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Thermoplastische Bindemittel für Bügel-Zurichtungen

Mit der Einführung der ursprünglich als Grundiermittel für Spaltleder entwickelten Kunststoffdispersionen hat sich eine Zurichttechnik entwickelt, die als Bügel-Zurichtung bezeichnet wird. Sie beruht darauf, dass auf der Lederoberfläche ein zusammenhängender Film gebildet wird, der sich unter dem Einfluss von Druck und Wärme verformen, zu einer glatten, glänzenden Oberfläche abbügeln oder mit beliebiger Narbenzeichnung prägen lässt. Der anwendungstechnische Vorteil der Bügel-Zurichtung liegt einmal darin, dass auch auf einer rauen, faseroffenen Lederoberfläche eine kompakte, abschließende Beschichtung erhalten werden kann, und zum anderen, dass die Bügelbehandlung mit einem Arbeitsgang relativ große Flächen erfasst. Die Bügel- Zurichtung ist im Hinblick auf den manuellen Arbeitsaufwand wesentlich rationeller als die Glanzstoß-Zurichtung, und sie lässt durch die großflächige Abschlussbehandlung leichter ein gleichmäßiges Flächenbild erzielen.

Als Bindemittel erfordert die Bügel-Zurichtung zu einem wesentlichen Anteil thermoplastische, während des Auftrocknens bei Raumtemperatur zu einer Filmschicht verlaufende Polymerisatdispersionen. Diese als Polymerisatbinder, Plastikbinder oder auch kurz als Binder bezeichneten Produkte werden durch Molekülvergrößerung ungesättigter organischer Verbindungen unter dem Einfluss katalytisch wirkender Radikale gebildet. Die hochmolekularen Kunststoffteilchen sind in Form feinster gelartiger Tröpfchen in Wasser gleichmäßig verteilt. Als Verteilungsmittel dienen Emulgatoren, welche die einzelnen Teilchen mit einer schützenden Wasserhülle umgeben und voneinander getrennt halten. Wenn die Teilchen sich an der Flüssigkeitsoberfläche berühren und miteinander verbinden, entsteht auf der Flüssigkeit eine Haut. Wenn sie sich innerhalb der Flüssigkeit verbinden, ballen sich im Binder kleinere oder größere Klumpen zusammen. Verbinden sich die Kunststoffteilchen auf einer Unterlage, z.B. auf der Lederoberfläche, so entsteht die für die Lederzurichtung gewünschte Beschichtung, welche dann zu dem kompakten Zurichtfilm verschweißt wird.

Ausgangsmaterialien für die filmbildenden Polymerisatdispersionen sind die Monomeren. Sie werden als Flüssigkeit in Wasser emulgiert und als Emulsion polymerisiert. Feste oder gasförmige Monomere werden mit flüssigen in emulgierbare Flüssigkeiten übergeführt. In Ausnahmefällen werden wasserfrei polymerisierte Produkte erst nachträglich dispergiert.

Die Ausgangsmonomeren haben wesentlichen Einfluss auf die Eigenschaften des Zurichtfilms. Sie bestimmen Elastizität, Zügigkeit, Lichtbeständigkeit, Quellfestigkeit und Filmklarheit. Andere Eigenschaften, wie z. B. Oberflächenklebrigkeit, Zerreißfestigkeit, Reibbeständigkeit, Filmbildetemperatur oder Kältebruchfestigkeit hängen zu einem beträchtlichen Teil von den Monomeren ab, werden aber auch durch den Polymerisationsgrad in gewissen Grenzen variiert. Emulgatorart und -menge beeinflussen zusammen mit dem Polymerisationsgrad die Teilchengröße, welche gemeinsam mit der von den gleichen Faktoren abhängigen Stabilität der Dispersion Verlauf und Filmbildung, Eindringvermögen, Füllwirkung und Haftfestigkeit bestimmt. Die Möglichkeit zur Variation der Filmeigenschaften und des Zurichtverhaltens sind außerordentlich groß, so dass eine sehr hohe Anzahl von Polymerisatdispersionen für die Lederzurichtung angeboten wird. Die einzelnen Binder können im Aufbau sehr verschieden oder auch untereinander ähnlich sein. Sie besitzen trotzdem unterschiedliches Gepräge, das sich bei spezifischer Anwendungsweise bemerkbar macht.

Der Zurichter sollte deshalb die umfangreichen Erfahrungen des Bindemittelherstellers nützen und dessen Anwendungsratschläge für den jeweiligen Fall verwerten. Obwohl die Monomeren nicht ausschließlich die Eigenschaften des Polymerisatfilms und diese nicht allein das Verhalten der Zurichtung bestimmen, kann doch eine gewisse Gruppencharakteristik angegeben werden, welche zumindest einen richtungweisenden Überblick gestattet (Tabelle 6).

Die hauptsächliche Basis der Polymerisatdispersionen für die Lederzurichtung bilden die Polyacrylate, unter diesen nimmt der Äthylester die dominierende Rolle ein. Vergleiche der Filmeigenschaften beziehen sich daher im allgemeinen auf das Polyäthylacrylat. Methylester ergeben härtere, weniger klebrige, Butylester weichere, stärker klebende Filme. Kälte- und Nässebeständigkeit sind bei Methylester geringer, bei Butylester besser als bei Äthylester. Methacrylate sind härter, weniger zügig und weniger thermoplastisch, dagegen stärker kälteempfindlich als Acrylate. Vinylverbindungen, Styrol und Acrylnitril ergeben härtere, sprödere Polymerisatfilme mit höherem Glanz, verminderter Klebrigkeit und besserer Kratz-, Scheuer- und Quellfestigkeit. Butadien ergibt weiche, aber nicht klebrige Filme mit guter Kältebeständigkeit, aber stumpfer Oberfläche und gummiartigem Griff.

Filmelastizität und thermoplastisches Verhalten können durch die Temperatur des Übergangs der Polymerfilme vom unelastischen Glas- in den plastischen Zustand gekennzeichnet werden. Diese Glasübergangstemperatur nimmt bei Acrylaten und Methacrylaten mit zunehmender Kettenlänge des Alkoholrests ab und dementsprechend wird die Kältebruchfestigkeit verbessert. Die Übergangstemperatur liegt bei Acrylaten um 80 bis 90 °C niedriger als bei den entsprechenden Methacrylaten. Sie reicht von - 70 °C bei Polybutylacrylat bis zu + 105 °C bei Methylmethacrylat. Die Filmeigenschaften werden aber außerdem durch den Polymerisationsgrad, also die Molekülgröße, durch die Führung des Polymerisationsprozesses und die Teilchengröße der Dispersion beeinflusst.

Tabelle 6: Einfluss der Monomeren auf die Filmeigenschaften der Polymerisatdispersionen

Zwischen dem Verhalten des isolierten Films und dem Verhalten der Zurichtschicht auf dem Leder bestehen zweifellos Zusammenhänge. So führen Filme mit hoher Elastizität zu guter Knickechtheit der Zurichtung. Es ist aber sehr wichtig, wie sich der Film auf dem Leder bildet, ob er tiefer in das Leder einzieht oder rasch an der Oberfläche abfiltriert wird. Dieses Verhalten hängt von der Stabilität der Dispersion ab und ist erkennbar an der höchst erreichbaren Konzentration, bei welcher die Dispersion bricht. Hohe Konzentration bzw. Stabilität führt zu tiefem Eindringen des Binders, geringe zu füllendem Beschichten der Lederoberfläche. Tiefes Eindringvermögen lässt gute Haftfestigkeit erreichen und mit ansteigender Haftfestigkeit wird die Zurichtung besser knickbeständig.

Möglichkeiten der Beeinflussung der Filmeigenschaften und damit der Verbesserung des Verhaltens der Zurichtung bestehen darin, dass die Polymersubstanz nach Ausbilden der Filmschicht auf dem Leder vernetzt wird. Dadurch wird der Film weiter verfestigt, er wird steifer, reißfester und weniger dehnbar. Das erhöhte Molekulargewicht setzt auch die Quellbarkeit und Löseempfindlichkeit gegenüber organischen Lösemitteln herab. Die Zurichtung wird durch das Vernetzen der Binder besser haftfest, reibecht, knick- und alterungsbeständig und ist weniger plastisch deformierbar.

Solche Reaktivbinder können entweder selbstvernetzend oder fremdvernetzend sein. Selbstvernetzende enthalten reaktive Meteorologischen in Form von N-Methylol-amino- alkyl- oder -amid-Derivaten, welche den Film in der Hitze, z. B. bei Abbügeln der Zurichtung, vernetzen. Fremdvernetzende Binder können reaktive Carboxyl-, Epoxy- oder Hydroxylgruppen enthalten, welche mit Calcium- oder Aluminiumionen umgesetzt werden. Mischpolymerisate mit Acetessigester-Gruppen lassen sich durch Amine oder Aldehyde vernetzen. Es ist auch versucht worden Polymerisate für die Lederzurichtung heranzuziehen, welche durch Ultraviolettbestrahlung vernetzt werden können. Eine weitere Möglichkeit zum Vernetzen des Films besteht darin, dass Doppelbindungen des Polymerisats durch Anlagerung von Schwefel vernetzt werden. Der Vulkanisierprozess ist bei Butadien-Polymerisaten oder bei Copolymerisaten von Butadien mit Acrylverbindungen durchführbar.

Die Filmeigenschaften der Polymerisate bestimmen zu einem wesentlichen Teil die Auswahl der Bindemitteldispersionen für den jeweiligen Zurichtzweck. Je nach der Lederart, dem vorgesehenen Verwendungszweck und den an die Zurichtung gestellten Anforderungen werden weichere, zügige oder härtere, durchreibfeste Filme bevorzugt. Speziell dehnbare, weiche Filme ergebende Binder werden für weiches, zügiges Leder, z. B. Handschuhleder oder Bekleidungsleder, eingesetzt. Binder mit härteren, reibfesteren Filmeigenschaften kommen wegen der stärkeren Beanspruchungsfähigkeit mehr für Schuhoberleder in Betracht. Die Grundregel des Aufbaus der Zurichtschichten, dass die unterste Schicht möglichst weich und dehnbar sein soll und dass die darauf folgenden Aufträge nach oben hin immer härter, reib- und stoßfester werden, legt den Gedanken nahe, dass man einen Binder mit härterer Filmbeschaffenheit auswählen und diesen für die unteren Schichten mit Weichmacheröl versetzen könnte. Das ist jedoch nicht mit befriedigendem Erfolg durchführbar. Weichmacher sind im Film nicht fest gebunden. Sie können unter dem Einfluss von Druck und Wärme beim Bügeln, aber auch ohne diese Einwirkung bei der Lagerung aus der Schicht, in der sie eingesetzt worden sind, in andere Polymerisatschichten wandern. Dadurch wird der ursprünglich weichgemachte Film härter und weniger elastisch, der ursprünglich weichmacherfreie Film weicher und weniger reibfest. Hinzu kommt, dass Bügel-Zurichtungen zu einem großen Teil auf geschliffenem oder auf Spaltleder durchgeführt werden, auf Leder also, dessen faseroffene Oberfläche begierig Öle und Fettstoffe aufnimmt, so dass die Gefahr des Abwanderns von Weichmacher aus der Zurichtschicht und von allmählichem Verspröden bestehen würde. Anstelle des äußeren Weichmachens durch Ölzusatz wird deshalb bei den Polymerisatdispersionen für die Lederzurichtung das Prinzip der inneren Weichmachung durch entsprechende Auswahl der Monomeren für die Polymerisation bevorzugt. Die weichmachende Komponente ist Bestandteil der Filmsubstanz und kann nicht abwandern. Nicht nur wegen der Filmweichheit, sondern auch zum Modifizieren anderer Filmeigenschaften werden in den meisten Fällen Bindemitteldispersionen nicht als reine Polymerisate aus einem einzelnen Monomeren, sondern als Copolymerisate aus zwei oder mehreren Monomeren hergestellt. Die Mischpolymerisation bietet viele Variationsmöglichkeiten der Filmeigenschaften; trotzdem ist es bisher nicht gelungen, einen Idealbinder aufzubauen, welcher für sich allein angewendet die vielseitigen Eigenschaften, die bei der Zurichtung der verschiedenen Lederarten verlangt werden, erfüllen kann. Deshalb werden in den meisten Zurichtrezepturen verschiedene Binder herangezogen, welche bei den einzelnen Lederarten wechseln und häufig auch in den verschiedenen Auftragsschichten einunddesselben Leders in unterschiedlichem Mengenverhältnis miteinander kombiniert werden.

Als Richtlinie für die Auswahl der Polymerisatbindemittel können im Hinblick auf die Filmeigenschaften und deren Einfluss auf das Verhalten der Zurichtung folgende Grundregeln aufgestellt werden.

  1. Weiche Filme bildende Polymerisate ergeben feinen Narbenwurf und verbessern die Kältebeständigkeit der Zurichtung. Sie führen jedoch zu einer klebrigen Oberfläche und sind gegen trockenes und nasses Reiben empfindlich. Ihr Einsatz beschränkt sich in erster Linie auf die untere Schicht des Deckfarbenauftrags.
  2. Polymerisate mit festerer, härterer Filmbeschaffenheit setzen die Klebrigkeit herab und sind gegen Reiben stärker widerstandsfähig. Sie neigen zu gröberem Narbenwurf und stärkerer Empfindlichkeit der Zurichtung gegen Kälte. Sie sind für dünne Aufträge in den oberen Schichten vorzuziehen.
  3. Polyacrylate zeichnen sich durch besonders gute Lichtechtheit aus. Sie sind bei Zurichtungen in Weiß und bei hellen Pastelltönen den meisten anders aufgebauten Mischpolymerisaten überlegen.
  4. Ausgeprägt wasserfestes Auftrocknen des Polymerisatbindemittels ist zwar vorteilhaft für die Naßreibechtheit der Zurichtung, kann sich aber auf die Haftfestigkeit des nachfolgenden wässrigen Auftrags nachteilig auswirken. Spritzaufträge können bei zu geringem Wiederanquellen des Untergrunds abperlen und sich nicht mehr ausreichend verankern. Reaktive Binder mit hitzevernetzendem Verhalten sollen daher nicht zu heiß zwischengebügelt werden. Das Leder soll auch vor dem Weiterverarbeiten nicht längere Zeit bei Raumtemperatur gestapelt werden, damit nicht eine unerwünschte wasserfeste Vernetzung eintritt. Binder mit stark wasserfest machenden Eigenschaften können vorteilhaft mit etwas stärker quellenden Bindemitteln als Zwischenschicht verarbeitet werden.
  5. Butadienbinder lassen ohne Gefahr stärkerer Klebrigkeit gute Kältebeständigkeit erzielen. Alterungs- und Lichtbeständigkeit lassen sich durch Mitverwendung von Acrylatbindern verbessern.

Bei der Einstellung der Deckschichten muss außerdem berücksichtigt werden, dass die in den Film inkorporierten Pigmente die Filmeigenschaften ebenfalls beeinflussen. Sie gehen nicht homogen in die Filmsubstanz ein, sondern sie werden als Fremdkörper eingelagert. Sie unterbrechen den kompakten Filmverband und können je nach Größe der Pigmentagglomerate und vorhandener Pigmentmenge die Zugfestigkeit, Dehnbarkeit, Nassreibfestigkeit und Nässebeständigkeit beeinträchtigen. Dagegen können Pigmente die Thermoplastizität vermindern, die Trockenreibechtheit verbessern und die Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeit erhöhen. Bei vernetzenden, reaktiven Bindern ist zu berücksichtigen, dass durch das Vernetzen der Film strammer wird. Das kann den Narbenwurf etwas beeinträchtigen, verbessert aber Zug- und Knickfestigkeit, Trocken- und Nassreibechtheiten. Außerdem werden Haftfestigkeit und Alterungsbeständigkeit gesteigert.



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