Rezepte mittels elektronischer Prozessrechner in Zukunft ihren Platz erhalten.

Die Entwicklung halb- und vollautomatischer Anlagen hat sich nicht nur auf das Arbeiten im Faß beschränkt, auch für Haspelgeschirre und die Durchführung der Grubengerbung etwa bei Schwerleder sind entsprechende Vorschläge unterbreitet worden. Dazu kommt die Zusammenfassung der Steuereinrichtungen in Steuerzentralen, die entweder am Kopfende der Produktionshalle oder in getrennter Etage untergebracht sind und von wo aus alle Naßarbeiten zentral gesteuert und die Chemikalien über Stammlösungen von stets konstanter Konzentration zugegeben werden.

Ob das Faß seine dominierende Stellung beibehält, ob Holz oder Kunststoff als Baumaterial vorzuziehen ist, ob abgewandelte Formen Vorteile versprechen, das sind Teilfragen, die sich im Rahmen des Konkurrenzkampfes der Herstellerfirmen für solche Geräte klären werden. Seit einigen Jahren steht als Konkurrenz zum Arbeiten in normalen Fässern auch der Einsatz von in Sektoren unterteilten Fässern nach dem Waschmaschinenprinzip bzw. von Mischern zur Diskussion. Größere Schonung des Hautmaterials, kürzere Prozesszeiten, bessere Auszehrung und gleichmäßigere Aufnahme der Chemikalien, bequemere Be- und Entladung, rascherer Flottenwechsel und vollkommeneres Entflotten, leichtere Pulverzugabe und Arbeiten in geringer Flotte sind die wesentlichen Vorteile, die diesen neuen Arbeitsgefäßen zugesprochen werden. Die Meinungen darüber sind aber noch geteilt, und daher sind wir z. Z. dabei, in umfangreichen Entwicklungsarbeiten Faß, Sektorenfaß und Mischer in Vergleich zu setzen und die grundsätzlichen Vor- und Nachteile der verschiedenen Verfahren durch systematische Parallelversuche herauszuarbeiten. Im Augenblick kann noch kein abschließendes Urteil abgegeben werden, aber wir hoffen, im Laufe des nächsten Jahres über die Ergebnisse dieser Versuche eingehend berichten zu können.

In diesem Zusammenhang soll auch das zunächst für den Färbeprozess, vielleicht auch für die gesamte Nasszurichtung vorgeschlagene Arbeiten in Durchlaufaggregaten nach dem Foulardprinzip, wie es z. B. in der Multimacmaschine ihren Ausdruck gefunden hat, erwähnt sein. Auch hier schwanken die Auffassungen über die Einsatzmöglichkeiten solcher Maschinen in der Praxis noch stark und daher haben wir auch darüber systematische Untersuchungen durchgeführt. Sie sollten nicht klären, ob die Multimac-Maschine in der jetzigen Form zweckmäßig ist, oder ob es preisgünstigere oder in der technologischen Durchführung günstigere apparative Lösungen gibt, wobei in diesem Zusammenhang auch auf das von Kessler vorgeschlagene Verfahren hingewiesen sei, bei dem eine Vielzahl von Walzenpaaren in der Wanne das Leder in der Flotte wiederholt zusammenpressen und entspannen und damit Diffusion und Tiefenwirkung fördern. Unsere Untersuchungen haben sich nur mit der technologischen Seite befasst und gezeigt, daß bei entsprechender Auswahl der eingesetzten Chemikalien, Färb- und Fettstoffe und sachgemäßer Einstellung von Konzentration, Temperatur und Kontaktzeit möglich ist, die Prozesse der Nasszurichtung im Durchlaufverfahren mit guter Tiefenwirkung durchzuführen und dabei wesentlich schneller, gleichmäßiger und weniger arbeitsaufwendig zu arbeiten.

Wie bereits erwähnt wurde, hat aber die Rationalisierung der Naßarbeiten nicht nur eine apparative, sondern auch eine technologische Seite, und auch hier gibt es unter den Aspekten der Rationalisierung eine Reihe von Einzelfragen, die im letzten Jahrzehnt bearbeitet wurden oder deren Lösung noch offen steht.

Die Probleme beginnen bereits bei der Rohware1). Hier sei insbesondere die Frage der Lakenkonservierung in Holländer, Haspel, Faß oder Mischer anstelle der Trockenkonservierung angeführt, die insbesondere in Kombination mit einem zentralen Entfleischen wesentliche Vorteile hinsichtlich fehlender Dungeinwirkung, rascherer Durchkonservierung, besserer Qualitätskontrolle, geringerer Transportkosten, zentraler Verarbeitung des Leimleders und der Beschnittabfälle für Tierfutter zusammen mit den sonstigen Schlachthausanfällen und Förderung der Automatisation der Naßarbeiten in der Gerberei hätte. Für ein solches Verfahren, das in den USA schon seit langem praktiziert wird, sind in Europa mit seinem stark dezentralisierten Schlachthaussystem nicht ohne weiteres die Voraussetzungen gegeben, da eine Rentabilität und sachgemäße Amortisation der Einrichtungen nur bei mindestens 400 Rindhäuten / Tag gegeben ist. Wohl aber könnte man solche Verfahren anwenden, wenn man sich entschließt, Konservierungszentralen einzurichten und die anfallenden Rohhäute dahin zusammenzufahren und zentral zu entfleischen und zu konservieren. Über die technischen Voraussetzungen für eine solche Lösung haben wir auf Grund eingehender Untersuchungen, die wir mit der Hautzentrale und Fettschmelze AG in Zürich durchgeführt haben, kürzlich ausführlich berichtet.

In diesem Zusammenhang erwähne ich hier bei den Arbeiten der Wasserwerkstatt der Vollständigkeit halber auch noch einmal die Möglichkeit des Entfleischens schon nach der Weiche oder besser nach der Vorweiche, weil in letzterem Falle das Hautmaterial noch eine festere Beschaffenheit besitzt und daher sauberer entfleischt werden kann. Wir führen dieses Verfahren in unserer Lehrgerberei schon seit Jahren durch, sind damit zufrieden und haben immer wieder festgestellt, daß der Äscherprozess an einem zuvor entfleischten Material rascher und gefahrloser durchgeführt werden kann. Allerdings müsste - auch das sei hier noch einmal betont -eben eine Entfleischmaschine entwickelt werden, die in einem Arbeitsgang zugleich entmisten und entfleischen kann, oder gegebenenfalls auch ein entsprechendes Vorschaltaggregat vor vorhandene Entfleischmaschinen. Falls eine solche Maschine verfügbar wäre, würde auch, wenn man sie erst nach der Haarlockerung einsetzt, ein Enthaaren und Entfleischen in einem Arbeitsgang durchzuführen sein. Dann wäre auch ein haarerhaltendes Arbeiten im Hinblick auf die Verbesserung der Abwasserqualität durchaus zu diskutieren. Haarerhaltende Verfahren scheitern ja heute vielfach nur daran, daß es zu kostenaufwendig ist, Enthaaren und Entfleischen in zwei getrennten Arbeitsgängen durchzuführen. Könnte man diese Klippe überspringen, würde auch die Enzymenthaarung, bei der in den letzten Jahren viele verbessernde Variationen entwickelt wurden, unter den Aspekten der Verbesserung der Abwasserqualität besonders reizvoll werden.

Da die mechanischen Arbeiten der Wasserwerkstatt (Enthaaren, Entfleischen, Streichen und Spalten) besonders lohnintensiv, schwer und schmutzig sind, wäre unter dem Gesichtspunkt der Rationalisierung die beste Lösung, von der Rohware bis zum Ende der Chromgerbung einheitlich durchzuarbeiten, das Entfleischen am Schlachthof oder nach der Vorweiche vorzunehmen, haarzerstörend zu arbeiten, auf das Streichen zu verzichten und das Sortieren und Spalten erst nach der Chromgerbung durchzuführen. Für ein solches Arbeiten liegen zahlreiche Prozessvorschläge vor, und in vielen Betrieben wird das bereits praktiziert, geht aber nicht oder noch nicht bei allen Lederarten. Es verbietet sich z. B. in den Fällen, wo der anfallende Fleischspalt eine andere Gerbart als der Narbenspalt erhalten soll, und es verbietet sich.ebenfalls aus Qualitätsgründen bei der Verarbeitung schwerer Häute, da hier leicht ein gezogener Narben auftritt. Bei jeder Chromgerbung wird nach unseren Untersuchungen eine gewisse Spannung des Hautfasergefüges festgegerbt, die in der feinstrukturierten zweidimensional verflochtenen Narbenschicht wesentlich größer ist als in der dreidimensional verflochtenen Retikularschicht. Die höhere Spannung im Narben kann sich vor dem Spalten nicht auswirken, aber wenn durch das Spalten der Hauptteil der Retikularschicht entfernt wird, wirkt sich diese Spannung natürlich in einen Narbenzug aus und zwar um so mehr, je schwerer die Haut und je dünner der Narbenspalt ist.

Soll von der Weiche bis zum Ende der Chromgerbung durchgearbeitet werden, so kommt natürlich nur ein Spalten nach der Chromgerbung infrage, das übrigens auch zwangsläufig durch die Verarbeitung von Wet-blue-Ware auf uns zukommt, und dessen Vorteile in einer einfacheren und zuverlässigeren Sortierung, einem Spalten mit geringerem Arbeitsaufwand, dem Erhalt kräftigerer Spalte und geringerem Arbeitsaufwand für das Falzen zu erblicken sind. Ihm wird allerdings als Nachteil häufig eine mehr oder weniger verringerte Flächenausbeute entgegengehalten, von anderer Seite dagegen bestritten. Unsere Untersuchungen über die Flächenausbeute haben zeigen können, daß die Mehrfläche beim Spalten in der Wasserwerkstatt im Blößenzustand auf einen Ausreckeffekt des Spaltprozesses zurückzuführen ist, der natürlich um so größer ist, je intensiver geäschert wurde. Daher kommt es, daß manche Firmen mit geringerem Äscheraufschluß kaum einen Flächenverlust finden, andere- dagegen von 5 bis 6% sprechen.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß auch die Gerbung mit pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffen insbesondere für Schwerleder im Rahmen der Rationalisierungsbestrebungen stark modernisiert und zeitlich verkürzt werden konnte, gleichgültig ob im Grubensystem mit Hotpitabschluß und vollautomatischer Prozeßsteuerung oder im Faß im geschlossenen System nach dem RFP-Prinzip gearbeitet wird. Schließlich ergaben sich immer wieder Anregungen, die 4 Teilprozesse der Nasszurichtung nicht hintereinander durchzuführen, sondern durch Zusammenlegung auch hier eine Rationalisierung und zeitliche Verkürzung anzustreben.

Ein weiteres Problem bei der Durchführung der Naßarbeiten ist das Arbeiten ohne Flotte oder in kurzer Flotte. Während man früher durchweg im Faß mit langen Flotten von 100 bis 150% arbeitete, wird heute vorwiegend in kurzer Flotte gearbeitet. Erwähnt seien hier nur die Faßschwöde, das Trockenentkälken fast ohne Wasser, die Durchführung des Pickelprozesses und der Chromgerbung mit maximal 40 bis 50% Flotte, die Neutralisation mit 20 bis 30% und die Nachgerbung mit 30 bis 50% Wasser Das Arbeiten ohne Flotte oder in kurzer Flotte hat sich auf die Aufnahme der Chemikalien und damit auf die Beschleunigung des Ablaufs der einzelnen Prozessstadien sehr günstig ausgewirkt, so daß man in Zukunft nur noch auf diese Weise arbeiten wird.

Frühere Bedenken, das Hautmaterial würde dabei zu stark mechanisch beansprucht, haben sich als falsch erwiesen, Narben und Flamen waren erstaunlich fest, wenn die Drehzahl des Fasses nicht unnötig gesteigert wird. Dazu kommt, daß anstelle des früheren Spülens in den verschiedenen Prozessstadien mit durchlaufendem Wasser heute das diskontinuierliche Spülen (Waschen) immer breiteren Eingang gefunden hat. Auch der Spülprozess hat ja seinen Einfluss auf die Lederqualität und daher musste sich ein reproduzierbarer Einbau des Waschprozesses in den Produktionsablauf durch klare Festlegung von Wassermenge, Temperatur und Spüldauer auf die Gleichmäßigkeit des Fabrikationsablaufes günstig auswirken, während bei durchfließendem Wasser dessen Lösekapazität auch nicht im entferntesten ausgenützt wird. Gleichzeitig konnte durch starke Verminderung der Flottenmenge und diskontinuierliches Spülen der Wasserbedarf in der Lederindustrie entscheidend gesenkt werden. Während noch vor 20 Jahren z. B. bei Rindoberleder Wassermengen von 160 bis 200 m3/t selbstverständlich waren, liegt der Wasserbedarf heute für die gleiche Produktion in vielen Betrieben zwischen 30 und 40 m3/t und damit konnte auch unter dem Gesichtspunkt der Abwasserminderung ein entscheidender Beitrag geliefert werden.

Das andere Problem, bei dem die Verbesserung der Abwasserqualität und die Rationalisierung der Arbeitsvorgänge in die gleiche Richtung gehen, ist die Anwendung von Recycling-Systemen in den Nassprozessen. Es hat sich gezeigt, daß es z. B. bei der Chromgerbung durchaus möglich ist, immer wieder mit der gleichen Chromflotte zu arbeiten, und wir haben hierfür drei verschiedene Arbeitstechnologien entwickelt, die in der Praxis in einigen Betrieben bereits erprobt wurden und zu günstigen Ergebnissen geführt haben. So ist es möglich, die Gerbprozesse weiter zu rationalisieren, eine Einsparung an Chromgerbstoffen bis zu 20% zu erreichen und außerdem praktisch chromfreie Restbrühen von der Gerbung her ins Abwasser abzulassen. Dass trotzdem das Chromproblem im Abwasser damit noch nicht gelöst ist, hängt damit zusammen, daß bei den folgenden Arbeiten der Nasszurichtung gewisse Chrommengen wieder abgegeben werden, so daß trotzdem noch 25 bis 30 mg Cr/l im Abwasser sein werden. Z. Z. sind wir dabei, das Recycling-System auch für den Äscher zu erproben, indem dieselben Äscherbrühen immer wieder verwendet werden. Gerade die Inhaltsstoffe des gebrauchten Äschers stellen ja hinsichtlich der Äscherchemikalien und der in Lösung gegangenen Proteine eine starke Belastung des Gerbereiabwassers dar, und wenn es hier gelingen würde, ebenfalls mit einem Recycling-Verfahren zu arbeiten, würde damit sowohl vom Standpunkt der Rationalisierung als auch der Abwasserverbesserung ein wesentlicher Schritt erreicht sein. Wie Herr Dipl.-Chem. Schubert schon auf der Tagung in Koblenz vorgetragen hatte, glauben wir nach dem Ergebnis der bisherigen Untersuchungen, daß auch dieser Weg durchaus möglich ist, wenn auch die Untersuchungen noch nicht restlos abgeschlossen sind. Wir werden auch darüber im nächsten Jahr ausführlicher berichten können.

Ich hoffe, ich habe mit dieser Zusammenstellung einen kurzen Überblick über die Probleme der Rationalisierung und Automatisierung in der Lederfabrikation gegeben und aufgezeigt, wie vielgesichtig die dabei sich bietenden Probleme sind. Ein Teil von ihnen konnte bereits befriedigend gelöst werden, andere harren noch der weiteren Bearbeitung und im Rahmen ihrer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten wird die Westdeutsche Gerberschule daher diesem Arbeitsbereich auch in Zukunft breiten Raum einräumen müssen.

Literaturverzeichnis:

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  14. H. Herfeld, B. Schubert und E. Häussermann, Das Leder 1966, 243.
  15. H. Herfeld, Gerbereiwissenschaft und Praxis, Mai 1971.
  16. B. Schubert und H. Herfeld, Das Leder 1975, 21.


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veroeffentlichungen/sonderdrucke/125_rationalisierung_und_automatisierung_in_der_lederfabrikation_aus_dem_jahre_1976.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/08 19:49 von admin