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Lösemittel und Verdünnungsmittel

Für die Anwendung von Farbzubereitungen, Bindemitteln und Appretiermitteln auf der Basis von Nitrocellulose oder Polyurethanen sind organische Lösemittel erforderlich. Ein großer Teil der angewendeten Produkte besitzt echte lösende Funktion. Daneben werden auch nicht lösende Produkte verwendet, die mit den Lösungen verträglich sind und als Viskosität und Trockenverlauf regulierende Verdünnungsmittel oder als verbilligende Streckungsmittel dienen.

Aus der Vielzahl existierender organischer Lösemittel werden die für die Lederzurichtung geeigneten nach folgenden Gesichtspunkten ausgewählt:

  1. Sie müssen Celluloseester oder bei Polyurethan-Einkomponentenlacken bereits vernetzte Polyurethane rückstandslos auflösen oder zumindest mit solchen Lösungen mischbar sein, ohne dass die Lacksubstanz chemisch verändert und allmählich schwer löslich oder gar unlöslich Wird. Alkohole, Dimethylformamid oder -acetamid scheiden für die Verwendung bei Zweikomponenten-Polyurethanlacken wegen der Umsetzung von Isocyanat mit Hydroxyl- oder Aminogruppen aus.
  2. Die Lösemittel sollen möglichst farblos sein. Sie dürfen den Farbton des Lackfilms nicht verändern und sollen keine nennenswerten Wassermengen aus der Luftfeuchtigkeit anziehen, weil sie sonst die Löslichkeit der Lacksubstanz beeinträchtigen und die Bildung eines homogenen Films stören. Wasserstörungen hängen zumeist mit dem Auftreten stärkerer Verdunstungskälte bei rasch flüchtigen Lösemitteln, z. B. Aceton, zusammen. Mit Wasser azeotrope Gemische bildende Lösemittel, z. B. Äthyl- oder Butylalkohol, lassen Wasserstörungen weitgehend vermeiden.
  3. Sie sollen neutral sein, da sauer oder alkalisch reagierende Lösemittel die Emballagen, Gefäße oder Rohrleitungen der Maschinen, auf denen sie angewendet werden, korrodieren und durch die gelösten Substanzen den Lack angreifen können. So ist mit Pyridin vergällter Alkohol als Verdünnungsmittel für Nitrocelluloselacke nicht geeignet, da die Pyridinbase den Lack braun verfärbt und die Filmsubstanz zerstört.
  4. Sie sollen den Lack möglichst rasch zu einem Film mit klebfreier Oberfläche trocknen lassen. Sie dürfen aber nicht zu rasch verdunsten, damit die aufgetragene Lacklösung gut verlaufen und die Lederoberfläche egalisieren kann. Die Verdunstungsgeschwindigkeit der auszuwählenden Lösemittel hängt von den Anwendungsbedingungen des Lacks ab. Sie kann bei Spritzanwendung am stärksten sein, während Gießaufträge wegen des Umlaufens der Lacklösung in der Maschine und Tamponierlacke wegen des Verweilens in offenen Schalen langsameres Verdunsten erfordern. Rasch verdunstende Lösemittel würden in diesen Fällen die Viskosität der Lacklösung und entsprechend Verlaufeigenschaften und Auftragsmenge während der Anwendungszeit laufend verändern.
  5. Die Filmsubstanz lösende und als Verdünner angewendete nichtlösende organische Lösemittel müssen so aufeinander abgestimmt sein, dass in den einzelnen Verdunstungsphasen stets ausreichende Mengen echter Lösemittel anwesend sind. Diese Maßnahme verhindert Störungen der Filmbildung, garantiert guten Verlauf und sichert das erforderliche Haften des Films auf der Unterlage.

Für Nitrocellulose sind echte Lösemittel:

Ketone:Aceton, Methyläthylketon, Butylketon, Cyclohexanon (Anon), Methylanon
Ester:Methyl-, Äthyl-, Butyl-, Cyclohexylacetat
Ätheralkohole:Äthylenglykol-mono-äthyl- oder -butyl-äther, kurz als Äthyl- oder Butyl-glykol bezeichnet
Ätheralkoholester:Methyl-, Äthyl, Butyl-glykolacetat

Als nichtlösende Verdünnungsmittel können verwendet werden:

Alkohole:Äthyl-, Propyl-, Butylalkohol; Methylalkohol ist wegen der augenschädigenden Giftwirkung nicht mehr gestattet
aromatische Kohlenwasserstoffearomatische Toluol, Xylol; Benzol ist als giftig in fast allen Ländern verboten, in verschiedenen Ländern ist auch die Anwendung von Toluol und Xylol nicht gestattet.

Aliphatische Kohlenwasserstoffe in Form von Lackbenzin sind theoretisch anwendbar, werden aber nur selten eingesetzt.

Interessant ist die Eigenschaft mancher nichtlösender Verdünnungsmittel, dass sie miteinander gemischt echte Lösewirkung für Nitrocellulose erlangen, z. B. Äther-Alkohol, Äther-Alkohol-Butanol, Alkohol-Toluol, Butanol-Toluol. Wenn man solche Verdünnungsmittel in der Leder-Zurichtabteilung verwendet, sollte man sie vor der Zugabe zum Lack erst miteinander mischen. Wenn sie einzeln zugesetzt werden, kann die Lacksubstanz teilweise ausfallen. Sie lässt sich dann beim Nachrühren der weiteren Komponente nur langsam und schwierig wieder homogen lösen.

Bei der Kombination von Löse- und Verdünnungsmitteln ist zu beachten, dass ein ausreichender Anteil echter Lösemittel bis zum Schluss des Verdunstens im Lack zurückbleibt. Überwiegen die nichtlösenden Verdünnungsmittel, kann die Filmbildung gestört werden und der Zurichtfilm nicht mehr genügend haften. Selbst wenn die Filmschicht nicht grau und trüb wird, müssen die Nachteile ungenügender Knickbeständigkeit und Reibfestigkeit befürchtet werden. Bei den in der Lösewirkung sich gegenseitig ergänzenden, allein aber nichtlösenden Verdünnungsmitteln ist darauf zu achten, dass sie möglichst weitgehend gemeinsam Verdunsten. Wenn eine Komponente wesentlich rascher verdunstet und die andere zurückbleibt, können die gleichen Störungen auftreten wie bei getrennter Zugabe der Verdünnungsmittel. So ist die Kombination Äther- Alkohol ungünstiger als Butanol-Toluol. Äther verdunstet erheblich rascher als Äthylalkohol, während Toluol und Butylalkohol dichter beisammen liegen, ebenso wie Butylalkohol und Xylol.

Als Lösemittel für reaktive Polyurethanlacke sind solche auszuwählen, welche nicht mit

Isocyanat reagieren und die noch nicht umgesetzten Lackkomponenten leicht lösen. Hierfür kommen in erster Linie Ketone und weitgehend alkoholfreie Ester in Betracht. Die für Nitrocelluloselacke verwendeten Ester enthalten meistens noch etwa 15 % Alkohol, der bei der Herstellung nicht abdestilliert worden ist. Diese 85 %igen Esterlösemittel können Topfzeit und Dauer der Gebrauchsfähigkeit von reaktiven Polyurethanlacken beeinträchtigen. Man setzt deshalb vorzugsweise fraktionierte, möglichst 100 %ige Ester ein.

Die nicht reaktiven, schwach vernetzten Einkomponenten-Polyurethanlacke werden meistens in soft solvents, in Gemischen von Methyläthylketon, Isopropylalkohol und Toluol gelöst und auch mit solchen Mischungen verdünnt.

Polyamide sind in erster Linie in Alkoholen löslich, in Estern und Ketonen dagegen unlöslich. Je nach Aufbau und Kondensationsgrad neigen sie bei Alterung der Lacklösung zum Gelatinieren. Neuerdings können stabile Lacke durch Lösen spezieller Polyamide in Gemischen von Alkoholen, Cycloalkoholen und aromatischen Kohlenwasserstoffen

hergestellt werden. Sie werden mit einem entsprechenden, vom Lackhersteller gelieferten Verdünnergemisch auf gebrauchsfertige Verdünnung eingestellt. Die für die Lederzurichtung verwendeten Lacke werden im allgemeinen als gelöste Konzentrate geliefert. Sie werden dann in der Lederfabrik gebrauchsfertig verdünnt und den jeweiligen Anwendungsbedingungen angepasst. Von vielen Herstellerfirmen werden dafür geeignete Verdünner angeboten. Das sind keineswegs nur nichtlösende Verdünnungsmittel. Sie enthalten im Gegenteil hochwertige Lösemittel, die meistens aus verschiedenen Komponenten gemischt sind und teilweise auch nichtlösende Verdünnungsmittel enthalten. Wenn der Zurichter sich einen Verdünner selbst zusammenstellen will, dann muss er die nachstehenden Faktoren beachten:

  1. Ausschlaggebend ist, ob die einzelnen Lösemittelkomponenten die Filmsubstanz lösen oder ob sie nur die vorliegende konzentrierte Lösung verdünnen. Lackkonzentrate mit hochwertigen Lösemitteln vertragen manchmal erstaunlich hohe Zusätze von Verdünnungsmitteln.
  2. Die Verdunstungsgeschwindigkeit von lösenden und nichtlösenden Anteilen muss sorgfältig aufeinander abgestimmt werden. Als Richtlinie gelten hierfür Verdunstungszahl und Siedegrenzen (Tabelle 7).

Verdunstungsgeschwindigkeit und Siedegrenzen laufen nicht exakt parallel. Die nichtlösenden Kohlenwasserstoffe verdunsten im Vergleich zu den echten Lösemitteln rascher als es ihren Siedegrenzen entspricht. Als allgemeine Richtlinie kann angenommen werden, dass niedrig siedende, leicht flüchtige Lösemittel den auf das Leder aufgetragenen Lack rasch antrocknen lassen, aber weniger Glanz ergeben, Verlauf und Haftfestigkeit vermindern. Hochsiedende, langsam verdunstende Lösemittel erfordern längere Trockendauer, steigern Glanz, Verlauf, Egalisiervermögen und Haften des Films.

Für Lederlacke scheiden die sehr rasch flüchtigen Niedrigsieder Äthyläther und Aceton praktisch aus, da sie die Filmbildung unter den vorherrschenden Anwendungsbedingungen mehr stören als fördern. Ein oft verwendetes, aber als schnell verdunstende Komponente nur anteilig eingesetztes Lösemittel ist das auch als Essigester bezeichnete Äthylacetat. Ihm ist Methyläthylketon anwendungstechnisch etwa gleichzustellen. Als Verdünnungsmittel werden vorwiegend Äthyl- oder Butylalkohol zusammen mit Toluol herangezogen. Die Alkohole bilden zusammen mit Wasser azeotrope Gemische, lassen Feuchtigkeit leichter und rascher entfernen und wirken daher als Schutzmittel gegen Wasserstörungen. Besonders vorteilhaft verhält sich in dieser Hinsicht Butylalkohol. Die Alkohole werden durch Toluol kompensiert;

Tabelle 7: Nitrocellulose-Lösevermögen, Verdunstungszeit und Siedegrenzen organischer Lösemittel.

(Angaben der Verdunstungszeit sind bezogen auf Äthyläther = 1.)

Lösungsmittel lösend (L)
verdünnend (V)
Verdunstungszeit Siedegrenzen °C
Aceton L 2,1 55-56
Methyläthylketon L 2,6 79-81
Äthylacetat L 2,9 74-78
Toluol V 6,1 110-111
Methylalkohol V 6,3 64-65
Äthylalkohol V 8,3 78
Isopropylalkohol V 10,5 80-82
Butylacetat (85%) L 12,5 110-132
Xylol V 13,5 136-140
n-Butylalkohol V 33 114-118
Methylglykolacetat L 35 138-152
Cyclohexanon L 40 150-156
Äthylglykol L 43 132-136
Methylcyclohexanon (85 %) L 50 165-176
Äthylglykolacetat L 52 149-160

das Gemisch wirkt als Löser. Trotzdem muss der gesamte Verdünner als Sicherheitsfaktor ein echtes Lösemittel enthalten, dessen Verdunstungszeit und Siedegrenzen die Kennzahlen der Verdünnungsmittel übersteigen. Hierfür bietet sich Butylacetat an, das bei nicht zu langer Trockendauer günstige filmbildende Eigenschaften für Nitrocelluloselacke besitzt. Ein solches Lösemittelgemisch aus

  • 20 bis 25 Teilen Äthylacetat
  • 30 Teilen Äthyl- oder Butylalkohol
  • 30 Teilen Toluol
  • 20 bis 15 Teilen Butylacetat

kann gegebenenfalls auch zum Verdünnen nichtreaktiver Polyurethanlacke verwendet werden.

Unabhängig davon, welche Einzelkomponenten man bevorzugt, ist zu beachten, dass Verdunstungszeit und Siedegrenzen der einzelnen Bestandteile möglichst fortlaufend ineinander übergehen. Die Verdunstungszeit der für sich allein nichtlösenden Verdünnungsmittel soll möglichst nahe beieinander liegen, damit nicht während des Trockenvorgangs eine Komponente allein zurückbleibt und dann die Filmbildung stört. Zumindest ein Anteil von 10 bis 20 % des gesamten Lösemittelgemischs soll langsamer verdunsten als die Verdünnungsmittel, damit die fílmbildende Substanz bis zum Erstarren zu einem homogenen Film verfließen kann.

Komplikationen beim Verdünnen von Nitrocelluloselacken können weitgehend vermieden werden, wenn man als einziges Lösemittel Butylacetat (85 %) verwendet, das als Schutz gegen Wasserstörungen bereits 15 % Butylalkohol enthält. Das ist freilich nicht das preisgünstigste Produkt, sein Einsatz wird aber dadurch interessant, dass man anwendungstechnisch weitgehende Sicherheit hat und dass man nur ein einzelnes organisches Lösemittel vorrätig zu halten braucht. Das Lösemittel kann gegebenenfalls auch zum Verdünnen kombinierter Polyurethan-Nitrocellulose-Lacke verwendet werden, wenn man die begrenzte Topfzeit - infolge der Anwesenheit von Butylalkohol - berücksichtigt und nur jeweils für eine Arbeitsschicht bestimmte Ansatzmengen bereitet. Das ist besonders dann leicht durchführbar, wenn derartige Spezialzurichtungen nur für kleinere Partiegrößen vorgenommen werden.



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