Inhaltsverzeichnis
1. Die Arbeiten der Wasserwerkstatt
Diese Arbeiten dienen allein der Vorbereitung der rohen oder konservierten Haut auf die nachfolgende Gerbung. Alle Produkte, die nach diesen Bearbeitungsgängen der Wasserwerkstatt ohne eine eigentliche Gerbung fertiggestellt werden, vom Pergament bis zum Hundekauknochen, behalten die Eigenschaften der ungegerbten, rohen Haut.
Weiche
Die Rohware wird im ersten Arbeitsgang geweicht, wobei die Prozeßdauer sowie Menge und Art der angewendeten Hilfsmittel von der jeweiligen Konservierung abhängen. Neben der Säuberung der Haut hat die Weiche die Aufgabe, durch Wasserzufuhr den ursprünglichen Quellungszustand und die Weichheit der Haut wieder herzustellen. Darüber hinaus werden die Konservierungsmittel entfernt. Die Weichdauer kann bei gesalzener Ware einige Stunden, bei Trockenhäuten dagegen bis zu mehreren Tagen betragen. Als Weichhilfsmittel können Netzmittel und Emulgatoren, Enzymprodukte sowie Alkalien (angeschärfte Weiche) zur Beschleunigung eingesetzt werden. Bei der Weiche ist darauf zu achten, daß keine unkontrollierbaren Angriffe von Mikroorganismen auf die Haut erfolgen. Nach der Vorweiche kann vorentfleischt werden. Erst daran schließt sich die Hauptweiche an. Diese Prozesse werden im Faß, Mixer oder Haspel unter leichter Bewegung zur Weichbeschleunigung durchgeführt, früher auch ruhend in Gruben.
Äscher = Haarentfernung und Hautaufschluß
Dazu werden verschiedene Verfahren eingesetzt. Der Äscher ist die gebräuchlichste Methode, wobei unterschieden wird zwischen haarzerstörendem Äscher und haarerhaltendem Äscher, Enzymäscher, der Schwöde und früher noch der Schwitze. Die Aufgaben dieser Arbeiten bestehen darin, daß die Lederhaut von der Oberhaut und ihren Folgeprodukten, den Haaren sowie von den nicht für die Lederhersteflung brauchbaren Eiweißsubstanzen befreit wird. Gleichzeitig erfolgt ein Hautaufschluß, der von seiner Intensität her, auf die herzustellende Lederart abzustimmen ist. Zwischen dem haarerhaltenden und dem haarzerstorenden Äscher bestehen prinzipiell nur Konzentrationsunterschiede der die Disulfidbrücke des Keratins spaltenden Chemikalien, die im wesentlichen Reduktionsmittel darstellen. Es handelt sich dabei um Salze oder Abkömmlinge des Hydrogensulfides (früher als Schwefelwasserstoff bezeichnet), vom Natriumsulfid bis zu den Thioalkoholen. Der Eiweißstoff Keratin der Oberhaut und der Haare wird dabei zuerst von der Lederhaut gelöst und liegt nach dem haarzerstörenden Äscher als kolloider Haarschlamm vor. Als weitere wichtige Chemikalie wird dem Äscher Calciumhydroxid zugefügt, um dadurch einen Hautaufschluß zu erhalten. Durch die Äscherintensität und die Dauer werden bereits in diesem Arbeitsgang die Grundlagen für wichtige Ledereigenschaften gelegt. Feste,standige Sohlenleder werden nur ganz kurz geäschert, während zur Herstellung zügiger Handschuhleder ein längerer Äscher erforderlich ist.
Enzymenthaarung
Die Enzymenthaarung gehört zu den haarerhaltenden Äschern. Es werden möglichst spezifisch wirkende Enzymprodukte eingesetzt, die die basale Zellschicht der Oberhaut angreifen, um so eine Ablösung der Oberhaut und damit auch der Haare zu bewirken. An die meisten Enzymäscher schließt sich -je nach gefordertem Hautaufschluß für die herzustellende Lederart - ein Weißkalkäscher von unterschiedlicher Dauer an.
Schwöde
Zur Schwöde wird aus den Äscherchemikalien eine breiige Flüssigkeit hergestellt. die von Hand mit einem einfachen Wischer oder aber maschinell auf die Haut aufgebracht wird. Zur Wollgewinnung bei Schaffellen erfolgt die Einwirkung der Schwöde von der Fleischseite des Felles. Zur reinen Haarzerstörung und zur Erhaltung eines feineren Narbens wird auch bei Kalbfellen öfters das Schwödeverfahren angewandt. Der Schwödebrei wird dabei auf der Haarseite aufgebracht.
Schwitze
Die Schwitze ist als ein Vorgänger der Enzymenthaarung anzusehen. Hier läßt man Mikroorganismen, die sich auf der Haut befinden, in feuchten und warmen Räumen auf diese einwirken. Dieser Prozeß muß besonders streng überwacht werden, da im Gegensatz zum Enzymäscher die Mikroorganismen nicht spezifisch wirken. Bei Anwendung der Schwöde und dem veralteten Verfahren der Schwitze muß ein Nachäscher durchgeführt werden.
Blöße
Die nach dem Äschern enthaarte Haut wird als Blöße bezeichnet.
Entfleischen
Das Entfleischen wird in einem Stadium an der Haut (Vorentfleischen) oder der Blöße durchgeführt, bei dem die Lederhautschichten noch eine gewisse Festigkeit, entweder durch eine nicht vollständige Weiche oder aber durch die Quellung im Äscher, besitzen. Bei dieser maschinellen Arbeit wird das Unterhautbindegewebe mit seinen Einlagerungen möglichst gleichmaßig und vollstandig von der Retikularschicht abgetrennt. Reste dieses Bindegewebes beeinträchtigen die Diffusionsprozesse in die Haut sowie die spätere Verarbeitbarkeit des Leders (Verklebung von Sohlenledern usw.).
Streichen
Das Streichen. Die auch nach Anwendung des haarzerstörenden Äschers im Narben verbleibenden Haarwurzeln, Pigmente und evtl. auch noch Grundhaare, die als Grund und Gneist bezeichnet werden, sollten zumindest bei der Herstellung von Ledern mit Anilincharakter im Blößenstadium entfernt werden. Diese mechanische Bearbeitung muß vor der Sauerstellung der Blößen in den sich anschließenden Gerbungen vorgenommen werden, da sich danach diese Stoffe fest in der Haut ablagern und die Narbenelastizitat sowie die Gleichmaßigkeit der Lederoberfläche nachteilig beeinflussen würden. Die möglichst restlose Entfernung von Grund und Gneist kann nach dem Entfleischen an der geäscherten Blöße,nach dem Entkälken und am besten bei narbenfester Ware nach der Beize erfolgen, wenn die Blöße verfallen, d. h. nicht mehr gequollen ist.
Das Spalten
Das Spalten. Dieser Arbeitsgang dient der Einstellung der späteren Lederdicke von dem reinen Egalisieren bis zur Erzeugung von Narben- und Fleischspalt, die erst nach dem Spalten in getrennten Prozessen für den vorgesehenen Verwendungszweck bearbeitet werden können. Beim Spalten wird die Haut durch exakt einstellbare Führungseinrichtungen gegen ein horizontal in der Ebene der Hautfläche laufendes Bandmesser geführt und so in zwei Schichten zerschnitten. Der Oberspalt wird dabei in der vorgesehenen Dicke über die gesamte Fläche gleichmäßig eingestellt, während der Unterspalt alle Dickenunregelmäßigkeiten aufnimmt.
Das Spalten kann in verschiedenen Stadien von der rohen Haut bis zum fertigen Leder erfolgen. Der Spaltvorgang an der rohen Haut, durch den die beiden Schichten mit bevorzugt horizontal verlaufenden Fasern (der Narbenbereich und die Grenzzone der Retikularschicht zur Unterhaut) schon vor dem Äscher getrennt werden, soll den am Fertigleder oft auftretenden Narbenzug ausschalten und die Mastfalten verringern. Gebräuchlicher ist aber das Spalten nach dem Äscher oder nach der Chromgerbung. Grundsätzlich bedeutet das Spalten einen starken Eingriff in das Hautfasergefüge, so daß nach F. Stather die Eigenschaften der Leder in größerem Maß von einer sachgerechten Lederdicke als von der Technologie der Lederhersteltung bestimmt werden. Die Untersuchungen von J. A. Wilson haben gezeigt,dass nach dem Spalten die Summe der Reißfestigkeiten der beiden Spalte immer geringer ist als die Reißfestigkeit des ungespaltenen Leders. Die bei diesen Untersuchungen erhaltenen Kurven (Abb. 3 und 4) zeigen die Reißfestigkeiten der Spalte in Prozent der Festigkeit des ungespaltenen Leders. Die Anforderungen an das Fertigleder legen bei dem Bestreben nach dem Erhalt dünnerer Leder die Spaltgrenzen fest. Für Oberleder gilt als Richtwert ein Spalten des Leders bis zu 50 % seiner ursprünglichen Dicke, ohne eine Verschlechterung der Ledereigenschaften.
Die Voraussetzung für die Gewinnung hochwertiger Narben- und Spaltleder ist der Einsatz von Häuten, die von der Gesamtdicke her gesehen für die vorgesehenen Ledertypen passen. Der bei dickem Blößenmaterial durch zweimaliges Spalten zusätzlich erhaltene Mittelspalt weist nur niedrige Festigkeitswerte auf. Mittelspalte werden nur beschränkt als Leder eingesetzt (Verstärkungs-, Versteifungsmaterialien usw.).
Entkälkung
Die Entkälkung. Die Entfernung der an die Haut gebundenen oder kapillar eingelagerten Äscherchemikalien sowie die Beseitigung der Alkaliquellung ist die Aufgabe der Entkälkung. Durch Zusatz von schwachen organischen Säuren oder sauren Salzen bilden sich lösliche Kalksalze, die ausgewaschen werden. Im Normalfall wird eine Durchentkälkung angestrebt.
Beize
Die Beize. Die Behandlung der entkälkten Blößen mit speziellen Enzymen (Proteasen) ist für die Eigenschaften des Fertigleders von seiner Bedeutung her der Einwirkung des Äschers gleichzustellen. Die Beize erfolgt während oder gleich im Anschluß an die Entkälkung. Äußerlich zeigt sich die Beizwirkung durch ein Verfallen der Blößen. Dies wird auf eine Weiterführung der im Äscher begonnenen Faserisolierung zurückgeführt. Es werden die Keratinreste aus dem Narbenbereich entfernt und Grund und Gneist gelöst. Beizdauer und Intensität sind abhängig von dem Blößenmaterial und der daraus herzustellenden Lederart.
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