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Prüfung des Dehnungsverhaltens von Leder
Prüfung des Dehnungsverhaltens von Leder
Die Kenntnisse des Dehnungsverhaltens von Leder sind gleichermaßen für die Auswahl des Leders, für seine Verarbeitung und den späteren Gebrauch von entscheidender Bedeutung. Die auf dem Tier nach dem Körper geformte Haut wird während der Herstellung des Leders in eine ebene Fläche gebracht und zur Verarbeitung später wieder in vielfältig gekrümmte Flächen verformt. Besonders deutlich tritt dies bei der Schuhherstellung hervor, wobei das Strecken eines Leders über die Form des Leistens beim Zwickprozeß erfolgt. Nach dem Entleisten des Schuhes darf sich dieser in seiner Form nicht verändern, das Leder muss aber Restanteile der bleibenden Dehnung beibehalten, damit es sich später der individuellen Form des Fußes anpassen kann. Weiterhin muss das Leder fähig sein, beim Gehen der Verformung des Fußes zu folgen und wieder durch seine Elastizität in die ursprüngliche Form des Schuhs beim Entlasten nach jedem Schritt des Trägers zurückzukehren. Jede stärkere Verdehnung von Leder setzt sich damit aus einem plastischen Anteil der bleibenden Dehnung und einem elastischen Teil zusammen.
Während der Bearbeitung ist der Lederhersteller in der Lage, das Dehnungsverhalten eines Leders durch die einzelnen Bearbeitungsgänge, ihre Auswahl und ihre Intensität auf den späteren Verwendungszweck einzustellen. Die Auswirkungen der einzelnen Behandlungen im Arbeitsgang von der rohen Haut bis zum fertigen Leder lassen sich am eindrucksvollsten durch den Vergleich der Kraftlängenänderungskurven, die während der Prüfung der Zugfestigkeit aufgenommen werden können, wiedergeben (Abb. 37). Die geäscherte und entkälkten und noch mehr die stark gebeizte Haut unterscheiden sich von der feuchten, nativen Rohhaut dadurch, dass das Anfangsstück der Kurve nach diesen Bearbeitungsgängen wesentlich flacher ist. Die Auflockerung des Fasergefüges und das Herauslösen von Zwischensubstanzen bewirkt diese Zunahme der Dehnung. Erfolgt die Prüfung nach dem Trocknen der rohen Haut und gleichermaßen der Blöße, dann verschwindet durch die Verringerung der Beweglichkeiten der Fasern das Anfangsstück und die Kurve steigt gleich steil an. Auch der Vergleich der Kraftlängenänderungskurven von fertigen Ledern lässt deutlich deren unterschiedliches Dehnungsverhalten erkennen, das auf den Verwendungszweck abgestimmt ist (Abb. 37). Während das Handschuhleder durch einen besonders flachen Verlauf im Anfangsbereich mit dem Dehnungsverhalten einer nassen, deutlich gebeizten Blöße zu vergleichen ist, zeigen die weiteren Lederarten über Möbelvachetten sowie pflanzliche und chromgare Oberleder zwar noch das typische Dehnungsverhalten nativer Haut, das flache Anfangsstück der Kurve ist aber immer weniger ausgeprägt. Bei Blankledern ist ein schon annähernd lineares Dehnungsverhalten und bei Sohlledern eine Umkehrung im Verhalten zu erkennen, d. h. hier ist das Anfangsstadium der Kurve sehr steil und fast linear, um später in ein flacheres Stadium überzugehen. E s liegt hier eine kontinuierliche Änderung des Dehnungsverhaltens vom weichen Leder mit frei beweglicher Faser bis zum harten, mit Gerbstoff gefüllten Leder vor. Die deutliche Abhängigkeit von der Größe der Faserzwischenräume zeigen die durchgeführten Messungen.
Abb. 37: Dehnungsdiagramme von Rohhaut und Blößen
Während sehr stark beschwertes Sohlleder ein Porenvolumen von nur 20 % aufweist, hat ein Sohlleder moderner Gerbung bereits 36 % und ein Sohlleder der Altgrubengerbung 41 % Porenvolumen. Ungefettete Chromleder liegen in Bereichen zwischen 50 % und 60 % im Porenvolumen.
Bei der Prüfung des Dehnungsverhaltens ist zwischen der Bestimmung der linearen und der flächenhaften Verdehnung zu unterscheiden. Die Auswahl des Prüfverfahrens richtet sich neben einer möglichen Beschränkung auf vorhandene Prüfgeräte nach der zu prüfenden Lederart und den Aussagen, die gemacht werden sollen.
Die Bruchdehnung:
Die Bruchdehnung gibt die Differenz zwischen der ursprünglichen Messlänge des Probekörpers bei der Bestimmung der Zugfestigkeit und der Lange im Augenblick des Reißens in Prozent an. Sie spielt heute nur noch für wenige Lederarten eine Rolle, da beim praktischen Gebrauch des Leders kaum eine Beanspruchung bis zum Bruchwert in Betracht kommt. Bei vielen flexiblen Lederarten treten während dieser Prüfung starke Querkontraktionen auf, so dass dadurch zu hohe Dehnungswerte erhalten werden können. Die bei der Prüfung verschiedenster Leder gemessenen Werte für die Bruchdehnung, wie sie in der Tabelle 9 enthalten sind, zeigen, dass eine Charakterisierung der Ledereigenschaften in wichtigen Gebrauchsbereichen nicht möglich erscheint. So geben z. B. Handschuhleder und Waterproofleder die gleichen Bruchdehnungswerte und auch Fensterleder sowie Juchtenleder liegen noch in diesen Bereichen. Wichtig ist die Bruchdehnung vor allen Dingen für technische Leder (Riemenleder usw.). Auch bei Schuhfutterleder wird die Bruchdehnung gemessen, die dabei 30 % nicht unterschreiten darf. Bei Werten, die darunter liegen, ist die Gefahr gegeben, dass das Futterleder, das während des Zwickvorganges nicht beobachtet werden kann, im Narben aufplatzt oder vollständig einreißt.
Prüfung der Dehnung bei niederer Belastung:
Bei den meisten Lederarten ist die Prüfung des Dehnungsverhaltens im plastischen Bereich wesentlich wichtiger als die Messung der Bruchdehnung in der Zerreißphase.
Tabelle 9: Vergleich von Dehnungswerten
Tabelle 9: Vergleich von Dehnungswerten,gemessen bei 100 N/cm² mit der Bruchdehnung
Art der Leder | Dicke | % Dehnung | % |
---|---|---|---|
in mm | bei 100 N/cm² | Bruchdehnung | |
Belastung | |||
Rindboxleder | 1,9 (1,57-2,03) | 4,6 (3-7) | 55 (37-66) |
komb. gegerbte Rindleder (Juchtenleder) | 2,8 (2,49-3,33) | 8,7 (5-11) | 67 (42-74) |
Waterproofleder | 3,0 (2,51-3,33) | 8,1 (5-11) | 72 (56-90) |
Futterleder | 1,1 (0,84-1,32) | 4,4 (3-8) | 39 (29-48) |
Bekleidungsleder | 1,2 (0,85-1,45) | 12 (9-23) | 60 (47-86) |
Handschuhleder | 1,2 (0,84-1,32) | 19 (15-31) | 72 (54-85) |
Fensterleder | 0,7 (0,62-0,77) | 28 (21-35) | 69 (55-83) |
Schweißleder | 0,7 (0,66-0,78) | 2 (2) | 26 (16-37) |
Feinleder | 0,9 (0,82-0,92) | 5 (4-6) | 52 (49-55) |
ASA-Leder | 2,0 (1,89-2,20) | 14 (10-19) | 87 (78-93) |
Zylinderleder chromgar | 0,9 (0,78-1,07) | 4 (3-6) | 52 (44-63) |
Vachetteleder | 1,5 (1,41-1,52) | 13 (11-15) | 68 (63-73) |
Aus der Tabelle 9 ist zu ersehen, dass zwischen den dort aufgeführten Lederarten Unterschiede im Dehnungsverhalten bei der Belastung von 100 N / cm² gemessen wurden, die zeigen, dass die Lederarten sich jeweils nach dem vorgesehenen Verwendungszweck, für den sie hergestellt wurden, verschiedenartig verhalten. So weisen Rindboxoberleder und vergleichbare Futterleder bei dieser Belastung Dehnungswerte auf, die verhältnismäßig gering und die wichtig für das erforderliche Formhaltevermögen der Schuhe sind. Eine Restdehnung für den Bereich des Tragekomforts ist vorhanden, so dass der Schuh sich trotzdem der individuellen Fußform anpassen kann. Bei Bekleidungsleder, das am Körper beim ständigen Tragen zwangsläufig einer etwas stärkeren Ausweitung ausgesetzt ist, muss auch die Dehnung entsprechend höher liegen. Trotzdem darf Bekleidungsleder nicht die Dehnungswerte des Handschuhleders haben, da die Kleidung sonst an Stellen, die beim Gebrauch stärkerer Dehnung ausgesetzt sind (z. B. in den Ellenbogenbereichen), ausbeulen würde. Hohe Dehnungswerte zeigen die Fensterleder, während technische Leder meist sehr formhaltig sein müssen. Die Dehnung bei niederer Belastung, die bis in die Bereiche von 200 N / cm² gehen kann, verläuft mit der Bruchdehnung nicht parallel.
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