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Narbenimprägniermittel in der Zurichtung (tite / tight - coat)

Vorbereitung der Lederoberfläche für die Zurichtung ist ganz besonders wichtig bei Schleifboxleder. Für diese Lederart sind verschiedenartige Behandlungsmittel entwickelt worden. Sie haben alle zum Ziel, dass durch die Zurichtung die faserige Fläche des geschliffenen Narbens gleichmäßig und glatt versiegelt und eine Beschichtung aufgebaut werden kann, welche sich wie eine neue Narbenschicht dem Leder anpasst. Den Vorbehandlungsmitteln für Schleifboxleder ist gemein, dass sie in die geschliffene Narbenschicht einziehen und keine Filmschicht auf dem Leder ablagern. Sie werden in die Faserzwischenräume eingelagert wie ein Imprägniermittel und haben daher ihren Namen erhalten, obwohl ihnen keine spezifische hydro- oder oleophobierende Wirkung zukommt. Als erste Gruppe dieser Art wurden Ölgrundierungen herangezogen. Für deren Einsatz sind folgende Erwägungen bestimmend:

  1. Damit der Narben sich kurzfaserig schleifen lässt, wird das Rindleder mit vegetabilen und synthetischen Gerbstoffen nachgegerbt. Die Gerbstoffe werden überwiegend in den Außenzonen gebunden.
  2. Die Einsatzmenge an Fettstoffen ist bei der Lickerfettung ziemlich niedrig. Die Fettungsmittel sind im wesentlichen in den Außenschichten abgelagert.
  3. Beim Schleifen wird die fettreiche Narbenzone entfernt. Die angeschnittenen, nachgegerbten Lederfasern sind vermehrt saug- und quellfähig.
  4. Sie nehmen besonders begierig Fettstoffe aus der Umgebung auf und entziehen bei Lagerung des Leders der Zurichtschicht Weichmacheröl. Das kann zu Verspröden der Filmschicht führen.

Wenn die geschliffene Lederoberfläche mit einer Ölemulsion behandelt wird, kann der Fettgehalt der Narbenzone wieder angereichert werden. Saugvermögen und Quellfähigkeit der geschliffenen Fasern lassen sich dadurch wieder auf ein normales Ausmaß reduzieren. Der erhöhte Fettgehalt wirkt auch dem Abwandern von Weichmacheröl aus der Deckschicht entgegen. Diese Antimigrationswirkung kann noch gesteigert werden, wenn für die Ölgrundierung eine Emulsion mit kationischer Ladung verwendet wird. Neben dem Einsatz reiner Ölemulsionen trifft man auch Kombinationen von Ölemulsion mit Polyacrylat an, mit denen die Füllwirkung verbessert wird.

Die Einsatzmenge der kationischen Ölgrundierung muss vorsichtig dosiert werden. Anwendung im Überschuss kann die Haftfestigkeit der Zurichtung beeinträchtigen, besonders dann, wenn die Kationaktivität noch dadurch gesteigert ist, dass man die Ölemulsion mit basischem Farbstoff anfärbt. Diesem Risiko kann dadurch begegnet werden, dass der pH-Wert der Ölemulsion durch Alkalizusatz auf etwa 8 angehoben wird. Im neutralen bis alkalischen Bereich ist die kationische Ladung aufgehoben. Das erkennt man daran, dass die Emulsion nun mit anionischen Metallkomplexfarbstoffen angefärbt werden kann.

Ein völlig neuer Aspekt der Zurichtung von Schleifboxleder trat in Erscheinung, als mit der Entwicklung von Polyurethanlacken für die Lederzurichtung von den USA ausgehend 1965 eine Imprägnierung mit organischen Lösungen niedrigmolekularer Polyurethanprepolymerer eingeführt wurde. Solche Lösungen ziehen tief in das Lederfasergefüge ein und werden durch Vernetzung unlöslich eingelagert. Um die narbenfestigende Wirkung zu erzielen, müssen sie die Narbenschicht vollständig durchdringen und bis in die retikulare Faserschicht eindringen. Sie erfassen dabei die lose strukturierte Übergangszone zwischen Narben- und Retikularfasern, verbinden beide Zonen intensiv miteinander und heben die Losnarbigkeit des zugerichteten Leders auf.

Nachteil der Polyurethan-Narbenimprägnierung ist, dass das Leder bei kräftiger Imprägnierbehandlung verhärtet und weniger elastisch wird. Es kommt hinzu, dass das Prepolymer teilweise mit dem Feuchtigkeitsgehalt des Leders reagiert und dass dem imprägnierten Leder nur schwierig überschüssige Feuchtigkeit wieder zugeführt werden kann. Das macht sich bei Aufleisten der Vorderblätter in der Schuhfabrikation ungünstig bemerkbar. Wenn das Leder bei dem vorbereitenden Dämpfen oder Klimatisieren nur wenig Feuchtigkeit aufnimmt, ist es nur wenig dehn- und formbar. Um es über den Schuhleisten zu spannen und den Rundungen der Schuhform anzupassen, muss es kräftig gezogen werden. Dabei besteht die Gefahr, dass die durch das Schleifen ohnehin geschwächte Narbenzone platzt. Diese Gefahr wird noch dadurch gesteigert, dass die Imprägnierung das Lederfasergefüge nicht in der gesamten Dicke erfasst. Die nicht imprägnierte retikulare Zone kann beim Befeuchten ihren Wassergehalt ungehindert steigern. Sie wird entsprechend intensiver dehn- und formbar, und es entstehen bei der Zugbeanspruchung des Zwickens und Vorholens zusätzliche starke Spannungen zwischen Fleisch- und Narbenseite.

Im Laufe der Entwicklung ist das nachteilige Verhärten des polyurethan-imprägnierten Leders abgemildert worden, teils durch Abwandlung des Prepolymeren, teils durch abgeänderte Anwendungsweise. Die hohe Bedeutung, welche ursprünglich dieser Imprägnierart beigemessen wurde, hat sich nicht bestätigt. Andersartig aufgebaute Imprägniermittel haben sich einen wesentlichen Platz in der Narbenimprägnierung erobert. In Konkurrenz zu den Polyurethanprepolymeren sind Polymerisate getreten, welche den filmbildenden Bindemitteln nahestehen. Es handelt sich überwiegend um Polyacrylate. Entsprechend ihrem Verwendungszweck und der Notwendigkeit, tief in das Leder einzuziehen, sind sie weniger hochmolekular polymerisiert, feinerteilig dispergiert und elektrolytstabil eingestellt. Sie sollen nicht spontan einen Film auf der Lederoberfläche ablagern, sondern die flüssige Konsistenz möglichst lange aufrechterhalten, bis sie voll vom Leder aufgesaugt sind. Die Imprägnierbinder stellen entweder sehr feinteilige milchige Dispersionen oder klare bis schwach trübe Lösungen dar. Sie haben gegenüber den Polyurethanprepolymeren den Vorteil, dass sie den Ledergriff kaum verhärten und dass sie im wässrigen Medium angewendet werden können. In vielen Fällen erfordern sie jedoch, dass zusammen mit ihnen ein Penetrator angewendet wird, mit dessen Hilfe das Eindringen des Imprägniermittels gesteuert und auf die Saugfähigkeit des Schleifboxleders abgestimmt werden kann. Es wird angestrebt, dass die zumeist im Gießauftrag oder mit dem Airless-Spritzverfahren angewendete Imprägnierflotte voll eingezogen ist, wenn das Leder das Transportband der Gieß- oder Spritzmaschine verlässt. Das imprägnierte Leder wird dann Narben auf Narben gestapelt, ohne dass es zuvor eine Trockenanlage durchläuft. Diese Feuchtlagerung erfolgt meistens über Nacht. Sie ermöglicht eine noch weiter gehende Verteilung des Imprägniermittels im Leder und intensiviert die Wirkung. Die im Hinblick auf Erhaltung eines weichen Ledergriffs mildere Wirkung der Polyacrylat- Imprägnierbinder bringt es mit sich, dass die Narbenfestigung bei sehr losnarbiger Faserstruktur weniger ausgeprägt ist als bei Polyurethanprepolymeren. In Fällen extremer Losnarbigkeit behilft man sich zuweilen damit, dass zunächst wässrig mit Polyacrylaten imprägniert und dann mit einer stärker verdünnten Polyurethanlösung nachbehandelt wird. Die modische Tendenz zur Herstellung von extrem weichen Leder mit möglichst tuchartigem Charakter wird bei Bekleidungs- und Polsterleder durch intensive Walkbehandlung erfüllt. Das Millen im trockenen Zustand führt auch bei vollnarbigem Leder dazu, dass die Narbenschicht sich lockern und dass trotz relativ geringer Beschichtung das Leder losnarbig werden kann. In jüngerer Zeit wird daher auch bei Narbenleder eine Narbenimprägnierung interessant. Hierfür werden in gleicher Weise wie für Schleifboxleder Polyacrylat-Imprägnierbinder angewendet. Damit sie gut einziehen und die besonders dichte Faserstruktur der Narbenoberschicht durchdringen können, sind sehr feinteilige Dispersionen oder niedermolekuläre Lösungen zu bevorzugen. Außerdem wird meistens mit höherem Zusatz an Penetratoren zur Imprägnierflotte gearbeitet. Haftfestigkeit und mechanische Widerstandsfähigkeit der Zurichtung können dadurch gefördert werden, dass möglichst gleichartige, miteinander fest abbindende Zurichtmittel in den einzelnen Aufträgen angewendet werden. Von dieser Erkenntnis ausgehend und von der Tatsache, dass eine strapazierfähige Zurichtung von Polster- und Bekleidungs- Nappaleder im wesentlichen auf Nitrocellulose und Polyurethan aufgebaut ist, werden für die Narbenimprägnierung von Vollnarbenleder auch Polyurethanprepolymere herangezogen. Es erscheint wenig sinnvoll, dass man das Leder mit einer verhärtenden Polyurethanlösung imprägniert, um es dann durch besonders intensives Millen wieder weich zu machen. Deshalb werden für die Imprägnierung wässrige Polyurethandispersionen bevorzugt.



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lederherstellung/zurichtung/narbenimpraegniermittel_in_der_zurichtung.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/28 14:12 von admin