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Grundlagen der Filmbildung

Die bei der Zurichtung auf die Lederoberfläche aufgebrachten Schichten werden - von vereinzelten Ausnahmen abgesehen - nicht als fertige, kompakte Folie aufgetragen. Die Zurichtmittel werden vielmehr in flüssiger Form auf dem Leder verteilt und die einzelnen Schichten bilden sich beim Auftrocknen. Vorgänge der Filmbildung sind daher ein wesentliches Moment der Zurichtung. Vom Ablauf dieser Filmbildung hängen Zurichteffekt und Qualitätseigenschaften des zugerichteten Leders in hohem Umfang ab.

Die bei der Lederzurichtung angewendeten Substanzen für die Filmbildung sind hochmolekulare Körper von sehr unterschiedlichem chemischem Aufbau. Sie werden entweder in der Form kolloidaler wässriger Lösungen, oder in geeigneten organischen Lösemitteln gelöst, oder als in Wasser dispergierte Substanzen herangezogen. Die wässrigen und ebenso die organischen Lösungen sind in ihrer Konsistenz konzentrationsabhängig. Mit ansteigender Konzentration nimmt die Viskosität der Lösungen stetig zu, und zwar um so mehr, je höhermolekular die gelöste Substanz ist. Im Gegensatz dazu wird die Viskosität der Dispersionen durch Konzentration und Molekülgröße der dispergierten Stoffe kaum beeinflusst, zumindest nicht im Gebiet unterhalb der kritischen Konzentrationsgrenze. Das hängt damit zusammen, dass die dispergierten Substanzen von dem umgebenden Wasser nicht gelöst werden, sondern darin in feinstverteilter Form schweben. Die für eine große Gruppe der Lederzurichtmittel eingebürgerte Bezeichnung Kunststoff-Dispersionen ist chemisch ungenau. Dispersion ist die Sammelbezeichnung für ein aus mehreren Phasen (einer verteilten und einer umgebenden Phase) bestehendes System von Stoffen, die sich nicht gegenseitig lösen oder homogen miteinander mischen lassen. Je nach verteilter (disperser) und umgebender (kohärenter) Phase unterscheidet man:

festin Gas =Rauch
flüssig in Gasin Gas =Nebel, Aerosol
Gasin flüssig =Schaum
flüssigin flüssig =Emulsion
festin flüssig =Suspension

Bei den wasserverdünnbaren Zurichtprodukten auf der Basis von Nitrocellulose handelt es sich um Emulsionen, in denen die Lacklösung in Wasser verteilt ist. Es existieren auch Polyurethanemulsionen mit in Lösemittel gelöstem Polyurethan als innerer und Wasser als äußerer Phase. Die filmbildenden Polymerisate, welche für die Lederzurichtung herangezogen werden, stellen in Wasser feinstverteilte Polymertröpfchen von 0,01µm bis 0,05 µm Durchmesser dar. Diese Polymerteilchen sind weder flüssig noch fest, sie liegen in halbfester, gequollener Form vor. Sie ergeben entsprechend der Definition weder Emulsionen noch Suspensionen und werden deshalb mit dem übergeordneten Begriff Dispersion bezeichnet. Für die Betrachtung der Filmbildung ist ein Überblick über die bei der Lederzurichtung eingesetzten Filmbildner und über ihre Anwendungsform erforderlich. Thermoplastische Polymere sind unter Einwirkung von Wärme und Druck ohne Zersetzung verformbar. Hierzu gehören Polyacrylate, Mischpolymerisate des Butadiens mit Vinyl- oder Acrylverbindungen, des Vinylidenchlorids oder Polyurethane. Sie werden fast ausschließlich als wässrige Dispersionen verwendet. Nur Polyurethane werden auch als Lösung in organischen Lösemitteln oder als lösemittelhaltige Emulsion herangezogen. Nichtthermoplastische Substanzen sind nicht ohne Zersetzung thermisch verformbar. Lederzurichtmittel dieser Art sind Casein und Cellulosenitrat oder -acetobutyrat. Casein wird ausschließlich in wässriger, kolloidaler Lösung, die Cellulosederivate werden als organische Lösung oder als wässrige, lösemittelhaltige Emulsion angewendet (Abb. 2).

Die Filmbildung erfolgt in jedem Fall durch Übergang der Partikel aus der frei beweglichen Form der flüssigen in die unbewegliche, fixierte Form der festen Phase. Das geschieht durch Abgabe des Löse- oder Verdünnungsmittels, bei wässrigen Lösungen und Dispersionen des Wassers, bei organischen Lösungen des Lösemittels, bei Emulsionen des Wassers und des Lösemittels.

Abb. 2: Überblick über die filmbildenden Zurichtmittel

Diese Abgabe kann dadurch erfolgen, dass die Flüssigkeit durch das Substrat, durch den porösen Lederuntergrund, abgesaugt wird, oder dass sie in die umgebende Atmosphäre verdunstet. Bei der Lederzurichtung kommen beide Faktoren zusammen, doch geht der Einfluss der Saugwirkung mit zunehmendem Oberflächenabschluss bei den oberen Aufträgen immer mehr zurück. Die Bedingungen für die Filmbildung bleiben daher im Verlauf der Lederzurichtung nicht konstant, sondern sie ändern sich mit jedem Auftrag. Hierauf müssen Rezeptur und Auftragstechnik der einzelnen Aufträge abgestimmt werden.

Unabhängig von der Anwendung im Streich-. Gieß- oder Spritzverfahren ist das Verhalten der Zurichtflotten darauf ausgerichtet, dass sie sich möglichst gleichmäßig auf dem Leder verteilen, die Flüssigkeit möglichst rasch abgeben und einen mehr oder weniger kompakt zusammenhängenden Film bilden. Die Dauer der Flüssigkeitsabgabe bis zu dem Stadium, in dem die filmbildenden Lösungen bzw. die einzelnen Tröpfchen nicht mehr frei beweglich fließen und ihre Lage zueinander nicht mehr nennenswert verändern können, muss ausreichend groß sein, dass gleichmäßiges Verlaufen gewährleistet ist. Aus verfahrenstechnischen und wirtschaftlichen Gründen wird aber rasche Filmbildung angestrebt, damit Trockenstrecken und Wärmeaufwand für das Trocknen rationell gehalten werden können.

Gleichmäßiges Verteilen der Zurichtflotten beim Auftrag und gutes Verlaufen bis zum Trocknen hängen von der Stabilität der Zurichtmittelflüssigkeiten ab. Die als Lösung vorliegenden Produkte sind allgemein in ausreichendem Maße stabil. Dem Verlauf werden nur Grenzen gesetzt durch die Viskosität der Lösung. Diese nimmt mit ansteigender Konzentration stark zu, bis die freie Beweglichkeit eingeschränkt ist und die Filmbildung beginnt.

Konzentration und Viskosität nehmen nicht nur durch Verdunsten des Wassers oder Lösemittels zu, sondern auch dadurch, dass das Lederfasergefüge die Flüssigkeit bevorzugt aufnimmt und von der gelösten Substanz selektiv absaugt. Die Viskosität steigt um so stärker an, je höhermolekular der gelöste Stoff ist. Für Zurichtaufträge, welche tief in das Leder eindringen sollen, z. B. Narbenimprägnierungen, werden aus den vorgenannten Gründen stabile Lösungen niedriger molekularer Substanzen und deren Anwendung in größerer Flüssigkeitsmenge vorgezogen. Umgekehrt sind für intensiven Oberflächenabschluss ausreichend hochmolekulare Lösungen vorteilhaft, die auch in höherer Konzentration angewendet werden können. Hier sei auf das Gießen von Polyurethanlack für Lackleder hingewiesen.

Die Stabilität von Emulsionen hängt ausschlaggebend vom Emulgator und von den emulgierten Lösemitteln ab. Wenn während des Trockenvorgangs die Emulsion bricht, müssen die im Wasser feinstverteilten Lacktröpfchen möglichst weitgehend zu einer homogenen Lacklösung zusammenfließen. Lösemittelanteile, welche langsamer verdunsten als Wasser, müssen in ausreichend großer Menge vorhanden sein, damit diese Grundbedingung für einen homogen verfließenden Lackfilm erfüllt wird. Wenn die Lösemittel rascher verflüchten als das Wasser, treten Wasserstörungen in Form milchiger Flecken auf. Wenn bei den langsam verdunstenden organischen Flüssigkeiten nichtlösende Verdünnungsmittel die echten Lösemittel überwiegen, kann die Filmbildung ebenfalls gestört, die Haftfestigkeit des Films auf der Unterlage beeinträchtigt werden.

Bei den Polymerisat-Dispersionen hängt die Stabilität vom Emulgator, von der Teilchengröße und von der Herstellungsweise im Direkt- oder Inversionsverfahren ab. Feinteilige Dispersionen sind höherviskos und stabiler als gröberdisperse. Das ist bedingt durch die größere innere Oberfläche und durch die entsprechend stärkere Wechselwirkung der Teilchen. Durch Verdunsten des Wassers oder durch Absaugen der Netzmittellösung der äußeren Phase wird die schützende und die einzelnen Teilchen voneinander trennende Wasserhülle entfernt. Die Kunststoffteilchen lagern sich immer dichter aneinander, bis sie die freie Beweglichkeit völlig verlieren und einen zusammenhängenden Film bilden.

Bei Auftrocknen einer Lösung hochmolekularer Stoffe verfilze11die Polymerteilchen mit ansteigender Konzentration immer stärker miteinander oder sie lagern sich im idealen Fall parallel aneinander an. Je größer das Molekulargewicht bzw. je höher der Polymerisationsgrad ist, um so intensiver verfestigt sich der Film. Dieses Prinzip der Filmbildung gilt gleichartig für wässrige und Lösemittellösungen. Das gilt auch weitgehend für Emulsionen, doch kann hierbei der homogene Film durch Kapillaren unterbrochen werden. Das hängt von dem Verhältnis Lösemittel zu Wasser ab, das im Stadium des Brechens der Emulsion vorliegt.

Überwiegen bis zum Erstarren der verbleibenden Lacklösung wasserunlösliche Lösemittel, bildet sich ein kompakter Film. Je mehr mit Wasser mischbare oder mit diesem sich lösende organische Lösemittel verbleiben, um so stärker wird der Film durch Kapillaren unterbrochen.

Bei lösemittelfreien Polymerisatdispersionen hängt die Filmbildung ausschließlich von den Polymerteilchen ab. Der Verlauf des Trocknens von der Flüssigkeit zum Film erfolgt in drei Phasen.

  • In der ersten Phase wird das Wasser in freier Verdampfung mit gleichmäßiger Geschwindigkeit abgegeben. Die Dispersion bleibt dabei noch niedrigviskos, die Polymerteilchen bleiben frei beweglich und können zur Bildung einer homogenen Fläche verlaufen.
  • In der zweiten Phase wird die Verdampfungsgeschwindigkeit des Wassers vermindert, die Viskosität steigt immer mehr an, die Teilchen werden zum Filmverband orientiert und sind nur noch wenig gegeneinander beweglich. Die isolierende Wasserhülle wird abgebaut, der Verlauf unterbunden.
  • In der dritten Phase werden die Kohäsionskräfte voll wirksam, die Packung der Polymerteilchen wird verdichtet. Das in den Zwischenräumen noch verbliebene Wasser verdampft, der Film trocknet endgültig durch. Der entstandene Film stellt keine homogene Substanz dar, sondern er besteht aus dicht aneinander gelagerten Kügelchen, welche als einzelne Individuen erhalten bleiben und bei starker Vergrößerung im Elektronenmikroskop zu erkennen sind.

Die Vorgänge der Filmbildung laufen beim Zurichten von Leder in ähnlicher, aber nicht völlig gleicher Form ab wie im Idealzustand bei Auftrocknen auf einer Glasplatte oder einem anderen glatten, nicht saugfähigen Untergrund. Das Lederfasergefüge saugt einen beträchtlichen Anteil der Flüssigkeit auf, so dass die erste Phase der Filmbildung, in der sich die Polymerteilchen noch frei bewegen können, mehr oder weniger stark verkürzt wird. Sobald mit Erreichen der zweiten Phase die Viskosität deutlich ansteigt, hört die Verlauf- und ebenso die Penetrationswirkung auf. Wird tiefes Eindringen der Polymeren in das Lederfasergefüge gefordert, sind Lösungen oder besonders feinteilige Dispersionen zu bevorzugen. Niedriger molekulare Substanzen, deren Viskosität mit zunehmender Konzentration weniger stark ansteigt, sind z. B. für narbenfestigende Imprägnierungen vorteilhaft. Im Gegensatz dazu ergeben hochmolekulare Filmbildner und gröberteilige Dispersionen stärkeren Oberflächenabschluss und intensivere Füllwirkung. Sie sind besonders für faserige Oberflächenstrukturen, z. B. bei der Zurichtung von Schleifbox- oder Spaltleder, geeignet. Infolge der weniger dichten Packung des Films ergeben grobteilige Dispersionen geringeren Glanz als feinteilige. Auf die füllende, die Lederoberfläche abschließende und das Saugvermögen stark reduzierende Grundierschicht kann eine feinteilige Dispersion aufgetragen werden, welche nun nicht mehr in das Lederfasergefüge einzieht, sondern an der Oberfläche bleibt, diese gut egalisiert und die Glanzwirkung der Zurichtung steigert. Die Filmbildung bei der Lederzurichtung wird gegenüber dem Idealfall weiterhin dadurch kompliziert, dass kaum jemals ein einzelnes Produkt angewendet wird. Zu den filmbildenden Bindemitteln können farbgebende Pigmente hinzukommen, welche die Homogenität des Films unterbrechen. Die Pigmente können in den in flüssiger Form vorliegenden Bindemittellösungen im allgemeinen gut und vollständig eingebettet werden. Bei Dispersionen ist für volles Umhüllen der Pigmente geringe Teilchengröße der Kunststoffpartikel vorteilhaft. Sie sollte mindestens zehn mal kleiner sein als die der Pigmentpartikel. Die Anwendungsmöglichkeit grobdisperser Bindemittel wird durch Mitverwendung von Lösemittel oder Weichmacher verbessert.

Einen weiteren Einfluss auf die Filmbildung übt das durch Bügeln oder Narbenpressen verursachte thermoplastische Verformen aus. dass die polymeren Kugelteilchen dabei zumindest an der Oberfläche des Films zusammengepresst und intensiv miteinander verbunden werden, erkennt man am gesteigerten Glanz und an der verbesserten Reibechtheit nach dem Pressen. Die im Elektronenmikroskop nachgewiesene, verbleibende Kugelpackung mit zwickelartigen Hohlräumen zwischen den Berührungsstellen erklärt, dass auch der bei makroskopischem Betrachten homogen verschweißt erscheinende Zurichtfilm für Wasserdampf noch durchlässig bleibt.

Unter den üblichen Arbeitsbedingungen der Lederzurichtung mit Durchlauf durch einen Trockenkanal bei etwa 60 °C Lufttemperatur wird das endgültige Stadium der Filmtrocknung noch nicht erreicht. Die noch im Quellungszustand vorliegenden Polymerteilchen ergeben einen weniger festen Filmverband und schlechtere physikalische Eigenschaften als nach endgültigem Durchtrocknen. Die Dauerbiegefestigkeit (Flexometerwert) eines frisch zugerichteten Leders, insbesondere das Verhalten bei der Nassprüfung, wird durch Wärmelagerung vor der Prüfung (etwa 18 Stunden bei 80°C) deutlich verbessert. Etwa gleiches Verhalten des Leders wird nach einem Monat Lagerung bei Raumtemperatur erreicht. Für die Qualitätsbewertung einer Zurichtung ist es daher zweckmäßig, dass man entweder genügend lange abgelagertes Leder prüft oder eine Alterung durch Wärmelagerung vor der Prüfung vornimmt.

Zu den Besonderheiten der Filmbildung beim Zurichten von Leder gehört schließlich, dass der Zurichtfilm aus mehreren, unterschiedlich zusammengesetzten Schichten besteht. Diese Schichten bilden jeweils einen Film für sich, ihre Eigenschaften müssen aber so aufeinander abgestimmt sein, dass sie als Filmeinheit der Lederoberfläche die geforderten Eigenschaften vermitteln. Grundlegende Forderung für die Erfüllung dieses gemeinschaftlichen Verhaltens ist, dass die Einzelschichten fest aufeinander haften und sich auch bei intensiver Beanspruchung durch Knicken, wiederholtes Stauchen, Einwirkung von Hitze oder Masse nicht voneinander trennen. Für einwandfreies Haften der Gesamtschicht ist das Haften der Grundierung auf dem Lederfasergefüge ausschlaggebend. Das Haften der Einzelschichten aufeinander wird dadurch bestimmt, dass die aufgetragenen Flüssigkeiten auf dem jeweiligen Untergrund fest abbinden können. Hierzu reichen die Kräfte einer einfachen Oberflächenadhäsion nicht aus. Die Flüssigkeit muss vielmehr fähig sein, die Unterlage in ausreichendem Maße wieder anzuquellen, so dass die filmbildende Substanz vor dem Erstarren zum Film zu einem gewissen Anteil in die Unterlage diffundieren und sich dadurch fest verankern kann.

Eiweißhaltige Zurichtschichten dürfen deshalb nur eine leichte Zwischenfixierung mit Formaldehyd erhalten, dagegen nicht mit einem Chromsalzhärter voll ausfixiert werden, weil sonst der nachfolgende wässrige Auftrag nicht mehr genügend haftet. Aus dem gleichen Grund sollen reaktive Bindersysteme während der Zwischenstadien der Zurichtbehandlung nicht längere Zeit lagern. Sie dürfen meistens auch nur mit mäßiger Temperatur zwischengebügelt werden. Bei reaktiven Zweikomponenten-Polyurethanlacken oder bei Einkomponentenlacken mit verkappten reaktiven Gruppen ist möglichst kurzfristig weiterzuarbeiten, bevor die Schichten völlig aushärten und lösemittelunlöslich werden. Es ist erforderlich, dass die diesbezüglichen Hinweise der Bindemittelhersteller genau beachtet werden, sonst sind Fehlschläge unvermeidbar. Auf Zurichtschichten aus Casein oder anderen Eiweißstoffen, z. B. Gelatine, darf keine Lack- oder Appreturschicht auf der Basis organischer Lösungen aufgetragen werden. Die Lösemittel sind nicht in der Lage Proteine anzuquellen; eine Ausnahme machen nur die bei der Lederzurichtung selten eingesetzten Produkte Dimethylacetamid und Dimethylformamid. Der entstehende Lackfilm kann sich nur auf dem Untergrund ablagern, jedoch nicht fest damit verbinden. Beim Biegen oder Stauchen des Leders hebt sich der Lackfilm ab, bei wiederholtem Knicken reißt er oder bildet Blasen, bei Reibbeanspruchung wird er rasch abgescheuert. Organische Lösungen von Schmelzmitteln erfordern stets einen Untergrund, der von den Lösemitteln anquellbare Polymerisate oder Cellulosederivate enthält.

Andererseits dürfen die angewendeten organischen Lösemittel den Untergrund nicht zu intensiv anlösen. Wenn organische Lösungen oder lösemittelhaltige Emulsionen zu viel Hochsiederanteile enthalten, welche die Phase des Antrocknens verzögern und die freie Beweglichkeit der Filmbildesubstanz zu lange aufrecht erhalten, kann die aufgetragene Flüssigkeit tief in den angelösten Untergrund hineindiffundieren und im Extremfall soweit aufgesaugt werden, dass kein oberflächenabschließender Film mehr entsteht. Die Oberfläche des appretierten Leders bleibt dann matt, die Reibechtheit ist ungenügend. In solchen Fallen muss die Zusammensetzung der Lösemittel geändert werden, oder man muss eine Grundierung wählen, welche neben lösemittellöslichen Polymerisaten auch gegenüber Lösemitteln unempfindliche Proteine enthält. In manchen Fallen kann es schon ausreichen, wenn der Quellungszustand des polymeren Grundierfilms und damit dessen Empfindlichkeit gegen Lösemittel durch heißes Zwischenbügeln vor dem Appreturauftrag vermindert wird.

Für die Beanspruchung der Lederoberfläche bei der Verarbeitung des Leders und für die Widerstandsfähigkeit beim Gebrauch der Lederartikel sind zwei Eigenschaften des Zurichtfilms besonders wichtig: die Flexibilität und die Reibfestigkeit. Hohe Flexibilität setzt ausgeprägte Dehnungselastizität der Filmschicht voraus. Hohe Reibfestigkeit verlangt einen harten Film oder zumindest eine harte Filmoberfläche. Die Reibfestigkeit kann durch eine glatte Oberfläche, welche nur geringen Reibwiderstand bietet, verbessert werden.

Die für die Lederzurichtung angewendeten thermoplastischen Bindemittel ergeben dehnungselastische Filme, welche auch in dicker Schicht noch sehr flexibel bleiben. Dieses Verhalten bringt aber den Nachteil mit sich, dass die Filme ziemlich weich und dementsprechend reibempfindlich sind. Die Empfindlichkeit wird noch gesteigert durch die bei stärkerer Reibbeanspruchung auftretende Reibwärme, welche thermoplastisches Verformen der Filmsubstanz begünstigt.

Die nichtthermoplastischen Bindemittel bilden Filme, welche nur wenig dehnungselastisch sind. Sie trocknen hart auf und sind deshalb reibbeständig. In dicker Schicht sind sie kaum flexibel und können im Extremfall zu einem spröden Film erstarren. In gleicher Weise, wie ein spröd-brüchiges Glasrohr durch Ausziehen zu einem dünnwandigen Kapillarröhrchen elastisch biegsam wird, lassen sich aus nichtthermoplastischen Substanzen bei Auftrag in dünner Schicht Filme mit harter, reibfester Oberfläche und guter Flexibilität erhalten.

Diese Charakteristik der Filmeigenschaften und ihrer Abhängigkeit von der Filmdicke erklärt, dass füllende, dicke Grundierschichten aus substanzreichen Flotten weicher, elastischer Filmbildner aufgebaut werden und dass die nachfolgenden Aufträge immer dünnere, aber auch härtere Schichten ergeben sollen. Die Schichtdicke kann sowohl durch die Konzentration der Flotten als auch durch die Auftragstechnik reguliert werden. Je weniger Substanz auf das Leder aufgebracht wird, um so dünner bildet sich der Film aus.

Das Verhalten des zuzurichtenden Leders kann im Hinblick auf Weichheit und Zügigkeit sehr unterschiedlich sein. Als Extreme können Gürtel- und Handschuhleder angeführt werden. Eine weiche, zügige Zurichtung auf einem harten Krokodilledergürtel könnte die Lederoberfläche nicht schützen, sondern würde sie eher empfindlicher machen. Eine harte Casein-Zurichtung auf Handschuhleder würde leicht platzen und dann keinen Nässeschutz mehr bieten. Erfolgreicher, dauerhafter Schutz der Lederoberfläche ist nur dann gewährleistet, wenn der Elastizitätsmodul von Leder und Zurichtfilm möglichst weitgehend einander angenähert sind.



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