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Pflanzliche Gerbung Gerbverfahren und Durchfuehrung

Der Gerbprozess:

Der Vorgang des pflanzlichen Gerbens beruht auf dem Prinzip, dass die gerbfertige Blöße mit allmählich in der Konzentration ansteigenden wässrigen Lösungen pflanzlicher Gerbextrakte zusammengebracht wird, aus denen alsdann Gerbstoffe wie Nichtgerbstoffe in die Haut eindringen und von dieser allmählich aufgenommen und gebunden werden, bis zwischen den Kollagenfasern der Haut und der Gerblösung ein Gleichgewicht sich eingestellt hat.

Für den Lederhersteller ist es daher unbedingt wissenswert, unter welchen Voraussetzungen diese Verbindung zwischen Gerbstoff und Haut, bezeichnet Gerbung, zustande kommt. Es muss ihm also bekannt sein, wie er diesen Gerbablauf am besten steuern kann, so dass ein Leder von ganz bestimmter Zusammensetzung bzw. physikalischen Eigenschaften erzeugt werden kann, da die Erreichung dieses Zieles von einer Reihe bestimmter, den Gerbprozess beeinflussender Faktoren abhängig ist.

So spielt neben der Art und Menge des Einsatzes der jeweiligen Gerbmittel auch deren Konzentration, weiter die Gerbdauer und -temperatur sowie die Azidität eine zu beachtende Rolle, um den Verlauf des Gerbvorganges und möglicherweise auftretende Störungen entsprechend steuern zu können. Wie bereits erwähnt, spricht man bei den Gerbmittelauszügen von kolloidalen Lösungen, in denen die Gerbstoffe nicht in einheitlicher Form vorliegen, sondern verschiedene Teilchengrößen aufweisen.

Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen haben gezeigt, dass die verschieden großen Gerbstoffteilchen eine verschiedene Neigung aufweisen, sich mit der Haut zu verbinden, d.h. großteilige Gerbstoffteilchen besitzen ein intensiveres, kleinteilige ein schwächeres Bestreben, gerbend zu wirken. Weiterhin liegt fest, dass die Auszüge der einzelnen pflanzlichen Gerbmittel sich in der Verteilung der großen und kleinen Gerbstoffteilchen, d. h. in ihrem Dispersitätsgrad voneinander ganz wesentlich unterscheiden. Diese Eigenart wird mit ihrem spezifischen gerberischen Verhalten in Verbindung gebracht, wodurch auch die unterschiedliche Adstringenz der Gerbmittel hergeleitet werden kann. Die Adstringenz einer Gerblösung ist um so größer, je rascher die Aufnahme des Gerbstoffes durch die Haut erfolgt. So ist zu beobachten, dass die in eine frisch bereitete Gerbbrühe eingebrachte Blöße anfangs in ihrer äußeren Hautschicht durch die großen Teilchen der Gerblösung eine sehr rasche Angerbung erfährt. Diese großteiligen Gerbstoffteilchen bewirken mit ihrer starken Affinität zur Hautsubstanz (d. h. dem Bestreben des Gerbstoffes, sich mit der Hautfaser zu verbinden) eine Oberladung der Außenschicht der Haut, die eine Verstopfung der Kapillaren des Hautfasergefüges zur Folge hat und ein weiteres Eindringen von Gerbstoff in die inneren Hautschichten erschwert oder sogar unterbindet. Die äußeren Schichten werden sozusagen „zugegerbt“, so dass dem Gerbstoff das weitere Eindringen in das Innere der Haut unmöglich wird. Der Gerber bezeichnet diesen Zustand als „Totgerbung“.

Anders dagegen verhält sich hierbei eine schwache - bereits abgearbeitete - Brühe, in der die großen Gerbstoffteilchen durch die mehrmalige Benutzung der Brühe bereits aufgebraucht sind und in der sich vorwiegend kleine Gerbstoffteilchen mit einer schwächeren Affinität zur Haut befinden. Letztere gerben die Außenschichten der Haut nur langsam an, so dass keine Überladung des Oberflächenfasergefüges eintritt, sie dringen in das Innere des Hautfasergefüges vor und füllen es gleichzeitig mit Gerbstoff. Aus diesen Erkenntnissen heraus hat sich die sogenannte goldene Gerberregel entwickelt, nach der der Gerbprozess so geführt werden soll, dass die zu gerbenden Hautblößen zu Beginn mit bereits gebrauchten, abgearbeiteten Brühen, die reich an kleinteiligen Gerbstoffteilchen sind, angegerbt und danach allmählich mit gerbstoffreicheren, stärkeren Brühen zusammengebracht werden, worin alsdann unter Einwirkung der größeren Gerbstoffteilchen die satte Fertiggerbung vor sich geht.

Außer von gerbaktiven Gruppen und der Teilchengröße der Gerbstoffe wird der Gerbvorgang auch von den in den Brühen vorliegenden Säureverhältnissen beeinflusst, wobei man von einer „süßen“ und „sauren“ Gerbung spricht. Als süße Brühen bezeichnet man frische Gerbmittelauszüge, in denen noch keinerlei Säurebildung durch Gärung eingetreten ist oder aber Gerbmittelauszüge, in denen die vergärbaren Stoffe in so geringen Mengen vorliegen, dass eine Gärung und Säurebildung auch nach längerem Stehen unterbleibt.

Dagegen werden solche Gerbmittelauszüge als saure Brühen angesprochen, in denen durch Vergärung von Nichtgerbstoffen, insbesondere von Zuckerstoffen, organische Säuren entstanden sind.

In süßen Brühen verläuft die Gerbung der Blöße ohne besondere Strukturveränderung ihres Fasergewebes. Ganz anders spielt sich der Gerbprozess in sauren Brühen ab. Hierbei führen die in diesen Brühen anwesenden Säuren zu einer mehr oder weniger starken Schwellung der Fasern, die Haut wird prall, die Fasern nehmen an Volumen zu und liegen nicht mehr lose, sondern sehr fest zusammengepresst nebeneinander.

Bekanntlich ist die Neigung eines Gerbstoffes, sich mit der Hautfaser zu verbinden, bei einer sauren, geschwollenen Faser stärker ausgeprägt im Gegensatz zu einer unveränderten Faser. In zahlreichen Versuchen ist bestätigt, dass der Gerbstoff aus sauren Brühen stärker an die Blöße anfällt als aus süßen Brühen. Dabei konnte auch der Säuregrad der Gerbbrühen ermittelt werden, bei dem die größtmögliche Menge von Gerbstoff von der Haut aufgenommen wurde. Demgegenüber erscheint in süßen Brühen die Intensität der Gerbung nicht so ausgeprägt, die Außenschichten der Haut laden sich nicht so intensiv mit Gerbstoff auf. Dabei wird das gleichmäßige Eindringen des Gerbstoffes infolge Fehlens der Schwellung des Hautfasergefüges erleichtert, wodurch eine gleichmäßige und raschere Durchgerbung als in sauren Brühen erzielt werden kann.

So ergeben sich aus der Gerbung von Blößen verschiedene Eigenschaften des Leders, je nachdem, ob der Gerbprozess in sauren oder süßen Brühen vor sieht geht. Aus sauren Angerbbrühen, in denen die Blößen eine Schwellung erfahren, resultieren feste Leder, vorausgesetzt, dass die Gerbung entsprechend lange genug geführt wird. Zur Erzielung von weichem Leder setzt der Gerber süße Brühen ein.

Bei allen Lederarten, die zwischen diesen beiden Extremen liegen, muss daher der gewünschte Grad für Festigkeit oder Weichheit dadurch erreicht werden, dass jeweils Gerbdauer und Säuregrad der Brühen entsprechend abgestimmt werden. Die Messung des Säuregrades der Gerbbrühen erfolgt durch die Feststellung des pH-Wertes, der bei allen Gerbmittelauszügen, auch der frisch bereiteten sogenannten süßen Brühen, im „sauren“ pH-Bereich unter 6,0 liegt. Die pH-Werte der speziell stark sauren Brühen bewegen sich zwischen 3,5 - 4,0. Insgesamt fallen also die pH-Werte sowohl der sauren als auch der süßen Brühen in den Bereich von 3,5 – 5,0.

Die Anwendung der beschriebenen Gesetzmäßigkeiten führte zu unterschiedlichen Gerbverfahren, die man bezeichnen könnte als:

  1. Grubengerbung ohne Bewegung
  2. Beschleunigte Brühengerbung
  3. Schnellgerbung.

Obwohl das Verfahren der Grubengerbung sich heute noch als eine Möglichkeit der Lederherstellung erhalten hat und danach noch eine gewisse Menge pflanzlich gegerbter Leder, so in einigen Handwerksbetrieben und mittleren Betrieben das altgrubengegerbte Sohlleder, hergestellt wird, ist die Form der alten Gerbart mit ausschließlich schwachen Brühen bei entsprechend langer Gerbdauer im Hinblick auf das Vorhandensein höher-prozentiger Gerbmittel bzw. Gerbextrakte weitgehend abgelöst und ein Übergang zu schnelleren, wirtschaftlicheren Gerbmethoden in Grube und Fass oder Fassgerbung allein gefunden worden.

Ein weiter Weg wurde auch in der Richtung beschritten, Leder in ausgesprochenen Schnellgerbverfahren, die in verschiedenen chemischen Fabriken entwickelt wurden, herzustellen.

Langsame Gerbmethode / Grubengerbung:

Dieses Gerbverfahren, das ausschließlich mit schwachen Gerbbrühen bei langer Gerbdauer in Gerbgruben durchgeführt wird, gilt als die älteste Form der pflanzlichen Gerbung. Sie läuft in drei Arbeitsgängen ab, und zwar in dem „Farbengang“, den „Versenken“ und den „Versätzen“.

Farbengang:

Als Farbengang bezeichnet man ein System von mehreren, meist 6-8, aber auch bis zu 16 oder noch mehr Gerbgruben. Diese Gruben - rechteckig von je 2 - 2,5 m Länge, Breite und Tiefe -eingelassen in den Boden, mit einem Ablaufrohr in die Kanalisation versehen, bestehen aus Holz oder Beton mit einem entsprechenden säurefesten Schutzanstrich oder einer entsprechenden Auskleidung ausgestattet.

Sie sind mit Brühen verschiedener Stärke gefüllt, wobei sich in der letzten Grube (Nr. 8) frische Brühe (als beste Farbe bezeichnet) und in der ersten Grube (Nr. 1) die am häufigsten gebrauchte Gerbbrühe (als schlechteste Farbe bezeichnet) befindet.

Abbildung Farbengang Grubenanordnung:

Bei der Beschickung der Farbenganges kommen die gerbfertigen Blößen aus der Wasserwerkstatt zunächst in die Grube (Nr. 1), die die am häufigsten gebrauchte und am meisten ausgezehrte Brühe enthält, also in die schlechteste Farbe. Nach einem oder mehreren Tagen, je nach dem jeweiligen Betriebsablauf, werden sie alsdann in die nächste Grube (mit einem etwa stärkeren Gehalt an Gerbstoff und einem geringen Gehalt an Nichtgerbstoffen) „überzogen“.

In bestimmten Zeitabständen rücken die Blößen also jeweils in die nächst stärkere Farbe (Grube mit jeweils steigendem Gerbstoffgehalt) und verlassen den Farbengang, die beste Farbe (Grube 8), wenn sie vollkommen vom Gerbstoff durchdrungen („durchgebissen“) sind.

In den Farben hängen die Häute voll ausgebreitet auf Stangen, die auf dem Grubenrand oder einem besonderen Rahmen aufliegen. Der Häutewechsel, das Oberziehen der Häute, von einer Grube in die andere erfolgt entweder von Hand oder durch eine besondere Transportanlage, d.h. durch einen sogenannten Laufkran. Letztgenannte Einrichtung ermöglicht das gleichzeitige Heraus-und Oberziehen einer ganzen Partie von einer Grube in die andere. Durch Bewegung der Häute in den Anfangsfarben kann die Angerbung wesentlich beschleunigt werden. Dieser Effekt wird durch sogenannte Schaukel- oder Wipprahmen erreicht, an denen die Häute befestigt sind und mechanisch hin und her bewegt werden. In anderen Betrieben wird wiederum durch ein sogenanntes „Oberlaufsystem“ ein dauernder Fluss der Brühen ermöglicht. Hierbei sind die einzelnen Gruben durch Oberlaufrohre miteinander verbunden, so dass die Brühe von einer Farbe in die andere überwechseln kann.

Nach jedem Überziehen der Häute ergänzt man die stärkste letzte Grube durch Zulauf von einem Viertel oder Drittel frischer Gerbbrühe. Demzufolge fließt alsdann aus jeder Grube in die nächstschlechtere ein gleicher Brühenanteil über, während aus der schlechtesten Grube die entsprechend ausgebrauchte Brühe kanalisiert wird.

Im Überlauffarbengang behält jede Grube ihre bestimmte Farbe, da ja ständig eine Zubesserung erfolgt. Die Dauer der Angerbung im Farbengang beträgt bei 6-12 Gruben und Verwendung schwacher Brühen von etwa 1 - 6°Bé für Unterleder etwa 16 - 20 Tage.

Versenk:

Nach dem Angerbestadium im Farbengang kommen die durchgefärbten (Farbe der Gerbung= Gerbfarbe) Häute, die in der Hauptsache zu Bodenledern, Geschirrledern, Riemenledern u. ä. ausgearbeitet werden sollen, zur weiteren Durchgerbung in das Versenk. Dieses bildet eine Fortsetzung des Farbenganges, wobei die Häute in die Gruben nicht eingehängt, sondern unter besonderen Vorkehrungen waagerecht eingelegt werden. Hierfür wird die Versenkgrube etwa zur Hälfte mit einer konzentrierten Gerbbrühe gefüllt, auf der ein hölzerner Lattenrost, der sogenannte Versenkboden, schwimmt. Nunmehr werden die Häute sorgfältig auf dem Lattenrost waagerecht ausgebreitet, wobei zwischen die Häute jeweils gemahlene Gerbmittel (sogenannte Streulohe) in geringer Menge (Schwimmversenk) oder größerer Menge (Streuversenk) eingestreut werden.

Als Streulohe wird jeweils ein Gemisch verschiedener gerbstoffreicher Gerbmittel (hauptsächlich Eichenrinde) verwendet, das sich der Lederhersteller nach der erwünschten Gerbwirkung erfahrungsgemäß zusammensetzt. Nach dem Sinken des belasteten Lattenrostes auf den Grubenboden werden die eingestreuten Häute noch mit einer dicken Lohschicht zum Schütze gegen Lufteinwirkung abgedeckt. Abschließend soll nach dem Füllen des Versenks zusätzlich die Brühe noch etwa 20 cm über den aufgeschichteten Häuten stehen. Die Häute bleiben - je nach der Menge des verwendeten Streumaterials - einige Wochen (etwa vier) in dem Versenk.

Nach diesem Zeitablauf werden die Gruben geleert („gezogen“). Die dabei anfallenden erschöpften Brühen, Sauerbrühen genannt, dienen wieder anteilig zum Ansatz des Farbenganges. Schwere Leder durchlaufen unter Umständen mehrere Versenke hintereinander.

Versatz:

Der Versatz, wohl die älteste Art der praktischen Gerbung, unterscheidet sich vom Versenk dadurch, dass die Häute nicht in die Brühe eingesetzt werden, sondern dass man in die leeren Gruben nun abwechslungsweise eine Lage vorgegerbter Häute und gemahlenes Gerbmaterial (Streulohe) einbringt. Alsdann lässt man durch ein seitliches Rohr eine Gerbbrühe (etwa 5-9° Bé) langsam so lange zufließen (das sogenannte Abtränken der Grube), bis die ganze Masse der Häute und das Gerbmaterial gleichmäßig durchtränkt sind. Abschließend wird der Versatz auch mit einer Schicht alter Lohe zum Luftabschluss zugedeckt.

Zum Einstreuen der Häute, das sehr sorgfältig ausgeführt werden muss, verwendet man pro Haut bis zu 25 oder 30 kg Streumaterial im Vergleich zum Versenk, wo normalerweise nur 5 -10 kg gebraucht werden. Als Loh- und Einstreumaterial werden vornehmlich Eichen- und Fichtenrinde, daneben Valonea, Myrobalanen u. ä. Eingesetzt.

Die Dauer eines Versatzes beträgt etwa 3-5 Monate, meist entleert man dann die Versatzgrube und setzt die so behandelten Häute in einer weiteren Grube einem zweiten und evtl. einem dritten Versatz aus. So kann sich die ganze Versatzgerbedauer auf 12 und noch mehr Monate erstrecken, eine Methode, welche in dieser langen Zeitdauer heute kaum mehr durchgeführt wird. Nach dieser Verweilzeit der Häute in den Gruben pumpt man die Brühe zum „Ziehen“ des Versatzes ab und entnimmt die Leder, wobei die anhaftende Lohe noch abgeklopft wird. Die Leder sind dann satt durchgegerbt, d. h. „gar“, wenn die Schnittflächen vollkommen gleichmäßig braun durchgefärbt sind. Bei ungenügender Durchgerbung sind die inneren Zonen noch hell. Der Gerber prüft dies, indem er mit einem Messer einen dünnen Lederstreifen am Kernrand abschneidet und ihn in eine 10 %ige Essigsäurelösung einlegt. Nach 10 Minuten etwa schwillt der ungenügend durchgegerbte Teil, der sich als heller glasiger Streifen zeigt (Essigsäureprobe).

Das Altgrubengerbverfahren zur Herstellung für schwere Bodenleder wird nur noch in wenigen Betrieben angewendet.

Beschleunigte Gerbmethoden:

Der langwierige Ablauf der Grubengerbung ließ den Lederhersteller nach Verfahren suchen, die mit wirtschaftlichen Nachteilen verbundene lange Gerbdauer abzukürzen. So gelang im Laufe der Zeit der Übergang von langsamer zu beschleunigter Gerbweise durch Erhöhung der Konzentration der Gerbbrühe bei Mitverwendung höherprozentiger Gerbmaterialien oder Gerbextrakte bei der Grubengerbung. Der erste Schritt zur „beschleunigten Grubengerbung“ war damit getan.

Eine weitere Verkürzung der Lederherstellungsdauer wurde durch Einschalten des Gerbfasses in den Gerbgang in verschiedener Weise erreicht. So hat die Kombination von beschleunigter Grubengerbung mit Fassgerbung zu einer wesentlichen Verkürzung des Lederherstellungsprozesses geführt. Bei dieser sogenannten „gemischten Gerbung“ werden die im Farbengang und in den Versenken evtl. auch im Versatz angegerbten Leder mit höher konzentrierten Gerbstoffbrühen im Faß gewalkt. Durch die mechanische Bewegung der Häute und die dadurch hervorgerufene Erwärmung konnte eine besondere gerbbeschleunigende Wirkung erzielt werden, wobei gleichzeitig die Gerbstoffaufnahme und Gerbstoffbindung verbessert wurden, allerdings auf Kosten einer Verringerung der Faserfestigkeit des fertigen Leders. Während man bei der langsamen Gerbung im Endstadium mit einer Brühenstärke von etwa 5° Bé arbeitet, gerbt man bei der gemischten Gerbung mit etwa 12° - 15° Bé starken Brühen aus, die sich leicht aus Extrakten bereiten lassen. Die Ausgerbung ist nach 5-7 Monaten beendet.

Schließlich führt noch ein dritter Weg zu einer beschleunigten Lederherstellung, das Verfahren der „reinen Brühengerbung“, bei der unter Ausschaltung der Versenke und Versätze die Häute nach einem verlängerten Farbengang sofort im Faß ausgegerbt werden. Dabei verwendet man ebenfalls ständig ansteigende Gerbstoffkonzentrationen bis zu etwa 20° Bé. Die Möglichkeit der Aufeinanderfolge der verschiedenen Gerbgänge kann im nachstehenden Schema wie folgt zusammengefasst werden:

Abbildung Anordnung Pflanzliche Gerbsysteme:

Da die Fassgerbung den Vorteil bietet, die Gerbdauer wesentlich zu verkürzen, ist man bestrebt, fast sämtliche Lederarten nach diesem Gerbsystem herzustellen. Lediglich für Bodenleder zieht man noch das gemischte Gerbverfahren vor.

Die in der Gerbung eingesetzten Fässer ähneln den Weich- und Äscherfässern. In unterschiedlichen Typen und Größen hergestellt, befinden sich an der Innenwand dieser Fässer verschiedentlich Zapfen, Schaufeln bzw. versetzte Bretter, die die Häute bei der Drehung des Fasses heben und wieder fallen lassen, wodurch diese abwechselnd zusammengepresst und wieder aufgelockert werden.

Durch die hierbei auftretende Druck- und Saugwirkung wird die Gerbbrühe allmählich in das Leder hineingewalkt. Die zum leichteren Eindringen nötige Wärme entsteht durch das ständige Bewegen der Häute und der Flüssigkeit. Im allgemeinen arbeitet man zwischen 25° - 30° C. Ober 35° C darf die Erwärmung nicht hinausgehen.

In der Regel lässt man das Gerbfass mit 4-8 Umdrehungen laufen, wobei in gewissen Zeitabständen die Drehrichtung gewechselt wird, damit sich die Leder im Inneren nicht zusammenwickeln.

Vielfach werden den Fassbrühen Gerböle (wasserlösliche öle) zugesetzt, die die Durchgerbung beschleunigen und das Wundscheuern des Narbens an der Fasswand verhindern sollen.


Schnellgerbverfahren:

Einer Grunderkenntnis folgend müssen bei schneller ablaufenden Verfahren die einzelnen Faktoren sorgfältiger aufeinander abgestimmt und genauer eingehalten werden.

Solche Faktoren sind bei den Schnellgerbungen im Faß:

  • Beladungsmenge
  • Flottenlänge
  • Temperaturen
  • pH-Werte am Anfang und Ende
  • Art der Gerbstoffe und Einsatzmenge
  • Art und Dauer der Bewegung
  • Vorbehandlung des Hautmaterials
  • Nachgerbung, Trocknungs- und Zurichtarbeiten

Dabei können einzelne Faktoren bevorzugt eingesetzt werden, um die Gerbbeschleunigung zu erreichen. Das kann sogar dazu führen, dass die Grundregeln der Grubengerbung, das Gegenstromprinzip, seine richtungsweisende Funktion verliert. Man kommt dann zu Verfahren, die so schnell ablaufen, dass die Blöße gar nicht mehr in der Lage ist, zuerst kleinteilige und wenig adstringente Gerbstoffteilchen aufzunehmen. Der Entwicklung folgend kann man die Schnellgerbung einteilen in:

  • gegenstromprinzipgebundene und
  • nicht gegenstromprinzipgebundene Verfahren.

Schnellgerbungen nach dem Gegenstromprinzip:

Schon lange wussten die Gerber, dass die Gerbgeschwindigkeit in Farbengängen, Versenken und Versätzen, aber auch beim Arbeiten im Faß von der Temperatur der Brühen ganz erheblich beeinflusst wird. Im Sommer war stets eine raschere Duchdringung der Blößen mit Gerbstoffen festzustellen als im Winter. Als Konsequenz dieser Beobachtung versuchte man, durch Wärmeaustauscher unterschiedlichster Bauweise die Brühen mit höheren Konzentrationen zu erwärmen. Dabei kamen die reinen Brühengerbungen diesem Bemühen entgegen. Von England ausgehend hat sich das hot-pit-Verfahren eingeführt, das neben der erhöhten Gerbstoffkonzentration eine Erwärmung der Brühen von 25° C in der Angerbung bis auf 40° C in der Ausgerbung vorsieht. Die Gerbdauer schwerer Leder konnte somit auf ca. 2 Monate verkürzt werden. Nutzte man den Faktor Bewegung aus, so konnte ein weiterer Zeitgewinn erreicht werden. Die Bewegung in den Gruben wurde durch „Schaukelrahmen“ möglich, die über Exzenter in eine gleichmäßige Bewegung gebracht wurden. Aber auch eine Bewegung der Gerbbrühe innerhalb der Grube mittels Pumpen führt zu einer Gerbbeschleunigung. In ganz ausgeprägter Weise kann die Bewegung im Faß wirksam werden. Dabei sind zur Einhaltung des Gegenstromprinzips mehrere Vorratsbehälter für die unterschiedlich abgearbeiteten Brühen erforderlich, die im Wechsel in das Faß abgepumpt werden. Die Steigerung der Gerbstoffkonzentration in den Anfangsstadien konnte aber nicht beliebig fortgeführt werden. Bei einer zu hohen Konzentration treten trotz Einhaltung des Gegenstromprinzips Durchdringungsschwierigkeiten auf. Die Gerbstoffteilchen verstopfen dann die feinsten Diffusionswege und die Innenzone der Leder bleibt ungegerbt oder nicht richtig gegerbt, was zu einer Qualitätseinbuße führt. Dieses Problem ließ sich durch Vorgerbungen weitgehend lösen. Die Vorgerbung erfolgt nur mit kleinteiligen Gerbstoffen und soll die Innenzone der Blöße erreichen und die Diffusionswege dorthin offen halten. Aus den vielen möglichen Gerbverfahren haben sich solche bewährt, bei denen mit definierter oder leicht steuerbarer Teilchengröße gearbeitet wird. Dies können Polyphosphate, synthetische Gerbstoffe, Ligninextrakte, Aldehyde, ausgewählte und maskierte Chromgerbstoffe oder Kombinationsgerbstoffe sein. Bei richtigem Einsatz kann die Gerbdauer auch schwerer Leder auf ca. 14 Tage verkürzt werden. Schnellgerbungen, die nicht dem Gegenstromprinzip folgen Bei den im vorigen Kapitel beschriebenen Gerbverfahren waren große Mengen an Gerbstofflösungen erforderlich und es blieb in der Restflotte ein Teil von Gerbstoffen, die nicht genutzt werden konnten. Eine Abkehr vom Gegenstromprinzip wurde erst möglich, als grundlegende Erkenntnisse zeigten, dass eine bevorzugte Aufnahme der großen Teilchen durch die Haut nach dem Filterprinzip nur in dünnen Brühen unter 16° Bé erfolgte. Bei höheren Konzentrationen diffundierten alle Teilchen gleich schnell in die Blöße und verdrängten das Wasser zwischen den Fibrillen. Hier entstand die Gefahr der Totgerbung nicht durch die Verstopfung der Diffusionswege, sondern durch die zu starke Entwässerung. Ein solches Gerbsystem macht deshalb einen bestimmten Wassergehalt in der Blöße durch eine intensive Vorgerbung zwingend notwendig. Sind die Blößen richtig vorgegerbt, dann kann der ganze Gerbstoff für die jeweilige Partie abgemessen und zugegeben werden. Er wird in der Zeit von ca. 20 - 36 Stunden beim Walken im Faß ohne Flotte oder mit geringer Flotte restlos aufgenommen. Die geringe Restflotte muss nicht mehr in arbeitsaufwendigen Farbengängen abgearbeitet werden. Der Vorteil dieser Verfahren liegt in der Geschwindigkeit, der klaren Überschaubarkeit und Steuerbarkeit aller Vorgänge und dem geringeren Arbeitsaufwand, weil von der Blöße bis zum fertigen Leder im gleichen Gefäß gearbeitet werden kann. Als Nachteil kann erwähnt werden, dass diese Verfahren - wie alle Schnellgerbverfahren - einer genauen Kontrolle bedürfen. Die Qualität der so hergestellten Leder entspricht der in langsameren Verfahren erreichbaren, der Bedarf an Gerbstoff wird durch die Änderung der Gerbdauer nicht beeinflusst, doch kann durch eine gezielte Auswahl der Gerbstoffe die gleichmäßige Durchgerbung gefördert werden.

Sonstige Schnellgerbverfahren:

Außer den bisher beschriebenen Schnellgerbverfahren, sei es in der Grube, im Fass bzw. durch Vorbehandlung der Blößen mit entsprechenden gerbenden Stoffen, sind auch noch andere weitere Versuche zur Verkürzung der Gerbdauer unternommen worden, wovon einige allerdings nicht über ein gewisses Versuchsstadium hinaus entwickelt worden sind:

  • Die Anwendung von Ultraschall durch Beschallung der Gerbbrühen pflanzlicher und synthetischer Gerbstoffe mit niedriger Frequenz (50 Hz).
  • Das Gerben von Häuten in einem Vakuum und unter Druck (sogenanntes Nance-Vakuumgerbverfahren).
  • Gerbverfahren mit Hilfe des elektrischen Stromes, das keine praktische Bedeutung erreicht hat.
  • Pawlowitsch-Schnellgerbverfahren: alkalische An- und saure Ausgerbung der Blößen bei variierten pH-Verhältnissen.
  • Gerbverfahren mit Lösungen von Gerbstoffen in organischen Lösungsmitteln. Das sogenannte Usakow-Verfahren (Secotan-Verfahren), bei dem acetonentwässerte und getrocknete Blößen mit alkoholischen Gerbstofflösungen gegerbt werden, hat nur in Amerika eine gewisse Anerkennung gefunden.

Nachgerbung und Fixierung:

Der eigentlichen Gerbung kann mitunter eine „Nachgerbung“ folgen, um bestimmte Eigenschaften des Leders maßgebend zu beeinflussen. Meist wird bei der pflanzlichen Gerbung unter dem Begriff Nachgerbung eine Nachbehandlung derartig gegerbter Unterleder mit pflanzlichen Gerbextrakten verstanden. In mäßigem Umfang durchgeführt, kann ein solches Behandlungsverfahren, das man zweckmäßigerweise als Füllgerbung bezeichnet, wobei mehr oder weniger große Mengen an Gerbextrakt, ungebunden auswaschbar in das Fasergefüge eingelagert werden, den Zweck haben, Griff, Fülle und Festigkeit des Unterleders zu verbessern. Dagegen hat die Anwendung größerer Extraktmengen unbedingt eine unerwünschte Gewichtserhöhung zur Folge, die als eine künstliche Beschwerung anzusehen und bei einer entsprechenden Qualitätsbeurteilung zu beanstanden ist. Eine derartige Füllgerbung, die als Anschluss bei der Fassgerbung einmal als sogenannte „Brühenfüllung“ angewandt wird, läuft in der Weise ab, dass bereits im Faß gegerbte Leder mit hochkonzentrierten Gerbextrakten in verhältnismäßig geringer Brühenmenge bei gesteigerter Umlaufgeschwindigkeit des Gerbfasses bewegt werden. Anstelle dieser Brühenfüllung wird häufig auch eine „Trockenfüllung“ nachgesetzt. Bei diesem Arbeitsgang werden die mit hohen Gerbstoffkonzentrationen ausgegerbten Leder, nachdem sie zunächst mit Wasser etwas ausgewaschen, abgepresst und abgelüftet wurden, anschließend in einem auf 40° - 45° C angewärmten Warmluftfass mit einer entsprechenden trockenen Pulverextraktmenge behandelt, wobei die beim Bewegen der Leder im Walkfass austretende Flüssigkeit die Extraktmenge löst. Für die Nachgerbung dieser Art kommen hauptsächlich Quebrachoextrakt, Eichenholzextrakt, Kastanienholzextrakt oder auch Sulfitzelluloseextrakt, in Mengen von 10 - 30 % (berechnet auf Trockengewicht) in Frage.

Zusätzlich können im weiteren durch Beigaben von Salzen, wie Bittersalz, ferner Zucker, Melasse, Dextrin, die Eigenschaften dieser Füllextrakte weitgehendst gesteuert werden. Nach diesem zusätzlichen Arbeitsgang lässt man die Leder alsdann ablüften, über Nacht liegen, dann werden sie ausgestoßen, abgeölt und getrocknet.

Fixierung der eingelagerten Gerbstoffe im Leder:

Der eigentlichen Nachgerbung wird oft ein weiterer Arbeitsprozess der Leder angeschlossen, der als Fixierung bezeichnet wird. Er hat den Zweck, die zwischen den Lederfasern eingelagerten, ungebundenen Gerb- und Nichtgerbstoffe, die bei schweren Ledern zum Erhalt eines festeren, starreren Ledercharakters wünschenswert sind, in eine unlösliche, nicht auswaschbare Form zu bringen. Dies geschieht durch eine Nachbehandlung der Leder mit gewissen Substanzen, die völlig unlösliche Verbindungen mit den Gerbstoffen eingehen, so mit Eiweißstoffen, Leim, Gelatine, Kasein und Bittersalz, weiter auch mit hochmolekularen Kondensationsprodukten auf der Basis von Harnstoff, Phenolen, Aminen u. ä.f durch Einwalken in einer Konzentration von etwa 1 - 2 %, bezogen auf das Ledergewicht. Da eine Einlagerung dieser vorgenannten Produkte mitunter mit erheblichen Schwierigkeiten (Ausfällung der Gerbstoffe) verbunden ist, war man im Laufe der Zeit seitens der Lederhilfsmittel herstellenden Betriebe bestrebt, spez. ausgesprochene Gerbstoff-Fixierungsmittel der Lederindustrie zur Verfügung zu stellen, durch welche eine bessere Wirkung, den Gerbstoff unlöslich zu binden, also zu fixieren, erzielt wurde.



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