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69 Leder- und Kunststoffe für den Schuhoberbau aus dem Jahre 1967

69 Leder- und Kunststoffe für den Schuhoberbau (Leder und seine Austauschstoffe IV) aus dem Jahre 1967

Von H. Herfeld und G. Königfeld

Aus der Versuchs- und Forschungsanstalt für Ledertechnik der Westdeutschen Gerberschule Reutlingen

Leathers and man-made materials for shoe Uppers

Comparative research work with various shoe Uppers has shown a certain number of advantages in favor of leather. Leathers possess a better inner structural firmness, a better ductibility adapted to different purposes of utilization, they adapt themselves better to the daily rhythm of the foot's changes of volume, they have a good impermeability, a good capacity of breathing, as well as a high capacity of vapor accumulation. They possess, therefore, altogether a favorable comportment from the structural and hygienic point of view. This multiplicity of qualities is only opposed by the disadvantages of a somewhat higher space weight and a somewhat higher surface shrinking under the influence of water and sweat.

Wenn wir uns seit einigen Jahren mit vergleichenden Untersuchungen von Leder und seinen Austauschstoffen befassen, so mit dem Ziel, losgelöst von allen Argumenten der Propaganda, die zumeist in ihrem Pro und Kontra nicht exakt begründet sind, sondern häufig einem Wunschdenken entsprechen, aber auch losgelöst von überlieferten subjektiven Anschauungen und vorgefassten Meinungen aufgrund eindeutiger Untersuchungen objektiv festzustellen, welche Vor- und Nachteile die Materialien besitzen, die anstelle des klassischen Schuhbaumaterials Leder als Kunststoffe für die verschiedensten Einsatzgebiete bei der Schuhherstellung auf den Markt gebracht werden. Nachdem wir bereits die Ergebnisse vergleichender Untersuchungen für Schuhbesohlungsmaterialien und für Brandsohlwerkstoffe veröffentlicht haben, soll nachstehend über entsprechende Untersuchungen an Materialien für den Schuhoberbau berichtet werden. Es ist unbestritten, daß sich Kunststoffe als ein in Dicke und Fläche einheitliches Material im Gegensatz zu Leder rationeller verarbeiten lassen und eine Automatisierung der Schuhfertigung erleichtern. Bei den von uns durchgeführten Untersuchungen interessierten aber in erster Linie alle Feststellungen, die eine Beurteilung und einen exakten Vergleich der Materialien in struktureller und tragehygienischer Hinsicht ermöglichen und daher für Haltbarkeit, Fußgesundheit und angenehmes Tragen, also für die Beurteilung aus der Sicht des Schuhträgers, von ganz entscheidender Bedeutung sind, von der Schuhindustrie aber oft als untergeordnet behandelt werden. In erster Linie entscheidet das an einem Schuh verarbeitete Oberbaumaterial, ob der Schuh sich der Fußform richtig anzupassen vermag oder den Fuß drückt, ob er dank einer genügenden Porosität die feuchten Ausdünstungen des Fußes in genügendem Maße abzutransportieren vermag und der Fuß damit trocken bleibt, so daß der Träger sich wohl fühlt. Daher schienen uns Untersuchungen gerade nach dieser Richtung auch im Hinblick auf künftige Entwicklungen von ganz besonderem Interesse zu sein, um exakt feststellen zu können, wie weit bei Neuentwicklungen die fundamentalen Forderungen des Trägers nach einem gesunden und angenehm zu tragenden Schuh wirklich in genügendem Maße Beachtung finden.

Über Kunststoffe für den Schuhoberbau liegen bereits einige Untersuchungen vor. So hat das Prüf- und Forschungsinstitut für die Schuhherstellung in Pirmasens über Untersuchungen von Corfam berichtet, doch sind die gemachten Angaben nicht zahlenmäßig belegt, so daß sie für einen exakten Vergleich nicht mit herangezogen werden konnten. Andere Forschungsinstitute haben exakte Prüfergebnisse und zahlenmäßige Belege veröffentlicht, die sich aber ebenfalls nur auf Corfam als Austauschmaterial bezogen. Demgegenüber sind unsere Untersuchungen in wesentlich größerem Umfang durchgeführt worden, um eine Bestandsaufnahme möglichst aller für den Schuhoberbau vorgeschlagener Materialtypen durchzuführen. Über die Ergebnisse dieser Untersuchungen haben wir bereits früher im Rahmen einer Pressekonferenz berichtet und einiges Zahlenmaterial auch in zwei Veröffentlichungen verwertet, die sich unter Heranziehung von 5 charakteristischen Eigenschaften mit einigen grundsätzlichen Vorteilen von Leder gegenüber Austauschstoffen in tragehygienischer Sicht bei Verwendung für Schuhe und Bekleidung befaßten. Es erschien uns aber zweckmäßig, unabhängig von den bisher bekannt gegebenen, nur auf die Erfassung ganz bestimmter Eigenschaften gerichteten Mitteilungen unser gesamtes Untersuchungsmaterial aus den Jahren 1965 und 1966 mitzuteilen, um den Stand auf diesem Gebiet zu charakterisieren und bei künftig auf dem Markt erscheinenden Produkten deren Eigenschaften mit dem z. Zt. vorliegenden Entwicklungsstand vergleichen zu können.

1. Untersuchte Materialien und Art der Prüfung

Um einen exakten Vergleich zu ermöglichen, wurden in der vorliegenden Arbeit die verschiedensten Typen von Oberleder und deren Austauschstoffe in größerem Umfang herangezogen und für jede Gruppe Fabrikate ausgewählt, die für die betreffende Leder bzw. Werkstoffart als repräsentativ gelten können. Insgesamt wurden 22 Lederfabrikate und 19 Fabrikate von Austauschstoffen in den Kreis der Untersuchungen einbezogen. Um das sehr umfangreiche Untersuchungsmaterial überschaubar zusammenziehen zu können, haben wir die geprüften Materialien nach Aufbau und Vorgeschichte in 9 verschiedene Gruppen eingeteilt.

  • Gruppe 1: 8 verschiedene Boxkalb-Fabrikate,
  • Gruppe 2: 7 Rindoberleder-Fabrikate, die vollnarbig als Anilin bzw.

Semianilinleder zugerichtet waren,

  • Gruppe 3: 7 Rindoberleder-Fabrikate, die eine Narbenkorrektur unter stärkerem Einsatz von Binderzurichtungen erfahren hatten,
  • Gruppe 4: 4 Austauschmaterialien für den Schuhoberbau auf Basis von Textilgewebe mit entsprechender Kunststoffbeschichtung, und zwar 2 Proben von Degussa (Wolfin), eine Probe von Hornschuch (Skaidur) und eine Probe von Freudenberg (Helia),
  • Gruppe 5: 2 USA-Fabrikate von Austauschmaterialien für den Schuhoberbau, die grundsätzlich wie die der Gruppe 4 aufgebaut waren, aber einen wesentlich stärkeren Kunststoffauftrag und eine ausgesprochen lackartige Oberfläche besaßen, so daß es unzweckmäßig erschien, sie mit denen der Gruppe 4 zu einer Gesamtgruppe zusammenzuziehen. Es handelt sich hierbei um Fabrikate von Phillips-Premier bzw. Cooney-Weiß.
  • Gruppe 6: 5 Austauschmaterialien für den Schuhoberbau auf Basis von Gewirken mit entsprechender Kunststoffbeschichtung, und zwar 3 Proben von Benecke (Acella) und 2 Proben von Hornschuch (Skaidur),
  • Gruppe 7: Helia Cevaal (Freudenberg), ein Material auf Vliesbasis ohne Gewebe- oder Gewirkeunterlage mit entsprechender Kunststoffbeschichtung. Es kann nicht mit den Materialien der Gruppen 8 und 9 zusammengezogen werden, da es zwar auch auf Vliesbasis aufgebaut ist, aber für die Kunststoffbeschichtung des Cevaal von der Herstellerfirma nicht behauptet wird, daß das Material atmungsaktiv sei.
  • Gruppe 8: 5 Corfam-Muster, und zwar 4 Proben mit glatter, 1 Probe mit geprägter Oberfläche. Sie stellen sämtlich dreischichtige Materialien aus einem Polyesterfaservlies, einer Polyurethan-Deckschicht und einem dazwischen eingelegten Textilgewebe dar (Lieferfirma: E. J. Du Pont de Nemours & Co., Old Hickory, Tennessee/ USA). Von der Herstellerfirma wird für dieses Material angeführt, daß es spezifisch besonders leicht sei, gute Formbeständigkeit aufweise, dank einer guten Mikroporosität hohe Atmungsfähigkeit besäße und doch die Nässe gut abstoße, eine hohe Abriebfestigkeit aufweise und besonders leicht zu pflegen sei.
  • Gruppe 9: 2 Corfam-Proben mit velourartiger Oberfläche Type 404 in schwarz und kanariengelb. Dabei handelt es sich um zweischichtige Materialien, bei denen das eingelegte Textilgewebe fehlt, und die Kunststoffbeschichtung von samtartiger Beschaffenheit ist.

Die Beanspruchung der Oberbaumaterialien am Schuh ist ein sehr komplexer Vorgang, dessen analytische Erfassung eine Vielzahl von Einzeluntersuchungen erforderlich macht. Die Untersuchung erfolgte bei allen Materialien stets nach der gleichen Methode, und zwar im ursprünglichen Zustand sowie nach Wasser-und Schweißeinwirkung, um festzustellen, inwieweit die Eigenschaften hierdurch ungünstig beeinflusst werden.

Die Schweißbehandlung wurde in einer früher entwickelten Kurzprüfung so durchgeführt, daß die Proben nach Klimatisierung und Feststellung ihrer Fläche in Schalen mit 500% ihres Gewichts einer Schweißflüssigkeit übergossen wurden, die 1,0% Kochsalz, 0,6 % Ammoniumkarbonat und 0,2% sek. Kaliumphosphat enthielt und mit Natronlauge (gegebenenfalls auch mit Säure, da ganz frisches Ammoniumkarbonat alkalischer reagiert) auf pH 9,0 eingestellt wurde. Die Proben wurden darin 24 Stunden bei 35° C belassen, beidseitig kurz mit destilliertem Wasser abgespült, 24 Stunden bei Raumtemperatur getrocknet und dann erneut in 500% frische Schweißlösung eingelegt. Diese Behandlung wurde insgesamt fünfmal durchgeführt, nach der letzten Behandlung wurden die Proben 24 Stunden bei Raumtemperatur getrocknet und weitere 24 Stunden bei 20° C und 65% relat. Luftfeuchtigkeit klimatisiert.

Dann wurde wieder die Fläche ermittelt und die Muster für die durchzuführenden Einzelbestimmungen entnommen.

Um schließlich festzustellen, ob etwa auftretende Veränderungen tatsächlich durch die Schweißeinwirkung verursacht sind oder ob unter Umständen nur die Flüssigkeitseinwirkung einen vorhandenen Bügel oder Glanzstoßeffekt aufgelockert hat, wurden Gegenproben einer Wasserbehandlung unterzogen, d. h. in gleicher Weise, aber unter Verwendung von destilliertem Wasser behandelt.

Die erhaltenen Ergebnisse sind in den Tabellen 2-18 des vorliegenden Berichtes zusammengestellt, wobei aus dem sehr umfangreichen Zahlenmaterial für jede Gruppe die Mittelwerte (M) und die Grenzen der Streuungen (Str) angeführt sind. Die im Kopf der einzelnen Tabellen angegebenen Bezeichnungen O, W und Sch zeigen an, ob die Untersuchungen an den Originalproben, den mit Wasser oder den mit Schweißflüssigkeit behandelten Proben vorgenommen wurden. Bei den Festigkeits- und Dehnbarkeitswerten wurden die entsprechenden Untersuchungen in 2 Richtungen durchgeführt, da sich die Werte erfahrungsgemäß in Längs- und Querrichtung stark unterscheiden. In diesen Fällen enthalten die Tabellen für jede Gruppe 2 Zahlenspannen, von denen die obere für jeden Werkstoff stets die höheren Zahlen, die untere dagegen die in der Richtung senkrecht dazu ermittelten niedrigeren Zahlen umfasst.

Um zu überprüfen, in welchem Umfang sich die durch exakte Vergleichsuntersuchungen festgestellten Unterschiede beim Tragen der Schuhe für den Träger erkennbar auswirken, haben wir für den speziellen Fall des Corfam-Materials auch wieder praktische Trageversuche mit Herrenhalbschuhen durchgeführt, bei denen der Oberbau bei jedem Paar an einem Schuh aus Rindboxleder, am Gegenschuh aus Corfam bestand. So erhielt jeder Träger die Möglichkeit, die gegenübergestellten Materialien unmittelbar miteinander zu vergleichen. Die Träger der Schuhe waren beauftragt, festzustellen, ob sie zwischen den Oberbaumaterialien Unterschiede bemerkten, wobei ihnen nichts über die Art des Oberbaumaterials gesagt worden war. Die Versuche sind über eine Reihe von Monaten durchgeführt worden, doch waren schon nach verhältnismäßig kurzen Tragezeiten grundsätzliche Unterschiede festzustellen, die sich naturgemäß bei den einzelnen Trägern stark unterschiedlich auswirkten. Manche Träger, namentlich solche mit sehr trockenem Fuß, empfanden sie geringer, andere, insbesondere solche mit stärkerem Schweißfuß, dagegen wesentlich deutlicher. Bei der Besprechung der einzelnen Eigenschaften wird auch auf die Feststellungen der Trageversuche jeweils eingegangen.

2. Gewicht und Dicke

Die Bestimmung des Raumgewichts erfolgte nach der internationalen Norm IUP/5. Nach den Ergebnissen in Tabelle 1 liegt das Raumgewicht der untersuchten Leder im Originalzustand zwischen 0,67 und 1,03, wobei die höchsten Werte bei einigen Fabrikaten der Gruppe 3 erhalten wurden.

Tabelle 1:

Diese hohen Werte gehen aber bei Wasser- und Schweißeinwirkung stark zurück, sind also in erster Linie auf ein stärkeres Bügeln bzw. Pressen zurückzuführen, und entsprechend liegen die Schwankungen nach Wasser- und Schweißbehandlung nur noch im engen Intervall zwischen 0,63 und 0,76 bzw. 0,59 und 0,74. Bei den Austauschstoffen zeigen die beiden USA-Fabrikate (Gruppe 5) mit außerordentlich hohen spez. Gewichten das weitaus ungünstigste Verhalten. Das Raumgewicht der auf Gewebe bzw. Gewirke aufgebauten Werkstoffe schwankt in sehr weiten Grenzen, und diese Schwankungen bleiben auch nach Wasser- und Schweißbehandlung weitgehend bestehen. Beim Vergleich der Mittelwerte liegen die Raumgewichte der Gruppen 4 und 7 über denen des Leders, der auf Gewirkebasis aufgebauten Materialien der Gruppe 6 etwa im Lederbereich. Dagegen zeichnen sich die Corfammaterialien durch ein ausgesprochen niedriges Raumgewicht aus, das bei den velourartigen Produkten der Gruppe 9 noch erheblich niedriger liegt als bei den beiden USA-Fabrikaten der Gruppe 5 festzustellen.

Tabelle 1 gibt ferner die nach DIN 53 326 für die verschiedenen Materialien ermittelten Dickenwerte wieder. Auch hier sind verständlicherweise die Schwankungen bei allen Gruppen recht beträchtlich.

Legt man die Mittelwerte zu gründe, so zeigen in der Gruppe der Leder grundsätzlich die Boxkalbleder geringere Stärken als die untersuchten Rindboxleder. Die Dickenwerte nehmen mit Wasser- und Schweißbehandlung zu, was wieder auf die Aufhebung eines Bügel- oder Glanzstoßeffektes durch die Feuchtigkeitseinwirkung zurückzuführen ist. Unter den Austauschstoffen weisen die Materialien der Gruppe 4 die höchsten Werte auf, die etwa in der Größenordnung der Boxkalbleder liegen. Geringfügig niedriger liegen die Dickenwerte der Gruppen 6, 7 und 8. Die velourartigen Corfammaterialien der Gruppe 9 zeigen eine weitere starke Verminderung der Stärke und die geringste Dicke ist bei den beiden USA-Fabrikaten der Gruppe 5 festzustellen.

Schließlich enthält Tabelle 1 auch die Absolutgewichte flächengleicher Muster der verschiedenen untersuchten Materialien. Dabei ist verständlich, daß die Rindboxleder der Gruppen 2 und 3 infolge ihrer größeren Stärke das höchste Gewicht flächengleicher Muster aufweisen, während die Boxkalbleder infolge der geringeren Dicke auch hier entsprechend niedriger liegen. Bei den Austauschwerkstoffen liegen die Gewichte der Gruppen 4, 5 und 7 im Mittel zwischen denen der Rindbox- und Boxkalbleder. Etwas unter den Gewichten der Boxkalbleder liegen die in Gruppe 6 zusammengefassten Austauschstoffe auf Gewirkebasis. Entsprechend ihren erheblichen niedrigen Raumgewichten zeigen die abgedeckten glatten Corfamprodukte der Gruppe 8 und insbesondere die Corfam-Velourmaterialien der Gruppe 9 ein ganz besonders niedriges Gewicht, das im Mittel bei der Gruppe 8 rund 15%, bei der Gruppe 9 um rund 50% niedriger liegt als bei den Boxkalbledern. Die Angaben der Herstellerfirma für Corfam, daß sie ein spezifisch besonders leichtes Material liefere, trifft also nach diesen Feststellungen eindeutig zu, obwohl es auch Boxkalbfabrikate gibt, die sich in der Größenordnung der Corfamgruppe bewegen.

3. Flächen- und Dickenänderung bei Wasser-und Schweißeinwirkung

Bereits im Abschnitt 1 erwähnten wir, daß wir die verschiedenen Materialien zur besseren Charakterisierung wie bei früheren Untersuchungen einer mehrfachen Behandlung mit Wasser- und Schweißlösung unterzogen, wobei allerdings die Schweißbehandlung als besonders intensiv angesprochen werden muß, da Materialien für den Schuhoberbau beim Tragen niemals in so starkem Maße mit Schweißlösung durchfeuchtet werden. Es konnte aber festgestellt werden, daß alle untersuchten Materialien bei diesen Prüfungen keine in Betracht kommenden Änderungen ihrer äußeren Beschaffenheit erfuhren, also keine Deformierungen, Veränderungen der Farbschichten, kein nennenswertes Aufrauen oder gar Abribbeln auf der Rückseite festzustellen waren. Die gleichzeitig während dieser Prüfung ermittelten Flächen- und Dickenänderungen sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Erwartungsgemäß zeigen alle Materialien bei der Wasser- und Schweißbehandlung eine Stärkenzunahme, wenn auch bei allen Gruppen mit außerordentlich starken Schwankungen. Da diese Dickenzunahme, die nur bei den Gruppen 5 und 8 nicht vorlag, auf eine Aufhebung eines Walz- oder Glanzstoßeffektes bei der Herstellung zurückzuführen ist, sind diese starken Schwankungen, die mit den Herstellungsbedingungen in Zusammenhang stehen, verständlich. Alle Materialien erfahren außerdem bei Wasser- und Schweißbehandlung eine Schrumpfung, die wieder bei den Materialien der Gruppe 5, 8 und 9 am geringsten ausgeprägt ist, während die Austauschstoffe der Gruppen 4, 6 und 7 ein Verhalten zeigen, das in der Größenordnung etwa demjenigen von Leder entspricht.

Tabelle 2:

Dass nach der Schweißeinwirkung mit alkalischer Lösung bei Ledern eine etwas stärkere Schrumpfung in Erscheinung tritt, hängt mit der besonderen Natur des Kollagens zusammen, ist aber in dieser Größenordnung noch nicht zu beanstanden, insbesondere nachdem die in den folgenden Abschnitten zu besprechenden physikalischen Eigenschaften keinerlei parallel damit laufenden Verschlechterungen ergeben haben, das günstige Dehnungsverhalten des Leders (siehe Abschnitt 5) diese Flächenverminderung leicht abzugleichen vermag und daher auch bei den Trageversuchen kein ungünstiges Verhalten festgestellt wurde.

4. Festigkeitseigenschaften

Zur Bewertung der Festigkeitseigenschaften wurden die Zugfestigkeit nach DIN 53 328 sowie die Stichausreiß-und Weiterreißfestigkeit nach DIN 53329 bestimmt und bei der Weiterreißfestigkeit die in der neuen internationalen Methode IUP/8 vorgesehenen geschlitzten Prüfkörper verwendet. Die Ermittlung der Werte wurde nicht nur in trockenem Zustand bzw. nach Wasser- und Schweißeinwirkung und Wiederauftrocknen der Proben, sondern auch im nassen Zustand vorgenommen. Die Werte in den Tabellen 3-5 zeigen, daß die Leder bei allen 3 Kennzahlen im Originalzustand die weitaus höchsten Festigkeitswerte aufweisen. Unter den Austauschwerkstoffen geben nur die beiden USA-Werkstoffe der Gruppe 5 in der einen Richtung bei Bestimmung der Zugfestigkeit Werte, die im Lederbereich liegen, in der Gegenrichtung liegen sie dagegen schon erheblich niedriger, bei der Stichausreißfestigkeit und insbesondere der Weiterreißfestigkeit werden auch bei diesen Materialien die Lederwerte bei weitem nicht erreicht. Bei allen anderen Gruppen liegen alle drei Festigkeitseigenschaften erheblich unter denen des Leders, wobei insbesondere die Materialien der Gruppe 6 (Werkstoffe auf Gewirkebasis) und die beiden Velour-Corfame der Gruppe 9 durchweg das ungünstigste Verhalten erkennen lassen. Durch Wasser- und Schweißeinwirkung werden die Werte teilweise etwas vermindert, was durch die Aufhebung des Bügel bzw. Glanzstoßeffektes verständlich ist, doch bleibt auch nach dieser Behandlung die außerordentliche Überlegenheit aller Leder in den Festigkeitseigenschaften erhalten.

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Festigkeitswerte im nassen Zustand, wobei für die Berechnung natürlich die Dicke vor Einlegen der Proben in Wasser verwendet wurde. Die Proben wurden dann 24 Stunden in Wasser eingelegt und nach Entnahme aus der Lösung sofort untersucht. Dabei wurde in Übereinstimmung mit früheren Feststellungen insbesondere für die Zugfestigkeit, in gewissem Umfang auch für die Stichausreißfestigkeit bei Leder in der Nässe noch eine erhebliche Steigerung der Werte gefunden, was wohl damit zusammenhängt, daß die Lederfasern infolge ihres hohen Gehaltes an polaren Gruppen eine intermizellare Reaktion mit den Wassermolekülen unter Faserverquellung eingehen, die das Auseinandergleiten der Lederfasern beim Zerreißen erschwert. Bei den Austauschstoffen ist eine ähnliche Erscheinung auch bei einigen Materialien auf Gewirkebasis der Gruppe 6 sowie bei den beiden USA-Werkstoffen der Gruppe 5 festzustellen und dürfte mit der jeweiligen Art der verwendeten Textilfasern in Zusammenhang stehen.

Tabelle 3:

Tabelle 4:

Tabelle 5:

Aus den höheren Festigkeitseigenschaften kann für Leder mit Recht eine wesentlich bessere Strukturfestigkeit und damit ein soliderer Aufbau gefolgert werden. Den Austauschstoffen fehlt die innere Gefügefestigkeit, die Leder strukturbedingt besitzt und es in dieser Eigenschaft allen Ersatzprodukten überlegen macht. Die Tatsache, daß auch beim praktischen Gebrauch eine ständige Beanspruchung der Festigkeit des Materialgefüges im schweißfeuchten Zustand stattfindet, macht verständlich, daß sich diese Unterschiede auch auf die Lebensdauer auswirken müssen. Wir hatten allerdings bereits früher darauf hingewiesen, daß eine höhere Lebensdauer auf Grund der besseren Strukturfestigkeit nach unseren Erfahrungen nicht aus den Festigkeitswerten allein abgeleitet werden kann, sondern zugleich auch vom Dehnungsverhalten abhängt, d. h. von der Fähigkeit des Materials, auf Grund einer höheren Dehnung der beim Tragen ständig wiederkehrenden Belastung durch Zugbeanspruchung ausweichen zu können. Materialien mit hohem Dehnungsvermögen können daher trotz relativ geringer Zugfestigkeit doch eine gute Lebensdauer aufweisen, während bei Materialien mit geringer Zugfestigkeit und gleichzeitig niedriger Dehnung die Gefahr einer vorzeitigen Zerstörung groß ist. Wir werden auf diese Frage bei Besprechung der Dehnungseigenschaften der verschiedenen Werkstoffe nochmals zurückkommen, hier sei nur vermerkt, daß sich bei Bestimmung der Festigkeitseigenschaften bei einer Reihe von Austauschstoffen die Deckschicht vom Gewebe und dieses wieder vom Vliesuntergrund löste, ein Zeichen dafür, daß die Materialien dem einheitlichen aufgebauten, naturgewachsenen Leder gegenüber doch gewisse strukturelle Schwächen aufweisen. Jedenfalls kann auf Grund der in trockenem und feuchtem Zustand vorhandenen und auch nach Wasser- und Schweißbehandlung bestehen bleibenden sehr günstigen Festigkeitseigenschaften des Leders festgestellt werden, daß es bei keinem Austauschstoff bisher gelungen ist, die Festigkeit zu erreichen, die Leder dank seiner dreidimensionalen endlosen Faserverflechtung von Haus aus besitzt, und daß diese hohen Festigkeitswerte günstigere Voraussetzungen für eine lange Haltbarkeit mitbringen, als das bei den meisten Austauschmaterialien der Fall ist.

5. Dehnbarkeit

Wir hatten bereits in früheren Veröffentlichungen darauf hingewiesen, daß grundsätzlich zwischen Gesamtdehnung und bleibender Dehnung unterschieden werden muß. Eine genügende Dehnbarkeit - wenn sie nicht extrem hoch ist - ist erwünscht, denn je dehnbarer ein Werkstoff ist, umso mehr vermag er sich der Dehnungsbeanspruchung bei der Herstellung des Schuhes wie bei der Abrollbewegung des Gehvorganges anzupassen. Wichtig ist aber, daß diese Dehnbarkeit zum erheblichen Teil reversibel ist, daß sich das Material also nach erfolgter Beanspruchung wieder weitgehend in den ursprünglichen Zustand zurück verformt. Das soll nicht heißen, daß auf eine bleibende Dehnung völlig verzichtet werden könne, nur muß sie dem jeweiligen Verwendungszweck richtig angepasst sein. Ist sie zu hoch, so treten unerwünschte Verformungen auf, die sich beim Oberleder in einem zu starken Ausweiten der Schuhform bemerkbar machen würden, ist sie zu niedrig, so vermag sich der Schuh nicht der individuellen Fußform genügend anzupassen und wird daher ständig drücken und vom Träger als unbequem empfunden.

Bei der Bestimmung der Zugfestigkeit haben wir gleichzeitig die Werte für die Bruchdehnung erhalten, und die diesbezüglichen Werte in Tabelle 6 zeigen zwischen den verschiedenen Werkstoffgruppen erhebliche Unterschiede. Die Bruchdehnung liegt bei den Austauschwerkstoffen teils in der Größenordnung der bei Leder erhaltenen Werte, teils etwas niedriger, zum erheblichen Teil aber wesentlich höher, wobei in vielen Fällen bei den Kunststoffen gerade bei den Dehnungswerten in Längs- und Querrichtung ganz erhebliche Unterschiede auftreten. Nun kommt diesen Werten für die Beurteilung der Gebrauchsfähigkeit im allgemeinen keine besondere Bedeutung zu, da die Materialien weder bei der Herstellung der Schuhe noch bei ihrem Gebrauch bis zum Bruch bzw. Reißen beansprucht werden, sondern beim Gehvorgang nur eine sich allerdings ständig wiederholende Dehnung bei mäßiger Belastung in Betracht zu ziehen ist. Trotzdem haben wir sie mitgeteilt, um zu zeigen, daß bei der Mehrzahl der Austauschstoffe die Bruchdehnung nicht exakt bestimmt werden konnte, da die Trägergewebe bzw. -gewirke schon weit vor Erreichung der Gesamtbruchlast gerissen sind und sich dann infolge der hohen plastischen Dehnung der Kunststoffbeschichtungen teilweise enorm hohe Dehnungswerte ergeben, die jedoch für das intakte Material nicht zutreffen und deshalb nicht gewertet werden können. Eine Ausnahme machen lediglich die reinen Vlieswerkstoffe der Gruppen 7 und 9. Diese Feststellungen zeigen aber, daß die meisten beschichteten Austauschstoffe in ihren verschiedenen Schichten ein ganz unterschiedliches Dehnungsverhalten zeigen und daher zwangsläufig Spannungen aufweisen, die bei dem einheitlich aufgebauten naturgewachsenen Leder in dieser Form nicht vorhanden sind, was ohne Zweifel als ein weiterer Vorteil des Leders gewertet werden muß.

Wichtiger als die Bruchdehnung ist erfahrungsgemäß die Dehnung bei geringer Belastung, und wir haben daher auch die Dehnung bei 10 kp/m2 Belastung ermittelt. Die Werte in Tabelle 6 zeigen aber, daß nach dieser Richtung zwischen den verschiedenen Materialien nur graduelle, aber keine prinzipiellen Unterschiede vorhanden sind. Eine Ausnahme machen lediglich die Gruppe 5 der USA-Materialien mit sehr niedrigen Werten und die Austauschmaterialien auf Gewirkebasis der Gruppe 6, die insbesondere in der einen Richtung eine wesentlich höhere Dehnbarkeit bei geringer Belastung als alle übrigen Werkstoffe zeigen.

Tabelle 6:

Nachdem aber bei den meisten Gruppen von Austauschmaterialien die Dehnbarkeit nicht grundsätzlich größer als bei Leder ist, und damit auch bei gleicher Zugbeanspruchung bei der Gehbewegung keine stärkere Ausweichmöglichkeit vor dieser ständigen Belastung möglich ist, müssen sich die festgestellten geringeren Festigkeitswerte dieser Werkstoffe bei der Gehbeanspruchung ungünstig auswirken (siehe auch Abschnitt 4), und es besteht daher bei ihnen eine erheblich größere Gefahr einer raschen Ermüdung und vorzeitigen Zermürbung insbesondere an den auf Biegung und Knickung in den Gehfalten stärker beanspruchten Teilen, als das bei Leder mit ihrer wesentlich höheren inneren Zähigkeit der Fall ist. Tatsächlich haben sich bei unseren Trageversuchen, bei denen jeweils ein Schuh aus Oberleder, der Gegenschuh aus Corfam bestand, bei einigen Trägern am Corfamschuh raschere Gefügezerstörungen in den Gehfalten ergeben als beim Lederschuh, während die umgekehrte Sachlage in keinem Fall eingetreten ist.

Wir haben entsprechende Dehnungsprüfungen auch im Tensometer durchgeführt, weil erfahrungsgemäß bei Oberledermaterialien die Bestimmung einer flächenmäßigen Verdehnung der praktischen Beanspruchung besser gerecht wird. Bei Bestimmung der linearen Dehnung kann der Prüfstreifen die Beanspruchung in der einen Richtung durch ein Schmalerwerden in der anderen Richtung teilweise ausgleichen, beim praktischen Tragen besteht diese Möglichkeit nicht, und daher scheinen uns die Ergebnisse der flächenmäßigen Verdehnung im Tensometer den praktischen Verhältnissen besser gerecht zu werden. Die diesbezüglichen Werte in Tabelle 7 zeigen zunächst die maximal mögliche flächenhafte Verdehnung und die dabei gleichzeitig auftretende maximale Druckbeanspruchung in Atü bei dieser Prüfung. Die höchste Verdehnbarkeit war dabei bei dem Velour-Corfam der Gruppe 9 und bei dem Helia Cevaal der Gruppe 7 festzustellen. Die Verdehnbarkeit der Materialien auf Gewirkebasis der Gruppe 6 liegt etwa in der Größenordnung der Werte bei Leder, während die auf Gewebebasis aufgebauten Materialien der Gruppen 4 und 5 und die Corfam-Produkte der Gruppe 8 eine wesentlich geringere Dehnbarkeit besitzen. Bemerkenswert ist dabei die in Übereinstimmung mit unseren Untersuchungen über die Festigkeitswerte stehende Feststellung, daß die Zerstörung des Leders im Tensometer im Mittel erst bei 13,5 Atü erfolgt, während die meisten Austauschstoffe nur eine erheblich geringere Druckbeanspruchung aushalten, wie sie bisher bei der Prüfung von Oberleder als nicht tragbar angesehen wurde. Ganz besonders ungünstig liegen die Werte der Kunststoffe auf Gewirkebasis der Gruppe 6 und insbesondere die der Velour-Corfam-Proben der Gruppe 9, bei denen die maximal erreichbare Belastung nur etwa 1/3 der Werte ausmacht, die bei Leder im Mittel ausgehalten wurden. Damit bestätigt sich auch bei der flächenhaften Prüfung, daß die Austauschmaterialien eine erheblich geringere Druck- und Zugbelastung aushalten und damit eine wesentlich schlechtere innere Strukturfestigkeit besitzen, als das bei Leder der Fall ist. Da gleichzeitig auch die Dehnbarkeit vieler Materialien unter der des Leders liegt und damit die Ausweichmöglichkeit bei der Strukturbeanspruchung der Gehbewegung geringer oder zumindest nicht größer als bei Leder ist, bestätigt auch die flächenhafte Verdehnung, daß die Gefahr eines vorzeitigen Unbrauchbarwerdens bei vielen Kunststoffen erheblich größer als bei Leder ist.

Ein weiterer Faktor, der für Trageverhalten und Fußkomfort von großer Wichtigkeit ist, ist die bleibende Dehnung, also die Feststellung, inwieweit ein Material nach Zugbeanspruchung in die ursprüngliche Form zurückzugehen vermag. Wir betonten bereits, daß eine gewisse bleibende Dehnung bei Materialien für Bekleidungszwecke unbedingt erforderlich ist, vor allem, wenn sie nur einmalig auftritt und bei Dauerbeanspruchung nicht ständig zunimmt. Dadurch wird das Bekleidungsstück in die Lage versetzt, sich der individuellen Körperform anzupassen und das Wohlbefinden des Trägers zu steigern. Bei Leder ist dieses Verhalten natur- und strukturbedingt gegeben, je nach dem Ausmaß der Auflockerung des Fasergefüges kann ihm jeder für den Verwendungszweck gewünschte Grad an bleibender Verformung gegeben werden, doch kommt dieser auf der netzartigen Verformung beruhende Teil der Gesamtdehnung nach kurzer Tragedauer zu einem Endzustand und weitere Dehnungsbeanspruchungen sind dann elastisch und somit reversibel. Daher ist beim Lederschuh nach wenigen Tagen die Anpassung des Oberleders an die individuelle Fußform vollzogen. Das ist wichtig, denn seit wir nicht mehr den Maßschuh tragen, sondern die Schuhe über Normalleisten gearbeitet werden, ist gar nicht zu erwarten, daß der gekaufte Schuh vom ersten Augenblick an der individuellen Fußform des Trägers angepasst ist, zumal das Mehrweitensystem in Europa nicht so ausgebaut ist wie in den USA. Die bleibende Dehnung von Materialien für den Schuhoberbau muß aber so eingestellt sein, daß sich diese Anpassung in kürzester Zeit vollzieht und der Schuh die Bewegung beim Gehvorgang nicht mehr stört.

Vergleicht man nun die Werte in Tabelle 7 über die bleibende flächenhafte Verformung der verschiedenen Werkstoffgruppen im Tensometer nach zehnfacher Verdehnung der Materialien, die erhalten wurden, indem man alle Materialien bis zur angeführten Druckgrenze belastete, eine Minute unter diesem Druck stehenließ, wieder entlastete, nach einer weiteren Minute erneut belastete und diesen Vorgang zehn mal wiederholte, so zeigt sich, daß alle Gruppen von Austauschstoffen diese Eigenschaft nicht in genügendem Umfang besitzen. So wurde bei einer Prüfung bei 5 Atü bei Leder eine mittlere bleibende Dehnung zwischen 8,3 und 9% festgestellt. Noch im ungünstigsten Fall lag der Wert nicht unter 5%, während bei den Austauschmaterialien bei einer Anzahl der Proben Gewebe und Gewirke schon gerissen waren, bevor diese Belastung überhaupt erreicht wurde. Soweit die Materialien intakt blieben, lag die bleibende Dehnung durchweg erheblich niedriger als bei Leder. Um alle Materialien überhaupt prüfen zu können, mussten wir den Belastungsdruck noch vermindern, aber auch bei 3 Atü Belastung zeigen die Mittelwerte bei außerordentlich starken Schwankungen in jeder Gruppe die großen Unterschiede zwischen Leder einerseits und sämtlichen Gruppen von Austauschmaterialien andererseits, die sich nach Wasser- und Schweißeinwirkung noch erhöhten. Damit wird auch die in der Fachliteratur wiederholt angeführte und bei unseren Trageversuchen bestätigte Feststellung verständlich, daß z. B. Corfam-Schuhe auch bei längerer Tragedauer sich der Fußform nicht anpassten, sondern, wenn sie am Anfang drückten, mit Sicherheit auch nach langer Tragedauer drückten, während sich Oberleder nach wenigen Tagen der Fußform anpasste, und daß einige Träger an dem Fuß, der den Corfam-Schuh trug, Hühneraugen bekamen. Die Füße ermüdeten eher und schmerzten, die Schuhe konnten nicht täglich getragen werden, und viele unserer Träger hatten täglich das Gefühl von neuem Schuhwerk. Dazu kommt als weitere Feststellung unserer Trageversuche, daß Oberleder bei der Gehbewegung zahlreiche kleine Fältchen bildete, Corfam dagegen wenige, aber relativ tiefe Falten unmittelbar im Zehengelenk ergab, die das Drücken des Schuhes noch verstärkten und schmerzhafte lokale Abschnürungen zur Folge hatten.

Tabelle 7:

Man ist in diesen Fällen zwar häufig geneigt, zu glauben, daß sich solche Nachteile beheben ließen, wenn man die Schuhe von vornherein größer kaufe, doch liegen die Dinge nicht so einfach, da auch das Fußvolumen nicht konstant ist, sondern im Laufe des Tages unter dem Einfluss des Schweißes und der Ermüdung eine Zunahme erfährt, die in der Ruhe der Nacht wieder zurückgeht. Auf diese Verhältnisse werden wir unter Abschnitt 8 bei Besprechung des Verhaltens der verschiedenen Materialien gegenüber Wasserdampf noch ausführlich eingehen.

6. Biegeverhalten

Bei der Beurteilung der Haltbarkeit und des Tragekomforts von Schuhen spielt auch das Biegeverhalten eine entscheidende Rolle. Wir haben daher alle Materialien im Flexometer bis zu 100 000 Dauerfaltbeanspruchungen untersucht. Dabei haben sich alle Austauschstoffe im trockenen wie im nassen Zustand längs und quer völlig einwandfrei verhalten, und auch die untersuchten Leder haben mit wenigen Ausnahmen trocken und nass ein einwandfreies Verhalten gezeigt. Die Leder wurden zwar bei der Flexometerprüfung meist etwas faltiger, wobei allerdings wesentlich feinere Falten auftraten als bei den Austauschstoffen, die zumeist wenige, aber tiefe Falten zeigten. Diese Feststellung hängt ohne Zweifel mit dem im vorhergehenden Abschnitt behandelten unterschiedlichen Dehnungsverhalten zusammen und stimmt auch mit dem Ergebnis unserer Trageversuche überein, daß Leder dem natürlichen Abrollvorgang weniger Widerstand entgegensetzt, während z. B. das Corfammaterial durch wenige, aber tiefe Falten ein viel stärkeres Drücken des Schuhes gerade am Ansatz der großen Zehe bewirkt.

7. Wasserverhalten

Bei allen Materialien, die als Bauelemente für den Schuh oder sonstwie für Bekleidungszwecke Verwendung finden, ist das Verhalten gegen Wasser eine für die Beurteilung der Eignung entscheidende Eigenschaft. Allerdings ist der Beurteilungsmaßstab bei den Materialien für den Schuhoberbau wesentlich schwieriger zu finden als bei Materialien, die für Lauf- oder Brandsohlen eingesetzt werden. Bei Laufsohlen kommt es ganz eindeutig auf eine möglichst gute Wasserdichtigkeit an, bei Brandsohlen andererseits auf ein möglichst hohes Saugvermögen für die feuchten Ausdünstungen des Fußes. Die Oberbaumaterialien sollen dagegen von der Außenseite eine möglichst gute Wasserdichtigkeit besitzen, von der Fleisch- bzw. Rückseite her aber ein gutes Aufsaugevermögen für Wasser und Wasserdampf haben, um die feuchten Ausdünstungen des Fußes aufzunehmen und damit den Fuß im Schuh trocken zu halten. Daher kann auch die übliche Bestimmung der Wasseraufnahme nach Kubelka, bei der die zu untersuchenden Materialien allseitig vom Wasser umgeben sind, keine für diese Beurteilung entscheidenden Unterlagen liefern. Das gilt insbesondere, wenn man die aufgenommene Wassermenge, wie dies zumeist üblich ist, in Prozent des Gewichts der geprüften Materialien vor Wassereinwirkung ausdrückt. Diese Ausdrucksform ist zu rechtfertigen, wenn sich die verglichenen Materialien in Raumgewicht und Dicke und damit im Gewicht flächengleicher Proben ähneln. Das ist aber bei den hier miteinander zu vergleichenden Materialien nicht zutreffend (Abschnitt 2), und damit würden bei gleicher Wasseraufnahme die spezifisch leichteren Werkstoffe bei prozentualer Berechnung eine höhere Wasseraufnahme ergeben als die schwereren Werkstoffe, was ohne Zweifel zu einer falschen Bewertung führt. Daher sind in Tabelle 8 die nach verschiedenen Zeiten von den Proben gleicher Fläche (Scheiben von 7 cm Ø) aufgenommenen Gramm Wasser zusammengestellt, zumal ja auch beim praktischen Tragen des Schuhs gleiche Flächen der Materialien gleiche Feuchtigkeitsmengen von innen oder außen dargeboten erhalten. Es ergibt sich, daß in jeder Gruppe erhebliche Unterschiede vorliegen, daß aber in den Mittelwerten die Leder grundsätzlich eine höhere Wasseraufnahme aufweisen als die Austauschstoffe, gleichgültig, ob man die Aufnahme nach 2 oder nach 24 Stunden zugrunde legt, wobei die Wasseraufnahme durch vorherige Schweißbehandlung noch eine weitere Steigerung erfährt. Das ist natürlich nicht für jedes einzelne Fabrikat in dieser Allgemeinheit zu bestätigen, und es gibt auch Leder, die ein geringeres Wasseraufnahmevermögen besitzen als entsprechende Kunststoffe. Insgesamt kann aber diese Feststellung nach dem Verfahren von Kubelka nur eine Tatsache aufzeigen, ohne Anhaltspunkte darüber zu ergeben, ob das nun als Vorteil oder als Nachteil zu werten ist, da diese Bestimmung keine Aussagen darüber zulässt, ob die Wasseraufnahme von der Außen- oder von der Innenseite her bevorzugt erfolgte. Daher war es notwendig, bei weiteren Versuchen den Einfluss der Wassereinwirkung von außen und innen getrennt zu erfassen.

Was die Wasseraufnahme von der Narben bzw. Oberseite her betrifft, so haben wir auch hier zunächst statische Ermittlungen vorgenommen, indem wir die flächengleichen Proben in Flansche einspannten, von der Oberseite her mit Wasser überschichteten und nach verschiedenen Zeiten die Wasseraufnahme durch Messung der Gewichtszunahme feststellten.

Tabelle 8:

Tabelle 9 und 10:

Die Werte in Tabelle 9 zeigen, daß zwischen Ledern und Austauschstoffen anfangs, d. h. nach halbstündiger Wassereinwirkung, noch keine sehr großen Unterschiede vorhanden sind, wenn man einmal von den schweißbehandelten Lederproben absieht. Nach 2 Stunden sind die Unterschiede schon etwas größer geworden, und nach 8 bzw. 24 Std. liegt bei allen Ledern eine stärkere Wasseraufnahme als bei den Austauschmaterialien vor. Das trifft nicht in allen Gruppen gleich stark zu, die günstigsten Befunde nach dieser Richtung hin werden von den klassischen Austauschmaterialien auf Gewebe- bzw. Gewirkebasis der Gruppen 4-6 erhalten, das Helia Cevaal der Gruppe 7 zeigt schon eine etwas stärkere Wasseraufnahme, und die Werte für Corfam liegen nach dieser Richtung im unteren Lederbereich, wenn auch die Mittelwerte niedriger als die der Leder liegen. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Lederfabrikaten, die sich bei Einwirkung des Wassers von der Narbenseite nicht ungünstiger verhalten als die Corfam-Materialien der Gruppe 8 und 9. Die gleichzeitig ermittelte Wasserabgabe über die Narbenseite an Proben, die zuvor 24 Stunden von der Außenseite mit Wasser behandelt wurden, zeigt beim Vergleich der Werte der Tabelle 10 mit den Werten der Tabelle 9, daß natürlich bei der geringeren Wasseraufnahme der Kunststoffe auch ihre Wasserabgabe rascher erfolgt, aber auch bei Leder nach 8 Stunden, erst recht nach 24 Stunden, die aufgenommene Wassermenge weitgehend wieder abgegeben ist, beim Trocknen etwa über Nacht also praktisch eine Austrocknung bei den einen wie den anderen Materialien erreicht werden kann.

Besonders interessant sind nun im Zusammenhang mit diesen Befunden die Ergebnisse, die bei der dynamischen Prüfung des Wasser Verhaltens von der Narben- bzw. Oberseite her im Penetrometer festgestellt wurden (Tabelle 11). Dabei bestätigten sich für die Wasseraufnahme nach 1 und 2 Stunden die Befunde der statischen Prüfung von der Oberseite her. Die klassischen Austauschmaterialien der Gruppen 4-6 zeigen auch hier eine erheblich geringere Wasseraufnahme als Leder, wenn auch einige Fabrikate mit höchsten Werten dieser Gruppe bereits ungünstiger liegen als einige Lederfabrikate mit günstigstem Verhalten, während die Materialien der Gruppen 7 und 9 zwar im Mittelwert etwas günstiger als die Ledergruppen, aber doch mit einem ganz erheblichen Teil der Einzelwerte bereits stark im Lederbereich liegen, so daß ohne Zweifel eine ganze Reihe von Lederfabrikaten sich günstiger verhält als Proben dieser Austauschgruppen. Entscheidender ist aber die Feststellung, in welcher Zeit nun eigentlich bei der Penetrometerprüfung ein Wasserdurchtritt festzustellen ist und hier zeigt sich, daß bei außerordentlich starken Schwankungen in den Einzelwerten der verschiedenen Gruppen die Leder der Gruppe 3, also die Rindleder mit korrigiertem Narben, im Mittel das weitaus günstigste Verhalten aufweisen, d. h. die längste Zeit benötigen, bis ein Durchtreten von Wasser festzustellen ist. Auch das Verhalten der Gruppe 2 ist nicht ungünstiger als bei den meisten Kunststoffgruppen. Das weitaus ungünstigste Ergebnis liefern die Corfam-Velourmaterialien der Gruppe 9, die ein außerordentlich rasches Durchtreten des Wassers erkennen lassen, und bei allen anderen Gruppen kann man feststellen, daß ihre Wasserdurchtrittswerte im unteren bzw. mittleren Bereich des Leders liegen, daß aber von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen die hohen Durchtrittsbereiche, die bei einer Reihe von Lederfabrikaten erhalten wurden, nicht erreicht werden können. Wenn aber erst einmal der Wasserdurchtritt erreicht ist, dann lassen die Werte für die Wasserdurchtrittsmenge erkennen, daß in der absoluten Durchlässigkeit in den Mittelwerten keinerlei grundsätzliche Unterschiede zwischen Leder und Kunststoffen vorhanden sind. Aber diese Feststellung ist für den Verbraucher nicht sonderlich interessant, denn wenn erst einmal der Wasserdurchtritt erreicht ist, ist ziemlich gleichgültig, wie groß die Wassermenge ist, die nasse Füße bewirkt.

Für die Bewertung interessant sind dagegen die unterschiedlichen Feststellungen hinsichtlich Wasseraufnahme und Wasserdurchtritt im Penetrometer. Die dabei besonders deutlich gewordene Tatsache, daß die Leder trotz einer gegenüber den Kunststoffen im Mittel höheren Wasseraufnahme sich doch keineswegs im Wasserdurchtritt ungünstiger verhalten, in vielen Fällen sogar ein wesentlich günstigeres Verhalten aufweisen, hängt ohne Zweifel mit den besonderen Eigenschaften der tierischen Haut und der Vielzahl ihrer polaren Gruppen zusammen, die es gestattet, das aufgenommene Wasser so zu binden und damit im Leder so festzuhalten, daß ein eigentlicher Wasserdurchtritt sehr verzögert wird. Bei unseren Untersuchungen über Brandsohlmaterialien hatten wir bereits auf dieses besondere Wasserbindungsvermögen des Leders hingewiesen und es durch einige Untersuchungen kenntlich gemacht. Wir erinnern an den damals durchgeführten Filtrierpapiertest, bei dem die verglichenen Materialien ein einheitliches Angebot von Wasser erhielten und dann 1 Stunde beiderseitig zwischen Filtrierpapier und Glasscheiben gelagert wurden, so daß. das Wasser nicht verdunsten, sondern nur an das Filtrierpapier abgegeben werden konnte, wobei die Leder von der insgesamt aufgenommenen Wassermenge im Mittel nur 6,9%, die Austauschstoffe dagegen 22,7% an das Filtrierpapier abgaben, eine Feststellung, die die intensive Wechselwirkung zwischen Ledersubstanz und Wasser besonders deutlich werden lässt. In gleicher Weise wurden bei der Untersuchung der Brandsohlmaterialien Proben, denen gleiche Wassermengen zur Aufnahme dargeboten worden waren, bei der Prüfung durch neutrale Beobachter bei den Kunststoffen als wesentlich nasser empfunden, bei den Lederproben trotz gleichen Wassergehaltes dagegen als trockener beurteilt.

Tabelle 11:

Dieses gute Bindungsvermögen der Ledersubstanz für Wasser dürfte auch bei den hier vorliegenden Untersuchungen dafür verantwortlich sein, daß Leder, obwohl sie bei der Einwirkung von Wasser von der Narben- bzw. Oberseite her eine höhere Aufnahme zeigen, sich doch bei Zugrundelegung der Werte für den Wasserdurchtritt in Bezug auf die Wasserdichtigkeit als wesentlich günstiger erweisen. Das lässt grundsätzlich folgern, daß für die Prüfung des Verhaltens eines Leders gegen Einwirkung von Nässe von außen her die Bestimmung der Wasseraufnahme, gleichgültig ob sie statisch oder dynamisch durchgeführt wird, keine Rückschlüsse gestattet, sondern daß ausschließlich die Ermittlung der Wasserdurchtrittszeit im Penetrometer hierfür zuverlässige Anhaltspunkte vermittelt. Die diesbezüglichen Werte in Tabelle 11 zeigen aber eindeutig, daß sich Leder hier mindestens gleich gut, teilweise noch günstiger als entsprechende Austauschstoffe verhält. Dabei muß aber auch betont werden, daß bei den heutigen Möglichkeiten, wirksame Hydrophobierungen durchzuführen, jeder Grad der Wasserdichtigkeit bei Leder erreicht werden kann, und daß es im allgemeinen nur Preisgründe sind, die es verbieten, diese technischen Möglichkeiten, auf die wir bereits früher sehr eingehend hingewiesen haben, praktisch in genügendem Maße auszunutzen.

Tabelle 12 gibt die Wasseraufnahme von der Fleisch- bzw. Unterseite her wieder. Diese Zahlen zeigen, in welchem Maße die Materialien für den Schuhoberbau geeignet sind, feuchte Ausdünstungen, soweit sie im Inneren des Schuhes in Form von Wasser vorliegen, aufzusaugen und damit den Fuß trocken zu halten. Hier zeigt sich Leder allen anderen Materialien gegenüber ausgesprochen überlegen. Betrachtet man z. B. die Ergebnisse, die nach 8 Stunden erhalten wurden, so ergeben die klassischen Austauschmaterialien auf Gewebe- und Gewirkebasis und das Helia Cevaal (Gruppen 4-7) im Mittel erheblich ungünstigere Werte als die Leder, und diese Unterschiede, werden durch Wasser- und Schweißbehandlung noch erhöht. In den Bereich der Wasseraufnahme von Leder fallen nur die Werte der Corfam-Materialien der Gruppen 8 und 9. Insgesamt hat sich aber gezeigt, daß von allen im Schuhoberbau eingesetzten Materialien die Leder im Mittel und insbesondere in den Spitzenwerten ohne Zweifel das höchste Saugvermögen aufweisen, was wohl auch damit zusammenhängt, daß sie das Wasser nicht nur kapillar, sondern auch mizellar zu binden vermögen. Aber auch die Leder geben, ebenso wie die Kunstleder, nach den Angaben der Tabelle 13 nach 24 Stunden praktisch alles aufgenommene Wasser wieder an die Luft ab.

Tabelle 12 und 13:

Wir haben schließlich noch bei allen Materialien die Steighöhe nach dem Streifentest ermittelt, bei dem Proben der Materialien von 20 mm Breite 5 mm tief in Wasser eingetaucht werden und nach verschiedenen Zeiten beobachtet wird, ob und in welchem Maße sich das Wasser infolge des Saugvermögens der verschiedenen Materialien in den Streifen hochzieht. Bei der Auswertung der in Tabelle 14 erhaltenen Ergebnisse interessiert in erster Linie die Saugfähigkeit von der Narbenseite bzw. Vorderseite her, weil bei stärker ausgeprägtem Saugvermögen lösliche Stoffe, die entweder aus dem Schuhunterbau, aus eingearbeiteten Futterstoffen, von Beschmutzungen (z. B. vom Streusalz im Winter) oder auch vom Schweiß herstammen können, in das Oberleder hochgezogen werden und dort zu lästigen und bei hellen Farbtönen außerordentlich unansehnlichen Verfleckungen, Salzausschlägen usw. Veranlassung geben. Die Werte der Tabelle 14 zeigen, daß die meisten Gruppen von Austauschstoffen von der Außenseite her kein Saugvermögen besitzen, was mit den meist sehr kompakten Deckschichten in Zusammenhang steht. Aber es ist auch bei Leder gelungen, die Oberflächenzurichtung so zu verbessern, daß bei den meisten Ledern ebenfalls kein Hochsaugen von Flüssigkeit und der darin gelösten Stoffe festzustellen ist. Nur wenige Fabrikate machen davon eine Ausnahme.

Tabelle 14:

Das gleiche gilt aber auch für die Corfam-Muster der Gruppe 8, die teilweise ebenfalls ein sehr deutliches Hochziehen der Flüssigkeit erkennen ließen. Diese Feststellung erklärt Erscheinungen bei unseren Trageversuchen, wo insbesondere bei den Schuhen, die mit Corfam als Oberbaumaterial verarbeitet waren, namentlich in den Gehfalten und in den Randpartien deutliche Ausblühungen von Salzen auftraten, die sich außerordentlich unangenehm bemerkbar machten, weil sie sich nur sehr schwer wieder entfernen ließen, bei erneuter Feuchtigkeitseinwirkung immer wieder hervortraten und damit die Schuhe praktisch weitgehend unbrauchbar machten. Diese Erscheinung war nicht bei allen Trageversuchen festzustellen, was sicherlich mit der nach dieser Richtung hin sehr ungleichmäßigen Beschaffenheit der verschiedenen Corfamlieferungen zusammenhängt (siehe auch die Schwankungen in Tabelle 14), aber wo sie auftrat, mussten die Trageversuche bald abgebrochen werden, weil das Oberbaumaterial sehr unansehnlich wurde und diese Erscheinung immer wieder zum Vorschein kam. Dass alle Materialien von der Fleischseite bzw. Rückseite her stärkeres Saugvermögen zeigten, ist nicht verwunderlich, da ja auch die Rückseite bei den Austauschstoffen aus saugfähigen Geweben oder Vliesen besteht. Allerdings sind hier ganz erhebliche Unterschiede festzustellen, und ein besonders starkes Saugvermögen ist - wenn man die Mittelwerte zugrunde legt - bei den Gruppen 6 und 7, aber bei längerer Einwirkung auch bei den Corfam-Materialien der Gruppe 8 und den Austauschstoffen auf Textilbasis der Gruppe 4 festzustellen.

8. Porosität und Verhalten gegen Wasserdampf

Da die feuchten Ausdünstungen des Fußes den sie umgebenden Materialien des Schuhes nur zum geringen Teil in Form flüssigen Wassers, im wesentlichen aber als Wasserdampf dargeboten werden, erscheint es für die Beurteilung des Tragekomforts und der Tragehygiene wichtig, auch das Verhalten der verschiedenen Oberbaumaterialien bei Einwirkung von Wasserdampf zu ermitteln. Hier ist zunächst die Beobachtung von Interesse, daß alle Materialien, ob es sich nun um Leder oder deren Austauschstoffe handelt, aus der sie umgebenden Luft Feuchtigkeit aufnehmen und dabei zugleich eine Flächenzunahme erfahren, die beim Auftrocknen wieder abklingt. Es erschien uns daher interessant, die Abhängigkeit der Fläche von der jeweiligen relativen Feuchtigkeit der die Materialien umgebenden Luft festzustellen, und wir haben daher alle Materialien zunächst bei 65% relativer Luftfeuchtigkeit gelagert, dann ihre Flächen ausgemessen, sie anschließend 4 Tage teils bei 100% relativer Luftfeuchtigkeit, teils bei 30% relativer Luftfeuchtigkeit gelagert und im Anschluss daran die im ersten Falle auftretende Flächenzunahme und die im letzteren Falle festzustellende Flächenabnahme zahlenmäßig bestimmt. Die diesbezüglichen Werte in Tabelle 15 zeigen, daß die Leder nach dieser Richtung hin ein grundsätzlich anderes Verhalten als deren Austauschstoffe besitzen. Die Flächenzunahme bei Steigerung der relativen Luftfeuchtigkeit von 65% auf 100% liegt bei Leder zwischen 2,4 und 13,8 und bei den Mittelwerten jeder Gruppe zwischen 6,2 und 7,5%, die entsprechenden Abnahmewerte in den Einzelwerten zwischen 0,6 und 6,2% und in den Mittelwerten zwischen 2,0 und 4,7%, so daß - wenn man das gesamte Gebiet von 30-100% relativer Luftfeuchtigkeit betrachtet - Flächenänderungen im Mittel zwischen 8 und 12% als Norm anzusprechen sind, die auch im ungünstigsten Fall nicht unter 4-5% absinken. Demgegenüber zeigen die meisten Kunststoffe eine nur sehr geringe Flächenzunahme bzw. Flächenabnahme und im Bereich von 30-100% relativer Luftfeuchtigkeit liegen die Schwankungen im Mittel nur in seltenen Fällen über 1% und auch beim Helia Cevaal der Gruppe 7 nicht über 2,2%, bei der Gruppe 8 der glatt zugerichteten Corfam-Materialien im Mittel nicht über 2,6%.

Hier ist ein grundsätzlicher Vorteil des Leders festzustellen, der für den Tragekomfort von entscheidender Bedeutung ist. Wir hatten bereits in Absatz 5 die Nachteile besprochen, die sich bei den meisten Kunststoffen infolge ihrer geringen bleibenden Dehnbarkeit bemerkbar machen und zu einem Drücken der Schuhe, Ausbildung tiefer Falten in den Gehfalten und teilweise Hühneraugenbildung führen, und dort schon darauf hingewiesen, daß sich diese Nachteile nicht einfach dadurch beheben lassen, daß man den Schuh größer kauft. Auch die Fußform ist nämlich nicht konstant, sondern erfährt im Laufe des Tages unter dem Einfluss des Schweißes und der Ermüdung eine Volumenzunahme, die in der Ruhe der Nacht wieder abklingt. Leder hat nun, wie die vorstehend diskutierten Zahlen zeigen, die Eigenschaft, unter Aufnahme von Feuchtigkeit, die ja während des Tragens durch die feuchten Ausdünstungen des Fußes geliefert wird, eine Flächenzunahme zu erfahren, die beim Austrocknen wieder zurückgeht, es vermag sich also unter dem Einfluss der Fußausdünstungen dem natürlichen Rhythmus der Volumenänderung des Fußes anzupassen. Die Austauschstoffe haben dagegen sämtlich diese Eigenschaft nicht bzw. nur in wesentlich geringerem Umfange. Es ist daher nicht damit getan, den Kunststoffschuh größer zu kaufen, denn ist er am Morgen passend, so drückt er bestimmt am Abend, passt er aber am Abend, dann wird er morgens zu groß sein. Hier fehlt den Kunststoffen eine wichtige Eigenschaft, die für den Tragekomfort von besonderer Bedeutung ist.

Mit den feuchten Ausdünstungen des Fußes hängt aber auch eine weitere Eigenschaft zusammen, die von allen Materialien für Bekleidungszwecke unbedingt gefordert werden muß, wenn sich der Träger wohl fühlen soll, nämlich eine gute Porosität, d. h. eine gute Luft- und insbesondere Wasserdampfdurchlässigkeit. Ist diese Porosität nicht vorhanden, so wird auch das noch zu behandelnde Wasserdampfspeicherungsvermögen rascher erschöpft. Dann schlägt sich die Feuchtigkeit auf dem Fuß nieder, wodurch einmal ein Gefühl des Unbehagens verursacht und zum anderen auf der Oberfläche des Fußes zugleich ein Schweißstau bewirkt wird, und damit eine weitere Schweißsekretion sowie der nötige Abtransport der Körperwärme gehemmt werden. Feuchte, heiße Füße und die Gefahr eines Wundreibens zwischen den Zehen sind die primäre Folge, Schweißfußbildung, Fußpilzvermehrung und Kreislaufbelastungen die sekundären Erscheinungen. Tabelle 15 vermittelt die Luftdurchlässigkeit, die im Apparat von Bergmann nach DIN 53 334 ermittelt wurde. Diese Werte zeigen, daß Leder eine erhebliche Luftdurchlässigkeit besitzt, deren Intensität natürlich in starkem Maße von der jeweiligen Stärke der Deckschicht abhängt. Daher ist verständlich, daß die stärker abgedeckten Leder mit korrigiertem Narben der Gruppe 3 auch eine geringe Luftdurchlässigkeit besitzen als die Leder der Gruppen 1 und 2. Die Mehrzahl der Austauschstoffe ist dagegen vollkommen luftundurchlässig. Eine Ausnahme machen hier lediglich die Corfam-Materialien der Gruppen 8 und 9. Die mit Narbenzurichtung versehenen Corfam-Materialien der Gruppe 8 liegen hinsichtlich der Luftdurchlässigkeit ähnlich den stärker abgedeckten korrigierten Ledern der Gruppe 3, die Corfamveloure der Gruppe 9 lassen eine außerordentlich hohe Luftdurchlässigkeit erkennen.

Nun ist die Luftdurchlässigkeit für Schuhoberbaumaterialien nicht so wichtig, wie man früher vielfach angenommen hat, und wir haben diese Werte nur ermittelt, weil es im allgemeinen üblich ist, sie bei der Beurteilung der Porosität mit heranzuziehen. Aber der Schuh enthält in seinem Innern, wenn er angezogen ist, praktisch kaum Luft, sondern Wasserdampf in Form der feuchten Ausdünstungen des Fußes, so daß der Wasserdampfdurchlässigkeit, die wir nach der Methode Herfeld nach DIN 53 333 ermittelt haben, ohne Zweifel eine größere Bedeutung zukommt. Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeit laufen nicht unbedingt parallel. Materialien, die eine hohe Luftdurchlässigkeit besitzen, zeigen auch eine gute Wasserdampfdurchlässigkeit, Materialien, die keine Luftdurchlässigkeit haben, können trotzdem eine Wasserdampfdurchlässigkeit aufweisen, wenn sie z. B. hygroskopische Fasern eingelagert enthalten, die in einer Art von Dochtwirkung den Wasserdampf an der Oberfläche des Werkstoffes aufnehmen, durch das Gefüge des Materials transportieren und auf der anderen Seite wieder abgeben. Das ist aber ohne Zweifel bei allen Austauschstoffen für den Oberbau der Fall, und daher ist es verständlich, daß alle untersuchten Materialien eine gewisse Wasserdampfdurchlässigkeit besitzen. Dass Leder eine gute Wasserdampfdurchlässigkeit aufweist, ist aus den Werten der Tabelle 15

eindeutig ersichtlich. Dabei zeigt sich auch, daß die Art der Zurichtung keinen sehr großen Einfluss auf diese Eigenschaften hat, sondern daß auch die Leder mit korrigiertem Narben ebenfalls sehr hohe Wasserdampfdurchlässigkeit aufweisen. Daß die älteren unporösen Oberbaumaterialien auf Gewebe- und Gewirkebasis diesen Anforderungen nicht entsprechen, wird aus den vorliegenden Werten ebenfalls klar ersichtlich. Alle Materialien der Gruppen 4-7 geben auch im günstigsten Falle so niedrige Wasserdampfdurchlässigkeiten, daß sie den diesbezüglichen Anforderungen nicht gerecht werden können. Man hat sich zwar vielfach bemüht, sie porös zu machen, doch waren die Poren dann meist zu groß und ließen auch das Wasser von außen rasch eindringen. Das Charakteristikum sachgemäß hergestellten Oberleders besteht darin, daß es eine dem Verwendungszweck angepasste mittlere Mikroporosität besitzt, bei der die Poren gerade so groß sind, um den Wasserdampf nach außen durchtreten zu lassen, den Wassertropfen aber infolge ihrer größeren Oberflächenspannung den Durchtritt nach innen zu verwehren und damit gute Wasserdichtigkeit mit guter Wasserdampfaufnahme und -durchlässigkeit zu verbinden. In den Corfam-Materialien der Gruppen 8 und 9 ist es dagegen ohne Zweifel gelungen, eine dem Leder gleichwertige Mikroporosität zu entwickeln, so daß diese Materialien im Gegensatz zu den Austauschstoffen älterer Art bei einwandfreier Wasserdichtigkeit doch eine Wasserdampfdurchlässigkeit besitzen, die in der Größenordnung von Oberleder liegt.

Tabelle 15:

An dieser Stelle sei erwähnt, daß oft die Behauptung aufgestellt wird, die hohe Wasserdampfdurchlässigkeit gelte nur für das ursprüngliche Leder, mit zunehmender Schuhcremebehandlung würde aber die Porosität infolge der aufgetragenen Wachsschichten praktisch vollkommen aufgehoben. Wir haben daher in einer besonderen Versuchsreihe 6 Oberlederfabrikate und 3 Corfam-Typen vergleichsweise sowohl im Originalzustand wie nach wiederholter Schuhcremebehandlung hinsichtlich Wasserdampfdurchlässigkeit geprüft. Die in Tabelle 16 zusammengestellten Ergebnisse zeigen, daß verständlicherweise durch jede Schuhcremebehandlung eine gewisse Verminderung der Wasserdampfdurchlässigkeit bewirkt wird, aber auch nach wiederholter Behandlung doch eine für den jeweiligen Verwendungszweck einwandfreie Wasserdampfdurchlässigkeit bestehen bleibt.

Tabelle 16:

Nachdem nun die Ergebnisse der Tabelle 15 die Behauptung der Firma du Pont bestätigt hatten, daß Corfam eine gleich gute Porosität und damit Wasserdampfdurchlässigkeit wie Leder besäße, wäre zu erwarten gewesen, daß auch bei unseren Trageversuchen bei Leder und Corfam gleichtrockene Füße resultierten. Das war aber nicht der Fall, die Mehrzahl der Träger stellte vielmehr beim Corfamschuh eindeutig feuchte, beim Lederschuh trockene Füße fest und es war daher zu untersuchen, worauf diese zunächst nicht erwarteten Unterschiede zurückzuführen sind. Von medizinischer Seite wurde uns mitgeteilt, daß beim ruhenden Menschen im Mittel an der Fußsohle bei 20° C eine Schweißabgabe von etwa 30 g, bei 30° von etwa 50 g und bei 38° wieder von 30 g/h x m2 vorliegt. Die entsprechenden Zahlen am Fußrücken betragen bei 26-27°C 30-50g und bei 40°C 350-396 g/h x m2. Setzt man diese Zahlen mit den festgestellten Wasserdampfdurchlässigkeitswerten in Beziehung, so zeigt sich, daß selbst bei Leder die Wasserdampfdurchlässigkeit nicht ausreicht, die feuchten Fußausdünstungen zu entfernen. Was geschieht mit dem restlichen Schweiß, und warum haben wir bei Corfam einen feuchten Fuß, bei Leder unter gleichen Bedingungen dagegen nicht?

Hier tritt eine weitere Eigenschaft des Leders in Aktion, die Wasserdampfaufnahme als Maß für das Wasserdampfspeicherungsvermögen. Die Wasserdampfaufnahme wurde wie die Wasseraufnahme nur von der Fleischseite bzw. Unterseite bestimmt, indem die Proben in Flansche eingespannt und von der Rückseite her mit einem mit Wasserdampf gesättigten Luftraum in Verbindung gebracht wurden. Die Werte in Tabelle 17 lassen erkennen, daß Leder auch in dieser Eigenschaft den Austauschstoffen weitaus überlegen ist. Bei den meisten Ledern werden Werte über 200 mg erhalten, die von den Austauschstoffen zumeist nicht erreicht werden. Dabei sind noch verhältnismäßig hohe Zahlen bei den Austauschmaterialien der Gruppen 4-6 festzustellen, so daß hier auch ein gewisses Wasserdampfspeicherungsvermögen der Textilunterlage zu erwarten ist, aber dieses Speicherungsvermögen ist relativ rasch erschöpft, da die Austauschmaterialien dieser Gruppen praktisch keinerlei Wasserdampfdurchlässigkeit besitzen. Die Corfam-Materialien der Gruppen 8 und 9 zeigen dagegen ein so geringes Wasserdampfaufnahmevermögen, das im Mittel etwa nur 1/10 - 1/20 der Werte bei Leder entspricht, daß man hier praktisch von einem Speicherungsvermögen überhaupt nicht sprechen kann. Da die Wasserdampfdurchlässigkeit nicht ausreicht, um die normalerweise entstehenden feuchten Ausdünstungen in Dampfform zu entfernen und ein Wasserdampfspeicherungsvermögen fast nicht vorhanden ist, ist verständlich, daß bei Schuhen, die Corfam als Oberbaumaterial enthalten, verhältnismäßig rasch feuchte und heiße Füße erhalten werden. Die Sonderstellung des Leders gegenüber seinen Austauschstoffen besteht darin, daß es eine hohe Wasserdampfdurchlässigkeit und ein hohes Wasserdampfspeicherungsvermögen besitzt, beide Eigenschaften sich also gegenseitig unterstützen und daher mit Sicherheit dafür sorgen, daß die entstehenden feuchten Ausdünstungen des Fußes entweder aus dem Schuh abtransportiert oder im Leder so gespeichert werden, daß sie das Wohlbefinden des Trägers nicht ungünstig beeinflussen können. Unterstützt wird diese Besonderheit des Leders noch durch die bereits an früherer Stelle erwähnte Eigenschaft, daß die vom Leder aufgenommenen Wasserdampfmengen mizellar aufgenommen und von seinen hydrophilen Gruppen so abgebunden werden, daß sich Leder - auch wenn es bereits beträchtliche Wassermengen aufgenommen hat - nicht feucht anfühlt. Daß damit die Wiederabgabe des Wasserdampfes beim Trocknen an der Luft bei Leder langsamer erfolgt als bei den Austauschstoffen, ist verständlich, aber nach 24 Stunden sind nach den Werten in Tabelle 17 auch bei Leder die größten Mengen aufgenommenen Wasserdampfes wieder verdunstet.

Tabelle 17:

In diesem Zusammenhang interessierte auch die Frage, ob durch die Hydrophobierung von Oberleder zur Verbesserung der Wasserdichtigkeit zugleich auch deren Wasserdampfaufnahme entscheidend verschlechtert würde. Auch zu diesem Punkt haben wir Untersuchungen durchgeführt, indem wir je 2 Boxkalb-, Rindbox- und Schleifboxleder mit 5 % eines bewährten Hydrophobierungsmittels behandelten und die Wasserdampfaufnahme vorher und nachher bestimmten. Die in Tabelle 18 wiedergegebenen Werte zeigen, daß bei richtiger Hydrophobierung des Leders, die die Wasserdichtigkeit stark verbessert, die Aufnahme für Wasserdampf dagegen kaum beeinflusst wird. Gerade darin ist der entscheidende Vorteil der modernen Hydrophobierungsmittel zu erblicken, daß sie die Verbesserung der Wasserdichtigkeit im Gegensatz zu den früheren Füllimprägnierungen nicht durch eine Verstopfung der Poren bewirken, sondern das Leder lediglich wasserabstoßend machen, so daß das flüssige Wasser infolge seiner größeren Oberflächenspannung nicht mehr in die Poren eindringen kann, während der Wasserdampf infolge seiner wesentlich feineren Aufteilung nach wie vor in gleichem Umfang nach außen zu diffundieren vermag.

9. Wärmeleitfähigkeit und Hitzeverhalten

Da die Wärmeleitfähigkeit der Bauelemente des Schuhes für das Wohlbefinden des Trägers eine Rolle spielt, weil mit zunehmender Wärmeleitfähigkeit die Kälte im Winter rascher in das innere des Schuhs geleitet wird und dadurch schneller kalte Füße bewirkt, haben wir bei allen Materialien dieser Arbeit auch die Wärmeleitfähigkeitszahlen nach der Methode Stather - Schöpel bestimmt.

Tabelle 18:

Dabei zeigte sich indessen, daß zwischen den hier verglichenen Materialien im trockenen Zustand hinsichtlich der Wärmeleitfähigkeit nur geringfügige Unterschiede bestehen. Nur die stärker beschichteten USA-Werkstoffe der Gruppe 5 und ein stärker beschichtetes Material der Gruppe 4 wiesen erheblich höhere Leitfähigkeitswerte auf. In der Nässe wird allerdings die Wärmeleitfähigkeit in dem Maße erhöht wie eine Wasseraufnahme erfolgt und damit das gegen Kälte isolierende Luftpolster innerhalb des Gesamtgefüges durch das besser leitende Wasser, dessen spezifische Wärmeleitfähigkeit fünfzig mal größer als die von Luft ist, ersetzt wird. Daher war dem besonders guten Wasseraufnahmevermögen entsprechend namentlich bei den Ledern eine beträchtliche Steigerung der Wärmeleitfähigkeitszahlen festzustellen. Wir haben indessen in anderem Zusammenhang Untersuchungen durchgeführt, die sich mit Fragen der Hydrophobierung im Hinblick auf die Wärmeleitfähigkeit befassen und dabei festgestellt, daß erwartungsgemäß mit zunehmender Hydrophobierung von Leder auch diese Steigerung der Wärmeleitfähigkeit weitgehend vermieden werden kann.

Eine andere Eigenschaft, die insbesondere bei Arbeitsschuhen und Sicherheitsschuhen eine Rolle spielen kann, ist die Entflammbarkeit der Oberbaumaterialien bei Einwirkung von einseitiger Hitze. Wir haben daher alle Materialien nach dieser Richtung unter Zugrundelegung des DIN-Blattes 53 382 hinsichtlich des Verhaltens bei einseitiger Flammeneinwirkung (Schwenkbrenner-Verfahren) untersucht. Dabei war festzustellen, daß bei dieser Beanspruchung kein Leder entflammte, alle Leder aber verständlicherweise bei stärkerer Flammeneinwirkung eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Schrumpfung erfuhren. Sämtliche Austauschmaterialien haben dagegen bei dieser Prüfung Feuer gefangen, brannten allerdings nach Entfernung der Schwenkbrennerflamme nicht weiter. Eine Ausnahme machten nach dieser Richtung hin die Corfam-Proben, die lichterloh brannten und „gelöscht„ werden mussten. Für Arbeitsschuhe, die in Hitzebetrieben oder beim Schweißen getragen werden, kommt diesen Feststellungen ebenfalls erhebliche Bedeutung zu.

10. Zusammenfassung

Aufgrund der durchgeführten vergleichenden Untersuchungen zwischen verschiedenen Schuhoberbaumaterialien haben sich für Leder eine ganze Reihe von Vorteilen ergeben:

  1. Oberleder weisen wesentlich höhere Festigkeitseigenschaften auf, die schon in trockenem Zustand von keinem untersuchten Austauschmaterial erreicht werden und sich in nassem Zustand teilweise noch erheblich steigern. Leder besitzen also naturbedingt eine wesentlich bessere innere Gefügefestigkeit als die untersuchten Austauschmaterialien. Nachdem bei den Austauschmaterialien auch die Dehnbarkeit bei geringer Belastung nicht grundsätzlich größer ist als bei Leder, sie also nicht die Möglichkeit haben, der ständigen Belastung bei der Gehbewegung stärker auszuweichen, ist zu befürchten, daß sich die geringeren Festigkeitseigenschaften in einer rascheren Ermüdung und vorzeitigen Zermürbung, insbesondere an den in den Gehfalten stärker beanspruchten Teilen, bemerkbar machen.
  2. Oberleder besitzen eine dem jeweiligen Verwendungszweck angepasste bleibende Dehnung, die nicht so hoch ist, daß unerwünschte Deformierungen eintreten, aber doch so ausgeprägt, daß sich das Schuhoberleder in kürzester Zeit der jeweiligen individuellen Fußform anzupassen vermag und der Schuh dann die Bewegung des Fußes beim Gehvorgang nicht mehr stört. Die Austauschmaterialien besitzen diese Eigenschaft nicht, und wenn daraus hergestellte Schuhe einmal drücken, so bleibt dieser Druck auch bei längerer Tragedauer bestehen.
  3. Oberleder verändern unter dem Einfluss der Fußfeuchtigkeit ihre Fläche und vermögen sich daher dem Tagesrhythmus der Volumenänderung des Fußes sachgemäß anzupassen. Die Austauschmaterialien besitzen diese Eigenschaft nicht oder nur in wesentlich geringerem Umfang.
  4. Hinsichtlich des Dauerbiegeverhaltens bestehen zwischen den Werkstoffen keine grundsätzlichen Unterschiede in der Gesamtzahl der ausgehaltenen Faltbeanspruchungen. Unterschiede bestehen insofern, als Leder bei dieser Beanspruchung eine Vielzahl wesentlich feinerer Falten zeigen, die Austauschstoffe zwar weniger, aber tiefe Falten ergaben, die namentlich in Verbindung mit der geringen bleibenden Dehnung zu einem Drücken des Schuhes insbesondere im Zehenansatz führen können.
  5. Leder besitzen eine zweckentsprechende Mikroporosität, die bei sachgemäßer Herstellung und unterstützt durch eine richtige Hydrophobierung eine gute Wasserdichtigkeit und zugleich doch eine gute Atmungsfähigkeit und Wasserdampfdurchlässigkeit gewährleistet. Die meisten Austauschstoffe sind zwar einwandfrei wasserdicht, besitzen aber keine nennenswerte Wasserdampfdurchlässigkeit. Eine Ausnahme machen lediglich die Corfam-Materialien, die sich in dieser Eigenschaft wie Leder verhalten.
  6. Leder besitzen außerdem ein hohes Wasserdampfspeicherungsvermögen, wobei der aufgenommene Wasserdampf nicht nur kapillar, sondern zu einem erheblichen Teil auch mizellar aufgenommen und von den hydrophilen Gruppen der Haut gebunden wird. Diese Kombination einer guten Wasserdampfdurchlässigkeit und eines guten Wasserdampfspeicherungsvermögens ist bei allen geprüften Austauschstoffen nicht vorhanden. Damit wird der Fuß bei Leder als Oberbaumaterial mit Sicherheit trocken gehalten, soweit der Schuhoberteil hierfür maßgebend ist, wenn auch der Schuhunterbau aus hygienisch einwandfreier Brand- und Laufsohle besteht, werden alle Nachteile vermieden, die mit feuchten Füßen zusammenhängen können, wie Auftreten heißer und nasser Füße, vorzeitige Fußermüdung, Wundscheuern der aufgeweichten Haut der Füße und starke Ausbreitung von Fußpilzerkrankungen. Wasserdampfdurchlässigkeit und Wasserdampfspeicherungsvermögen werden durch die Schuhcremebehandlung des Oberleders oder eine Hydrophobierung nicht oder nur verhältnismäßig wenig beeinträchtigt.
  7. Leder zeigen bei einseitiger Flammeneinwirkung keine Entflammung, die Austauschstoffe fangen dagegen Feuer, das im Falle des Corfammaterials auch nach der Flammenentfernung weiter brannte.

Den angeführten Vorteilen des Leders steht in einigen Eigenschaften ein ungünstigeres Verhalten gegenüber den Austauschstoffen oder einigen Gruppen von Austauschstoffen gegenüber:

  1. Leder erfährt bei Wasser- und Schweißeinwirkung eine etwas höhere Flächenschrumpfung, die aber auch in der Größenordnung nicht zu beanstanden ist und durch das bessere Dehnungsverhalten mit Leichtigkeit ausgeglichen wird.
  2. Hinsichtlich des Raumgewichtes und des Gewichtes flächengleicher Proben verhalten sich die untersuchten Austauschmaterialien teils ungünstiger als Leder, teils wie Leder, teils aber auch günstiger. Insbesondere für die Corfam-Materialien ist als Vorzug ein besonders niedriges Raumgewicht und damit ein besonders niedriges Gewicht flächengleicher Proben anzuführen.
  3. Während hinsichtlich Wärmeleitfähigkeit im trockenen Zustand keine Unterschiede bestehen, steigt das Wärmeleitvermögen in der Nässe bei Leder infolge der größeren Wasseraufnahme stärker als bei den meisten Austauschstoffen an. Dieser Nachteil kann aber nach durchgeführten Untersuchungen durch eine sachgemäße Hydrophobierung weitgehend zurückgedrängt werden.

Es ist uns ein ganz besonderes Bedürfnis, Fräulein Annemarie Apfel für ihre verständnisvolle Mitarbeit herzlich zu danken.

Literaturangaben:

  1. 3.Mitteilung: H. Herfeld und G. Königfeld: über einige grundsätzliche Vorteile von Leder gegenüber Austauschstoffen bei Verwendung für Schuhe und Bekleidung, Das Leder 1965, 229.
  2. H. Herfeld und G, Königfeld, Gerbereiwissenschaft und Praxis, Oktober und November 1963.
  3. H. Herfeld und G. Königfeld, Gerbereiwissenschaft und Praxis, Juni und Juli 1964.
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  6. Leder- und Häutemarkt 1965, Heft 6.
  7. H. Herfeld, Gerbereiwissenschaft und Praxis, April 1966.
  8. H. Herfeld und K. Härtewig, Gerbereiwissenschaft und Praxis, Oktober und November 1960.
  9. Das Leder 1959, 16.
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  11. H. Herfeld und O. Endisch, Gerbereiwissenschaft und Praxis, Juli, August und September 1960. H. Herfeld, Gerbereiwissenschaft und Praxis, Mai 1964.
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  13. Mitteilung des Max-Planck-Instituts für Arbeitsphysiologie, Dortmund.
  14. F. Stather und H. Schöpel, Coli. 1942, 259.
  15. H. Herfeld und I. Steinlein, noch nicht veröffentlichte Untersuchungen.


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veroeffentlichungen/sonderdrucke/69_leder-_und_kunststoffe_fuer_den_schuhoberbau_aus_dem_jahre_1967.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/29 19:21 von admin