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Enthaarung und Gerbung mit dem Penetrator Teil 2 aus dem Jahre 1989

Von A. Petersen und H.-P. Germann

Wir haben an der Westdeutschen Gerberschule in Reutlingen eingehende Untersuchungen zum Einsatz des soeben von Herrn Petersen näher beschriebenen Penetrators in der Gerbung und der Enthaarung von Häuten und Fellen durchgeführt. Unsere wesentliche Fragestellung hierbei lautete:

  • „Ist es möglich, durch Einspeisung der entsprechenden Prozessflotten mit Hilfe des HS-Penetrators das Substrat Haut zu enthaaren bzw. zu gerben, ohne hierfür jegliche mechanische Walkwirkung in Anspruch nehmen zu müssen?„
  • Eine zweite, nicht minder wichtige Frage, die sich - heute zwangsläufig - daran anschließen muss, heißt: „Bietet diese neue Prozesstechnologie Vorteile in ökologischer Hinsicht? Oder anders ausgedrückt: Kann dieses neue Verfahren erfolgreiche Hilfestellung in Bezug auf die Einhaltung bestehen der bzw. in der Zukunft zu erwartender gesetzlicher Auflagen im Abwasserbereich leisten?“

Lassen Sie mich aufgrund der aktuellen Bedeutung der Abwasserfrage im Bereich der Chromgerbung und gemäß der Chronologie unseres Vorgehens zunächst auf den Einsatz des Penetrators in der Gerbung eingehen.

Gerbung:

Das Einspeisen der Chromgerbstofflösung in die Haut unter erhöhtem Druck bietet nicht nur den Vorteil eines völligen Verzichts auf mechanische Walkarbeit, sondern es eröffnet darüber hinaus ganz neue Perspektiven im Hinblick auf die chemische Prozessführung. So ist es durchaus im Bereich des Möglichen, dass man bei der erzwungenen raschen Penetration des Chromgerbstoffes in die Haut auf die gerbreaktionsbremsende Wirkung eines Pickels verzichten kann, was einerseits zu einer Verfahrensvereinfachung und andererseits zu einer drastischen Reduzierung des Kochsalz-Einsatzes in der Gerberei beitragen würde. Unter Berücksichtigung dieses Aspektes haben wir daher in unseren Versuchen weitgehend mit ungepickeltem Hautmaterial gearbeitet. Neben der Möglichkeit des reduzierten Kochsalz-Einsatzes bietet das Penetrator-System bei der Chromgerbung als Hauptvorteile die Vermeidung chromhaltiger Restflotten (aus diesem Prozess), wie sie beim konventionellen Verfahren in einer Menge von ca. 200 - 400 l pro t Blößengewicht mit einem Chromoxidgehalt von ca. 0,3-7 g/l typischerweise anfallen sowie die damit verbundene Einsparung von Wasser und Prozesschemikalien.

Es wurden zunächst Versuche zur Chromgerbung von Kleintierfellen, d.h. Ziegen- und Schaffellen, durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass bei diesem Hautmaterial ein Einspeisdruck von 4-5 bar im Normalfall völlig ausreichend ist, um eine vollständige Penetration des Chromgerbstoffes durch den Hautquerschnitt zu erreichen. Die Einspeisung der Gerbflotte kann sowohl von der Fleischseite als auch von der Narbenseite erfolgen.

Tabelle 1:

Bei unseren Versuchen erbrachte allerdings das fleischseitige Einspeisen Wet-blue-Leder mit einer insgesamt helleren und gleichmäßigeren Chromfarbe. Alle Wet-blue ergaben nach der Neutralisation und einer normalen Fettung einwandfreie Leder, die von weicher Beschaffenheit waren.

Untersuchungen des Chromoxidgehaltes in Narben-, Mittel- und Fleischspalt ließen erkennen, dass die Chromverteilung im Lederquerschnitt der einer Fassgerbung zumindest ebenbürtig, meist jedoch besser ist als diese.

In Tab. 1 sind exemplarisch einige Ergebnisse unserer ersten Versuchsreihen dargestellt. Hierbei wurden eine Gerbflotte mit 4,5 % Cr2O3, in Form eines handelsüblichen organisch maskierten Chromgerbstoffes, bei pH 3,2 und einer Flottentemperatur von 20 - 25 °C angewandt. Als Hautmaterial dienten ungepickelte Ziegen- und Schafblößen. Aus der Tabelle geht klar hervor, dass die Penetration bei Schafblößen am leichtesten gelang. Hier war bei einmaligem Durchlauf mit einer Bandgeschwindigkeit von 3 m/min ein Chromoxidgehalt im Leder von ca. 5 % zu erreichen.

Versuch 2 zeigt allerdings, dass die Gerbstoffpenetration auch im Falle der Ziegenblößen bei einem Durchlauf völlig ausreichend war. Die Anwendung von zwei Läufen in den restlichen Versuchen resultierte aus unserer Beobachtung, dass bei nur einem Lauf die Haut noch nicht zu 100% durchdrungen schien. Wie sich jedoch später herausstellte, wurde dieses Manko durch das Nachdiffundieren des Gerbstoffes in kürzester Zeit behoben. Von größerer Bedeutung für den zu erzielenden Chromoxidgehalt im Leder ist wohl die Lagerzeit nach erfolgter Einspeisung bis zur Neutralisation (vgl. Nr. 2 und 3). Hier bringt eine Lagerzeit von 2 Stunden im Mittel ca. 1 % mehr Cr2O3-Gehalt. Der Einfluss eines direkten Abwelkens nach der Einspeisung wird beim Vergleich der Versuche 1 und 2 deutlich, besonders bei der Differenz in der Schrumpfungstemperatur (Ts bei Abwelken um ca. 5 °C niedriger).

Erste Versuche der Penetrator-Chromgerbung von Rindshäuten lieferten im Fall von auf ca. 2 mm gespaltenem Blößenmaterial kochgare Leder mit einem Chromoxidgehalt von ca. 5 % bei einer Schwankung von max. 0,2 - 0,4 % im Hautquerschnitt. Für stärkeres Hautmaterial, insbesondere für ungespaltene Blößen, ist allerdings ein höherer Einspeisdruck der Anlage erforderlich.

Bei der von uns ebenfalls untersuchten Gerbung von Pelzschaffellen ergaben sich zwei weitere Vorteile des Penetratorsystems im Vergleich zur konventionellen Gerbung in bewegten Gefäßen. Zum einen war hierbei keine Verfilzungsgefahr der Wolle gegeben, und zum anderen war die Gefahr der unerwünschten Anfärbung der Wolle durch den nur kurzzeitigen Flottenkontakt erheblich reduziert.

Bei der konventionellen Gerbung von Pelzschaffellen bleiben aufgrund der stark verdünnten Flotten, die man zur weitgehenden Vermeidung der genannten Gefahren anwenden muss, ca. 60 % des Chromangebots ungenutzt. Hier bringt der Einsatz des Penetrators natürlich einen außerordentlichen Vorteil. Die Gerbversuche verliefen sowohl mit gepickelten als auch mit ungepickelten Fellen erfolgreich. Die ohne Pickel gegerbten Felle blieben allerdings etwas härter, da hierbei wohl ein gewisser Hautaufschluss durch die Säure fehlte. In unseren Versuchen konnten wir die Gerbstoffkonzentration der Flotte ohne Qualitätseinbussen auf 2 % Chromoxid reduzieren. Damit ergibt sich zwangsläufig auch ein geringerer Chromgehalt in den Restflotten der Nasszurichtung. Mit den derzeit verfügbaren handelsüblichen Chromgerbstoffen dürften hier Cr-Gehalte von </= 10 mg/l zu erreichen sein. Das Ziel einer deutlich darüber hinausgehenden Reduzierung der Auswaschverluste auf ca. 1 mg/l kann jedoch wohl nur in Verbindung mit (neu zu entwickelnden) besser fixierenden Chromgerbstoffen erreicht werden.

Neben der Chromgerbung wurden auch die Gerbung mit einem modifizierten Aldehyd und mit einem neuartigen Titan-Aluminium-Gerbstoff auf der Pilotanlage untersucht. Bezüglich der Penetration der Gerbflotte konnten hier prinzipiell die gleichen Beobachtungen gemacht werden, wie bei der Chromgerbung; d. h., bei nicht zu dickem Hautmaterial, insbesondere bei Kleintierfellen, war die Durchdringung des gesamten Hautquerschnitts bei einmaligem Maschinendurchlauf kein Problem.

Beide Vorgerbsysteme sollten sich zur Kombination mit einer anschließenden Penetrator-Chromgerbung eignen, wobei der Hauptvorteil ihrer Anwendung im Erhalten chromfreier Falzspäne zu sehen ist, für die speziell im Fall des Aldehyds vielfältige Verwertungsmöglichkeiten im Futter- und Düngemittelbereich bestehen könnten.

Enthaarung:

Die üblicherweise im Äscherprozess mit Sulfiden durchgeführte Enthaarung der Häute bzw. Felle stellt aus mehreren Gründen einen unerfreulichen Teilschritt in der Lederherstellung dar. Zum einen ist für die betroffenen Arbeitskräfte der Umgang mit den sulfidhaltigen Chemikalien recht unangenehm, und zum anderen verursacht dieser Prozess sowohl durch die Sulfide selbst als auch durch die hierbei erfolgende Zersetzung der Haare eine starke Abwasserbelastung, die einen entsprechenden Reinigungsaufwand nach sich zieht. Als Ausweg bieten sich hier enzymatische Enthaarungsmittel an, deren Wirkung sich nur auf den Haarwurzelbereich erstreckt und die das Haar selbst unzerstört lassen. Da die Enzyme selbst praktisch keine Abwasserbelastung darstellen und Haare bzw. Wolle in intakter Form ergeben, die leicht einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden können - insbesondere Schafwolle und Ziegenhaare sind wertvolle Rohstoffe -, bietet dieses Verfahren ökologisch große Vorteile.

Eine breitere Anwendung blieb der enzymatischen Enthaarung bis heute aufgrund der relativ hohen Enzymkosten und der im Vergleich zum konventionellen Äscher notwendigen exakteren Prozesskontrolle versagt. Bei einer Einwirkungsdauer der Enzympräparate von ca. 20 Stunden, wie sie beim Fassflotten- oder beim Schwödeverfahren erforderlich ist, kann durch Fehler in der Durchführung die Selektivität der Enzyme unter Umständen so weit eingeschränkt werden, dass auch ein gewisser Angriff des Hautproteins erfolgt, was besonders im Bereich der am fertigen Leder sichtbaren Narbenoberfläche zu irreparablen Schäden führt. Hier kann nun das Einspeisen von Enzymen unter Druck Abhilfe schaffen, indem die Einwirkungsdauer ganz entscheidend verkürzt werden kann, wodurch sich mögliche Prozessfehler auf ein Minimum reduzieren lassen. Es eröffnet sich hierbei auch die Möglichkeit, andere Enzyme mit stärker hautaufschließender Wirkung einzusetzen, deren Anwendung bei konventioneller Arbeitsweise aufgrund der genannten Gefahren von vornherein ausscheiden muss.

Damit scheint das Ziel eines reinen Enzymäschers für Enthaarung und Hautaufschluss einschließlich Beizeffekt in greifbare Nähe zu rücken. Erste Versuche in dieser Richtung, d.h. Anwendung einer enzymatischen Enthaarung unter Verzicht auf Nachäscher und Beize, wurden von uns bereits durchgeführt.

Tabelle 2:

In unseren Versuchen war nach erfolgter Enzymeinspeisung eine Einwirkungsdauer von ca. 1-3 Stunden, je nach Hautmaterial, bei einer Temperatur von ca. 30 °C erforderlich, um eine gute mechanische Enthaarbarkeit zu erreichen. Einige beispielhafte Resultate zeigt Tab. 2. Es wurde mit einer Enzymkonzentration von 15 g/l (50 000 LVE/g) bei einem pH von 9,6 - 9,8 und einer Flottentemperatur von 34 °C gearbeitet. Die Transportbandgeschwindigkeit lag bei diesen Versuchen bei 0,5 m/min und der Einspeisdruck bei ca. 4,5 bar. Aus der Tabelle wird deutlich, dass die Einspeisung von der Fleischseite generell zu besseren Ergebnissen führte als die Einspeisung von der Narbenseite. Unter den günstigsten Bedingungen waren Zickel- und Schaffelle nach einer Stunde mechanisch gut enthaarbar, während bei Ziegenfellen hierfür eine mindestens 2stündige und bei aus der Weiche gespaltenen Rindshäuten eine ca. 2 - 3stündige Enzymeinwirkung erforderlich waren. Bei der Enthaarung (Entwollung) der Schaffelle ließen sich Wolle und Epidermis häufig als zusammenhängendes Vlies ablösen.

Die Mitverwendung eines Entschäumers erwies sich bei der Enzym-Einspeisung als unbedingt erforderlich, da die Flotte beim Umpumpen so stark schäumte, dass kein ausreichender Druckaufbau mehr möglich war. Die wichtigste Voraussetzung zur erfolgreichen Enthaarung ist jedoch die richtige Vorbereitung der Häute und Felle durch eine intensive Weiche unter Mitverwendung von Weichenzymen.

Dank

Ich danke allen Mitarbeitern der Westdeutschen Gerberschule Reutlingen, die an diesen Untersuchungen beteiligt waren, insbesondere Herrn Muser sowie den Mitarbeitern der Abteilung Materialprüfung.

Weiterhin gilt unser besonderer Dank dem Bundesministerium für Forschung und Technologie für die uns für dieses Forschungsvorhaben über die DFVLR zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel.

Veröffentlichungen:

H.-P. Germann, A. Petersen, Enthaarung und Gerbung mit dem Penetrator, Das Leder 40, 9/1989, S. 187-191 und 10/1989, S. 205-207



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