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87 Über den Einfluss von Zusätzen verschiedenartiger organischer Stoffe auf die quellende, prallmachende und haarlockernde Wirkung in Äschern aus dem Jahre 1969

Von H. Herfeld und B. Schubert

The influence of various organic materials on the swelling, stretching und hairloosening effects in liming agents.

In the researdi carried out additions of ammoniac, methyl- and dimethylamine and their sulphates, of guanidine sulphate, dicyandiamide and urea, of thioglycol acid, sugar, wetting and emulsifying agents in liming liquors are examined. On the one hand one translates into figures the effect of such additions on the swelling and stretching of the hide and skin material, on the other hand their influence on hairloosening. Conclusions are drawn concerning the Utility of the use of various chemicals in the liming process.

In den letzten Jahren befassten wir uns in umfangreichen Untersuchungen mit der Klärung der Zusammenhänge zwischen Quellung, Prallheit und Hautausschluss in klassischen Äschersystemen und dem Einfluss dieser Größen auf die Lederqualität. Die klassischen Äscherverfahren unter Verwendung von Kalk und den Sulfiden des Natriums und Calciums und evtl. einem Zusatz von Salzen gestatten, den Äscherprozess unter Erhaltung oder Zerstörung der Haare durchzuführen und andererseits durch Variation von Quellung und Prallheit den Äscheraufschluss der Haut und damit die Eigenschaften des Leders in weiten Grenzen zu variieren. Im Hinblick auf die Schonung der Hautsubstanz und den Erhalt weicher und doch festnarbiger Leder ist die Entwicklung immer mehr in die Richtung haarzerstörender Äscher gegangen, die aber unter dem Gesichtspunkt der Abwasserbeschaffenheit den Nachteil haben, dass sie durch die Anwesenheit von Sulfiden und insbesondere die hohe Belastung durch Eiweißabbauprodukte, die vorwiegend vom Keratinabbau des Haares und der Epidermis stammen, die Abwasserqualität der Lederfabriken entscheidend verschlechtern. Es ist daher verständlich, dass wir uns im Anschluss an die erwähnten Untersuchungen auch bemüht haben, Vorschläge für Äscherververfahren weiterzuverfolgen, die gestatten, bei Erreichung einer einwandfreien Lederqualität doch haarerhaltend zu arbeiten und damit die Abwasserqualität zu verbessern. Hier bieten sich in erster Linie die Enzymentharung und der haarerhaltende Dimethylaminäscher an, und wir haben über beide Systeme eingehende Untersuchungen durchgeführt und inzwischen veröffentlicht. Dabei haben wir für beide Möglichkeiten die bereits bekannten theoretischen Kenntnisse erweitern und zeigen können, dass bei sachgemäßer Einstellung des Verfahrens eine zuverlässige Lockerung auch der Grundhaare und eine befriedigende Lederqualität erreicht werden kann, die derjenigen entspricht, die man mit klassischen haarzerstörenden Äschern erhält. Wir haben weiter Rahmentechnologien mitgeteilt, die zeigen, dass beide Äscherverfahren kaum nennenswert arbeitsund zeitaufwendiger als klassische Äscher sind und daher auch ohne weiteres in rationalisierte Arbeitsprozesse eingebaut werden können.

Im Rahmen unseres inzwischen abgeschlossenen Versuchsprogramms haben wir aber noch Untersuchungen über andere Zusätze zum Äscher durchgeführt. Der Grund für die Prüfung dieser Zusätze war bei den einzelnen Stoffgruppen unterschiedlich. Teils sollten sie eine Erweiterung unserer theoretischen Kenntnisse über die Wirkung bestimmter Äschersysteme erbringen, in anderen Fällen sollten Vorschläge in der Literatur oder Arbeitsverfahren der Praxis auf ihre Wirkungsweise und Zweckmäßigkeit überprüft werden. Auch die Ergebnisse dieser Untersuchungen erscheinen uns wichtig genug, der Praxis mitgeteilt zu werden, was mit den nachstehenden Ausführungen geschehen soll. In allen Fällen stand die Frage im Vordergrund, wie die untersuchten Äscherzusätze die Quellung und Prallheit des Hautmaterials und damit den Hautaufschluss des Fasergefüges zu beeinflussen vermögen. Bei diesen Untersuchungen wurde bezüglich der Vorbereitung des Hautmaterials, der Ausführung der Versuche, der Messung des Quellungs- und Prallheitszustandes der Haut und der Feststellung des pH-Wertes und der Gesamtalkalität in den Äscherbrühen nach den früher mitgeteilten Methoden gearbeitet, so dass auf die diesbezüglichen Angaben verwiesen werden kann. Über die Menge der eingesetzten Chemikalien werden bei Besprechung der verschiedenen Äschersysteme nähere Angaben gemacht. Als Temperaturbereich wurde bei allen Quellungsversuchen einheitlich 25° C gewählt. Bei einer Reihe von Zusätzen wurden auch praktische Äscherversuche durchgeführt, deren Einstellung den jeweiligen Gegebenheiten angepasst wurde.

Zusätze von Ammoniak, Methyl- und Dimethylamin und ihren Sulfaten zu Ca (OH)2 bzw. NaOH

Die Tatsache, dass Ammoniak und primäre bzw. sekundäre Amine als Zusatz zum Kalkäscher bzw. zu Ätznatronlauge das Haarlockerungsvermögen beeinflussen, ist seit langem bekannt. Für Ammoniak hat Stiasny schon 1906 festgestellt, dass es für sich eine gute haarlockernde Wirkung besitzt, als Zusatz zum Kalkäscher aber dessen haarlockernde Wirkung nicht beeinflusst, wohl aber den Hautaufschluss verstärkt. Weitere Untersuchungen konnten diese Angaben bestätigen, praktische Anwendungen haben diese Erkenntnisse indessen nicht gefunden. Über die umfangreiche Literatur zu der Tatsache, dass primäre oder sekundäre Amine die Haarlockerung in Kalkäschern und Ätznatronlösungen wesentlich zu beschleunigen vermögen, hatten wir schon in der vorhergehenden Veröffentlichung berichtet1), so dass darauf verwiesen werden kann. Ursprünglich wurde dem Monomethylamin die höchste Wirksamkeit zugesprochen, doch haben spätere Untersuchungen gezeigt, dass Dimethylamin wesentlich wirksamer ist. Diese Tatsache haben wir bei unseren Äscherversuchen ebenfalls bestätigt und daher den Schwerpunkt unserer praktischen Versuche auf die Weiterentwicklung des Dimethylaminäschers gelegt. Über die Ergebnisse unserer Untersuchungen über haarerhaltende Dimethylaminäscher haben wir bereits berichtet. Wenn wir trotzdem zusätzliche Versuche mit Methylamin und Ammoniak und ihren Sulfaten mit in unsere Untersuchungen einbezogen, obwohl deren im Vergleich zum Dimethylamin deutlich schlechtere Enthaarungswirkung bekannt war, so nur, um die Gesetzmäßigkeiten, die wir über die Beeinflussung von Quellung und Prallheit durch Dimethylamin und sein Sulfat in Kalkäschern und Ätznatronlösungen erhalten hatten, auf eine breitere Grundlage zu stellen und zu klären, ob sie auf einer spezifischen Wirkung des Dimethylamins beruhen oder für den ganzen Verbindungskomplex Gültigkeit haben, wenn auch in Abhängigkeit von den konstitutionellen Differenzen dieser 3 Verbindungen in unterschiedlichem Masse.

Für Dimethylaminsulfat (DMAS) hatten wir festgestellt, dass Zusätze zu Kalkäschern eine geringfügige Verminderung der Quellung und Prallheit bewirken, während im Falle des Zusatzes zu Ätznatronlösungen bei 25° die Quellung und Prallheit mit zunehmender Zugabe in starkem Masse herabgesetzt wird. Durch einen Zusatz der freien DMA-Base zu Ätznatronlösungen wird dagegen die Quellung und die Prallheit gesteigert, obwohl der pH-Wert weder im Anfangs- noch im Endwert dadurch eine nennenswerte Veränderung erfährt. Wir hatten das auf eine spezifische Wirkung der Kombination von Ätznatron mit der freien DMA-Base zurückgeführt und die Vermutung geäußert, dass die freie Base eine gewisse hydrotrope Wirkung besitzt, die nach der chemischen Struktur durchaus möglich erscheint. Nun stellen in der Reihe

Ammoniak Methylamin Dimethylamin

NH3 CH3NH2 (CH3)2NH

die beiden letzten Verbindungen Methylderivate des Ammoniaks dar, die wie das Ammoniak Basen sind und das letztere im Basizitätsgrad übertreffen. Das Dimethylamin weist in wässeriger

Lösung die höchste Dissoziationskonstante auf (pKb = 3.22), dann folgen Methylamin mit 3,36 und Ammoniak mit 4,75. Die Dissoziationskonstanten nehmen also in der angeführten Reihenfolge ab. Um einen exakten Vergleich der 3 Produkte und ihrer Sulfate zu erhalten und die Ergebnisse mit den bereits veröffentlichten Werten für DMA und DMAS1) in Vergleich setzen zu können, wurden sie in stickstoffäquivalenten Mengen untereinander und zu den Mengen von 1, 2, 4 und 6'% an DMAS technisch (85%ig), auf Weichgewicht bezogen, eingesetzt. Die sich daraus ergebenden effektiven Mengen an Ammoniak, Methylamin (MA), Dimethylamin (DMA) 10%ig und ihrer Sulfate AS, MAS und DMAS sind in Prozent auf Weichgewicht und Flottenmenge (300%) aus Tabelle 1 ersichtlich. Als Grundlösung für die Versuche werden 3'% Kalkhydrat bzw. 3% Ätznatron, auf Weichgewicht bezogen, eingesetzt, was bei 300% Flotte „einer l%igen Aufschwemmung bzw. Lösung dieser Chemikalien entspricht. Die Werte für DMA bzw. DMAS wurden aus unseren früheren Veröffentlichungen entnommen, im Falle des DMAS selbstverständlich diejenigen des neutralisierten Produktes. Das verwendete Methylamin wurde als 33%iges Produkt (Riedel de Haen) bezogen, das Sulfat daraus durch Neutralisation mit Schwefelsäure und Methylrot als Indikator selbst hergestellt.

Abbildung 1:

Tabelle 1:

Ca(OH)2 + DMAS, MAS und MA. Die Werte für die Quellung und Prallheit in diesen Systemen sind aus Bild 1 ersichtlich. Die Quellung wird durch den Zusatz von MAS zunächst nur wenig, bei höheren Zusätzen (wie sie für die Praxis aber kaum in Frage kommen) deutlich vermindert, während der vermindernde Einfluss auf die Prallheit noch weniger ausgeprägt ist, was bei der an und für sich nur geringen prallmachenden Wirkung des Kalkäschers verständlich ist. Die Verminderung der Quellung und Prallheit ist aber deutlich stärker ausgeprägt als bei entsprechenden Zusätzen von DMAS. Die Werte der Tabelle 2 zeigen, dass diese Unterschiede kaum auf eine Änderung des pH-Wertes der Äscherlösung zurückzuführen sind, und auch die Unterschiede zwischen MAS und DMAS sind nicht mit einem pH-Einfluss zu begründen, sondern auf eine spezifische Wirkung der 2 Chemikalien zurückzuführen. In beiden Äschersystemen steigt mit zunehmendem Zusatz von DMAS bzw. MAS die titrimetrisch ermittelte Gesamtalkalität beträchtlich an, da durch doppelte Umsetzung der beiden Komponenten CaSO4 teilweise ausfällt und damit zusätzlich ein Teil an DMA bzw. MA als Base in Freiheit gesetzt wird. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die beiden Sulfate (nicht die freie Base) in der Lage sind, durch Bildung leichtlöslicher Komplexsalze mit dem Kalk die Kalklöslichkeit zu steigern. Wir hatten schon in unserer ersten Veröffentlichung betont, dass die Verminderung der Quellung und Prallheit vorwiegend durch den steigenden Gehalt an gelösten Calciumverbindungen und eine dadurch bewirkte Verminderung der Dissoziation des gebildeten Calciumkollagenats mit zunehmendem Aminsulfatzusatz bewirkt wird, aber die stärkere Verminderung im Falle des MAS gegenüber DMAS kann damit nicht erklärt werden.

Im Gegensatz zu den Sulfaten wird durch den Zusatz der freien Base MA zum Kalkäscher keine Verminderung, sondern eine Steigerung der Quellung und in ganz geringem Umfang auch der Prallheit bewirkt, eine Erscheinung, auf die wir unten nochmals ausführlich eingehen werden. Die pH-Werte sind auch durch diese Zusätze kaum beeinflusst, die Gesamtalkalität steigt erwartungsgemäß an und die Löslichkeit des Kalkes wird in diesem System nicht erhöht, ein Hinweis darauf, dass nur die Salze der Amine komplexbildende Eigenschaften besitzen.

NaOH + DMA, MA, NH3 und deren Sulfate. Die Ergebnisse dieser Reihe sind in Bild 2 und Tabelle 3 zusammengestellt. Sie zeigen, dass die Feststellung, die wir früher für DMA und DMAS mitteilten, für alle 3 Basen grundsätzlich in gleicher Weise gelten, wenn auch mit unterschiedlicher Intensität. Es sind auch die gleichen Gesetzmäßigkeiten vorhanden, die wir bei den entsprechenden Zusätzen zum Kalkäscher feststellten, nur sind sie hier wesentlich stärker ausgeprägt.

Tabelle 2:

Abbildung 2:

Tabelle 3:

Alle 3 Salze bewirken eine starke Verminderung sowohl der Quellung als auch der Prallheit. Der pH-Wert der Anfangslösung wird nur wenig beeinflusst, in der Endlösung dagegen mit zunehmendem Salzzusatz zunächst mäßig und dann stärker erniedrigt, was sicher darauf zurückzuführen ist, dass bei Einstellung des Gleichgewichts ein Teil der schwächer dissoziierten Base durch NaOH aus dem Sulfat in Freiheit gesetzt wird. In allen Fällen liegt der pH-Wert in dem für einen Äscher notwendigen Bereich (nicht unter pH 12). Die Gesamtalkalität wird durch die Salzzusätze in den Anfangslösungen nicht beeinflusst, in den Endlösungen wird sie geringfügig herabgesetzt. Die Verminderung der Quellung und Prallheit ist bei den 3 Salzen unterschiedlich stark ausgeprägt, beim DMAS am geringsten, stärker bei MAS und am stärksten bei AS. Diese Differenzen sind nicht mit unterschiedlichen pH-Werten der Lösung zu erklären. Die Endalkalität erfährt zwar in der gleichen Reihenfolge eine Zunahme, aber auch hier sind die Unterschiede nur sehr gering. So können weder Änderungen im pH-Wert noch der Gesamtalkalität zur Erklärung des Verlaufs der Quellungs- und Prallheitskurven in Bild 2 herangezogen werden. Hier spielt ohne Zweifel in erster Linie ein teilweiser Ionenaustausch von Natriumionen gegen NH4 - bzw. Aminionen im Kollagen eine entscheidende Rolle, wie er uns schon bei den Untersuchungen über anorganische Salz pH-Werte und Gesamtalkalität am Anfang und Ende des Äschers im System 3% NaOH (auf Weichgewicht) Zusätze zu klassischen Äschersystemen begegnet ist. Die Quellung ist vom jeweiligen Dissoziationsgrad des sich bildenden Kollagensalzes abhängig, und wenn Ammoniumkollagenat bzw. die Aminkollagenate so wie das Calciumkollagenat geringer dissoziiert sind als Natriumkollagenat, dann muss eine Verminderung der Quellung und Prallheit in dem Masse auftreten, wie dieser Ionenaustausch stattfindet.

Alle 3 freien Basen bewirken im Gegensatz dazu eine Steigerung der Quellung und Prallheit, und hier ist die Wirkung gerade umgekehrt wie bei den Salzen. Ammoniakzusätze bewirken die geringste Steigerung der Quellung und nur eine geringfügige Steigerung der Prallheit, stärker tritt der Einfluss bei MA und am stärksten bei DMA in Erscheinung. Hier liegt natürlich mit zunehmendem Basenzusatz eine Steigerung der titrierbaren Gesamtalkalität vor, während ein Einfluss auf den pH-Wert weder in den Anfangs-noch bei den Endlösungen festzustellen ist, die Unterschiede in den Dissoziationskonstanten sich also in Gegenwart von NaOH praktisch nicht auswirken. Die steigernde Wirkung der freien Amine auf die Quellung und Prallheit ist also nicht aus der Änderung der analytischen Daten abzuleiten, sondern hier muss vielmehr eine spezifische Wirkung vorliegen, die nach dem Verhalten der Komponenten für sich und den analytischen Daten nicht zu erwarten gewesen wäre.

Es ist wohl anzunehmen, dass die Quellungssteigerung durch die freien Basen in erster Linie auf eine hytrotrope Wirkung zurückzuführen ist, die die 3 Basen aufgrund ihrer chemischen Struktur besitzen. Bekanntlich gilt schon das Ammoniumion im Rahmen der Hofmeister'schen Reihe als ein die Hydrotropie förderndes Kation, und bei den substituierten Aminen muss diese Wirkung noch stärker ausgeprägt sein. Hydrotrope Substanzen wirken bekanntlich an und für sich nicht quellend, verstärken aber die Auswirkungen quellender Agenzien, da sich durch Lösen der Wasserstoffbrücken zwischen den benachbarten Polypeptidketten die abstoßende Wirkung gleichgeladener Bezirke stärker auswirken kann. Damit in Zusammenhang steht ohne Zweifel auch der hohe Temperaturfaktor, mit dem die Einwirkung der Amine bzw. ihrer Sulfate verbunden ist. Die hier zur Diskussion stehenden Untersuchungen sind alle einheitlich bei 25° C durchgeführt worden, aber früher hatten wir für DMAS festgestellt, dass der bei 25° C quellungsvermindernde Einfluss sich bei Steigerung der Temperatur auf 35° in eine quellungssteigernde Wirkung umwandelte, obwohl der pH-Wert der Lösung bei 25° und 35° praktisch der gleiche war. Diese Erscheinung ist nur unter Annahme einer hydrotropen Wirkung verständlich, die bekanntlich einen außerordentlich stark ausgeprägten Temperaturfaktor besitzt. Bei Zusatz der freien Basen macht sich dagegen der hydrotrope Einfluss schon bei niedrigen Temperaturen bemerkbar.

Praktische Äscherversuche. Wir haben im Rahmen dieses Versuchskomplexes auch praktische Äscherversuche durchgeführt, um ein Bild zu bekommen, in welchem Masse MAS und AS als die Haarlockerung fördernde Mittel wirken, obwohl - wie schon eingangs erwähnt - diese Versuche nur theoretischen Charakter haben konnten, da sowohl MAS als auch AS nach den bisherigen Angaben der Literatur schlechtere haarlockernde Eigenschaften besitzen als DMAS4). Nachdem aber bei unseren früheren Äscherversuchen mit DMAS1) ein Arbeitsverfahren entwickelt worden war, bei dem eine zuverlässigere Lockerung auch der Grundhaare dadurch erreicht wurde, dass dem DMAS ein zeitlicher Vorsprung zur Diffusion eingeräumt wurde, bevor die alkalischen Äscherchemikalien (Kalk und Ätznatron) zum Einsatz gelangten, stellte sich die Frage, ob nicht unter diesen Bedingungen auch bei Einsatz von MAS bzw. AS bessere haarlockernde Ergebnisse erreicht werden könnten, zumal noch hinzu kommt, dass durch einen möglichen Ersatz von AS statt DMAS j^y die Arbeitsweise wesentlich billiger gestaltet werden könnte. Selbstverständlich kommen nach den Kurven insbesondere in Bild 2 nur die Salze der 3 Basen als Zusatz in Betracht, da ein genügender Hautaufschluss nur erreicht werden kann, wenn insbesondere die durch Ätznatron bewirkte Prallheit gedämpft wird, auf keinen Fall aber eine weitere Steigerung erfahren darf. Zusätze der freien Basen scheiden daher schon aus diesem Grunde von vornherein aus.

Für unsere praktischen Versuche verwendeten wir süddeutsche Kuhhäute der Gewichtsklasse 25/29.5 kg und legten als Qualitätsziel Chromoberleder zugrunde. Um einen exakten Vergleich der Wirkungsweise zu haben, haben wir jeweils mit vergleichbaren Gegenhälften gearbeitet. Da das technische DMAS-Produkt zusätzlich Schwefelsäure enthält, wurde auch bei den anderen beiden Salzen ein Überschuss an Schwefelsäure in äquivalenter Menge zugegeben, um in beiden Fällen gleiche Salz- und Säureverhältnisse vorliegen zu haben. Im übrigen wurde nach dem Arbeitsverfahren gearbeitet, das wir für haarerhaltende DMAS- Äscher entwickelt haben, und das in unserer früheren Veröffentlichung1) in Tabelle 7 wiedergegeben ist. An DMAS kamen 2% zum Einsatz, bei den Vergleichsversuchen mit MAS und AS wurden Stickstoff-äquivalente Mengen eingesetzt.

Bei den durchgeführten Untersuchungen kam die schlechtere haarlockernde Wirkung des MAS und des AS gegenüber derjenigen des DMAS indessen auch unter diesen Bedingungen wieder deutlich zum Ausdruck. Während bei Einsatz von DMAS nach der in der Rahmentechnologie vorgesehenen Äscherdauer von 17 Stunden eine einwandfreie Haarlockerung erreicht werden konnte, war das bei dem Einsatz der beiden anderen Salze nicht der Fall. Im Falle des MAS war bei Einhaltung der gleichen Zeitspanne keine vollständige Entfernung der Haare und insbesondere der Grundhaare zu erreichen, und im Falle des Einsatzes von AS musste die Behandlungszeit im Äscher auf über 40 Stunden ausgedehnt werden, um eine nur annehmbare Enthaarung zu erreichen. Bezüglich der Qualität der Leder ergaben sich zwischen dem Einsatz von DMAS und MAS in bezug auf Griff, Sprung, Fülle, Narbenfestigkeit und Beschaffenheit der Flamen praktisch keine Unterschiede (wenn man davon absieht, dass wegen der schlechteren Enthaarungswirkung des MAS noch Grundhaare und auch Kolbenhaare vorhanden waren). Bei Einsatz von AS waren die Leder bemerkenswert weicher als die Leder, die einen DMAS-Äscher erhalten hatten, aber trotzdem war sowohl die Narbenfestigkeit als auch der Zustand der Flamen von befriedigender Qualität. Die höhere Weichheit hängt einmal mit der Verlängerung der Äscherdauer bei Einsatz von AS zusammen, zum anderen aber ohne Zweifel auch damit, dass MAS und insbesondere AS eine stärkere Verminderung der Prallheit bewirken, was sich nach unseren früheren Untersuchungen zwangsläufig auch in einer Steigerung des Hautaufschlusses und damit einer weicheren Beschaffenheit des erhaltenen Leders auswirken muss. Wenn demgemäß MAS und AS auch im Hinblick auf die erreichte Lederqualität durchaus in gleicher Weise wie DMAS einsetzbar erscheinen, so muss ihre Verwendung doch wegen der schlechteren haarlockernden Wirkung ungünstiger beurteilt werden. Das besagt nicht, dass diese beiden Verbindungen bei einer anderen Wahl der Arbeitsweise nicht vielleicht doch noch als enthaarungsfördernde Mittel eingesetzt werden könnten, doch hätten Untersuchungen nach dieser Richtung den Umfang dieser Arbeit überschritten.

Zusätze von Guanidinsulfat, Dicyandiamid und Harnstoff zu Äscherlösungen

Auf der Suche nach Substanzen, die die Wirkung des Weißkalkäschers günstiger zu beeinflussen vermögen, wurden neben den Aminen schon frühzeitig auch andere organische Chemikalien auf ihre haarlockernde Wirkung hin untersucht. Insbesondere Moore hat zahlreiche organische Stickstoffverbindungen auf ihre haarlockernde Wirkung beim Zusatz zu Kalkäschern geprüft. Viele davon waren ohne Wirkung auf die Geschwindigkeit der Haarlockerung, andere verzögerten sie sogar, und nur für wenige Produkte wurde eine beschleunigende Wirkung festgestellt, aber auch von ihnen haben nur Methylamin und insbesondere Dimethylamin praktische Bedeutung erlangen können. Wir hätten die Untersuchung weiterer Produkte nicht wieder aufgenommen, wenn nicht der eine von uns bei Studienreisen in die USA wiederholt festgestellt hätte, dass in verschiedenen großen Rindboxbetrieben Guanidinsulfat (GS) bzw. Dicyandiamid (DCDA) als Zusatz zum Äscher verwendet wurden, und zwar nicht nur versuchsweise, sondern in laufender Produktion, um damit nach den gemachten mündlichen Mitteilungen in haarerhaltenden Äschern, die im übrigen neben Kalk nur wenig Sulfid bzw. Sulfhydrat enthielten, die Erreichung der Haarlässigkeit zu beschleunigen. Im Falle des Einsetzens von DCDA fühlten sich die Häute normal gequollen an, bei Einsatz von GS dagegen waren sie eher als verfallen anzusprechen. Dass GS für diesen Zweck geeignet ist, wurde auch von Moore seinerzeit festgestellt und ist ebenfalls in neuen Arbeiten mehrfach bestätigt worden. Dagegen gehörte DCDA bei Moore zu den Produkten, denen er keine beschleunigende Wirkung zuschrieb, und auch sonst liegen in der Literatur keine Angaben über den Einsatz dieses Produktes vor.

In die gleiche Gruppe der untersuchten Chemikalien Haben wir auch den Harnstoff (HS) aufgenommen, einmal wegen seiner chemischen Verwandtschaft zum Guanidin und zum anderen, weil er immer wieder zur Mitverwendung in Äschern empfohlen wurde, obwohl er sich unter den Bedingungen der Moore'schen Arbeiten ebenfalls als nicht haarlockerungsfördernd erwiesen hatte. Gustavson hat aber darauf hingewiesen, dass HS haarlockend wirken könne, wenn er in genügend hoher Konzentration (6-8 molare Lösung) angewandt wird, wobei die Haarlockerung auf dessen hydrotrope und damit lösende Wirkung auf die unkeratinisierte Epidermis, also die unverhornten Bestandteile der Basalschicht der Epidermis zurückgeführt wird. Gustavson bezeichnet den Einsatz von HS zur Haarlockerung als nur theoretisch interessant, da die hohen Mengen eine solche Verwendung unwirtschaftlich machen, doch hat Thorstenson ein Haarlockerungsverfahren mitgeteilt, bei dem durch Zugabe von 1% NH4OH oder 0,5% NaSH auf das Gesamtvolumen bezogen, zu 10-15%igen HS-Lösungen betriebsmäßig Haarlockerung über Nacht erreicht würde. Aber auch dieses Verfahren ist noch sehr teuer, obwohl man das Bad unter Zubesserung bei entsprechender analytischer Kontrolle mehrfach verwenden kann. Natürlich wird der HS aufgrund seiner hydrotropen Eigenschaften gleichzeitig auch mehr oder weniger stark Hautsubstanz abbauen. Weitere Untersuchungen beschäftigten sich auch mit dieser Frage und zeigten, dass diese Hautsubstanz angreifende Wirkung stark temperaturabhängig ist (wie das bei hydrotropen Wirkungen allgemein bekannt ist), und dass daher das Kollagen unter 30° C von HS nur geringfügig angegriffen wird, während der Angriff bei weiteren Temperatursteigerungen dann sprunghaft ansteigt.

Es erschien uns wertvoll, diese verschiedenen Angaben zu überprüfen. Alle 3 Produkte können basisch reagieren, wenn auch mit erheblich unterschiedlicher Stärke. Das Guanidin (Iminoharnstoff NH = C(NH2)2) stellt eine der stärksten organischen Basen dar und wurde bei unseren Versuchen in Form des Sulfates eingesetzt. Das Dicyandiamid (H2NC(=NH)NHCN) ist das dimerisierte Cyanamid (H2NCN) und amphoter, wobei der Basencharakter wesentlich schwächer als bei GS ausgeprägt ist. Der Harnstoff (OC(NH2)2) reagiert in wässeriger Lösung neutral, vermag aber mit Säuren Salze zu bilden. Die beiden ersten Produkte wurden von der Firma Th. Schuchardt GmbH., München, bezogen, das GS war 98.7%ig, das DCDA 96.4'%ig. Mit allen 3 Produkten wurden Untersuchungen über den Einfluss auf Quellung und Prallheit des Hautmaterials durchgeführt, und außerdem wurden mit den beiden ersteren Produkten auch Äscherversuche vorgenommen, um ihre enthaarungsfördernde Eigenschaft zu prüfen, während für HS die vorliegenden Literaturangaben, insbesondere die Untersuchungen von Thorstenson nach dieser Richtung hin genügende Unterlagen erbrachten.

Guanidinsulfat. Die Quellungsversuche mit GS wurden wieder als Zusatz zu Kalkäschern bzw. Ätznatronlösungen durchgeführt. Dabei wurde wie bei den Versuchen mit Aminäschern mit 3% Ca(OH)2 bzw. 3% NaOH und 300% Flotte gearbeitet. Zusätzlich wurde dann bei den Versuchen b) bis e) 1, 2, 4 und 6% GS 100%ig, auf Weichgewicht bezogen, eingesetzt, was bei einer Flottenmenge von 300% einer Konzentration von 0.33, 0.66, 1.33 und 2% in den Lösungen entspricht. Versuche mit der freien Base konnten nicht durchgeführt werden, da diese in wässeriger Lösung nicht beständig ist. Die Ergebnisse unserer Versuche sind in Bild 3 und Tabelle 4 zusammengestellt.

Abbildung 3:

Tabelle 4:

Durch Zusatz von GS zu Kalkäschern wird deren quellende und prallmachende Wirkung praktisch nicht beeinflusst. Erst bei den höchsten Zusätzen ist eine mäßige Verminderung der Quellung festzustellen. Ebenso wird der pH-Wert der Mischung praktisch nicht beeinflusst. Dagegen wird die titrierbare Gesamtalkalität der Äscherlösung mit steigendem GS-Zusatz erhöht, was auch hier damit zusammenhängt, dass durch doppelte Umsetzung der beiden Komponenten und teilweise Ausfällung von CaSO4 zusätzlich die Base in Freiheit gesetzt wird. Gleichzeitig wird durch den Zusatz von GS die Löslichkeit des Kalkes gesteigert, da auch das Salz dieser Base komplexbildende Eigenschaften besitzt.

In den Mischungen mit Ätznatron tritt dagegen mit steigender Zugabe von GS eine starke Verminderung sowohl der Quellung als auch der Prallheit ein, was die Beobachtungen in den USA-Betrieben bestätigt, dass die erhaltenen Blößen einen verfalleneren Eindruck machten. Dieser Verlauf der Quellungsbilder kann wie bei den Aminäschern nicht mit dem Verhalten der Gesamtalkalität, die praktisch konstant bleibt, und auch nicht mit der Änderung der pH-Werte, die sich nur mäßig senken, erklärt werden. Auch hier dürfte also in erster Linie ein Austausch der Kationen im Kollagen und eine geringe Dissoziation des sich bildenden Guanidinkollagenats für die Verminderung des Quellungszustandes verantwortlich zu machen sein.

Für praktische Gerbversuche wurden wieder Vergleichshälften von Kuhhäuten der Gewichtsklasse 25/29.5 kg verwendet, wobei die Technologie zugrundegelegt wurde, die wir früher für haarerhaltende Dimethylaminsulfatäscher1) mitgeteilt hatten. Die Versuche wurden unter Einsatz von 2% GS, im Vergleichsäscher ohne diesen Zusatz, vorgenommen. Dabei konnte indessen keine Besserung der Haarlockerung durch Zusatz von GS festgestellt werden. Wir haben diese Versuche mehrfach wiederholt und dabei auch verschiedene GS-Muster eingesetzt, die wir teilweise auch durch Umsetzung von technischen Guanidincarbonat mit Schwefelsäure selbst herstellten, doch war in allen Fällen der Befund gleichartig, dass GS die Haarlockerung nicht zu verbessern vermag. Es ist andererseits verständlich, dass der Äscheraufschluss als solcher durch die starke Verminderung der Prallheit des Hautmaterials gesteigert wird, und vielleicht ist es dieser Einfluss, der in den USA-Betrieben bei Einsatz dieses Produktes geschätzt wird. Die dagegen bei unseren Rückfragen wiederholt angegebene Steigerung der Haarlässigkeit konnte bei unseren Versuchen in keinem Fall bestätigt werden.

Dicyandiamid. Die Durchführung der Quellungsversuche mit DCDA erfolgt in gleicher Weise wie mit GS, so dass auf die dort gemachten Angaben verwiesen werden kann. Außerdem wurde DCDA auch für sich allein eingesetzt und die erhaltenen Ergebnisse in Bild 3 und Tabelle 4 zeigen, dass DCDA allein unabhängig von der Konzentration kaum eine Quellung und Prallheit des Hautmaterials bewirkt, und dass auch bei Zusatz zum Kalkäscher die Prallheit überhaupt nicht und die Quellung nur geringfügig im Sinne einer Erniedrigung bei hohen Zusätzen beeinflusst wird. Etwas deutlicher ist der Einfluss bei Zusatz von DCDA zu Ätznatronlösungen, wobei die Prallheit nur geringfügig, die Quellung aber nicht unmerklich vermindert ist. Immerhin ist auch hier der Einfluss wesentlich geringer als bei GS, was gleichfalls die gefühlsmäßigen Feststellungen in den USA-Betrieben bestätigt. Bei allen Systemen wurden die pH-Werte für die Gesamtalkalität durch Zusatz von DCDA praktisch nicht beeinflusst, und ebenso tritt beim Zusatz zum Kalkäscher auch kaum eine Erhöhung der Kalklöslichkeit ein. Dass die Quellung durch Zusatz von DCDA zu Ätznatronlösungen doch vermindert wird, dürfte wohl damit zusammenhängen, dass DCDA auch befähigt ist, einen Teil der Natriumionen aus ihrer Bindung an Kollagen zu verdrängen und eine Kollagenverbindung mit geringerem Dissoziationsgrad zu bilden.

Bei unseren praktischen Äscherversuchen wurde zunächst untersucht, inwieweit eine Mitverwendung von DCDA bei einem haarerhaltenden sulfidangeschärften Äscher dessen Haarlockerung verbessert. Es wurde mit einem Äscher von 300% Wasser von 25° C, 3% Ca(OH)2, 0.24% Na2S technisch und steigenden Mengen DCDA (1-6%) auf Weichgewicht gearbeitet und die Äscherdauer bis zu 5 Tagen ausgedehnt. Aber auch nach dieser Zeit war im Vergleich zu einem Äscher ohne DCDA keine bessere Haarlockerung zu bemerken, vielmehr eher eine leichte Verzögerung festzustellen. Ein weiterer Versuch, bei dem der Einsatz von DCDA ähnlich wie bei den Versuchen mit GS erfolgte, ergab kein anderes Bild. Damit ist auch dieses Produkt als Zusatz zum Äscher zur Verbesserung der Haarlockerung ungeeignet. Eine Rückfrage bei einem großen USA-Betrieb, der dieses Produkt seit langem im Äscher einsetzte, ergab interessanterweise die Mitteilung, dass man auch dort inzwischen die Wirksamkeit von DCDA erneut geprüft und gefunden habe, dass DCDA völlig wirkungslos sei, so dass man dessen Mitverwendung im Äscher eingestellt habe. Das bestätigt unsere eigenen Befunde.

Harnstoff. Da es sich bei Verwendung von Harnstoff (HS) zum Äscher um den Einsatz eines hydrotrop wirkenden Stoffes handelt, wurde des besseren Vergleichs wegen als Grundäscher die gleiche Zusammensetzung gewählt wie bei unseren früheren Untersuchungen mit anorganischen Salzen mit hydrotroper Wirkung (CaCl2; NaSCN), so dass im wesentlichen auf die dortigen Angaben über die Versuchsbedingungen verwiesen werden kann. Als Äschertemperatur wurden 25° C gewählt. Bei Zusatz zum Kalkäscher betrug die Kalkmenge 1,77% an Ca(OH)2 auf Weichgewicht bzw. 0,59% auf Flottenmenge (300%). Bei Zusatz zu Na2S-Lösungen wurde der Ansatz mit 0,75% Na2S (100%ig) auf Weichgewicht bzw. 0,25% auf Flottenmenge durchgeführt. Die verwendeten HS-Mengen sind in Prozent auf Weichgewicht, Flottenmenge und in Molarität ausgedrückt in Tabelle 5 zusammengestellt, wobei in den letzten Gliedern relativ große Mengen eingesetzt wurden, um wenigstens in den von Thorstenson vorgeschlagenen Konzentrationsbereich zu kommen, während die von Gustavson empfohlene Konzentration noch etwa 2-3 mal höher läge als der HS-Einsatz bei Versuch h. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in Bild 4 und Tabelle 6 zusammengestellt.

Tabelle 5:

Schon HS für sich wirkt auf die Haut mit steigender Konzentration in zunehmendem Masse quellungs- und prallheitserhöhend, und ebenso zeigt sich diese die Quellung und Prallheit erhöhende Wirkung bei Zusatz von HS zu Kalkäschern und Schwefelnatriumlösungen. Diese Wirkung macht sich schon bei relativ niedrigen Zusätzen bemerkbar und steigt dann außerordentlich stark an, wobei natürlich die Unterschiede und auch der Grad der Quellung und Prallheit in den Na2S-Lösungen wesentlich hoher als in den Kalkäschern ist und auch bei höchsten Zusätzen von HS bestehen bleibt. Der starke Anstieg des Quellungs- und Prallheitszustandes ist nicht mit dem pH-Wert in den Kalk- bzw. Na2S-Äschern in Beziehung zu bringen, da durch die HS-Zusätze diese Werte weder in den Anfangs- noch in den Endlösungen beeinflusst werden. Lediglich bei Verwendung von Harnstoff für sich ist in den Endlösungen ein stärkerer Anstieg der pH-Werte festzustellen, was wohl damit zusammenhängt, dass im Verlauf der Versuche bei Gegenwart von Haut eine bakterielle Zersetzung des HS erfolgte, wobei neben CO2 Ammoniak entstand. Diese Zersetzung dürfte auch der Grund dafür sein, dass bei der titrierbaren Gesamtalkalität zwar in den Anfangswerten kaum ein Einfluss des Zusatzes von HS festzustellen ist, dagegen in den Endlösungen eine Steigerung vorhanden ist, die graduell im Na2S-Äscher am geringsten, etwas stärker im Kalkäscher und außerordentlich stark bei Verwendung von HS allein auftritt. Die Kalklöslichkeit wird mit steigender HS-Menge in den Anfangslösungen etwas vermindert, in den Endlösungen etwas gesteigert, doch ist dieser Einfluss nur gering.

Abbildung 4:

Tabelle 6:

Nachdem Quellungserscheinungen in den Lösungen nach unseren früheren Untersuchungen nicht durch die Gesamtalkalität, sondern außer durch die Art vorhandener Kationen nur durch Änderungen des pH-Wertes beeinflusst werden, kann die starke Steigerung der Quellung und Prallheit des Hautmaterials mit zunehmendem HS-Zusatz in den Äscherlösungen nicht mit den analytischen Daten erklärt werden, sondern ist ohne Zweifel eine Funktion der hydrotropen Wirkung des HS auf das kollagene Hautfasergefüge. Diese äußerst sich in Übereinstimmung mit den Angaben von Gustavson in einem Temperaturbereich von 25° nicht so sehr in einem Angriff auf die Hautsubstanz, wenn man darunter eine mehr oder weniger starke Zerstörung des Fasergefüges und ein In-Lösung-Gehen von Hautsubstanz versteht, sondern vielmehr hauptsächlich in einer Beeinflussung der Quellung und Prallheit. Aber gerade diese letztere Erscheinung zeigt deutlich, dass eben auch schon in diesem Temperaturbereich Bindungen zwischen den Polypeptidketten des Kollagens in sehr starkem Masse gelockert werden, also ähnliche Verhältnisse vorliegen, wie sie der Praktiker kennt, wenn er beispielsweise CaCl2 in höheren Mengen auf die Haut einwirken lässt. Wie bereits oben erwähnt, erschien es uns schon aus Kostengründen nicht notwendig, weitere Äscherversuche mit HS durchzuführen. Wir halten es aber grundsätzlich nicht für zweckmäßig, insbesondere bei Prozessen mit längerer Einwirkungsdauer, wie sie der Äscherprozess darstellt, Produkte mit ausgesprochen hydrotroper Wirkung in höheren Konzentrationen einzusetzen, da man ohne Zweifel die, bei diesen Produkten erwünschte hydrotrope Wirkung auf die unkeratinisierten Teile der Epidermis einerseits und die unerwünschte Einwirkung auf das kollagene Fasergefüge andererseits nicht mit solcher Präzision voneinander trennen kann, dass mit Sicherheit eine vollständige Haarlockerung gewährleistet und andererseits mit Sicherheit eine Schädigung des Hautfasergefüges und damit eine Verminderung der Lederqualität ausgeschlossen wird.

Äscher unter Mitverwendung von Thioglykolsäure

Neben den bisher besprochenen organischen Stickstoffverbindungen interessierte bei unseren Untersuchungen auch die Thioglykolsäure (TGS; HSCH2COOH) als Anschärfungsmittel für Äscher. Seit langem ist bekannt, dass die TGS aufgrund ihrer reduzierenden Wirkung ähnlich wie die anorganischen Sulfide und Sulfhydrate die Disulfidbindungen im Keratin zu spalten vermag, und aufgrund dieses Reduktionsvermögens hat die TGS vor allem in der Kosmetik als Bestandteil von Präparaten für die Kaltwelle (natürlich nur schwach alkalisch angewandt) erhebliche Bedeutung erlangt. Diese reduzierende Wirkung der TGS beschrieb schon Hopkins, und später verwendeten Anson und Mirsky die TGS zur Reduktion von Proteinen. 1937 untersuchten Windus und Turley neben anderen organischen Thioverbindungen auch die TGS in ihrer Wirkung auf Keratin, und Patters'on und Mitarbeiter erkannten, dass diese Säure über einen weiten pH-Bereich reduzierend auf Keratin wirkt, wobei im sauren und neutralen Gebiet keine Haarzerstörung eintritt, während ab pH 12 eine gute haarlösende Wirkung erfolgt, wie schon Goddard und Michaelis feststellen konnten. Die TGS ist gelegentlich bei Untersuchungen über den Äscherprozess auch als reduzierender Zusatz erwähnt worden, und es liegen auch einige Patenterteilungen über ihre Verwendung als Äschermittel vor. Wenn die TGS auch aus Preisgründen kaum für Äscherzwecke praktisch infrage kommt, so erschien uns doch zweckmäßig, auch mit ihr einige Untersuchungen über ihre die Quellung und Prallheit beeinflussende Wirkung zu machen.

Wir haben zunächst einige Äscherversuche im Laboratoriumsmassstab durchgeführt, um zu klären, mit welchen Zusätzen von TGS einwandfreie Haarlässigkeit erreicht werden kann. Dabei konnten bei einem Äscher mit 300% Wasser von 25° C und 3% Kalkhydrat bereits bei Einsatz von l:O/o TGS nach 4 Stunden die Haare mit einigem Druck mechanisch gut entfernt werden und machten auch bereits einen etwas angegriffenen Eindruck. Bei Einsatz von 2°/o war nach 4 Stunden eine beginnende Zerstörung festzustellen, und bei Einwirkung von 4 und 6'% waren die Haare nach 4 Stunden vollständig zerstört. Wir haben daher auch bei unseren Untersuchungen über den Einfluss der TGS auf die Quellung und Prallheit in Äscherbrühen mit den gleichen TGS-Mengen von 1, 2, 4 und 6%, auf Weichgewicht bezogen, gearbeitet. Die Flottenmenge betrug stets 300%, die Temperatur 25° C. Wir haben einmal mit 3:% Kalk auf Weichgewicht, in einer zweiten Versuchsreihe aber auch mit 4.5% Kalk gearbeitet, da die TGS ja einen Teil des Kalkes neutralisiert, was namentlich bei den höchsten TGS- Zusätzen zu einer unerwünschten Verminderung des pH-Wertes unter 12 führte, so dass schon aus diesem Grunde ab Versuch d) mit einer Verminderung der Quellung zu rechnen war. Bei Einsatz von 4,5% Kalkhydrat trat dagegen erst im Versuch e) die Verminderung des pH-Wertes ein. Auch im Falle der Verwendung von Ätznatron haben wir die Konzentration, die sonst mit 3% gewählt war, auf 4,5% gesteigert, um auch hier die neutralisierende Wirkung der TGS abfangen zu können, ohne in einen zu tiefen pH-Bereich zu kommen.

Die Ergebnisse unserer Untersuchungen sind in Bild 5 und Tabelle 7 wiedergegeben. Sie zeigen, dass bei Zugabe von TGS zum Kalkäscher eine Verminderung der Quellung und Prallheit auftritt, die sich allerdings in mäßigen Grenzen hält, solange der Kalküberschuss ausreicht, um die neutralisierte Kalkmenge wieder zu ersetzen, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Kalk nicht nur mit der Carboxylgruppe der TGS, sondern zumindest teilweise auch mit deren Mercaptangruppe reagieren kann. Die TGS vermag dabei Kalk in beträchtlichen Mengen zu lösen, und darauf ist auch die mäßige Verminderung der Quellung und Prallheit in den ersten Stadien des TGS-Zusatzes bis zu Versuch c) bzw. d) zurückzuführen, da durch die steigenden Mengen an Calciumionen in der Lösung die Dissoziation des Calciumkollagenats zurückgedrängt wird. Reicht dagegen der vorhandene Überschuss an ungelöstem Ca(OH)2 nicht mehr aus, um durch Nachlösen die neutralisierte Kalkmenge wieder zu ersetzen, was bei 3% Ca(OH)2 ab Stufe c zu d, bei 4,5% Ca(OH)2 bei Stufe d zu e der Fall ist, dann fällt natürlich auch die Quellung und Prallheit sehr stark ab, doch ist dieser Abfall auf die starke pH-Minderung zurückzuführen.

Abbildung 5:

Tabelle 7:

Bei Zusatz von TGS zu Ätznatronlösungen tritt natürlich eine wesentlich stärkere Verminderung der Quellung und Prallheit auf. Auch hier muss die Stufe von d nach e für die Beurteilung ausschalten, da sie eindeutig mit einer starken Verminderung des pH-Wertes verbunden ist. In den Stufen a-d tritt ebenfalls eine mäßige Verminderung des pH-Wertes ein, und gleichzeitig sinkt damit auch die Quellung und Prallheit ab, aber wenn man z. B. die hier erhaltenen Werte mit denen mit 3% NaOH in den vorhergehenden Tabellen vergleicht (Anfangs-pH-Werte etwa bei 13,0; Gesamtalkalität in den Anfangslösungen 850-870), dann sehen wir, dass dieser Bereich etwa in der Stufe zwischen c und d liegt, während die tatsächliche Quellung und Prallheit erheblich niedriger liegt, als sonst mit 3%iger Natronlauge für sich ohne Zusätze erhalten wurde (Quellung bei 53,4; Prallheit bei 40,0). Die TGS bewirkt also eine Verminderung von Quellung und Prallheit, die nur teilweise auf die neutralisierende Wirkung der vorhandenen Alkalimenge zurückzuführen, sondern darüber hinaus auch eine spezifische Wirkung dieses Anschärfungsmittels ist. Die TGS ist also in ihrem Einfluss auf die Äscherwirkung etwa dem Zusatz von Calciumsulfhydrat gleichzusetzen, das ja ebenfalls nach unseren früheren Untersuchungen schon bei verhältnismäßig geringen Zusätzen eine entsprechende Verminderung der Quellung und Prallheit bewirkt. Ohne zunächst weitere Äscherversuche durchzuführen, die uns nicht erforderlich erschienen, da die TGS aus Preisgründen vermutlich als Anschärfungsmittel ausscheidet, kann man nach den vorliegenden Untersuchungen doch folgern, dass man mit Mengen von 3-4'°/o auskommen dürfte, um eine rasche Haarlockerung zu erreichen, und dass gleichzeitig durch diesen Zusatz wie bei Calciumsulfhydrat der Äscheraufschluss gesteigert und damit Weichheit und Geschmeidigkeit der Leder wesentlich gefördert werden, andererseits aber auch mit den Gefahren einer Losnarbigkeit und loser Flamen zu rechnen ist, so dass man solche Zusätze nur dort einsetzen würde, wo extrem weiche und geschmeidige Lederbeschaffenheit und daher eine besonders milde Äscherwirkung gewünscht wird. Vom Gesichtspunkt der Abwasserbeschaffenheit ergeben sich natürlich bei Einsatz von TGS wegen der Haarzerstörung die gleichen Nachteile wie bei klassischen stärker angeschärften Äschern.

Zusätze von Zucker zu Äscherlösungen

Bekanntlich wurde wiederholt vorgeschlagen, Zucker zu Äscherlösungen zuzusetzen, wodurch einmal die Löslichkeit des Kalkes gesteigert und als Vorteil für die Beschaffenheit des Hautmaterials angeführt wird, dass die Schwellung vermindert würde, der Kalk damit leichter in das Fasergefüge eindringe und für eine gleichmäßige Äscherwirkung bei kürzerer Äscherdauer sorge, dass der Grund besser gelöst würde, und dass außerdem ein feinerer Narben und ein geringeres Hervortreten der Mastfalten erreicht würde. Die vorgeschlagenen Mengen schwanken im allgemeinen zwischen 0,5 und 2% auf das Rohhautgewicht und Simoncini und Mitarbeiter haben darauf hingewiesen, dass das Optimum bei 2% läge, während bei größeren Zusätzen eine starke Unterdrückung der Quellung, aber auch eine erhebliche Verminderung der Haarlockerung einträte, so dass die Haarlockerung im Bereich der Zusätze von 7-10% praktisch völlig unterdrückt sei. Systematische Untersuchungen über die Wirkung des Kalkes in diesen Lösungen in Bezug auf die Beschaffenheit des Hautmaterials liegen indessen nicht vor, und daher erschien es zweckmäßig, auch hier einige Untersuchungen durchzuführen, ob durch den Zusatz von Zucker die quellende und prallmachende Wirkung des Äschers auf das Hautmaterial beeinflusst wird.

Bei unseren Untersuchungen sind wir von 3 Äschersystemen ausgegangen, bei denen in einem Falle ein reiner Kalkäscher mit 3% Kalk auf Weichgewicht verwendet wurde, während bei den beiden anderen Äschern bei gleicher Kalkmenge gleichzeitig eine Anschärfung in einem Falle mit l% Na2S techn. ( = 0,67*70 100%ig) und im anderen Falle mit 3%Na2S techn. (= 2% l00%ig) erfolgte. Die Flottenmenge betrug wieder 300% auf Weichgewicht, der Zucker wurde als handelsübliche Zuckerraffinade in Abstufungen von 1, 2, 4 und 6%, bezogen auf Weichgewicht, zugesetzt. Die erhaltenen Ergebnisse sind in Bild 6 und Tabelle 8 zusammengestellt. Ein Zuckerzusatz zu reinen Kalkäschern zeigt bezüglich Quellung und Prallheit keine besonders ins Gewicht fallende Wirkung, mit steigender Zuckermenge wird die Prallheit etwas vermindert und die Quellung etwas erhöht, doch ist der Einfluss verhältnismäßig gering. In den angeschärften Äschern war dagegen insbesondere bei geringeren Zusätzen eine deutliche Verminderung der Quellung und auch der Prallheit festzustellen, ein Einfluss auf den pH-Wert ist erwartungsgemäß weder am Anfang noch in den Endstadien vorhanden. Die Gesamtalkalität wird in allen 3 Äschersystemen deutlich durch die Zuckerzugabe erhöht und ebenso steigt die Kalklöslichkeit in allen Fällen an.

Abbildung 6:

Tabelle 8:

Hier liegt unseres Erachtens der Schlüssel für die Wirksamkeit der Zuckerzugabe. Dabei interessieren uns in erster Linie für die Praxis die Versuche b) und c) mit 1-2% Zuckerzusatz, da diese Größenordnung auch in der Praxis in Betracht kommt. In reinen Kalkäschern wird die Menge des gelösten Kalkes erhöht, aber diese gesteigerte Löslichkeit wird keinen weitgehenden Einfluss auf die Beschaffenheit der Haut ausüben, da bereits ein reines Calciumkollagenat vorliegt und durch die Steigerung an Calciumionen nur dessen Dissoziation etwas vermindert wird. Im Falle der angeschärften Äscher hatten wir aber schon bei unseren früheren Untersuchungen feststellen können, dass mit zunehmendem Zusatz von Ätznatron oder Schwefelnatrium zum Kalkäscher der Natriumioneneinfluss nicht nur im Verhältnis der beigegebenen beiden Salze ansteigt, sondern dass daneben auch infolge der Zurückdrängung der Dissoziation des Kalkes eine starke Verminderung der Kalklöslichkeit eintritt, die schliesslich zu einer weitgehenden Entfernung von Calciumionen aus dem Äschersystem führt. Die Wirkung wird also viel mehr zugunsten der sehr stark schwellenden Natriumionen verschoben, als aus dem Äscherrezept überhaupt zu ersehen ist, und als Folge davon steigen Schwellung und insbesondere Prallheit sehr stark an. Auch die Angaben in Tabelle 8 zeigen, dass die in den angeschärften Äschern in den Anfangslösungen der Versuche a) gelösten Kalkmengen sehr stark reduziert sind, dass aber andererseits mit zunehmendem Zuckerzusatz wieder ein erheblicher Anstieg der gelösten Kalkmengen eintritt, so dass damit der in Bezug auf die Kalklöslichkeit ungünstige Einfluss des Schwefelnatriums durch die Zuckerzugabe ganz oder teilweise wieder ausgeglichen und damit der Calciumeinfluss gesteigert wird. Das muss zwangsläufig auch bei gleichen pH-Werten zu einer Verminderung der Quellung und Prallheit führen, wobei natürlich gleichzeitig der Äscheraufschluss etwas verstärkt und die Narbenbeschaffenheit günstig beeinflusst wird. Das erklärt die bisherigen Erfahrungen der Praxis mit Zuckerzusätzen zu Äschern und lässt sie durchaus zweckmäßig erscheinen.

Zusatz von Netz- und Emulgiermitteln zu Äscherlösungen

Beim Äscherprozess werden häufig Netz- und Emulgiermittel zugesetzt, die den Vorteil haben, das Eindringen der Äscherchemikalien in die Haut zu fördern und damit eine bessere und schnellere Durchäscherung und einen gleichmäßigen Äscheraufschluss zu bewirken und andererseits auch eine bessere Grundlockerung und Entfernung des Grundes in den nachfolgenden Prozessen herbeizuführen. Über die Eigenschaften und die Wirkungsweise solcher Produkte liegen bereits eingehende Untersuchungen vor. Im Rahmen der jetzt durchgeführten Äscherversuche erschien es uns aber von Interesse, zu wissen, ob die Wirkung dieser Produkte, die als bekannt vorausgesetzt wird, lediglich auf ihre Netz- und Emulgierwirkung zurückzuführen ist, oder ob darüber hinaus auch eine Beeinflussung der Quellung und Prallheit des Hautmaterials bewirkt wird, wodurch ebenfalls der Grad des Äscheraufschlusses beeinflusst würde. Auch diese Untersuchungen wurden wieder unter den Bedingungen der ganzen Versuchsserie durchgeführt. Als Grundäscher wurde einmal ein reiner Kalkäscher mit 3% Kalk und zum anderen ein angeschärfter Äscher mit 3% Kalk + 3% Na2S konz., alle Angaben auf Blößengewicht bezogen, eingesetzt. Die Flottenmenge betrug wieder 300%, die Äschertemperatur 25° C. Es wurde eine große Anzahl der handelsüblichen Netz- und Emulgiermittel verwendet, ohne dass der Umfang des Einsatzes vollständig wäre. Die Produkte wurden jeweils in den von der Herstellerfirma angegebenen Höchstmengen zugesetzt. Die dabei erhaltenen Ergebnisse sind in den Tabellen 9 und 10 zusammengestellt, wobei einmal die Werte für die Quellung und Prallheit angeführt und die Produkte jeweils in der Reihenfolge abnehmender Prallheitswerte geordnet sind. Ferner finden sich in den Tabellen Angaben über den pH-Wert und die Gesamtalkalität am Anfang und Ende des Äscherprozesses und über die jeweils in Lösung befindlichen Kalkmengen, und außerdem sind gleichzeitig auch Angaben über den pH-Wert und die Gesamtalkalität der reinen Netzmittel in den Konzentrationen, wie sie in den Äscherlösungen zum Einsatz kamen, gemacht. Verständlicherweise ist die Reihenfolge der Produkte in den beiden Tabellen etwas unterschiedlich, da sich die einzelnen Materialien in reinen Kalkäschern und angeschärften Kalkäschern verschiedenartig verhalten.

In den reinen Kalkäschern wird die an und für sich geringe Prallheit durch die Äscherhilfsmittel nur wenig beeinflusst. Nur 3 Produkte erhöhen die Prallheit etwas, die übrigen setzen sie herab, wobei allerdings bei den letzten Produkten Werte erhalten wurden, die etwa nur der Hälfte der Werte in reinen Kalklösungen entsprach, so dass hier schon eine ausgesprochen verfallenmachende Wirkung festzustellen ist. Bei der Quellung zeigt sich nicht die gleiche Reihenfolge, und nur ein Produkt erhöht die Quellung unwesentlich, die anderen setzen sie alle mehr oder weniger stark herab, im Extremfall auch bis zu etwa 50% des Wertes in reinen Kalkäschern. Eine Abhängigkeit der Quellungs und Prallheitswerte vom pH-Wert der Äscherlösungen ist nicht abzuleiten, denn dieser wird nur geringfügig durch die Zugabe der Hilfsmittel beeinflusst, und .auch die Gesamtalkalität und die Kalklöslichkeit werden von den meisten Produkten (mit Ausnahme von Mollecal AE) kaum verändert.

Tabelle 9:

Tabelle 10:

Auch bei Zugabe der Äscherhilfsmittel zu den mit Schwefelnatrium angeschärften Weißkalkäschern erfolgte nur bei 4 Produkten eine leichte Erhöhung der Prallheit, in den übrigen Fällen eine Erniedrigung dieser Werte, wobei allerdings hier nur in einem Falle, beim Mollecal AE, eine stärkere Verminderung der Prallheit um etwa 25%) festzustellen ist. Dagegen wird die Quellung von den meisten Produkten (außer von 6 Produkten) etwas erhöht. Auch bei dem angeschärften Äschersystem ist ein Zusammenhang zwischen Quellungszustand der Haut und den pH-Verhältnissen der Äscherlösung nicht zu erkennen, und ebenso gibt die Gesamtalkalität. der Äscher keinen Aufschluss. Die bei diesem Äschersystem an und für sich nur geringe Menge an in Lösung befindlichen Calciumionen wird durch die Zugabe der meisten Produkte etwas erhöht, wobei der Einfluss auch wieder am stärksten bei Mollecal AE ausgeprägt ist, was sicher mit der besonders ausgeprägten Verminderung der Prallheit durch dieses Produkt in Zusammenhang steht.

Insgesamt kann demgemäß festgestellt werden, dass bei der Mehrzahl der Äscherhilfsmittel - wenn man das Verhalten in angeschärften Äschern zugrundelegt - deren günstige Wirkung auf den Ablauf des Äscherprozesses in erster Linie auf die Netz-und Emulgierwirkung dieser Produkte zurückzuführen ist, aber bei einer Reihe von Produkten auch eine Quellungs- und Prallheitsbeeinflussung vorliegen kann.

Zusammenfassung

Auf Grund der durchgeführten Untersuchungen über den Einfluss von Zusätzen verschiedenartiger organischer Stoffe auf die quellende, prallmachende und haarlockernde Wirkung im Äscher wurden die folgenden Feststellungen getroffen:

  • Zusätze von Ammoniak, Methyl- und Dimethylamin als freie Basen zu Äscherlösungen steigern die quellende und prallmachende Wirkung. Das ist bei Ammoniak am geringsten ausgeprägt, dann folgt Methylamin und mit stärkster Wirkung Dimethylamin. Dieser Einfluss dürfte auf eine hydrotrope Wirkung der freien Basen zurückzuführen sein. Zusätze der Sulfate dieser Basen vermindern die Quellung und Prallheit, und zwar ist hier die Wirkung bei Dimethylaminsulfat am geringsten und steigt über das Methylaminsulfat zum Ammoniumsulfat an. Der Einfluss der freien Basen und ihrer Sulfate ist natürlich bei Zusatz zu Ätznatronlösungen erheblich stärker ausgeprägt als bei Zugabe .zu Kalkäschern. Während mit Dimethylaminsulfat in normalen Zeitspannen eine einwandfreie Lockerung auch der Grundhaare erreicht werden kann, ist das bei den beiden anderen Produkten unter den gewählten Versuchsbedingungen nicht der Fall.
  • Dicyandiamid und insbesondere Guanidinsulfat vermögen namentlich bei Zusatz von Ätznatronlösungen deren quellende und prallmachende Wirkung stark zu vermindern, wobei die Blößen bei Einsatz von Guanidinsulfat eine ausgesprochene verfallene Beschaffenheit annehmen. Dagegen sind beide Substanzen entgegen der in der Praxis bisweilen vertretenen Auffassung nicht in der Lage, die Haarlockerung in Äscherbrühen zu steigern. Harnstoff vermag nach den Angaben der Literatur bei hohen Zusätzen eine Haarlockerung zu bewirken, doch zeigt die gleichzeitig erfolgende starke Steigerung der Quellung und Prallheit eine ebenfalls ausgeprägte hydrotrope Wirkung auf das kollagene Fasergefüge der Haut an. Daher ist der Einsatz von Harnstoff (ganz abgesehen vom Preis) bei so hohen Zusätzen nicht für Äscherzwecke zu empfehlen, da nicht mit Sicherheit eine Schädigung des Hautfasergefüges und damit eine Verminderung der Lederqualität ausgeschlossen werden kann.
  • Zusätze von 3-4% Thioglykolsäure zu Kalkäschern oder Ätznatronlösungen gestatten, eine rasche und zuverlässige Haarlockerung zu erreichen. Da gleichzeitig die Quellung und Prallheit stark vermindert wird, ist der Einsatz (wenn der Preis das gestattet), insbesondere dort möglich, wo extrem weiche und geschmeidige Lederbeschaffenheit und damit hoher Äscheraufschluss des Hautfasergefüges gewünscht wird.
  • Zusätze von Zucker, insbesondere zu angeschärften Äschern, steigern die Menge gelösten Kalkes und vermindern die Quellung und Prallheit schon bei geringen Zusätzen, wodurch der Äscheraufschluss etwas verstärkt, der Grund besser gelöst und die Narbenbeschaffenheit günstig beeinflusst wird.
  • Die günstige Wirkung von Netz- und Emulgiermitteln in Äscherbrühen auf die Geschwindigkeit der Durchäscherung und eine bessere Grundlösung ist in erster Linie auf deren Netz- und Emulgierwirkung zurückzuführen, aber bei einer Reihe von Produkten dürfte auch eine gleichzeitige Verminderung der Quellung und Prallheit des Hautfasergefüges mit von Einfluss sein.

Wir danken dem Bundeswirtschaftsministerium für die über die Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschungsvereinigungen zur Verfügung gestellte wertvolle finanzielle Unterstützung dieser Arbeit. Ferner danken wir Fräulein Renate Tuchen, Frau Heidi Sinnberg und Herrn Klaus Amann für ihre Mitarbeit bei der Bestimmung der Quellung und Prallheit in den verschiedenen Äschersystemen und Herrn Johann Muser für die Durchführung der praktischen Äscherversuche.

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