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Sämischgerbung

Bei der Fettgerbung denkt man in erster Linie an die Sämischledergerbung, die mit tierischen Fettsubstanzen, vornehmlich mit Fischtran, durchgeführt wird. Die Trane enthalten stark ungesättigte Fettsäuren, die leicht oxidiert werden können. Hierbei werden sie durch eine noch nicht völlig aufgeklärte chemische Reaktion an die Hautfaser gebunden. Die Sämischgerbung ergibt besonders weiche Leder, wie Fensterleder, Putzleder, in einzelnen Fällen auch besondere technische Leder, weiter Bekleidungsleder, Handschuh- und sonstige Feinleder. Die Bezeichnung „Sämischleder“ stammt entweder von dem holländischen Wort „seem“ und bedeutet „weich“ oder von dem türkischen Wort „semiz“ für Tierfett.

Für die Herstellung von Sämischleder kommen in der Hauptsache die Felle von Hirsch, Reh und Gemse, aber auch von Ziegen und Schafen zur Einarbeitung. Bereits die Wasserwerkstattarbeiten verlaufen etwas verschieden gegenüber denen bei anderen Gerbungen. Die für Sämischleder bestimmten Felle werden sehr stark geäschert, um das Fasergefüge der Haut zur Erzielung eines besonders weichen und zügigen Leders möglichst aufzulockern. Nach einem weitgehenden Hautaufschluss werden die Felle enthaart, wobei gleichzeitig der Narben mit abgestoßen wird, da sonst der als Gerbmittel verwendete Tran die Narbenschicht nur schwer durchdringen könnte. Gründlich entkälkt und üblich gebeizt kommen die Blößen alsdann zur Gerbung.

Hierbei werden sie zunächst auf der Tafel reichlich von Hand mit Fischtran, und zwar hauptsächlich Dorschlebertran eingerieben, dann in Kissen oder Ballenform zusammengefaltet und anschließend in der Kurbel- oder Hammerwalke durch Stampfen und Stoßen einer intensiven mechanischen Bewegung unterzogen, wobei der Tran richtig in die Haut eingearbeitet wird. Nach 2-3 Stunden werden die Blößen aus der Walke herausgenommen, an der Luft aufgehängt, damit das Wasser verdunstet, hierauf erneut mit Tran bestrichen und wieder gewalkt. Dieser Vorgang wird fortgesetzt, bis die Blößen vollständig mit Tran durchdrungen sind. Zur Erreichung der eigentlichen Gerbung ist nach beendetem Walken ein Oxydationsvorgang notwendig. Hierzu werden die Blößen in einer warmen Trockenkammer aufgestapelt und mit Tüchern so lange abgedeckt, bis die entsprechende Wärmeentwicklung, die sogenannte „Brut“ eingetreten ist, wobei 40° C allerdings nicht überschritten werden dürfen. Die einzelnen Stapel werden so oft umgesetzt, bis keine Temperaturveränderungen mehr eintreten. Sind die Felle beim Anschnitt durch und durch gelb gefärbt, so ist die Brut und damit die Gerbung beendet. Nach Abschluss dieses Arbeitsganges wird an den aus der Brut kommenden Fellen der überschüssige Tran abgestreift und die Felle alsdann im Walkfass mit einer 1%-igen starken Sodalösung bei 35° C gewalkt, wobei der überschüssige Tran herausgewaschen wird. In der zurückbleibenden Rest-Sodalösung ist der Tran emulgiert, eine Fettemulsion, die man „Weißbrühe“ oder „Urläuter“ nennt. Die aus dem Sämischleder durch Ausstreichen sowie die durch das alkalische Auswaschen entfernten Anteile oxidierter Trane, als „Moellon“ oder „Degras“ bezeichnet, bilden wegen ihrer guten Emulgierfähigkeit mit Wasser und ihrer guten Bindefähigkeit an gegerbte Lederfasern ein geschätztes Fettungsmittel für die Lederherstellung.

Nach dem Auswaschen zeigt das Sämischleder eine unerwünschte dunkle Farbe, die durch Bleichen aufgehellt werden kann. Dies erfolgte früher in der Sonne, heute ausschließlich mit chemischen Mitteln, die Sauerstoff entwickeln. Zum Erhalt eines guten Sämischleders ist insbesondere die richtige Auswahl der Trane von Wichtigkeit. Erfahrungsgemäß erhält man durch die Verwendung von Dorschlebertranen, deren Jodzahl zwischen 120 und 160 liegt, den günstigsten Gerbeffekt. Hai-und Waltrane ergeben ein hartes Leder; Sardinentran verhält sich etwas günstiger.

Das so ausschließlich mit Tran gegerbte „Altsämischleder“ ist durch eine Schrumpfungstemperatur von 60 - 70° C charakterisiert, weist aber gute Festigkeitseigenschaften, eine gute Weichheit und Zügigkeit sowie ein hohes Saugvermögen auf.


Sämischgerbung, Fettgerbung, Aldehyd- und Chinongerbung

(aus Fitz Stather - Gerbereichemie und Gerbereitechnologie 1967)

Neben der Gerbung mit pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffen und den Mineralgerbverfahren besitzt die Gerbung mit anderen organischen Gerbmitteln nur untergeordnete Bedeutung. Von den in Frage kommenden Gerbarten, der Gerbung mit Fettstoffen, der Gerbung mit Aldehyden und der Gerbung mit Chinon, wird lediglich die Fettgerbung für sich allein angewandt, während die Gerbung mit Formaldehyd oder anderen Aldehydmodifikationen fast ausschließlich nur in Kombination mit anderen Gerbarten zur Anwendung kommt und die Chinongerbung kaum mehr als theoretisches Interesse besitzt.

Die Gerbung mit Fettstoffen

Fette und Öle gehören zu den am frühesten bekannten Mitteln, tierische Haut beim Auftrocknen weich und geschmeidig zu erhalten und ihr gleichzeitig eine gewisse Widerstandskraft gegen Wasser und verminderte Fäulnisfähigkeit zu erteilen. Trotzdem kommt nur einer beschränkten Anzahl von pflanzlichen und tierischen Ölen und Fetten wirkliche Gerbwirkung zu. Unverseifbare, mineralfettartige Substanzen gehen als Kohlenwasserstoffe infolge ihres chemisch indifferenten Verhaltens weder haupt- noch nebenvalenzartige Bindungen mit der Hautsubstanz ein und werden nur mechanisch in den Lederfaserzwischenräumen eingelagert. Sie lassen sich durch Extraktion restlos wieder aus dem Lederfasergefüge entfernen, ohne dass die Art des Fettungsprozesses, die Menge der eingebrachten Substanzen oder die Art der Lagerung des gefetteten Leders einen Einfluss auf die Extrahierbarkeit ausüben. Bei den verseifbaren tierischen und pflanzlichen Fettstoffen ist die Intensität der Bindung an die Hautsubstanz unterschiedlich, und nur bei sehr wenigen Produkten wird ein ausgesprochener Gerbeffekt erreicht, obwohl eine gewisse Reaktionsfähigkeit der Fettsäuretriglyceride mit pflanzlich gegerbter Lederfaser, vor allem aber mit Chromleder, sehr viel häufiger vorhanden ist. Das Fett der Landsäugetiere hat fast keine gerbende Wirkung auf Hautsubstanz. Solches in die Haut eingebrachte Fett lagert sich zwischen den Lederfasern ein, übernimmt die Rolle des Quellungswassers, wirkt als Schmiermittel zwischen den Hautfasern und macht sie gegeneinander verschiebbar. Nach der Extraktion des eingelagerten Fette wird aber die Blöße in ihrem ursprünglichen Zustand wiedererhalten. Anders verhalten sich die Öle von gewissen Meeressäugetieren und Fischen, die Trane, die einen mehr oder weniger hohen Gehalt an ungesättigten Glyceriden aufweisen, aber auch ungesättigte vegetabilische Öle, wie Leinöl, Rüböl, die eine ausgesprochene Gerbwirkung unterschiedlicher Intensität auszuüben vermögen. Nicht jedes ungesättigte Öl ist für eine Gerbung gleich geeignet, z. B. besitzt Olivenöl trotz seines ungesättigten Charakters kein Gerbvermögen, während Haitran, Waltran, Robbentran und insbesondere Dorschlebertran gerbende Wirkung besitzen. Trane mit einer Jodzahl zwischen 120 und 160 sollen für eine Fettgerbung geeignet sein, während bei Jodzahlen unter 120 das Reaktionsvermögen für eine Gerbung als zu gering, bei Jodzahlen über 160 als zu stark angesehen wird. Das Gerbvermögen verschiedener Tranarten gemessen an der Menge unextrahierbar von der Haut gebundenen Fetts, weist bei Gerbtemperaturen von 30 °C keine größeren Unterschiede auf, wohl aber sind bei Steigerung der Temperatur auf 60°C bei einzelnen Tranen erhebliche Steigerungen des Gerbvermögens festzustellen. Dabei darf die Jodzahl eines Trans allein nicht als Maß für die gerbenden Eigenschaften angesehen werden, da bei gleichen Jodzahlen bis zu doppelt so große Gerbwirkung ermittelt wurde. Die Angabe, dass eine hohe Säurezahl neben ausreichender Jodzahl Vorbedingung für eine brauchbare Gerbwirkung von Fetten sei, wurde widerlegt.

Chemie der Fettgerbung

Die Anschauungen über den Ablauf des Fettgerbungsprozesses haben manche Wandlung erfahren, restlos ist die Chemie der Fettgerbung noch nicht geklärt. Das gerbende Prinzip der Fettgerbung in den ungesättigten freien Fettsäuren mit mindestens zwei Doppelbindungen und deren Überführung in Oxifettsäure zu erblicken. Bei der Oxidation sollen die Doppelbindungen im Fettsäuremolekül unter Bildung von Peroxidbrücken aufgespalten werden, ein Teil des entstehenden Di-Peroxids soll mit den Aminogruppen des Kollagens reagieren und der Rest eine molekulare Umlagerung unter Bildung von Oxigruppen erleiden. Fahrion erklärt die Fettgerbung als rein chemischen Vorgang, bei welchem die Hautfaser die Rolle der Base, die teilweise oxidierte Tranfettsäure die Rolle der Säure spielt. Mitwirkung der Luft ist notwendig, Licht wirkt beschleunigend. Die Fahrionsche Theorie der Peroxidbildung während der Fettgerbung konnte durch die Feststellung während der Fettgerbung stark zu einem Maximum ansteigender und dann wieder abfallender Peroxidwerte des Fettes eine erneute Stütze finden. Nach L. Meunier wird die Gerbwirkung der Trane durch Fettsäuren mit vier Doppelbindungen bedingt, von denen mindestens zwei sich unter Sauerstoffaufnahme in Peroxide umwandeln müssen. Für eine gute Fettgerbung sind die Tranfettsäuren mit ihren vier oder fünf Doppelbindungen geeigneter als Rüböl oder Leinöl. B. N. Mathur vertritt die Anschauung, dass sich der Prozess lediglich zwischen den Molekülen des Kollagens, der ungesättigten Fettsäuren und des Wassers derart abspielt, dass zuerst die durch Hydrolyse des Öls gebildete Fettsäure durch Einwirkung von Wasser ohne Mitwirkung des Luftsauerstoffs in Oxifettsäure übergeht und diese Oxifettsäure dann unter Wasseraustritt mit einer Aminogruppe der Haut reagiert. Die Stellung der Doppelbindungen in den ungesättigten Glyceriden eines Öls, insbesondere ihre Entfernung von der Carboxylgruppe, soll dabei einen wichtigen Einfluss auf dessen Gerbwirkung ausüben. Im Gegensatz zu W. Fahrion bestreitet N. Mathur die Bildung der Oxisäuren durch Autoxydation mittels Luftsauerstoffs, während andererseits wiederum gezeigt werden konnte, dass nur in sauerstoffhaltiger, feuchter Luft ein einwandfreier Gerbeffekt erreicht wird und die Oxidationsgeschwindigkeit von Tranen nach Einbringen in die Hautblöße als Maß zur Beurteilung der Gerbfähigkeit angesehen wird. Obwohl die Entstehung erheblicher Mengen Oxifettsäuren bei der Sämischgerbung als feststehend angesehen werden kann, scheint eine Wechselwirkung zwischen den basischen Gruppen der Haut und den Oxifettsäuren in keiner Weise erwiesen und wenig wahrscheinlich. Degras besitzt trotz gegenüber den ursprünglichen Tranen stark erhöhtem Gehalt an Oxifettsäuren kein Gerbvermögen. Da eine nennenswerte Verminderung des Aminstickstoffs der Haut durch Sämischgerbung nicht festgestellt werden kann, wurde auch eine esterartige Verbindung zwischen Oxifettsäuren und den Carboxylgruppen der Haut in Erwägung gezogen. Nach G. Vago, J. Reti und P. Varga ist im Verlauf der Sämischgerbung die Möglichkeit gegeben, dass die ungesättigten Verbindungen des Trans mit den infolge Autoxidation aus Hydroperoxidgruppe und freien Fettsäuren entstehenden Persäuren Epoxyverbindungen ergeben. Diese Epoxyverbindungen gehen zwar zum großen Teil in nichtgerbende Oxifettsäuren über, können sich aber zum Teil auch gerbend mit dem Kollagen verbinden. Fettgerbung soll nur an einwandfrei entkälkten Blößen im pH-Gebiet 5,5-6 möglich sein, während von anderer Seite ein nennenswerter pH-Einfluss bei der Fettgerbung verneint wird. Nach V. Czepelak ist indessen eine durch das nachträgliche alkalische Auswaschen erreichte neutrale oder schwach alkalische Reaktion zur Erreichung eines Gerbeffekts Voraussetzung. P. Chambard und L. Michallet betrachten den Fettgerbprozess als aus zwei Phasen bestehend. Die erste Phase einer chemischen Reaktion zwischen Hautkollagen, freien Fettsäuren eines oxidierbaren Öls, Sauerstoff und Wasser bedeute die eigentliche Gerbung, die zweite Phase einen Adsorptionsvorgang neutraler oxidierter und polymerisierter Glyzeride und Fettsäuren, durch den das fettgare Leder seine charakteristischen Eigenschaften erhalte. A. Künzel und Th. Nungesser nehmen in Anlehnung an die erstmalig von H . R. Procter geäußerte und von M. P. Balfe wieder aufgegriffene Aldehydgerbungstheorie der Sämischgerbung an, dass bei der Autoxidation von Gerbertranen als Oxidationsprodukt von hochungesättigten Fettsäuren in erster Linie kurzkettige Dialdehyde wie Glyoxal, außerdem auch einfache ungesättigte Aldehyde wie Acrolein und Crotonaldehyd entstehen, die zum größten Teil von der Hautsubstanz gebunden werden. Die Glycerinkomponente des Trans liefert unter den Bedingungen der Tranoxidation kein Acrolein. Eine chemische Bindung von Fettsäuren an die Hautsubstanz wird als unbewiesen und unwahrscheinlich angesehen. Daneben sollen aber auch Polymerisationsprodukte von oxidierten Fettsäuren eine gewisse Rolle spielen, indem sie einen feinen Film um die Hautfasern herum bilden, der durch Fettlösungsmittel nicht extrahiert werden kann. Neuestens stellt F. Elsinger fest, dass bei der Autoxidation von Sämischtranen eine Vielzahl von Carbonylverbindungen entsteht und keineswegs vorzugsweise Acrolein. Da eine Acroleingerbung eine so starke Erhöhung der Schrumpfungstemperatur der Blöße verursacht, wie sie bei der Trangerbung nie erreicht wird, kann sie nicht maßgeblicher Faktor der Trangerbung sein. V. Czepelack führt den Gerbeffekt auf zweierlei Gerbwirkungen zurück, die Gerbwirkung des eigentlichen Trangerbstoffs, einer Verbindung von Aldehyden mit oxidierten Fettsäuren, welche ein weiches und zügiges Leder liefert, und die Gerbwirkung von Aldehyden, die ein hartes und blechiges Leder liefert. Die Qualität des Sämischleders ist davon abhängig, in welchem Ausmaß die eine oder andere Gerbart vorherrscht. Ähnliche Ansichten wurden auch von R. Airoldi vertreten. Über den Verlauf der Polymerisation ungesättigter Fette bei der Autoxydation bestehen zahlreiche Theorien, wobei die Meinungen über das Verhalten der Trane mit einfach ungesättigten Fettsäuren und solchen mit konjugiert ungesättigten Fettsäuren noch auseinandergehen.



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lederherstellung/gerbung/saemischgerbung.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/28 19:31 von admin