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Messung des pH-Wertes und der Differenzzahl eines wässrigen Lederauszugs - DIN 53312 entspricht IUC 11

Die meisten der heute hergestellten Lederarten werden im sauren pH-Bereich gegerbt und gefärbt. Es ist daher wichtig, die Aciditätsverhältnisse in Ledern der verschiedenen Verarbeitungsstadien und auch in den Fertigledern zu messen, da freie, stark wirkende Säuren zu unterschiedlichen Schädigungen führen können. Das gleiche gilt auch für freie, stark wirkende Alkalien, die nur bei einigen Gerb- und Färbarten auftreten können (z. B. Sämisch-, Aldehydleder, Schwefelfärbungen usw.).

Dazu wird der pH-Wert eines mit der 20fachen Massenmenge Wasser hergestellten wässrigen Auszuges des entnommenen und zerkleinerten Leders gemessen. Nasse Leder werden in geeigneter Weise zerschnitten und entsprechend ihrem erhöhten Wassergehalt eine größere Masse eingewogen. Die Entscheidung, ob bei pH-Werten unter 3,5 oder über 9,0 stark wirkende freie Säuren oder im anderen Fall Alkalien vorhanden sind, wird durch die Bestimmung der Differenzzahl herbeigeführt. Dazu wird grundsätzlich ein aliquoter Teil des wässrigen Auszuges mit der neunfachen Menge des zur Messung des pH- Wertes verwendeten Leitfähigkeitswassers verdünnt. Die Differenz des darin gemessenen pH-Wertes zum Original-pH-Wert nach dieser Vorschrift ergibt die Differenzzahl. Die Differenzzahl ist groß bei Anwesenheit starker Säuren oder starker Alkalien und Abwesenheit puffernder Salze. Sie beträgt 0,70 und darüber. Sie kann den Maximalwert von 1,0 nicht überschreiten. Sie ist klein bei Anwesenheit freier starker Säuren oder starker Alkalien und erheblichen Mengen puffernder Salze oder bei alleiniger Anwesenheit schwacher Säuren oder schwacher Alkalien, unabhängig von puffernden Salzen. Durch eine Nachdissoziation ändern schwache Säuren und Alkalien ihren pH-Wert bei zehnfacher Verdünnung nur gering, d. h. um 0,5 pH. Stark gefettete oder hydrophobierte Leder können die Benetzung und das sich zwischen dem Leder und der Lösung einstellende Säuregleichgewicht stören. Dies ist, wie auch die Wahl eines anderen Zerkleinerungsgrades der Probe, im Prüfbericht zu vermerken.

Zur Bestimmung des pH-Wertes sind alkaliarme Gerätegläser nach DIN 12111 zu verwenden, die bereits längere Zeit vor dem eigentlichen Gebrauch immer wieder mit destilliertem Wasser gespült wurden, oder Gefäße aus Polyäthylen. Das Leitfähigkeitswasser wird bevorzugt durch doppelte Destillation in Quarzgefäßen frisch hergestellt. Die Aufbewahrung von Leitfähigkeitswasser erfolgt in Polyäthylengefäßen mit Natronkalkrohr-Verschluss. Bei längerer Lagerung ist das Wasser vor dem Gebrauch aufzukochen, um eventuelle CO2-Spuren zu vertreiben. Als Reinheitsanforderung muss das Wasser einen pH-Wert zwischen 6,0 bis 7,0 und eine spezifische Leitfähigkeit bei 20°C von bis 2 x 10-6 Ω-1 cm-1 haben.

Die Glaselektrodenkette ist mit folgenden Pufferlösungen zu eichen: (Zur Herstellung werden analysenreine Chemikalien und Leitfähigkeitswasser verwendet. Gebrauchte Pufferlösungen sind zu verwerfen.)

Die Bestimmung des pH-Wertes ist um so genauer, je kleiner die Differenz zwischen dem pH-Wert der Probelösung und dem pH-Wert der Pufferlösung ist (möglichst nicht mehr als zwei Skalenteile entfernt). Bei verschmutzter (verfetteter) Elektrodenmembran ist diese durch ein Einhängen der Elektrode in eine Lösung aus einem Volumenteil Wasser und einem Volumenteil Aceton zu reinigen. Danach muss ausreichend gespült werden.

Durchführung:

5 g der Probe werden auf 0,l g genau gewogen und in einer 250ml Polyäthylenflasche mit Polyäthylenverschluss 100 ml Leitfähigkeitswasser kurz zur intensiven Verteilung von Hand geschüttelt und dann in eine Schüttelmaschine mit einer Schüttelfrequenz von 50 ± 10 Schwingungen je Minute- entspricht der Drehzahl eines Schüttelkreuzes - für 16 bis 24 Stunden bei (20 ± 2) °C geschüttelt. In dem nicht filtrierten Gemisch wird mit pH-Indikatorpapier der ungefähre pH-Bereich ermittelt und danach die Elektrodenkette mit einer Pufferlösung entsprechend eingestellt. Die Messung erfolgt im nicht filtrierten Auszug bei (20 ± 2) °C auf 0,05 pH-Skalenteile genau. Aus mehreren Einzelwerten ist das arithmetische Mittel zu bilden.

Bestimmung der Differenzzahl:

Liegt der pH-Wert, der bei der zuvor beschriebenen Methode bestimmt wurde, für die Probe unter 3,5 oder über 9,0, so muss die Differenzzahl bestimmt werden. Dazu wird vorher der wässrige Auszug dekantiert, und davon werden 10 ml entnommen, die in einen 100 ml Messkolben pipettiert und mit Leitfähigkeitswasser bei 20 °C zur Marke aufgefüllt werden. Die Glaselektrodenkette ist vor der eigentlichen Messung mit etwa 20ml dieser verdünnten Lösung abzuspülen, und danach wird der pH-Wert der 10fachen Verdünnung auf 0,05 pH-Skalenteile bestimmt. Die Differenzzahl errechnet sich aus der Differenz des Original-pH-Wertes und des pH-Wertes der zehnfachen Verdünnung.

Sowohl für die Verarbeitung als auch für den Gebrauch des Leders sind die Kenntnisse über die Aciditäts- bzw. die Alkalitätsverhältnisse im Leder von weitreichender Bedeutung. Die Bestimmung des pH-Wertes erfolgt gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen im Leder in einer sehr starken Verdünnung. Die Säurekonzentration ist daher im Leder, das einen durchschnittlichen Wassergehalt von 12 bis 15 % aufweist, weit höher anzusetzen. Mit der Bestimmung des pH-Wertes wird die aktuelle Acidität erfasst, d. h. der Teil der im Leder vorhandenen Säure, der durch die Dissoziation als Wasserstoffionen vorliegt, deren Konzentration gemessen und durch den pH-Wert ausgedruckt wird. Da neben dem Original-pH-Wert des Leders auch die Säurestärke eine große Bedeutung hat, ist es wichtig, auch darüber Messungen durchzuführen. Dazu wird die Differenzzahl eines Leders in der zehnfachen Verdünnung gegenüber der Konzentration bei der Messung des pH-Wertes bestimmt. Eine stark dissoziierende Verbindung (starke Säure oder starkes Alkali) ändert ihren pH- Wert bei der zehnfachen Verdünnung um 1, während ein schwacher Elektrolyt (schwache Säure oder schwaches Alkali) durch die Nachdissoziation eine Erhöhung um etwa 0,5 pH-Einheiten zeigt.

Die meisten Gerbungen und auch die weiteren Arbeiten der Nasszurichtung über die Färbung des Leders bis zur Bleiche eines rein pflanzlich gegerbten Leders werden im sauren Gebiet durchgeführt. Bei der Betrachtung des pH-Wertes und seiner Einstellung sind folgende Punkte zu berücksichtigen.

Die Untersuchung der inneren Säurebildung von W. Weber, St. Gallen, befasste sich zuerst mit chrom-pflanzlich-kombiniert gegerbten Ledern, aber auch mit rein pflanzlich und pflanzlich- synthetisch gegerbten Ledern. pH-Wert-Veränderungen und Festigkeitsverminderungen hängen danach von den Lagerungsbedingungen ab, die nach den gemachten Angaben bei 20°C und 65 % relativen Luftfeuchtigkeit äußerst langsam vor sich gehen;

Für die Untersuchungen wurden daher von Weber die Bedingungen 50°C und 95 %, relative Luftfeuchtigkeit gewählt. Es zeigte sich, dass in der Kombination chrom-pflanzlich gegerbte Leder ein Absinken der pH-Werte und ein Ansteigen der Differenzzahlen gegenüber den Ausgangswerten erkennen ließen. So nahmen die pH-Werte teilweise um 0,3 bis 0,6 Einheiten ab, während die Differenzahlen um 0,l bis 0,3 zunahmen. Die Bildung der freien starken Säure wird dabei von Amos, Thompson und Tolliday auf den Austausch der Sulfatoliganden aus den Chromkomplexen durch andere komplexaffinere Gruppen der pflanzlichen und synthetischen Gerbstoffe zurückgeführt. Die Auswertung dieser Untersuchungen ergab, dass chrom-pflanzlich/synthetisch gegerbte Leder, die unter extremen Bedingungen (warm/feucht) eingesetzt werden sollen, einen Anfangs-pH-Wert nicht unter 3,8 haben sollten.

Auch bei den weiteren Überprüfungen des Verhaltens pflanzlich/synth. gegerbter Leder zeigte sich, dass das Säurebindungsvermögen der Leder nach deren Fertigstellung möglichst noch nicht abgesättigt sein sollte und dass Anteile puffernder Salze im Leder wichtig sind. Der Einfluss der sich in den Ledern bildenden Säure zeigte sich in einer Abnahme der Lederfestigkeiten, wobei besonders starke Veränderungen bei dem Vorliegen niederer Anfangs-pH-Werte und hoher Differenzahlen (z.B. pH 3,l / Differenzzahl 0,9) festgestellt werden konnten, bei denen es unter den gewählten Alterungsbedingungen teilweise schon innerhalb von 20 Tagen zur völligen Zerstörung des Leders kam.

Pflanzlich gegerbte Leder und reine Chromleder sind gegenüber der Einwirkung alkalisch reagierender Substanzen empfindlich, da es zu Entgerbungen kommen kann. Dabei tritt die Versprödung pflanzlicher Leder schneller ein. Die Leder werden dunkler und brechen schließlich auf. Hier ist vor allen Dingen die Reaktion der alkalischen Schweißbestandteile aus den durch biologische Zersetzung des menschlichen Schweißes entstandenen Substanzen besonders hervorzuheben. Leder, die bei ihrer Verwendung größere Schweißmengen aufnehmen müssen, sollten sowohl durch eine Kombinationsgerbung als auch durch eine gewisse Faserumhüllung (z. B. Harzgerbstoffe, Fette u.s.w.) einen zusätzlichen Schutz erfahren.



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