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109 Gedanken zur Entwicklung der Lederchemie und Ledertechnologie aus dem Jahre 1973

Sonderdruck aus -DAS LEDER. 1973, Heft 12, Seite 253

Gedanken zur Entwicklung der Lederchemie und -technologie

Von Prof. Dr.-Ing. habil Hans Herfeld

Aus der Westdeutschen Gerberschule Reutlingen, Abteilung Forschung und Entwicklung

Am 1. Januar 1948 wurde die Internationale Union der Lederchemiker-Verbände ins Leben gerufen, am 16. September 1948 trat das Exekutiv-Komitee zu seiner 1. Sitzung in Leeds zusammen. Damit kann sie auf ein 25jähriges Bestehen zurückblicken. Das ist noch kein Anlass zum Feiern, wohl aber Gelegenheit, Rechenschaft abzulegen, wo wir stehen und welche weiteren Entwicklungen der Lederchemie und -technologie von uns erwartet werden. Dabei ist interessant, dass bei den ersten Kongressen der Union Vorträge über Arbeiten der Grundlagenforschung noch wesentlich überwogen und im Zusammenhang damit die Besucher vorwiegend aus den Fachinstituten und der chemischen Industrie der beteiligten Länder, weniger aus der Lederindustrie selbst kamen. Vielleicht waren dem Praktiker diese Kongresse noch zu theoretisch, vielleicht haben wir ihm auch unsere Ware nicht verständlich genug angeboten, vielleicht war überhaupt lange Zeit der Kontakt der Grundlagenforschung zu den Technologen zu gering. Er wurde auch nicht dadurch gefördert, dass viele unserer Mitgliedsverbände sich als reine Gerbereichemiker -Vereinigungen verstanden und teilweise noch verstehen und den Technikern die Mitgliedschaft versagten. Das hat sich aber in den letzten beiden Jahrzehnten entscheidend geändert. In den meisten Fachverbänden haben die Technologen immer mehr das Wort erhalten, und andererseits finden wir heute in den Lederfabriken vieler Länder eine junge Generation von Technikern, die dank einer modernen Ausbildung in den bekannten Gerberschulen mehr als früher in der Lage sind, den Vorträgen unserer Tagungen zu folgen und mit großem Sachverstand in die Diskussion einzugreifen. Der dreiseitige Kontakt zwischen Instituten, Lederfabriken und chemischer Hilfsmittelindustrie ist dadurch immer intensiver und für alle Teile anregender geworden. Neuerungen werden zwar mit größerer Kritik aufgenommen, aber dann auch mit besserer Sachkenntnis in die Praxis übergeführt, und viele Entwicklungen sind in den Betrieben selbst entstanden.

Es liegt auch im Interesse unserer Union, die ja der Lederindustrie der ganzen Welt dienen soll, diesen Trend sorgsam zu beobachten und in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen. Auf den letzten Tagungen war das Vordringen rein technologischer Vortragsthemen immer stärker zu erkennen, nur müssen wir diese Entwicklung in unserer Werbung noch besser zur Kenntnis geben, damit auch der Besuch der Techniker aus der Lederindustrie selbst noch ansteigt. Das soll nicht heißen, dass die wissenschaftliche Grundlagenforschung vernachlässigt werden soll. Sie ist der Born, aus dem die Technologen schöpfen, und es wird stets die Aufgabe der Veranstalter sein, hier eine richtige Auswahl und Kombination zu treffen.

Wenn ich mich mit der künftigen Entwicklung der Lederchemie und -technologie befasse, erhebt sich zunächst die Frage, ob Leder überhaupt eine Zukunft hat. Auf vielen Gebieten sind Kunststoffe an die Stelle von Leder oder neben Leder getreten, und selbst beim Schuhoberbau sind sie im Begriff, sich eine Position zu erkämpfen. Nun ist bekannt, dass Leder aus Gründen des Mengenanfalls an Rohhäuten in Zukunft nicht mehr den vollen Bedarf an »Lederwaren« decken kann. Der Fleischkonsum steigt im Weltmaßstab jährlich um etwa 2,5-3%, die Wachstumsrate an Leder kann also nicht größer sein, der Bedarf an Lederwaren wird aber in Zukunft mit Steigerung von Bevölkerungszahl und Lebensstandard im Weltmaßstab um ein Vielfaches zunehmen. Steigt aber der Bedarf an einem Gut, dessen Rohware sich nicht beliebig vermehren lässt, so steigt zwangsläufig auch sein Handelswert. Diese Tatsache ist uns in den letzten 2 Jahren eindeutig vor Augen geführt worden.

Daher ist ein Nebeneinander von Leder und Synthetiks zwangsläufig gegeben. Die Befürchtung, die Synthetiks könnten auf die Dauer das Leder weitgehend verdrängen, weil sie als großflächige, in Fläche und Dicke einheitliche Materialien bei der Rationalisierung der Verarbeitung wesentliche Vorteile bieten, halte ich für unbegründet. Ich bin überzeugt, dass in Zukunft auch die mögliche Zuwachsrate von im Weltmaßstab jährlich 2,5 bis 3% voll ausgenutzt wird. Aber ich bin mir auch darüber klar, dass die Lederindustrie bei der schwindenden Monopolstellung des Leders viele Anstrengungen machen muß, um einerseits aus diesem so knappen Material ein möglichst hochwertiges Endprodukt herzustellen, für das der Verbraucher auch einen höheren Preis anzulegen bereit ist, und andererseits ihre Herstellungsverfahren immer mehr zu rationalisieren und unvermeidliche Veränderungen in unserer Industrie durch eine sinnvolle Weiterentwicklung der Technologien vorwegzunehmen.

A. Ledereigenschaften

Leder hat viele gute Eigenschaften im Aussehen, in der Wärme des Griffs, im Hinblick auf die Tragehygiene, in der Strukturfestigkeit bei gleichzeitig guter Dehnbarkeit und Elastizität usw. Die ungleichmäßige Oberfläche des gewachsenen Materials ist kein Nachteil, sondern erhöht noch die Schönheit des Aussehens, ja selbst Lederfehler werden für bestimmte rustikale Verwendungszwecke hingenommen. Leder muß aber ledertypische Entwicklungen gehen, die in seiner Individualität begründet sind, und nichts ist falscher, als es uniform machen zu wollen. Schleifbox z. B. ist für die Verarbeitung unvermeidbarer Untersortimente zweckmäßig, als Hauptentwicklungsrichtung aber falsch, obwohl es in der Rationalisierung der Verarbeitung gewisse Vorteile bietet. Lackleder ist in gewissem Umfang in der Palette der Lederarten unentbehrlich, zumal es tragehygienisch lackierten Synthetiks haushoch überlegen ist. Knautschlackleder als weltweite Moderichtung war dagegen eine völlige Fehlorientierung. Auch wenn man damit zunächst das Lager von Untersortimenten räumen konnte, zeigte sich bald, dass sich so etwas auf Gewebegrundlage viel billiger herstellen lässt. Natürlich sind diese Produkte tragehygienisch miserabel, aber bis der Verbraucher das merkt, ist es zu spät. Die Velourswelle hat dem Leder wieder einen beträchtlichen Auftrieb gegeben, aber auch hier ist die Qualitätsfrage entscheidend. Gute Festigkeitswerte und einwandfreie Hydrophobierung sind unabdingbare Forderungen, wenn der Veloursmarkt auf lange Sicht tragen soll.

Diese Beispiele dürften genügen, um zu erläutern, was ich unter ledertypischen Entwicklungen verstehe. Insgesamt sehe ich bezüglich der Lederbeschaffenheit folgende grundsätzliche Notwendigkeiten:

  1. Leder müssen nach Leder aussehen. Sie müssen das Material für die gehobene Qualität darstellen, die Position des Hochwertigen verteidigen, dem Prestigegedanken der Menschen entgegenkommen, das Individuelle betonen.
  2. Leder müssen qualitätsmäßig einwandfrei sein. Die Werbung Echtes Leder kann auf die Dauer nur tragen, wenn damit gleichzeitig ein gewisser Qualitätsstand verbunden ist. Die Scheu mancher Lederhersteller vor Qualitätsrichtwerten ist daher falsch und sollte überwunden werden.
  3. Bei Ledern für Schuhe und Bekleidung müssen die Eigenschaften, die die Tragehygiene bedingen (bleibende Dehnung, Anpassung an den Tagesrhythmus, Wasserdichtigkeit, Wasserdampfdurchlässigkeit, Wasserdampfaufnahme), immer mehr gefördert werden.
  4. Wir müssen immer neue Zurichtarten und Moderichtungen entwickeln, aber nur solche, die den Ledercharakter unterstreichen. Pflegeleichtzurichtungen sind erwünscht, aber nur, wenn sie Griff und Ledercharakter nicht ungünstig beeinflussen.
  5. Wir müssen uns bemühen, auch Leder in Fläche und Dicke gleichmäßiger zu gestalten, in Sonderfällen vielleicht sogar Leder in Rollen zu liefern, um insgesamt die Rationalisierung der Verarbeitung des Leders zu fördern, und damit dem Verarbeiter ähnliche Vorteile zu bieten wie die Kunststoffe.
  6. Gibt es neben den heutigen Verwendungszwecken für Leder noch Einsatzgebiete, wo Leder dank seiner Eigenschaften oder seiner Schönheit der Oberfläche besondere Vorteile bietet? Sind Ledertapeten, Lederteppiche usw. so abwegig?
  7. Die Lederwerbung muß sich in aller Welt mehr an den Verbraucher wenden. Die Argumente für Leder sind gut, die Forschung hat sie erheblich erweitert. Der Weg über den Verarbeiter zum Verbraucher aber ist zu weit. Der Mehrzahl der Verarbeiter schwebt zu dem oft nur das Ziel der Produktionsrationalisierung vor Augen, dem sie alle anderen Fragen, auch die der Fußgesundheit, unterordnet. Daher sind direkte Verbraucherwerbung und Materialkennzeichnung entscheidende Faktoren, um Leder den ihm gebührenden Platz in den Augen des Verbrauchers zu sichern.

B. Lederherstellung

Die Lederherstellung muß immer mehr rationalisiert und automatisiert werden. Auffangung des steigenden Lohnkostenanteils, Verringerung der Zahl der Arbeitskräfte, Austausch der künftig nicht mehr genügend verfügbaren Facharbeiter durch angelernte Arbeitskräfte, Verminderung von Produktionsschwankungen und Gewährleistung einer von Partie zu Partie zuverlässig gleichmäßigen Lederqualität sind die wesentlichen Gründe. Sie haben aber für verschiedene Länder sehr unterschiedliches Gewicht. Und ein Rationalisierungsgrad, der in einem hochentwickelten Industriestaat richtig ist, kann für ein Entwicklungsland, in dem die Bevölkerung überhaupt erst einmal Arbeitsplätze erhalten soll, völlig unsinnig sein. Dass eine sachgemäße Rationalisierung bei einwandfreier Erhaltung, ja Steigerung der Qualität durchführbar ist, ist nach den bisherigen Erfahrungen unbestritten. Dagegen steht die Frage zur Diskussion, welche Stadien der Herstellung sich hierfür anbieten. Hier vertrete ich die Auffassung, dass Rationalisierung und Automatisierung sich in erster Linie auf die Stadien von der Einarbeitung, ja von der Erfassung der Rohhaut bis zum Ende der Gerbung zu erstrecken haben. Hier kann bei gegebener Lederart möglichst einheitlich in Großpartien gearbeitet werden. Die Variationen hinsichtlich weicherer und festerer Leder, Anilinleder und Leder mit korrigierten Narben sind in ihrer Breite erst nach der Sortierung vornehmlich durch die Arbeiten der Nasszurichtung zu erreichen. In der Zurichtung dagegen sind relativ kleine Partien zweckmäßig. Es sollte lieber ein Arbeitsgang mehr getan werden als zu wenig, und selbst Handarbeit ist in diesen Stadien durchaus zu vertreten, um eine möglichst breite Qualitätspalette anbieten zu können. Unter dieser Sicht scheinen mir die folgenden Teilfragen für die künftige technologische Entwicklung von besonderer Bedeutung:

1. Rohhaut:

Gedanken über eine zweckmäßigere Aufbereitung der Rohhaut wurden vielfach veröffentlicht. Alle Überlegungen über eine Rationalisierung des Herstellungsprozesses müssen bei der Rohhaut beginnen. 3 Probleme sind hiervon entscheidender Bedeutung:

  • a) Gesteigerte Bekämpfung der Fehler am lebenden Tier, Verbesserung des Hautabzugs durch maschinelle Abzugsmethoden und rechtzeitige und bessere Konservierung stehen seit eh und je im Konzept aller Verbesserungsbestrebungen. Trotz aller Teilerfolge ist das Ergebnis aber auch in Europa und den USA noch keineswegs befriedigend, und viel Volksvermögen geht auch in diesen Ländern durch ungenügende Beachtung dieser Probleme verloren. In vielen Entwicklungsländern ist ein erheblicher Teil des Hautanfalls überhaupt noch nicht erfasst oder so fehlerhaft abgezogen und konserviert, dass er damit weitgehend für eine an Qualität interessierte Lederwirtschaft unbrauchbar ist. Die Gründe hierfür sind meist regional bedingt, aber wer sich über ungenügende Rohhautmengen beklagt, muß zunächst alle Anstrengungen unternehmen, den Rohhautanfall der ganzen Welt möglichst vollständig zu erfassen und möglichst hochwertig der Lederherstellung zuzuführen. Andererseits ist die Frage noch weitgehend ungeklärt, wie sich die bei der Orientierung der Viehzucht auf höhere Fleischproduktion angewandten neuen Futterkombinationen und künstlichen Mastmethoden nicht nur auf Gewicht und Fettgehalt der Haut, sondern vor allem auch auf den strukturellen Aufbau des kollagenen Fasergeflechts auswirken? Auch hier kann nicht früh genug mit systematischen Untersuchungen begonnen werden.
  • b) Lohnt es sich wirklich, die Hautfläche mit allen Zipfelchen zu verarbeiten? Durch eine sachgemäße Beschneidung oder andere Aufteilung der Hautfläche vor Beginn der Produktion könnte eine wesentlich günstigere Ausgangsposition geschaffen werden, wenn man damit auch auf gewisse Teile der Haut verzichtet. Skandinavischer Trimm, Schweizer Trimm, asymmetrischer Hautabzug, USA-Beschnittvorschlag und Reutlinger Beschnittvorschlag, die beiden letzteren mit dem Ziel rechteckiger Formgestaltung der Haut, sowie der Vorschlag anderer Flächenaufteilung von Pektor sind wesentliche Anregungen auf diesem Gebiet. Einsparungen an Transportkosten, Gerb- und Hilfsstoffen, Verringerung des Arbeitsaufwandes und zusätzliche Rationalisierungsmöglichkelten sind als Vorteile anzuführen, und die so notwendige Entwicklung von Durchlaufmaschinen für die Arbeiten der Wasserwerkstatt kann nur auf diese Weise realisiert werden. Gelänge es, für die dabei abfallende Kollagensubstanz noch sinnvollere Verwendung zu finden, würde das solche Entwicklungen erheblich erleichtern.
  • c) Ist auf die Dauer vertretbar, dass das Konservieren ohne Vorentfleischen mittels Trockensalzung erfolgt, dass das Leimleder zunächst zum Hautpreis gekauft und mit der Haut in die Gerberei transportiert wird, um es dann ohne Erlös mit zusätzlichen Transportkosten in die Leimfabrik zu bringen, und dass das Haarkleid uns daran hindert, die Narbenfehler zu sehen und daher viele Häute von der Narbenbeschaffenheit her falsch eingekauft und falsch eingesetzt werden. Hier scheinen mir 3 Maßnahmen wichtig zu sein. Einmal die Entfleischung und Entmistung am Schlachthof bzw. auf Sammelstationen, wenn die Größe der Schlachthöfe eigene Anlagen nicht zulässt. Fehlende Dungeinwirkung, raschere Durchkonservierung, bessere Qualitätskontrolle, geringere Transportkosten, zentrale Verarbeitung des Leimleders und der Beschnittabfälle für Tierfutter und Förderung der Automatisation der Naßarbeiten in der Gerberei sind die Vorteile. Zweitens eine Salzlakenkonservierung mit anschließender genügender Trockensalzung, da hierdurch eine schnellere und gleichmäßigere Konservierung bei geringem Arbeitsaufwand und eine Verkürzung der Lagerdauer erreicht werden. Eine zentrale Enthaarung in der Nähe des Schlachthofes bzw. der Zentralstellen ohne zwischengeschaltete Konservierung würde als Vorteile eine bessere Bewertung der Hautqualität und damit bessere Lenkung der Häute, Verminderung des Risikos beim Rohhauteinkauf, erhebliche Kosteneinsparung und zentrale Reinigung der Wasserwerkstattabwässer mit ihrem hohen Sulfid- und Proteingehalt mit sich bringen.

2. Arbeiten der Wasserwerkstatt und Gerbung

Ich erwähnte bereits, dass sich gerade die Vorgänge der Wasserwerkstatt und Gerbung für ein Arbeiten in Großpartien und für eine Rationalisierung und Automatisierung anbieten.

  • a)Die Auffassung, Leder würde in der Wasserwerkstatt gemacht, ist richtig, wenn darunter verstanden wird, dass Fehler in der Wasserwerkstatt sich nur schwer später ausgleichen lassen. Sie ist heute falsch, wenn damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass schon hier eine Aufteilung und Variation in einzelne Ledertypen erforderlich ist. Natürlich bedingt grundsätzlich unterschiedliche Rohware (z. B. süddeutsche oder norddeutsche Häute) Variationen in der Wasserwerkstatt, aber bei gleicher Rohware kann ohne Nachteile bis zum Ende der Gerbung einheitlich gearbeitet und erst in der Nasszurichtung nach der Ledertype variiert werden.
  • b) Die mechanischen Arbeiten der Wasserwerkstatt (Enthaaren, Entfleischen, Streichen, Spalten) sind lohnintensiv, schwer, schmutzig und übelriechend, und wir werden dafür in Zukunft keine Arbeitskräfte mehr bekommen. Die beste Lösung wäre, von der Rohware bis zum Ende der Gerbung einheitlich durchzuarbeiten, das Entfleischen am Schlachthof oder nach der Vorweiche vorzunehmen, haarzerstörend zu arbeiten, auf das Streichen zu verzichten und das Sortieren und Spalten erst nach der Chromgerbung durchzuführen. Das wird in vielen Betrieben bereits praktiziert, geht aber nicht oder noch nicht bei allen Lederarten. Es verbietet sich z. B. aus Qualitätsgründen etwa bei der Verarbeitung schwerer Bullenhäute zu Vachetten oder in den Fällen, wo der anfallende Fleischspalt eine andere Gerbart als der Narbenspalt erhalten soll. Sind Reinmacharbeiten in der Wasserwerkstatt erforderlich, so sollten endlich Durchlaufmaschinen entwickelt werden. Die Voraussetzungen, die von der Rohhaut her zu erfüllen sind, wurden oben dargelegt. Gelänge es, das Enthaaren und Entfleischen in einem Arbeitsgang vorzunehmen (z. B. durch Weiterentwicklung der Stehling-Maschine), wäre auch ein haarerhaltendes Arbeiten bei Hautarten, bei denen die Haare keinen nennenswerten Erlös erbringen, wegen der Verbesserung der Abwasserqualität durchaus zu diskutieren.
  • c) über die Durchführung der Halb- und Vollautomatisierung der Naßarbeiten ist im letzten Jahrzehnt so viel mitgeteilt worden, dass hier keine grundsätzlichen Angaben zu machen sind. Für die halb- und vollautomatische Steuerung der Nassarbeiten, d. h. für die automatische Ermittlung, Registrierung und Korrektur von pH-Wert und Temperatur, die automatische Dosierung und Zugabe flüssiger und fester Chemikalien, die automatische Lenkung des Spülvorganges und des zeitlichen Prozessablaufes und die Programmschaltung für Ruhe- und Laufzeiten sind zahlreiche apparative Einrichtungen entwickelt worden, und für das Messen, Registrieren und Regeln liefert die moderne Steuer-und Regeltechnik immer zuverlässigere Aggregate. Darüber hinaus wird auch die automatische Mengensteuerung anhand eingespeister Rezepte mittels elektronischer Prozessrechner in Zukunft ihren Platz erhalten. Ob das Fass seine dominierende Stellung beibehält, ob Holz oder Kunststoff als Baumaterial vorzuziehen ist, wie die Einbauten im Fass zweckmäßig sind, ob abgewandelte Formen oder der Zementmischer Vorteile versprechen, das sind Teilfragen, die sich im Rahmen des Konkurrenzkampfes der Herstellerfirmen für solche Geräte klären werden. Entscheidend ist aber, dass die Technologien der Naßarbeiten den automatischen Anlagen sinngemäß angepasst werden. Dabei muß die Zeitfrage im Vordergrund stehen, denn die Wirtschaftlichkeit solcher Anlagen ist um so größer und die Amortisation erfolgt um so schneller, je größer die Einzelpartie ist und je kürzer gearbeitet wird, je geringer also die Aggregate pro Partie blockiert werden. Bei den Lederarten, bei denen von der Weiche bis zum Ende der Chromgerbung in einem durchgehenden Arbeitsgang ohne Verlassen des Reaktionsgefäßes gearbeitet werden kann, sollte ein 24-Stunden-Turnus angestrebt werden, um einen täglich gleichen Zeitablauf zu haben. In solchen Fällen kommt nur ein Spalten nach der Chromgerbung in Frage, das übrigens auch zwangsläufig durch die Verarbeitung von Wet-blue-Ware auf uns zukommt und dessen.Vor-teile in einer einfacheren und zuverlässigeren Sortierung, einem Spalten mit geringerem Arbeitsaufwand, dem Erhalt kräftigerer Spalte und geringerem Arbeitsaufwand für das Falzen zu erblicken sind, denen allerdings eine etwas verringerte Flächenausbeute gegenübersteht. Bei anderen Lederarten, bei denen sich aus den bereits dargelegten Gründen eine kontinuierliche Durcharbeitung verbietet, ist auch für die sich ergebenden Teilprozesse die Möglichkeit der Einhaltung eines täglich gleichartigen Zeitablaufes anzustreben.
  • d) Die meisten Prozesse (Weichen, Entkälken, Pickeln, Chromgerben) haben wir heute so in der Hand, dass Grundsatzfragen in Zukunft kaum noch zu klären sind. Das Arbeiten ohne Flotte oder in kurzer Flotte hat sich auf die Aufnahme der Chemikalien und damit auf die Beschleunigung des Ablaufes der einzelnen Prozessstadien so günstig ausgewirkt, dass man in Zukunft nur noch auf diese Weise arbeiten wird. Frühere Bedenken, das Hautmaterial würde dabei zu stark mechanisch beansprucht, haben sich als falsch erwiesen. Narben und Flamen waren erstaunlich fest, wenn die Drehzahl des Fasses nicht unnötig gesteigert wird. Alle Prozessentwicklungen der letzten Jahre auf diesen Gebieten (Entfleischen schon vor dem Äscher, am besten schon nach der Vorweiche, Enzymweiche, Faßschwöde, Pickeln mit nichtschwellenden Säuren, Ungelöstverfahren bei der Chromgerbung und selbstabstumpfende Chromsalze) hatten nur das Ziel, die Prozesse weitgehend abzukürzen oder zuverlässiger zu gestalten, und mehr wird auch bei künftigen Entwicklungen kaum zu erwarten sein. Das diskontinuierliche Spülen mit klarer Festlegung von Wassermenge, Wassertemperatur und Spüldauer gestattet, den Abwasseranfall entscheidend zu senken und auch die Waschprozesse reproduzierbar in den Prozessablauf einzubauen. Größere Entwicklungsarbeiten wird noch der Äscherprozess verlangen, um bei möglichst kurzer Äscherdauer neben einer zuverlässigen Entfernung der Haare einen genügenden Äscheraufschluß des Hautfasergefüges bei ausreichender Narbenfestigkeit zu gewährleisten. Kalkäscher mit Sulfidanschärfung liefern hier bisher immer noch die besten Ergebnisse, und mir ist kein Verfahren bekannt, das in Bezug auf die Lederqualität gleich gute oder gar bessere Befunde ergibt. Ich frage mich oft, warum man überhaupt andere Haarlockerungsverfahren prüft, es sei denn, dass man sich entschließen will, haarerhaltend zu arbeiten, um die Abwasserqualität zu verbessern. In diesen Fällen wäre die Enzymenthaarung mit chemischer Nachäscherung oder der haarerhaltende Dimethylaminäscher durchaus zu diskutieren, wobei sich namentlich beim Enzymäscher noch mancherlei verbessernde Variationen abzeichnen. Ebenso ist bei der Verarbeitung von Fellen, deren Haare bzw. Wolle nutzbringend abzusetzen sind, der Einsatz der Enzymenthaarung durchaus zu empfehlen. Andere Entwicklungen, wie z. B. die Oxidationsenthaarung, sind dann reizvoll, wenn sie gegenüber dem Kalk- Sulfid-Äscher in der Abkürzung des Prozesses und in der zu erreichenden Lederqualität wesentliche Vorteile bringen. Doch war das bisher noch bei keinem Vorschlag der Fall. Bei neuen Äscherverfahren muß gefordert werden, dass sie einfach und kurzfristig durchzuführen sind, den Grad des Äscheraufschlusses in weiten Grenzen zu variieren gestatten und bei guter Weichheit und Geschmeidigkeit des Leders andererseits eine einwandfreie Narbenfestigkeit zuverlässig gewährleisten.

3. Lieferung der Häute in schon gegerbtem Zustand

Offen bleibt die Frage, wo in Zukunft Leder hergestellt wird. Dass Länder, in denen Rohhäute anfallen, ein Interesse daran haben, sie auch weiter zu verarbeiten, ist verständlich. Dass sie dabei kaum die unterschiedlichen Moderichtungen der Verbraucherländer kurzfristig berücksichtigen können, die Zurichtung also zweckmäßig dort durchgeführt wird, wo die Leder auch verarbeitet und verbraucht werden, ist ebenso logisch. Die Lieferung von Wet-blue- und Crust-Ledern ist daher eine verständliche Entwicklung und wird sich noch erheblich verstärken, verlangt aber eine bessere internationale Zusammenarbeit, als sie zur Zeit praktiziert wird. Ist es nicht unsinnig, z. B. für Crustleder pflanzliche Gerbstoffe mit miserablen Lichtechtheiten zu verwenden, nur weil diese in dem betreffenden Land vorkommen, und damit den Weiterverarbeiter zu zwingen, die halbgaren Leder wieder weitgehend zu entgerben, um z. B. ein genügend lichtechtes Bekleidungsleder herstellen zu können? Hier sind klare, international anerkannte Richtlinien für die Anforderungen an die Halbprodukte und eine enge Zusammenarbeit der gerbenden und zurichtenden Betriebe dringend erforderlich, um solche Fehlleitungen, die auf Kosten der Qualität des Leders gehen, von vornherein zu vermeiden und eine wirklich sachgerechte Abstimmung zu erreichen.

4. Nasszurichtung

Es wurde bereits erwähnt, dass in Zukunft das Arbeiten bis zum Ende der Chromgerbung in zunehmendem Maße in Großpartien erfolgen wird, das Sortieren erst nach der Chromgerbung geschieht und die verschiedenen Variationen hinsichtlich weicherer und festerer Leder, Anilinleder wie Leder mit korrigiertem Narben in ihrer ganzen Breite erst bei der Nasszurichtung durch unterschiedliches Neutralisieren, Nachgerben, Fetten und Trocknen erreicht werden. In den letzten Jahrzehnten wurde gerade für diese Prozesse eine große Palette geeigneter Produkte entwickelt, so dass hier Variationsmöglichkeiten gegeben sind, die vor 20 Jahren noch nicht denkbar gewesen wären. Insbesondere bei der Neutralisation sind heute so viele Variationsmöglichkeiten gegeben, dass kaum noch Wünsche für eine weitere Entwicklung offen stehen. Anders ist es auf den drei anderen Teilgebieten.

  • a)Die Nachgerbung ist heute zu einem der wichtigsten Teilprozesse der Lederzurichtung geworden und gestattet, die Ledereigenschaften noch in diesem Stadium in weiten Grenzen zu variieren, insbesondere wenn die Hauptgerbung nicht zu intensiv durchgeführt wurde. Nachgerbung mit Chrom-, Aluminium- und Zirkonsalzen, zweckmäßige Mitverwendung von Polyphosphaten, richtiger Einsatz der großen Palette an pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffen und an Harzgerbstoffen und der Einsatz von Glutaraldehyd oder von Sulfochloriden für sich oder in geeigneten Kombinationen gestatten, eine Vielzahl verschiedenartiger Effekte zu erreichen. Diese Entwicklung ist noch in keiner Weise abgeschlossen, und zumindest die Möglichkeiten einer zweckentsprechenden Kombination dieser Nachgerbmethoden werden in der Praxis zumeist noch bei weitem nicht restlos ausgeschöpft, so dass hier noch manche Weiterentwicklungen durchzuführen sind.
  • b) Bei der Lederfettung wird eine gute Fettbindung von immer größerer Bedeutung. Die Anwendung von Vulkanisationsverfahren oder Hochfrequenzverschweißungen bei der Weiterverarbeitung von Leder ebenso wie das Verlangen einer guten Chemischreinigungsechtheit und einer Waschbarkeit der Leder ohne besondere Nachbehandlung seitens der Reinigungsbetriebe setzen wesentlich günstigere irreversible Bindungen der Fettstoffe an das Leder voraus. Das mag bei rein kationisch geladenen Ledern bis zu einem gewissen Grade erreichbar sein, es bereitet aber erhebliche Schwierigkeiten, wenn durch die Nachgerbung der kationische Charakter vermindert wurde. Ob hier nicht insbesondere in der Entwicklung synthetischer Fettungsmittel grundsätzlich neuartige Wege beschriften werden sollten, möchte ich als Anregung zur Diskussion stellen. Wenn dabei gleichzeitig auch eine wesentliche Verbesserung der Wasserdichtigkeit, also eine Hydrophobierung erreicht wird, würde das einen wertvollen zusätzlichen Effekt bedeuten. Ist überhaupt noch das klassische Verfahren des Lickerns die günstigste Durchführungsform für diesen Arbeitsprozess? Auch diese Frage wäre wohl des Überlegens wert.
  • c) Die Palette der für die Lederfärbung verfügbaren Farbstoffe ist sehr groß, und man könnte glauben, dass damit alle Wünsche erfüllt werden. Aber die Anforderungen sind gestiegen, insbesondere hinsichtlich der verschiedenen Echtheitseigenschaften werden vom Verbraucher erhöhte Wünsche gestellt. Die Färbungen sollen nicht nur lichtecht, reibecht, schweißecht, wasch- und trockenreinigungsecht, diffusionsecht und schleifecht sein, sie sollen auch möglichst klar auf dem Lederuntergrund aufziehen und auf jede Farbtiefe und jeden Farbton mit Leichtigkeit einstellbar sein. Dabei sollen die Schwierigkeiten, die Leder als Substrat für die Färbung bietet, nicht unterschätzt werden, aber die Tatsache, dass kaum eine Tagung vergeht, auf der nicht über Echtheitsprobleme der Anilinfärbung in dieser oder jener Form gesprochen wird, zeigt, dass wir von der restlosen Erfüllung unserer Wünsche noch weit entfernt sind. Dazu kommt, dass namentlich bei modisch orientierten Lederarten zur Erreichung möglichst kurzfristiger Lieferungen die Färbung vielfach nicht mehr in der Flotte vorgenommen wird, sondern von einem Zwischenlager als Kopffärbung durch Plüschen, Spritzen oder Gießen erfolgt und diese Kopffärbungen noch mancher Verbesserung bedürfen, um möglichst die gleichen Echtheitseigenschaften wie bei den klassischen Färbemethoden zu erhalten. Jede neue modische Entwicklung stellt gerade an den Färbeprozess neue Anforderungen, und hier wird noch viel Entwicklungsarbeit insbesondere von der chemischen Industrie zu leisten sein.
  • d) Besondere Aufmerksamkeit verdient für den Färbeprozess, vielleicht aber auch für die anderen Arbeiten der Nasszurichtung die Entwicklung von Durchlaufaggregaten nach dem Foulard-Prinzip, wie sie zum Beispiel in der Multimac-Maschine ihren Ausdruck gefunden hat. Die Auffassungen über die Einsatzmöglichkeiten solcher Maschinen schwanken noch stark, aber ein kurzfristiges Arbeiten im Durchlaufverfahren scheint für alle vier Prozesse der Nasszurichtung manche reizvolle Aspekte zu liefern, so dass auch dieser Entwicklung in Zukunft erneut Aufmerksamkeit zu schenken sein wird.
  • e) In diesem Zusammenhang erhebt sich auch die Frage, ob die vier angegebenen Teilprozesse wirklich hintereinander durchgeführt werden müssen, oder ob nicht eine Zusammenlegung bestimmter Prozesse möglich ist. Derartige Forderungen seitens der gerberischen Praxis entspringen ebenfalls dem Wunsch, auch hier eine Rationalisierung und damit zeitliche Verkürzung auch dieser Arbeiten zu erreichen, um verfügbare Aggregate, namentlich wenn sie mit automatischer Steuerung arbeiten, möglichst gut ausnutzen zu können. Auch dieses Problem wird daher in Zukunft vermehrte Aufmerksamkeit verdienen.

5. Maschinelle Zurichtung

Die maschinelle Durchführung der Zurichtarbeiten hat im letzten Jahrzehnt wohl die stärkste Entwicklung erfahren. Es gibt keinen Arbeitsvorgang mehr, der nicht maschinell durchführbar wäre, wobei sich gerade für das Abwelken, Falzen, Stollen, Schleifen, Entstauben, Plüschen und Spritzen Durchlaufmaschinen mit hoher Leistung in steigendem Maße durchsetzen. Lediglich der Trockenprozeß wurde, wenn man von der modernen Hochfrequenztrocknung, die ja nur eine Zusatztrocknung zur Egalisierung des Wassergehaltes in der Fläche sein kann, und von einigen sehr teuren Aggregaten der Vakuumtrocknung absieht, bisher in diese Entwicklung von Durchlaufverfahren noch nicht einbezogen. Die Durchlaufmaschinen haben zudem den Vorteil, dass sie zu beliebigen Fertigungsstrecken miteinander verbunden werden können, wodurch in Kombination mit Staplern weitere Einsparungen an Arbeitskräften möglich sind. Trotzdem muß gerade hier bedacht werden, dass zu lange Fertigungsstrecken die große Gefahr mit sich bringen, dass die Zurichtung, die wir besonders beweglich halten wollen, dadurch im Gegenteil zu unbeweglich werden kann. Und es ist sicher nicht von ungefähr, dass namentlich in Ländern, in denen die Entwicklung von Zurichtstrassen besonders ausgeprägt ist, die Fertigprodukte häufig zwangsläufig eine Uniformität zeigen, die dem Gedanken einer ledertypischen Entwicklung abträglich ist. Der Entwicklung von Gerbereimaschinen mit immer höherer Leistung und Exaktheit stehen andererseits Beschaffungspreise gegenüber, die vielfach nur noch von Großbetrieben mit hohem Durchsatz einigermaßen verkraftet werden können. Sind wir hier auf dem richtigen Weg? Oder was halten Sie von dem Gedanken eines Lederherstellers, statt dessen Wegwerfmaschinen zu entwickeln, deren Preis es gestattet, sie nach wenigen Jahren durch modernere Neuentwicklungen ersetzen zu können, um so den doch vielfach noch veralteten Maschinenbestand unserer Betriebe zu überwinden? Auch dieser Gedanke ist wohl der Überlegung wert.

6. Endzurichtung

Hier denke ich in erster Linie an die Deckfarbenzurichtung, die in den letzten zwei Jahrzehnten eine gewaltige Entwicklung sowohl in der Palette der zur Verfügung stehenden Produkte wie in der Breite der zu erzielenden Effekte erreicht hat. Dieses Gebiet wird aber in dauernder Entwicklung bleiben, und die Forderung nach ledertypischen Zurichtungen wird hier in erster Linie ihren Ausdruck finden müssen. Narbenverfestigende Imprägnierungen (wenn das Wort der Imprägnierung hier überhaupt am Platze ist) und Pflegeleichtzurichtungen seien hier besonders hervorgehoben. Solche Entwicklungen können aber nur zweckmäßig sein, wenn sie den Charakter und Griff des Leders nicht beeinträchtigen.

In diesem Zusammenhang sei auch die Möglichkeit des verstärkten Einsatzes von Kunststoffen bzw. von Kunststoffvorstufen für die Lederzurichtung angesprochen. Die Textilindustrie hat es einfacher. Sie kann durch Einsatz von Mischfasern die günstigen Wirkungen verschiedener natürlicher und synthetischer Fasertypen miteinander verbinden bzw. ihre ungünstigen Auswirkungen kompensieren. Dieser Weg ist der Lederindustrie versperrt, aber Entwicklungen, Vorstufen von Kunststoffen in das Lederfasergefüge zu bringen und dort auszupolymerisieren, könnten zu beträchtlichen Fortschritten führen. Untersuchungen auf diesem Gebiet befinden sich erst am Anfang, werden aber sicher in Zukunft intensive Bearbeitung erfahren müssen. Durch solche Kombinationen, bei denen Kunststoffe nicht auf der Oberfläche, sondern im Innern des kollagenen Fasergefüges abgelagert werden, dürften sich die Eigenschaften des Leders in weiten Grenzen variieren lassen, ohne dass das ledertypische Aussehen verloren geht.

Schließlich sei an dieser Stelle auch die Folienkaschierung auf Spaltleder erwähnt, durch die ohne Zweifel auf einfachem Wege wertvollere Oberflächenveredlungen als durch mehrschichtige Aufträge von Deckschichten erreicht werden können. Solche Materialien haben wie Lackleder vor lackierten Synthetiks den entscheidenden Vorteil, dass der Lederuntergrund einwandfreie tragehygienische Eigenschaften gewährleistet Schließlich sei an dieser Stelle auch die Möglichkeit erwähnt, durch Aneinanderkleben oder Hochfrequenzverschweißung mit anschließender Folienkaschierung Leder als Rollenware herzustellen, wodurch sicher die Verarbeitbarkeit verbessert und neue Einsatzgebiete insbesondere für Spalte erschlossen werden können.

7. Abfallverwertung und Umweltschutz

Diese Übersicht wäre nicht vollständig, würde ich nicht noch ein Wort zur zweckmäßigen Verwertung der bei der Lederherstellung anfallenden Abfallstoffe und zum Umweltschutz sagen. Für die Verwertung des Leimleders und der ungegerbten Spalte und Hautteile kommen in erster Linie die Herstellung von Leim und Gelatine, verdaulichen Wurstdärmen,Tierfutter, Düngemittel und Proteindetergentien in Frage, aber ob das auf die Dauer die alleinigen Absatzbereiche sind und ob die doch wertvollen Hautproteine nicht sinnvoller einzusetzen sind, ist schon der Überlegung wert. Die Herstellung künstlicher Leder auf ausschließlicher Proteinfasergrundlage in der Version der Highberger-Veiss-Patente wäre speziell für die Verwertung ungegerbter Hautabfälle und den früher erwähnten stärkeren Beschnitt der Rohhäute wertvoll, wenn diese Entwicklungen eines Tages doch noch zum Tragen kämen. Auf dem Gebiet des Umweltschutzes Interessieren die Praxis in erster Linie alle Fragen der Wasserverschmutzung und Abwasseraufbereitung, und früher oder später werden diese Fragen der Verminderung der Abwassermenge und Verbesserung der Abwasserqualität in allen Ländern akut. Ich kann auf diese Fragen hier nicht im einzelnen eingehen, obwohl sie uns alle noch viel beschäftigen werden. Aber ich bin gewiss, dass unsere Internationale Kommission für Fragen des Umweltschutzes unter der Leitung von Herrn van Vlimmeren hier noch viele wertvolle Arbeit leisten wird und leisten muß. Der Gedanke der fast vollständigen Wiederbenutzung des Abwassers nach Zwischenreinigung scheint verlockend, seine Verwirklichung ist zunächst aber doch noch fragwürdig.

C. Technischer Nachwuchs

Meine Ausführungen kann ich nicht abschließen, ohne nicht kurz noch die Nachwuchsfrage angeschnitten zu haben. Alle Maßnahmen der Rationalisierung führen ohne Zweifel zu einer gesteigerten Arbeitsproduktivität. Die Zahl der Menschen in den Lederfabriken wird bei gleichbleibender oder auch steigender Produktion trotz Arbeitszeltverkürzung geringer, der Bedarf an fachlich modern ausgebildeten Führungskräften für alle mittleren und höheren Positionen nimmt dagegen ständig zu. Für das wirtschaftliche Wachstum genügt nicht, vorhandenes technisches Wissen durch Forschung und Entwicklung zu erweitern. Erst die wirtschaftliche Nutzanwendung in Form neuer oder verbesserter Endprodukte oder Verfahren bedeutet einen technischen Fortschritt. Dafür benötigen die Betriebe der Lederindustrie und der Hilfsmittelindustrie Fachkräfte, die neue Erkenntnisse in die Praxis überführen können. Wir müssen also auch die berufliche Ausbildung unserer Fachkräfte immer mehr verbessern, die jungen Leute also nicht nur für den gegenwärtigen, sondern für einen vorausschaubaren zukünftigen Stand der Technologie ausbilden. Durch die technische Entwicklung steigen zugleich auch die Anforderungen an die berufliche Qualifikation. Dabei ist es nicht einfach mit einem Mehr an beruflichem Wissen und Können getan, vielmehr treten immer neue, andersartige Anforderungen und Aufgabenstellungen in den Vordergrund, und gleichzeitig muß Veraltetes, überholtes verschwinden. Da das in der beruflichen Ausbildung erworbene Wissen aber durch den Wandel der Technik immer rascher veraltet, ist darüber hinaus auch der beruflichen Weiterbildung der schon im Berufsleben Stehenden besondere Aufmerksamkeit zu schenken.



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