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Aufbau der Zurichtung

Die vielen, verschiedenartigen Eigenschaften, welche von dem zugerichteten Leder gefordert werden, scheinen zum Teil einander zu widersprechen, z. B. Flexibilität und Oberflächenhärte bzw. Abreibfestigkeit, Wasserdichtheit und Atmungsfähigkeit, Widerstandsfähigkeit gegen heißes Bügeln und Biegebeständigkeit in der Kälte. Es ist verständlich, dass diese Anforderungen nicht durch ein einzelnes Zurichtmittel und auch nicht durch Auftragen einer einzelnen Zurichtschicht erfüllt werden können. Die vielfältigen Variationen, welche je nach Lederart und Verwendungszweck des Leders erforderlich sind, lassen sich nur dadurch soweit wie möglich erfüllen, dass bei der Zurichtung mehrere dünne Schichten aufgetragen werden. Diese Schichten werden aus verschiedenen Zurichtflotten gebildet, die durch Zwischentrocknen und häufig auch durch Zwischenbügeln oder Prägen miteinander kombiniert werden. Die einzelnen Zurichtschichten sind zwar aufeinander abgestimmt, sie können aber in ihrer Zusammensetzung mehr oder weniger stark voneinander abweichen und sehr unterschiedliche physikalische Eigenschaften besitzen.

Als Grundprinzip für den Aufbau der Zurichtung kann gelten, dass die untersten Schichten möglichst weich und zügig sein sollen und dass die weiteren Schichten nach oben hin in kontinuierlichem Übergang immer härter und stärker widerstandsfähig werden sollen. Dabei lassen sich im wesentlichen drei Auftragsschichten herausstellen:

  • Grundierung
  • Farbschicht
  • Appretur

Es ist jedoch nicht unbedingt erforderlich, dass dieser Dreischichtenaufbau eingehalten wird. Je feinporiger und je stärker abgeschlossen die Lederoberfläche vor der Zurichtung ist, um so mehr können die unteren Schichten entfallen. Unabdingbar ist nur der Auftrag der Appretur oder einer in ihrer Funktion ähnlichen Schicht. Der Aufbau der Zurichtung hängt sowohl von der Lederart bzw. von der Beschaffenheit der Lederoberfläche als auch von der Zurichtart und dem durch die Zurichtung angestrebten Aspekt des Leders ab (Abb. 1).

Grundierung

Die Grundierung bereitet das Leder für den Auftrag der Farbschicht vor. Sie soll die Saugfähigkeit, welche von Haut zu Haut oder auch innerhalb der Fläche einundderselben Haut schwanken kann, ausgleichen, damit die Farbschicht nicht zu tief und vor allem nicht unterschiedlich tief in das Leder einzieht. Bei Zurichtungen mit Nitrocellulosefarben und -lacken kommt der Grundierung außerdem eine Blockierwirkung gegen das Abwandern von Weichmacheranteilen aus dem Nitrocellulosefilm in das Leder und damit gegen ein Verspröden der Zurichtung mit zunehmender Alterung zu. Die Grundierung ist möglichst weich eingestellt, um den Narben bzw. das Fasergefüge der Lederoberfläche geschmeidig und elastisch zu erhalten. Sie muss sich fest mit der Lederoberfläche verbinden, da hiervon die Haftfestigkeit der gesamten Zurichtung weitgehend abhängt. Je poröser oder faseriger die zuzurichtende Lederoberfläche ist, z. B. bei Schleifbox- oder Spaltleder, um so mehr muss die Grundierung füllen, um so dicker muss die Grundierschicht gehalten werden. Sie braucht dabei nicht aus einem einzigen Auftrag zu bestehen, obwohl dies aus Rationalitätsgründen erwünscht ist, sondern sie kann in eine tief einziehende, die Faserstruktur festigende, unerwünschter Losnarbigkeit entgegenwirkende Vorgrundierung und in eine füllend egalisierende, abschließende Grundierung aufgeteilt sein. Die narbenfestigende Grundierung wird vorwiegend bei Schleifboxleder angewendet; sie findet in neuerer Zeit auch bei vollnarbigem Leder Interesse.

Abbildung 1: Aufbau der Zurichtung

Grundierung:

Die Grundierung kann farblos sein; sie wird aber meistens mit Farbstoffen angefärbt oder auch pigmentiert, um das Leder anzufärben oder um eine bereits während der Naßarbeiten erfolgte Grundfärbung zu egalisieren. Als filmbildende Substanzen enthalten Grundierflotten thermoplastische Polyacrylate, Butadien-Mischpolymerisate oder auch Polyurethane. Diese sind in Wasser dispergiert oder in organischen Lösemitteln gelöst. Narbenfestigende Imprägnier- bzw. Grundiermittel müssen wegen des erforderlichen tiefen Eindringens möglichst feinteilig dispergiert sein oder in gelöster Form eingesetzt werden, während Bindemittel für füllende Grundierungen meistens gröber dispers und auch höhermolekular eingestellt sind. Grundierflotten können weitere Binde- oder Füllmittel, z. B. Wachsemulsionen, Weichmacher, Emulgatoren, Netzmittel, Penetratoren mit Lösemittelanteilen, Verlaufmittel und für manche Auftragstechniken auch Verdickungsmittel enthalten.

Farbschicht – Deckschicht:

Die Farbschicht wird auch als Deck-, Egalisier-, Effekt- oder Spritzfarbe bezeichnet. Sie hat die farbgestaltende Aufgabe der Zurichtung zu erfüllen und bestimmt das farbliche Aussehen sowie die Egalität der Lederoberfläche. Sie soll den Oberflächenabschluss der Grundierung verfeinern und zugleich die Reibfestigkeit und Widerstandsfähigkeit der Zurichtschicht verbessern. Die Zusammensetzung der Farbflotten kann derjenigen der Grundierung ähnlich sein, d. h. die Flotten können thermoplastische und nichtthermoplastische Bindemittel, Pigmentzubereitungen aus deckenden anorganischen oder aus transparenten organischen Pigmenten, Wachsemulsionen, Schutzkolloide auf der Basis von Cellulosederivaten, Pflanzenschleimen oder Polymerisatlösungen, natürliche oder synthetische Weichmacheröle und Wasser als Konsistenzregler enthalten. Farbflotten können aber auch aus Lösungen von Nitrocellulose oder Polyurethanen bzw. deren Vorprodukten in geeigneten organischen Lösemitteln bestehen. Sie können anstatt der Pigmentzubereitungen auch geeignete Farbstoffe enthalten.

Ein wesentliches Moment ist, dass die Farbschicht in ihrer Filmsubstanz härter eingestellt ist als die Grundierung. Damit sie den Narben des Leders nicht verkrustet und trotz ihrer Härte genügend elastisch bleibt, muss sie in relativ dünner Schicht aufgetragen werden. Die Schichtdicke hängt von der aufgetragenen Substanzmenge ab. Sie kann durch die Konzentration der Flotte und auch durch die Auftragstechnik, z. B. Plüschen, Gießen, Airless- oder Druckluftspritzen, beeinflusst werden

Appretur:

Die Appretur bildet den Abschluss der Zurichtung. Sie bestimmt weitgehend das endgültige Aussehen der Lederoberfläche. Von ihr hängen Glätte, Glanz oder Mattwirkung, Griff, Nässebeständigkeit und Reibechtheit sowie die gesamte Widerstandsfähigung des Leders gegen Beschädigungen bei der Weiterverarbeitung oder im Gebrauch des fertigen Lederartikels ab. Die Appretur kann die Bügelfestigkeit, die Widerstandsfähigkeit gegen Klebstoffe, gegen lösemittelhaltige Reinigungs- oder Schuhpflegemittel maßgeblich beeinflussen. Es wäre jedoch eine verhängnisvolle Fehleinschätzung, wenn man die Echtheitseigenschaften der Zurichtung allein durch die Appretur herbeiführen wollte. Die Appretur ist als letzter Auftrag im allgemeinen die dünnste Zurichtschicht. Sie ist als Schutz gegen mechanische Verletzungen der Lederoberfläche möglichst hart und kratzfest eingestellt. Damit der Narbenwurf des Leders und die Elastizität der gesamten Zurichtschicht nicht beeinträchtigt werden, muss die Appretur einen möglichst dünnen Film ergeben. Dieser kann seine Schutzwirkung nur dann voll entfalten, wenn er durch das Verhalten des Untergrunds entsprechend unterstützt wird. Wenn die Appretur auf eine dicke, thermoplastische Unterschicht aufgebaut wird, bleiben Reibechtheit und Kratzfestigkeit der Zurichtung ungenügend, da die Unterlage bei der Reibbeanspruchung zu stark erweicht und den Appreturfilm zerreißen lässt. Die Naßreibechtheit ist auch bei wasserfester Appretur nicht ausreichend, wenn Grundierung oder Farbschicht quellempfindlich sind. Dauerbiegefestigkeit und Reibechtheit der Appretur sind schlecht, wenn die Appretur nicht fest auf dem Untergrund haftet, weil der dünne Appreturfilm für sich allein gegen die mechanische Beanspruchung nicht genügend widerstandsfähig ist. Die im Hinblick auf die Filmhärte angestrebte, möglichst dünne Appreturschicht darf nicht dazu verleiten, dass die Appretur zu dünn aufgetragen wird. Wenn die auf das Leder aufgebrachte Substanzmenge nicht ausreicht, um einen zusammenhängend abschließenden Film zu bilden, wenn also der Appreturauftrag das Leder nur als leichter Spray übernebelt, dann kann auch das beste Appreturmittel seine Schutzwirkung nicht ausreichend entfalten.

Die Eigenschaften des zugerichteten Leders hängen in starkem Maße von der Zusammensetzung der einzelnen Zurichtschichten ab. Man darf jedoch keineswegs die physikalischen Vorgänge der Schichtbildung außer acht lassen. Ausschlaggebend ist, dass sich die verschiedenen, nacheinander erfolgenden Aufträge als fest zusammenhaftende Schichten miteinander verbinden. Eindringtiefe und Dicke der Zurichtschicht, glattes oder raues bzw. stumpfes Auftrocknen, Filmbildegeschwindigkeit und Verlaufen der aufgetragenen Flüssigkeit bis zum Trocknen können die Eigenschaften des zugerichteten Leders zuweilen stärker beeinflussen als abgewandelte Zusammensetzung der einzelnen Auftragsflotten. Die Auftragstechnik ist daher für die Zurichtung ebenso wichtig wie die Auswahl der angewendeten Produkte. Die Zurichtmittel unterscheiden sich in ihrer chemischen Zusammensetzung und in der Struktur des Filmaufbaus wesentlich vom Verhalten des Leders. Die physikalischen Eigenschaften der Zurichtschicht werden aber nicht allein durch das Verhalten der einzelnen Zurichtmittel, sondern auch durch das Verhalten des Untergrunds wesentlich beeinflusst. Eine Zurichtrezeptur, welche sich in Aufbau und Zusammensetzung der einzelnen Schichten für eine bestimmte Lederart bewahrt hat, muss daher für einen anderen Ledertyp nicht gleich gut geeignet sein.



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lederherstellung/zurichtung/aufbau_der_zurichtung.txt · Zuletzt geändert: 2019/05/02 19:31 von admin