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Bindemittel für Polyurethan-Zurichtungen

Polyurethane haben seit etwa 1955 eine bedeutende Entwicklung für die Lederzurichtung erfahren. Sie stellen Polyadditionsverbindungen des Isocyanats mit Polyoxyverbindungen (Polyole) dar. Das Prinzip der Polyaddition wurde 1937 von O. Bayer entdeckt. Es beruht auf der Anlagerung der alkoholischen Hydroxylgruppe einer Dioxyverbindung (Polyester oder -äther) an die Isocyanatgruppe eines Dioxycyanats unter Bildung der Urethangruppe als Verbindungsglied.

Urethangruppe:

Die Additionsreaktion beruht auf der Umlagerung bzw. Wanderung von Wasserstoff aus der alkoholischen Oxygruppierung an den Stickstoff des Isocyanats. Das entstandene Urethan enthält weitere freie Hydroxyl- und Isocyanatgruppen, so dass es zur Ausbildung hochmolekularer Verbindungen weiter reagieren kann. Die Polyaddition kann störungsfrei verlaufen, da der Reaktionsmechanismus keine Nebenprodukte abspaltet. In den hochmolekularen Polyadditionsverbindungen ergeben die Oxyverbindungen Weichsegmente, welche für die Elastizität und Flexibilität des Films verantwortlich sind, während die Isocyanate kettenverknüpfende Hartsegmente aus Urethan- oder Harnstoffgruppen bilden, die den Zusammenhalt des Films und seine Festigkeit bestimmen. Bei Verwendung einfacher Polyole und Isocyanate mit jeweils nur zwei funktionellen Gruppen als Ausgangsstoffe erhält man linear verknüpfte Kunststoffe mit hoher Elastizität. Geht man von Produkten aus, die drei oder mehr funktionelle Gruppen aufweisen, so entstehen vernetzte Verbindungen mit gitterartig verknüpften Bindungen. Je stärker das Polyadditionsprodukt vernetzt ist, je enger die Verknüpfungspunkte beisammen liegen, um so starrer und härter wird der gebildete Film. Je nach Auswahl der Ausgangskomponenten können Polyurethane mit weit variierenden Filmeigenschaften gebildet werden. Das Filmverhalten kann weiterhin durch die eingesetzte Menge der vernetzenden Isocyanatkomponente beeinflusst werden.

Die Filmbildung der Polyurethane aus der flüssigen Phase geht durch die härtende Vernetzungsreaktion vor sich. Die beiden reaktiven Komponenten werden getrennt voneinander aufbewahrt und unmittelbar vor der Anwendung miteinander gemischt. Die molekülverknüpfende Isocyanatkomponente wird als Härter, die den Weichsegmentanteil ergebende Polyolkomponente wird als Lack bezeichnet. Die Mischung der beiden Komponenten ergibt den Zweikomponentenlack oder Reaktionslack. Die Lackkomponente muss nicht unbedingt aus noch nicht umgesetzten Polyolen bestehen, sie kann auch aus linear vorvernetzten Polyester- oder Polyätherurethanen in der Form von Urethan-Prepolymeren aufgebaut sein. Solche Prepolymere enthalten noch reaktive Gruppen, die mit Isocyanaten weiter vernetzt werden können. Die Lackeigenschaften können durch Kettenverlängerungsmittel modifiziert werden. Hierzu dienen Di- oder Polyamine, die sich mit dem Isocyanatprepolymeren zu Polyurethanpolyharnstoff umsetzen.

Polyurethanpolyharnstoff:

Vorteil der Zweikomponentenlacke ist, dass die Ausgangsprodukte infolge ihrer relativ niedrigen Molekülgröße in organischen Lösemitteln leicht löslich sind, dass sie Lösungen niedriger Viskosität ergeben und dass sie deshalb mit den für die Lederzurichtung üblichen Auftragsverfahren, z. B. Spritzen oder Gießen, in ziemlich hoher Konzentration angewendet werden können. Nachteil ist die begrenzte Topfzeit, die rasches Verarbeiten der zubereiteten Mischungen und tägliches gründliches Reinigen der Auftragsmaschinen erfordert, da die einsetzende Vernetzungsreaktion die Viskosität ziemlich rasch ansteigen lässt und da das Endprodukt in organischen Lösemitteln unlöslich wird.

Die zeitlich begrenzte Verarbeitungsmöglichkeit von Zweikomponentengemischen kann umgangen werden, wenn man Einkomponenten-Polyurethane verarbeitet. Diese Einkomponentenlacke sind noch nicht vollständig umgesetzte Polyurethane, welche einen geringen Überschuss an freien Isocyanatgruppen enthalten. Sie sind in der Anwendungsform noch in organischen Lösemitteln löslich und härten auf dem Leder durch Vernetzen mit Wasser aus der Feuchtigkeit der Luft oder des Leders nach. Sie sind im Anwendungsverhalten zwar Einkomponentenlacke, nach ihrem Reaktionsmechanismus müssen sie aber als Zweikomponentensystem angesehen werden. Für solche verkappte Zweikomponentenlacke ist es wichtig, dass sie bei der Lagerung in dicht verschlossenen Gefäßen aufbewahrt werden und dass die Gefäße nach Entnahme nur eines Teils des Lacks wieder gut verschlossen werden, damit eine Einwirkung von Feuchtigkeit mit Sicherheit vermieden wird. Sonst vernetzt der Lack vorzeitig während der Lagerung; er wird unlöslich und unbrauchbar. Die reaktiven Einkomponentenlacke können in gleicher Weise wie die Zweikomponentenlacke in hoher Konzentration mit der Ausbildung dicker Schichten zu Lackleder„ oder mit dünner Schichtbildung für besonders widerstandsfähige Lederzurichtungen verwendet werden.

Echte Einkomponentenlacke sind Polyurethane, deren Vernetzung auf eine begrenzte Molekülgröße eingeschränkt ist, so dass sie noch in wenig polaren, mild wirkenden organischen Lösemitteln löslich sind. Sie nehmen in ihrem Filmverhalten eine den Nitrocelluloselacken ähnliche Stellung ein. Sie erreichen nicht die hohe Beständigkeit der stark vernetzten, gehärteten Polyurethane gegen Lösemittel. Deshalb werden auch Produkte herangezogen, die nach dem Prinzip der Einkomponentenlacke aufgebaut sind, die aber in reaktiver Form angewendet werden können. Sie lassen sich durch mehrfunktionelle Isocyanate auf dem Leder noch nachvernetzen und werden dadurch lösemittelbeständig. Die Ansätze sind im Vergleich zu denen der Zweikomponentensysteme länger gebrauchsfähig. Sie sind mehrere Tage lang verwendbar.

Die ursprüngliche Anwendungsart der Polyurethanlacke war auf eine Zurichtung mit dicken, hochglänzend auftrocknenden Schichten ausgerichtet, auf eine Zurichtung, wie sie für den Typ Lackleder charakteristisch ist. Für diese Lederart wurden durch die Polyurethan-Zurichtung Echtheitseigenschaften erzielt, eine Alterungsbeständigkeit und Beanspruchungsfähigkeit erreicht, wie sie mit anderen Zurichtmitteln zuvor nicht erreicht werden konnten. Durch dieses günstige Verhalten ist die Herstellung von Lackleder allgemein zu einer Domäne der Polyurethanlacke geworden. Lackleder ist jedoch ein Artikel, dessen Verwendung und entsprechend auch dessen Herstellung modischen Einflüssen stark ausgesetzt ist. Im allgemeinen wechseln mehrjährige Perioden von Lackmode und lackarmer Mode einander ab. Aus diesem Grund wurde nach weiteren Verwendungsmöglichkeiten der Polyurethanlacke bei der Lederzurichtung gesucht.

Dem Erschließen anderer Zurichtarten kam der Wunsch der Verarbeiter und Verbraucher nach immer stärkerer Beanspruchungsmöglichkeit modisch eleganter Lederartikel, insbesondere von Schuhen, entgegen. Mit dem Ausbreiten von Lederwaren des gehobenen Standards auf einen anwachsenden Kundenkreis wuchsen die Anforderungen, dass modische Eleganz mit der Strapazierfähigkeit normaler Konsumschuhe verbunden werden solle. Die guten Erfahrungen mit der Zurichtung von Polyurethanlackleder legten es nahe, diese Produkte auch für normal zugerichtetes wenig beschichtetes Leder heranzuziehen. So wurde gedecktes und anilinzugerichtetes Leder mit glänzender, seidenmatter oder stumpf matter Oberfläche unter Einsatz von Polyurethanlacken zugerichtet. Als zugkräftiges Werbemittel wurde dafür der Ausdruck Pflegeleichtzurichtung geprägt, eine Zurichtung, die durch Abwischen mit einem feuchten Tuch gereinigt werden kann und sonst keiner weiteren Pflege bedarf.

Andere Anwendungsmöglichkeiten fanden sich für die Zurichtung von Oberleder für stark strapazierte Arbeitsschuhe im Bergbau oder im Hüttenwesen, weitere für die Zurichtung von ebenfalls stark beanspruchtem Polsterleder. Im letzteren Fall liegt ein Vorteil der Polyurethanzurichtung gegenüber der weit verbreiteten Nitrocellulose-Zurichtung darin, dass die Zurichtung weniger brennbar ist. Das kann bei Polstermaterial für Flugzeug- oder Automobilausstattungen wichtig sein.

Beschichten von Spaltleder mit reaktiven Polyurethanen, deren Ausgangskomponenten getrennt einem Mischtopf zugeführt, nach Vermischen auf eine Matrize gesprüht und von dieser auf das Leder übertragen werden, geht nach dem gleichen Reaktionsprinzip wie die Zweikomponentenlacke vor. Auch die gleichen Materialien können dafür verwendet werden. Das Verfahren ist deutlich teurer als die herkömmlichen Methoden der Spaltlederzurichtung. Es ist daher auf spezielle Einsatzgebiete beschränkt, bei denen besonders hohe Anforderungen an die Spaltlederveredlung gestellt werden.

Ein wesentlicher Fortschritt, welcher der allgemeinen Einsatzmöglichkeit von Polyurethanen neuen Auftrieb gab, war die Entwicklung wässriger Polyurethandispersionen. Obwohl die erste Synthese solcher Produkte bereits 1942 durchgeführt worden warm, wurden die Dispersionen erst 1965 für die Lederzurichtung herangezogen. Die wesentlichen Schwierigkeiten der ungenügenden Dispersionsstabilität mussten zuvor überwunden werden.

Wässrige Polyurethandispersionen können sowohl durch externe wie auch durch interne Emulgierung gebildet werden. Bei externem Emulgieren werden die Filmbildner durch Emulgatorzusatz in Apparaturen mit hoher Scherkraftaktivität mit Wasser gemischt. Die reaktiven Komponenten sind von Wasserhüllen umgeben und durch diese voneinander getrennt. Sie reagieren erst miteinander, wenn nach Auftragen der Dispersion auf Leder das Wasser verdunstet. Nachteil der extern emulgierten Dispersionen ist ihre Empfindlichkeit gegen Hitze, gegen die Scherkraftwirkung von Pumpen oder Düsen der Auftragsgeräte und gegen organische Lösemittel, welche gelegentlich als Verdünner benutzt werden. Außerdem kann der vorhandene Emulgator die Nässebeständigkeit des auf dem Leder gebildeten Films beeinträchtigen.

Interne Emulgierung wird durch den Einbau hydrophiler Gruppen in das Polyurethanmolekül bewirkt. Der emulgierende Anteil ist Bestandteil der Filmsubstanz. Er besteht aus hydrophilen Carboxy- oder Sulfogruppen, die zwischen den überwiegend hydrophoben, langkettigen Weichsegmenten eingelagert sind“. Wegen des ionischen Charakters der emulgierenden Gruppen werden die Produkte als Ionomere bezeichnet. Sie lassen sich leicht in Wasser dispergieren, wobei die Tröpfchen in der Innenzone die hydrophoben Polyester- oder Polyäthersegmente, an der Außenschicht Urethan-, Harnstoff- und ionische Salzgruppen aufweisen. Durch diesen Aufbau sind die Polyesterkomponenten gegen hydrolytisches Aufspalten geschützt.

Die selbstemulgierenden, emulgatorfreien Polyurethanionomeren stellen die interessanteste Gruppe der in wässriger Verdünnung anwendbaren Polyurethane dar. Sie ergeben Filme von hoher Reiß- und Reibfestigkeit und sind auch infolge von Wechselwirkungen zwischen den polaren hydrophoben Molekülsegmenten gut nässebeständig. Die Naßreibechtheit ist allerdings nicht so gut wie bei Filmen, die aus Polyurethanlösungen gebildet werden. Sie kann aber durch Nachvernetzen des Films mit sauren Fixiermitteln verbessert werden und erfüllt dann hohe Anforderungen. Der Einfluss der hydrophilen ionischen Gruppen geht dahin, dass Carboxylgruppen-Ionomere bessere Haftfestigkeit und höheren Glanz, allerdings auch etwas geringere Stabilität der Polyurethandispersion ergeben als Sulfogruppen-Ionomere.

Anwendungstechnisch sind die emulgatorfreien, anionischen Polyurethandispersionen zweifellos am interessantesten. Sie benetzen die Lederoberfläche gut und gleichmäßig, verlaufen zu einem homogenen, gut füllenden Film, der das natürliche Aussehen des Ledernarbens weitgehend erhalten lässt. Die Zurichtung bleibt weich und geschmeidig und wird auch bei tiefer Kälte bis zu -30°C nicht brüchig. Die Dispersionen sind für die Zurichtung von weichem und dehnbarem Leder, z. B. von Nappabekleidungsleder, gut geeignet. Sie können auch mit Vorteil für Möbel-, Galanterie- oder Schuhoberleder herangezogen werden. Nachteilig ist der gegenüber anderen Zurichtbindemitteln höhere Preis der Polyurethane. Er kann dadurch ausgeglichen werden, dass man lösemittelfrei arbeiten und mit relativ wenigen Aufträgen gute Echtheitseigenschaften erzielen kann.



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lederherstellung/zurichtung/bindemittel_fuer_polyurethan-zurichtungen.txt · Zuletzt geändert: 2019/04/28 19:04 von admin